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Bundesgerichtshof
Urt. v. 08.06.1962, Az.: V ZR 171/61

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
08.06.1962
Aktenzeichen
V ZR 171/61
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1962, 14437
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 23.06.1961
LG München II

Fundstellen

  • MDR 1962, 811 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1962, 1722-1723
  • ZZP 1963, 96-97

Prozessführer

1. des Maschinisten Roman K. in M., St. Straße ...,

2. der Ehefrau Elisabeth W. geborene G. in N. Y., Wes, ... Street,

Prozessgegner

den Fabrikanten Helmut Sch. in B., F.weg ...,

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Zulässigkeit eines Teilurteils gegen einen der mehreren notwendigen Streitgenossen.

hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Vorhandlung vom 8. Juni 1962 unter Mitwirkung der Bundesrichter Dr. Hückinghaus, Dr. Augustin, Dr. Rothe, Dr. Freitag und Offterdinger für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Juni 1961, an Verkündungs Statt den Parteien zugestellt am 26. und 27. Juni 1961, wird auf Kosten der Beklagten zu 2 zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Mit notariellem Vertrag vom 29. September 1949 verkauften die Beklagten, die damals noch miteinander verheiratet waren und im gesetzlichen Güterstande lebten, an den Kläger den südlichen, durch einen Zaun näher abgegrenzten Teil (etwa 1.417 qm) ihres Grundstückes Plan-Nr. 435 der Gemeinde P. zum Preise von 1.800 DM. Das Grundstück gehörte ihnen als Miteigentümern je zur Hälfte. Der verkaufte Teil des Grundstücks wurde später vermessen; aus ihm wurden die Plan-Nr. 435/3 , 435/5 und 435/6 gebildet. Die Beklagten sind inzwischen rechtskräftig geschieden worden.

2

Mit der Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der beiden Beklagten zur Auflassung der bezeichneten drei Parzellen. Er stellte aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht diesen Antrag nur gegen die Beklagten zu 2, weil der Beklagte zu 1 schon zu notarieller Urkunde vom 23. November 1957 die Auflassung erklärt hatte.

3

Die Beklagte zu 2 beantragt Abweisung der Klage. Sie bestreitet die Identität der im Klageantrag bezeichneten Grundflächen mit der verkauften Grundfläche und behauptet, vor Beurkundung des notariellen Vertrages sei ein weitaus höherer Kaufpreis vereinbart worden, der beurkundete Preis sei nur ein Scheinpreis. Der Vertrag sei deshalb nichtig. Im übrigen macht die Beklagte Rücktritt vom Vertrag geltend, weil sie den ihr zustehenden Anteil an der Kaufsumme von ihrem damaligen Ehemann nicht erhalten habe.

4

Das Landgericht gab durch Teilurteil vom 20. Januar 1962 der Klage gegen die Beklagte zu 2 statt. Deren Berufung hatte keinen Erfolg.

5

Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter; der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

6

1.

Das Berufungsgericht läßt dahingestellt, ob die Parteien eine "Unterverbriefung" des Kaufpreises vorgenommen haben. Denn auch in diesem Falle sei der Kaufvertrag nicht nichtig. Nach §4 der Grundstückspreisverordnung vom 7. Juli 1942 gelte dann der beurkundete Preis als vereinbart. Diese Vorschrift sei durch §186 Nr. 65 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 aufgehoben worden. Doch habe diese Regelung keine rückwirkende Kraft. Daß der schuldrechtliche Kaufvertrag noch nicht zur Übertragung des Eigentums auf den Kläger geführt habe, sei für die rechtliche Würdigung ohne Bedeutung. Auf das Vorbringen des Klägers, der Einwand der "Unterverbriefung" stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, brauche mithin nicht mehr eingegangen zu werden.

7

Diese Ausführungen enthalten keinen Rechtsirrtum. Sie stehen mit der Auffassung des erkennenden Senates über die Nichtrückwirkung des §186 Nr. 65 des Bundesbaugesetzes in Einklang, die in der bereits vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung vom 8. Februar 1961, V ZR 118/39 (LM BBauG §186 Nr. 1 = WM 1961, 393 = MDR 1961, 401) näher begründet wurde. An ihr hält der Senat nach erneuter Prüfung fest. Die Revision meint hierzu lediglich, durch das Bundesbaugesetz sei neues öffentliches Recht geschaffen worden, das auf die noch nicht völlig zum Abschluß gelangten Rechtsgeschäfte aus der vorhergehenden Zeit sofort anzuwenden sei. Dabei verkennt sie, daß die Grundstückspreisverordnung für die hier in Betracht kommenden Rechtsbeziehungen bürgerliches Recht geschaffen hat. Mit der Aufhebung dieser Bestimmungen hielt sich also der Bundesgesetzgeber im Bereich des bürgerlichen und nicht in dem des öffentlichen Rechtes.

8

2.

Außerhalb der Revisionsrüge gibt das angefochtene Urteil zu folgenden Ausführungen Anlaß:

9

Die Beklagten sind als Miteigentümer je zur Hälfte der streitigen Grundstücke im Grundbuch eingetragen; sie konnten, jeder Berechtigte für sich, den Miteigentumsanteil an Dritte übertragen. Die Parzellen waren aber im ganzen nur gemeinschaftlich durch beide Berechtigte zu übertragen (§§1008, 747 Satz 2 BGB). Konnten die Beklagten nur gemeinschaftlich über die Grundstücke verfügen (nicht etwa nur über jeweilige Miteigentumsanteile), so sind sie, auf Auflassung der Grundstücke verklagt, als notwendige Streitgenossen im Sinne des §62 ZPO anzusehen (Urteil des erkennenden Senats vom 29. November 1961, V ZR 181/60; BGHZ 36, 187, 188) [BGH 29.11.1961 - V ZR 181/60]. Im Falle einer notwendigen Streitgenossenschaft darf über die Klage nur einheitlich entschieden werden. Es ist grundsätzlich nicht zulässig, ein Teilurteil nur gegen einen der Streitgenossen zu erlassen und die Entscheidung im übrigen in einem weiteren (Schluß) Urteil zu treffen (RGZ 132, 349; RG JW 1912, 147). Ergeht dessen ungeachtet ein Teilurteil lediglich gegen einen der mehreren notwendigen Streitgenossen, so liegt nicht nur ein auf entsprechende Rüge beachtlicher Verfahrensmangel vor, das Verfahren leidet vielmehr an einem von Amts wegen zu beachtenden Fehler (OGH NJW 1950, 597, 598 [OGHBrZ Köln 26.01.1950 - I ZS 26/49]; BVerwGE 3, 208, 211 [BVerwG 19.03.1956 - V C 265/54]; Haueisen, NJW 1961, 2329, 2332 II).

10

Es erhebt sich daher die Frage, ob das landgerichtliche Teilurteil und das dieses Teilurteil bestätigende Berufungsurteil, beide nur gegen die Beklagte zu 2 erlassen, aufrecht erhalten werden können. Der Senat bejaht dies unter den besonderen hier gegebenen Umständen.

11

Die Rechtsprechung hat unter Billigung des Schrifttums Klageerhebung nur gegen einzelne notwendige Streitgenossen zugelassen, wenn die übrigen vor Klageerhebung erklärt hatten, zu der mit der Klage begehrten Leistung verpflichtet und bereit zu sein. In einem solchen Falle laufe, so wurde mit Recht ausgeführt, die Hereinziehung der leistungswilligen Streitgenossen in den Rechtsstreit gegen die übrigen, eine Leistungspflicht bestreitenden Streitgenossen auf eine unnötige und Kosten verursachende Formalität hinaus (RGZ 112, 129, 132; 111, 338, 339; WarnR 1926 Nr. 93 a.E.; Stein/Jonas/Schönke, ZPO, 18. Aufl, §62 Anm. III 1 Abs. 3).

12

Der Beklagte zu 1 hatte bereits im Jahre 1957 die Auflassung hinsichtlich des verkauften und vermessenen Grundstücksteiles erklärt. In der Folgezeit wurde zwar die Plannummerbezeichnung dieses Teiles geändert, aus einer Plannummer wurden zwei neue gebildet. Das ist aber für die rechtliche Beurteilung nicht wesentlich. Das Grundbuchamt kann aus den Messungsverzeichnissen den Sachverhalt ersehen und danach die Auflassungserklärung des Beklagten zu 1 richtig werten. Dieser hat denn auch in der Folgezeit an der Auflassungserklärung festgehalten und seine Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung nicht in Abrede gestellt.

13

Die Klage hätte somit gegen die Beklagte zu 2 allein dahin erhoben werden können, daß sie in Gemeinschaft mit ihrem früheren Ehemann, dem Beklagten zu 1, die streitigen Parzellen an den Kläger aufzulassen habe; einer Hereinziehung des seine Leistungspflicht nicht bestreitenden Beklagten zu 1 in den Rechtsstreit hätte es nämlich auf Grund der erwähnten Rechtsprechung nicht bedurft, zumal da der Beklagte die Auflassung seinerseits bereits erklärt hatte. Er hätte demzufolge nach Klageerhebung auch aus dem Rechtsstreit ausscheiden können (Klagerücknahme, Vergleich etc.), ohne daß dadurch die Zulässigkeit der dann allein noch anhängigen Klage gegen die Beklagte zu 2 wegen etwa fehlender Sachlegitimation zweifelhaft geworden wäre. In einem so gelagerten Fall läßt sich aber aus gleichen Erwägungen, die die Rechtsprechung für die ausnahmsweise Zulassung einer Klage gegen nur einen der notwendigen Streitgenossen ins Feld geführt hat, auch ein Abgehen von dem Gebot der einheitlichen Entscheidung gegen alle beklagten notwendigen Streitgenossen und von der Unzulässigkeit eines Teilurteils gegen einen von ihnen rechtfertigen. Ein Festhalten an diesem Gebot würde hier zu einer unnötigen Überspitzung einer Verfahrensregel führen und dem Grundsatz der Prozeßwirtschaftlichkeit widersprechen.

14

Mithin liegt ein zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führender Verfahrensverstoß im Erlaß und in der Bestätigung des Teilurteils nicht vor.

15

Nach allem kann das Rechtsmittel der Beklagten zu 2 keinen Erfolg haben.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf §97 ZPO.

Dr. Hückinghaus Dr. Augustin Rothe Dr. Freitag Offterdinger