Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.06.1961, Az.: 4 StR 176/61
Entschuldbarkeit einer Überschreitung der Notwehr; Verwendung eines Messers in plötzlicher Anwandlung von Furcht; Verwertung von Umständen nur zum Nachteil des Angeklagten trotz Eignung zur Beeinflussung der Beurteilung zugunsten des Angeklagten; Schuldlose Verstrickung in eine Schlägerei; Bestrafung eines schuldhaft an einer Schlägerei Beteiligten bei Eintritt schwerer Folgen bei ihm; Fortführung derselben Schlägerei
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 16.06.1961
- Aktenzeichen
- 4 StR 176/61
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1961, 11859
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Essen - 13.01.1961
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHSt 16, 130 - 133
- MDR 1961, 781 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1961, 1732 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge
Amtlicher Leitsatz
Wegen Raufhandels wird auch derjenige bestraft, der sich erst nach Verursachung einer in § 227 Abs. 1 StGB bezeichneten schweren Folge an der Schlägerei schuldhaft beteiligt (im Anschluß an BGHSt 14, 132).
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 16. Juni 1961,
an der teilgenommen haben:
Bundesrichter Krumme als Vorsitzender,
Bundesrichter Dr. Sauer,
Bundesrichter Martin,
Bundesrichter Prof. Dr. Lang-Hinrichsen,
Bundesrichter Dr. Flitner als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt ... in der Verhandlung,
Oberstaatsanwalt Dr. Dr. ... bei der Verkündung ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Auf die Revision des Angeklagten Ho. wird das Urteil des Schwurgerichts in Essen vom 13. Januar 1961, soweit der Angeklagte verurteilt ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfange wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Schwurgericht zurückverwiesen.
- II.
Die Revisionen der Angeklagten J. und Hi. werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Der Angeklagte Ho. ist unter Anrechnung der Untersuchungshaft wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei weiteren Fällen und Raufhandel zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, der Angeklagte Guido J. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Raufhandel zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten, der Angeklagte Hi. wegen Raufhandels zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten. Die gegen Guido J. erkannte Strafe hat das Schwurgericht zur Bewährung ausgesetzt. Das von Ho. bei der Tat benutzte Messer sowie der Guido J. gehörige Totschläger sind eingezogen worden.
Die Angeklagten haben Revision eingelegt. Sie rügen die Verletzung sachlichen Rechts. Ho.'s Revision ist begründet, die Rechtsmittel J. und Hi.'s sind es nicht.
Der Verurteilung der drei Angeklagten hat das Schwurgericht folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:
Der Arbeiter W., der Angeklagte Hi. und die rechtskräftig freigesprochenen Mitangeklagten P. und N. standen in der Nacht vom 20. zum 21.9.1959 nach vorangegangenem Besuch der Gaststätte des Angeklagten Guido J. dieser gegenüber in einer Vierergruppe beisammen, als der Elektriker R. vorbeiging. Mit ihm kam es, da W. ihn belästigte, zu einer Schlägerei. Währenddem trat Guido J. vor die Tür seiner Gastwirtschaft, um nach Hi. und P. auszuschauen, die ihn seiner Meinung nach beide um die Zeche geprellt hatten,. Nachdem er die Schlägerei wahrgenommen hatte, kehrte er in seine Gastwirtschaft zurück und bemerkte gegenüber seinem Sohn Benno in Bezug auf die Zechprellereien: "Diese Frechheiten wollen wir uns nicht bieten lassen." Auf seine Aufforderung, mit hinauszukommen, folgten ihm sein Sohn und der Angeklagte Ho., den er angewiesen hatte, ihm und seinem Sohn für den Fall den Rücken zu decken, daß man sie von hinten angriffe. Guido und Benno J. trugen je einen Totschläger bei sich, Ho. ein zusammengeklapptes feststellbares Messer mit scharfer schmaler, spitz zulaufender Klinge von etwa 12 cm Länge. Guido und Benno J. sowie Ho. ging es nicht nur darum, von Hi. und P. die geringe Zechschuld von je 0,35 DM einzutreiben, sondern sie beide vielmehr in erster Linie wegen ihres Verhaltens in der Gastwirtschaft "zur Rede zu stellen." Insbesondere wollten sie Hi. "eine Lektion erteilen", weil er Guido J.'s Ehefrau gegenüber von ihrem "Scheißbier" gesprochen hatte. Dabei rechneten sie damit, daß es zu einer tätlichen Auseinandersetzung kommen werde. Als die drei auf die durch Hi., N., P. und W. gebildete Gruppe zugingen, rief R. laut, "daß man ihn eben hier überfallen habe". Benno J. näherte sich, von Guido J. und Ho. gefolgt, dem Angeklagten Hi., einem untersetzten, kräftigen, breitschultrigen Manne, faßte an seine Jacke und forderte ihn zur Zahlung seiner Zechschuld auf, wobei er den Ausdruck "du Bulle!" gebrauchte. Hi. versetzte daraufhin Benno J. einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht, so daß dieser rückwärts gegen seinen hinter ihm stehenden Vater taumelte. Beide J.'s zogen jetzt ihre Totschläger aus ihren Taschen. Benno J. griff in Hi.'s Haar und zog Hi. vornüber. Nunmehr schlugen beide mit ihren Totschlägern auf Hi.'s Kopf ein. Hi. geriet schließlich auf die Fahrbahn der H.straße. Auch dort schlugen sie weiter auf ihn ein, obwohl er infolge der ihm zugefügten Verletzungen irgend erhebliche Angriffshandlungen nicht mehr durchführen konnte, bis er zu Boden gegangen war. Es gelang ihm schließlich davonzulaufen, doch wurde er wieder eingeholt.
Zur gleichen Zeit, als die beiden J.'s die Vierergruppe erreicht hatten, "die kurz zuvor "einige Meter" die H.straße hinaus zurückgegangen war", kam auch Ho. hinzu. Nach seiner unwiderlegten Einlassung trat ihm W. entgegen und versetzte ihm einen Faustschlag ins Gesicht. Ho. setzte sich zur Wehr und benutzte hierbei zunächst einen Schlüsselbund, mit dem er auf W. einschlug. Alsdann griff er jedoch zu seinem Messer, ließ es aufspringen und stach und schlug damit auf W. sowie Hi. und P. ein. Letzterer hatte sich ebenso wie N. an der tätlichen Auseinandersetzung nicht beteiligt. W. erhielt einen Stich, der 10 cm tief in seine Bauchhöhle eindrang, sowie einen leichteren Stich gegen den Oberarm. Er löste sich aus der Gruppe und brach 60-70 m weiter zusammen; er starb an den Folgen des tiefen Stiches. Hi. erhielt 6 Stiche, einer davon drang tief in seine Bauchhöhle ein und verletzte den Darm. Er geriet "in akute Lebensgefahr" und mußte ins Krankenhaus eingeliefert werden, wo er operiert wurde. Doch blieb er am Leben.
Ho. hatte zur Zeit der Tat 1,65 Promille Alkohol im Blut, Hi. 2,0 Promille. Bei Guido J. ergab sich für den Zeitpunkt der Blutentnahme eine so geringe Blutalkoholkonzentration, daß eine Rückrechnung auf den Zeitpunkt der Tat nicht möglich war.
I.
Die Revision des Angeklagten Ho.
1.
Die Darlegungen des Schwurgerichts im angefochtenen Urteil lassen, soweit sie die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge betreffen (§§ 223, 226 StGB), insoweit jedenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen, als das Schwurgericht zu dem Ergebnis gelangt, der Angeklagte könne sich deshalb nicht auf Hotwehr berufen, weil die Art und Weise, in der er sein außerordentlich gefährliches Messer benutzte, sein Verhalten als völlig maßlos erscheinen lasse. Es erübrigt sich schon deswegen, auf die Annahme des Schwurgerichts einzugehen, der Angeklagte hätte, wenn er sich auf bloße Abwehrhandlungen hätte beschränken wollen, den ihm körperlich und faustkämpferisch überlegenen W. darauf hinweisen müssen, daß er bei Fortsetzung der Angriffe von seinem Messer Gebrauch machen werde, "eine derartige Drohung hätte nach der Überzeugung des Gerichts völlig ausgereicht, zumal der Angeklagte Ho. sich der Unterstützung der beiden J.'s sicher sein könnte."
2.
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegen jedoch die Darlegungen des angefochtenen Urteils, wonach die Überschreitung der Notwehr durch den Angeklagten nicht entschuldbar sei (§ 53 Abs. 3 StGB).
a)
Nach diesen Ausführungen war der Angeklagte sich bewußt, in eine Schlägerei zu geraten, als er die Gastwirtschaft verließ. Dieses Bewußtsein mußte sich bei ihm noch steigern, als er von R. hörte, daß unmittelbar vorher schon eine Schlägerei stattgefunden hatte. Anschließend heißt es: "Der unwiderlegte Angriff W.'s mit einem Fausthieb traf den Angeklagten also nicht unvorbereitet und unerwartet. Bestürzung oder Schrecken scheiden somit von vornherein als Ursache seines Verhaltens aus."
Diese Folgerungen sind in dieser Allgemeinheit nicht schlüssig. Wenn Ho. auch mit einer Schlägerei rechnete, weil er mitgegangen war, um Hi. eine Lektion zu erteilen, und dabei Guido und Benno J. Rückendeckung gewähren sollte, falls sie von hinten angegriffen würden, so schließt das doch nicht aus, daß er in Furcht und Schrecken geriet, als er sich überraschend von W. angegriffen sah, der im Urteil als untersetzter, kräftiger junger Mann geschildert wird, deutlich unter Alkoholeinfluß stand und ihn schon in der Gastwirtschaft J. "angepöbelt" hatte. Das Urteil stellt nämlich nicht fest, daß er W. in der dicht zusammenstehenden Vierergruppe bemerkte, als er sich ihr, hinter Benno und Guido J. gehend, näherte, so daß er noch vor Beginn der Tätlichkeiten auf einen Angriff W.'s gefaßt sein konnte. Auch ist nicht ersichtlich, ob Ho. seinen Angreifer W. körperlich gewachsen war.
b)
Das Schwurgericht hält zudem ohne rechtlich einwandfreie Begründung für ausgeschlossen, daß Ho. das Messer in einer plötzlichen Anwandlung von Furcht benutzt hat. Es meint, dagegen spreche nicht nur die Tatsache, "daß er von vornherein die tödliche" - offensichtlich gemeint "tätliche" - Auseinandersetzung mit einer Gruppe von Leuten, die er als Rowdies erkennen mußte, in Kauf nahm, sondern insbesondere die Art. wie er von dem Messer Gebrauch machte, nämlich unangekündigt und so schnell, daß keiner von den Beteiligten etwas merkte, und daß er sich nicht darauf beschränkte, W. als seinem eigentlichen Kontrahenten einen Stich zu versetzen, sondern auf P. und Hi. gleichfalls einstach.
Diese Darlegungen legen die Annahme nahe, der Tatrichter habe die sich nach dem Sachverhalt aufdrängende Möglichkeit außer acht gelassen, daß Ho., wenn er auch allgemein auf eine Schlägerei gefaßt war, dennoch durch die entschlossene Art. in der W. sofort zum Angriff gegen ihn vorging, und die unmittelbare Nähe von dessen Begleitern P. und N., deren Verhalten für ihn nicht voraussehbar war, von plötzlicher Furcht übermannt worden sein könnte, weil er auch Angriffe der beiden Begleiter erwartete. Diese Erwartung lag für ihn deshalb besonders nahe, weil er in der Gaststätte schon einen Wortwechsel mit P. gehabt hatte (UA S. 7). Gerade die Art. in der Ho. um sich stach, könnte dafür sprechen, daß er infolge der Übermacht seiner Gegner von plötzlicher Furcht ergriffen wurde, zumal er sonst allgemein als ruhiger, zurückhaltender und besonnener Mann gilt (UA S. 3 und 35). Das Schwurgericht nimmt auch selbst an, daß Ho. sich in einem situationsbedingten Affekt befunden habe und infolge alkoholischer Beeinflussung (1,65 Promille) enthemmt gewesen sei.
Danach hat das Schwurgericht aus dem Sachverhalt ersichtliche Umstände zum Teil überhaupt nicht, zum Teil auch nur zum Nachteil des Angeklagten gewertet, obwohl sie geeignet sind, die Beurteilung zugunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Das aber ist ein sachlich-rechtlicher Fehler, der zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge nötigt (vgl. Löwe-Rosenberg 20. A. § 267 StPO Anm, 6 a). Sie zieht auch die Aufhebung seiner Verurteilung wegen Körperverletzung in zwei weiteren Fällen und wegen Haufhandels nach sich, da letztere Straftaten in Tateinheit mit der Körperverletzung mit Todesfolge begangen worden sind.
3.
Das Schwurgericht, an das die Sache zurückzuweisen ist, wird sich bei neuer Verhandlung und Entscheidung auch mit den hier nicht behandelten Angriffen der Revision auseinanderzusetzen haben.
Gelangt es auf Grund seiner neuen Feststellungen wiederum zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung, so wird es bei der Schilderung des Sachverhalts - deutlicher als im angefochtenen Urteil - erkennbar werden lassen müssen, ob W. dem Angeklagten nur einen Schlag oder mehrere Schläge versetzt hat. Hat der Angeklagte einen sich mehrfach wiederholenden Schlagwechsel mit W. gehabt, wie er sich eingelassen hat (UA S. 16, 17, vgl. auch S. 26 "mit den Fäusten ausgetragener Angriff W.'s"), so wird das Schwurgericht dazu Stellung zu nehmen haben, ob der Angeklagte geglaubt haben kann, die von ihm geführten Messerstiche seien erforderlich gewesen, um die Angriffe abzuwehren. Dabei könnten unter Umständen auch Gespräche des Angeklagten mit anderen nach der tätlichen Auseinandersetzung Bedeutung gewinnen, in denen er sich über die Gefährlichkeit des Verhaltens W.'s geäußert hat. In diesem Zusammenhang sind auch die Hinweise zu I 2 b bedeutsam.
4.
Der Verurteilung des Angeklagten wegen Raufhandels nach § 227 Abs. 1 StGB könnte entgegenstehen, daß der Angeklagte ohne sein Verschulden in die Schlägerei verstrickt worden ist. Das wäre dann der Fall, wenn er den Angriff W.'s von vornherein und fortdauernd nur in berechtigter oder vermeintlicher Notwehr begegnet wäre, es sei denn, daß sein Verhalten vor W.'s Angriff auf Grund der neu zu treffenden Feststellungen, etwa wegen aufreizenden Verhaltens oder weil er an den Tatort gegangen ist, um Benno und Guido J. dabei Hilfe zu leisten, Hi. eine Lektion zu erteilen, zu der begründeten Annahme führte, er sei schon dadurch nicht ohne sein Verschulden in die Schlägerei verstrickt worden (vgl. RG JW 1925, 2470 Nr. 5; HRR 1934, Nr. 673; 4 StR 645/52 vom 7.5.1953, 5 StR 358/59 vom 13.10.1959, beide nicht veröffentlicht). Denn entschuldbar ist nur der, der hinsichtlich seiner gesamten Beteiligung an der ein einheitliches Ganzes darstellenden Schlägerei unbelastet ist. Gegenüber dem Vorwurf, sich schuldhaft an einer Schlägerei beteiligt zu haben, ist die Verteidigung wirkungslos, in irgendeinem Abschnitt der Schlägerei sich gegenüber einem Angriff in Notwehr, berechtigter oder vermeintlicher, befunden zu haben. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 227 StGB besteht in solchem Falle ungeachtet der möglichen Nichtverantwortlichkeit für eine innerhalb der Schlägerei zum Zwecke der Selbstverteidigung zugefügten Körperverletzung (so schon RGSt 3, 236, 238, ebenso 5 StR 358/59 vom 13.10.1959; im übrigen vgl. LK 8. Aufl, § 227 StGB Anm, II 2 b und III).
II.
Die Revision des Angeklagten Guido Ja.
Die Darlegungen des angefochtenen Urteils mit denen J.'s Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung des Angeklagten Hi. in Tateinheit mit Raufhandel und die Einziehung des J. gehörigen Totschlägers gerechtfertigt werden, lassen keinen rechtlichen Fehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die Angriffe der Revision gehen fehl.
1.
Sie wendet sich zu Unrecht gegen die Annahme des Schwurgerichts, wonach die von Guido J. gegen Hi. geführten Schläge jedenfalls von dem Augenblick an nicht mehr durch Notwehr gerechtfertigt waren, als Hi., auf die Fahrbahn der H.straße gelangt, keinerlei Gegenwehr mehr gegen die Angriffe des Angeklagten und seines Sohnes Benno leistete und leisten konnte, sondern sich nur noch dem Zugriff der beiden zu entziehen suchte.
Ohne Rechtsirrtum hat das Schwurgericht verneint, daß sich Guido J. auf § 53 StGB oder § 229 BGB oder § 127 StPO noch habe berufen können, als er mit dem Totschläger gegen Hi. in einem Zeitpunkt vorging, in dem dessen Widerstand infolge der erlittenen Verletzung bereits gebrochen war und er sich nur noch dem Zugriff des Benno J. zu entziehen suchte. In diesem Augenblick "bedurfte es der Schläge mit dem Totschläger nicht mehr", damit Guido J. sich der Person Hi. bemächtigte, "zumal der Angeklagte J. ihm (Hi.) nicht allein gegenüberstand, sondern die Unterstützung seines Sohnes Benno hatte" (UA S. 32).
2.
Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Revision auf die rechtlichen Ausführungen des Schwurgerichts zur Anwendung des § 227 Abs. 1 StGB.
a)
Zutreffend hebt der Beschwerdeführer wohl hervor, das Schwurgericht sei davon ausgegangen, daß das Verhalten des Angeklagten jedenfalls erst von dem Zeitpunkt an als schuldhafte Beteiligung an der Schlägerei anzusehen sei, "indem er, ohne sich auf Notwehr, Nothilfe und Putativnotwehr berufen zu können, auf den Angeklagten Hi. mit dem Totschläger einschlug" (UA S. 33). Ebenso zutreffend bemerkt die Revision, daß das Schwurgericht der Ansicht des Reichsgerichts folge, wenn es für rechtlich unerheblich halte, "daß in diesem Zeitpunkt der Angeklagte Ho. W. die tödliche Verletzung bereits beigebracht hatte" (vgl. RGSt 72, 73).
Der Senat hat in seiner Entscheidung 4 StR 557/59 vom 5.2.1960 (BGHSt 14, 132 ff) im Anschluß an das erwähnte Erkenntnis des Reichsgerichts ausgesprochen, daß der an einer Schlägerei schuldhaft Beteiligte, bei der die in § 227 Abs. 1 StGB bezeichnete schwere Folge eintritt, auch dann nach der genannten Vorschrift zu bestrafen ist, wenn er seine Beteiligung zu einem Zeitpunkt aufgibt, zu dem diese Folge von den Mitbeteiligten noch nicht verursacht worden ist. Dagegen hat er in seiner Entscheidung (BGHSt a.a.O. S. 134) ausdrücklich offen gelassen, ob es für die Bestrafung eines Täters nach § 227 Abs. 1 StGB ausreicht, wenn er sich einer Schlägerei erst anschließt, nachdem der Tod oder die schwere Körperverletzung von anderen Tätern bereits herbeigeführt war. Diese Frage brauchte damals nicht entschieden zu werden. Sie stellt sich dagegen im vorliegenden Falle. Der Senat bejaht sie.
Er hat schon in der erwähnten Entscheidung ausgeführt, daß § 227 Abs. 1 StGB als reines Gefährdungsdelikt geschaffen worden ist, wie das Reichsgericht ebenfalls in zahlreichen Entscheidungen hervorgehoben hatte (vgl. insbes. RGSt 59, 107, 112 mit Hinweisen und RGSt 36, 174, 175 im Vergleich mit Landfriedensbruch). Die Strafandrohung des § 227 Abs. 1 StGB rechtfertigt sich damit, daß Schlägereien zwischen mehr als zwei Personen häufig schwere Folgen haben und daß wegen dieser Gefährlichkeit schon der Beteiligung an einer solchen Schlägerei entgegengewirkt werden soll. Sie verdankt ihre Entstehung den Beweisschwierigkeiten, die sich meistens bei den undurchschaubaren Vorgängen einer Schlägerei hinsichtlich der Person der Verursacher und der dabei vorkommenden schweren Verletzungen ergeben. Daher muß der Umstand, daß durch die Schlägerei der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung verursacht worden ist, zu der Beteiligung am Raufhandel nur als objektive Strafbarkeitsbedingung hinzutreten. Ohne Bedeutung ist dagegen, ob das Tun des schuldhaft Beteiligten ursächlich für die eingetretenen schweren Folgen geworden ist. Sogar dann, wenn feststeht, daß ein anderer die schweren Folgen unmittelbar herbeigeführt hat, bleibt dies rechtlich ohne Bedeutung (vgl. RG Recht 1906, 946). Genügt es danach, daß eine der in § 227 Abs. 1 StGB gekennzeichneten Folgen in ursächlichem Zusammenhang mit dem Gesamtvorgang der Schlägerei steht, während der ursächliche Zusammenhang zwischen der Beteiligung des einzelnen an der Schlägerei und ihrer objektiven Gesamtwirkung für die Strafbarkeit der Beteiligung als solcher dagegen rechtlich unerheblich ist (vgl. schor RGSt 8, 369, 370), so ist der Tatbestand des § 227 StGB verwirklicht, gleichviel wann der einzelne in die Schlägerei schuldhaft verstrickt worden ist, ob zu einem Zeitpunkt, in dem die schweren Folgen der tätlichen Auseinandersetzung bereits eingetreten waren oder noch nicht. Es wäre mit dem kriminalpolitischen Zweck der Strafbestimmung nicht zu vereinbaren, wenn die Beteiligung am Raufhandel erst nach der Tötung oder schweren Körperverletzung oder das endgültige Ausscheiden des Beteiligten vor deren Eintritt die Straflosigkeit begründete (vgl. LK a.a.O. Anm. V). Darauf weist auch die Begründung zum Entwurf eines StGB 1960 S. 273 hin. Diese Auslegung widerspricht auch nicht der sachlichen Gerechtigkeit, wie u.a. Schäfer, LK a.a.O. Anm. V meint, denn jeder der an einem Raufhandelt teilnimmt, muß sich der mit einem solchen Unternehmen verbundenen Gefahren für Leib und Leben anderer bewußt sein, und er kann nicht verlangen, allein deshalb von strafrechtlicher Verantwortung verschont zu bleiben, weil gerade während der Zeit seiner Beteiligung schwere Verletzungen nicht nachweisbar verursacht worden sind, während die Gefährlichkeit des Gesamtvorgangs der Schlägerei durch den Eintritt solcher Folgen zutage getreten ist.
b)
Es muß sich freilich stets um die Fortführung derselben Schlägerei handeln, die schon schwerwiegende Folgen gehabt hat. Dieses Merkmal liegt, wie das Reichsgericht bereits ausgesprochen hat (RGSt 72, 73, 75), immer dann vor, wenn die Vorgänge, an denen der Täter teilgenommen hat, mit den anderen Vorgängen eine Einheit bilden.
Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Denn der tätliche Streit spielte sich nicht nur zwischen Benno J. und Guido J. einerseits und Hi. andererseits, sowie nicht nur zwischen Hol. einerseits und W., Hi. und P. andererseits, sondern zwischen den beiden Parteien ab, zu denen einerseits Ho., P., W. und Hi., andererseits Ho.stein, Benno J. und Guido J. gehörten. Alle zusammen bildeten eine einheitliche, zunächst dicht beieinander bleibende, schwer überschaubare Gruppe, die sich später etwas auflockerte, nachdem Hi. sich den Schlägen der beiden J.'s vergeblich zu entziehen versucht hatte (UA 22). Die durch Guido J.'s und seiner Helfer (Benno J. und Ho.) Vorgehen wegen der beleidigenden Vorfälle in der Gastwirtschaft herbeigeführte Gegensätzlichkeit der Beteiligten läßt die tätliche Auseinandersetzung als einheitlichen Lebensvorgang erscheinen, wenngleich nicht jeder an der Schlägerei Beteiligte gegen jeden Angehörigen der anderen Teilgruppe tätlich vorging und wenngleich nicht alle Beteiligten zum gleichen Zeitpunkt ohne ihr Verschulden in die Schlägerei hineingezogen sein mögen.
c)
Rechtlich fehl geht der Hinweis der Revision, Guido J. habe deswegen nicht nach § 227 Abs. 1 StGB bestraft werden können, weil er anders als in dem vom Reichsgericht in RGSt 72, 73 ff entschiedenen Falle, seine Schläge nicht gegen denjenigen - hier W. - ausgeteilt habe, der zuvor tödlich verletzt worden war. Diese Meinung wird dem Zweck des § 227 Abs. 1 StGB als Gefährdungsdelikt nicht gerecht. Es genügt zur Anwendung des § 227 Abs. 1 StGB vielmehr, daß irgendeine Person Opfer der Schlägerei geworden ist. Dabei ist es sogar gleichgültig, ob sie an der tätlichen Auseinandersetzung beteiligt war oder nicht.
d)
Die tätliche Auseinandersetzung war bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte Guido J. schuldhaft in sie verstrickt wurde, auch noch in keinem Augenblick zur Ruhe gekommen. Sie fand ihr Ende erst dann, als es dem bereits wehrlosen Angeklagten Hi. glückte, vorübergehend davonzulaufen, worauf Benno J. ihn wieder zurückholte, um ihn der Polizei zu übergeben. Der Vorfall, bei dem Guido J. dem Angeklagten Hi. rechtswidrig. Körperverletzungen zugefügt hat, bildet demnach mit der vorangegangenen tätlichen Auseinandersetzung, an der Guido J. sich berechtigterweise zum Schütze seines Lebens gegenüber Hi. Angriff beteiligt hatte, eine einzige Schlägerei.
3.
Den inneren Tatbestand hat das Schwurgericht nicht besonders behandelt. Doch ergibt sich aus dem Sachverhalt, daß dem Angeklagten das Bewußtsein nicht fehlte, an einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen mehr als zwei Personen beteiligt zu sein.
4.
Auch die Strafzumessungserwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt ebenfalls insoweit, als das Schwurgericht strafschärfend wertet, daß der Angeklagte ein sehr gefährliches Werkzeug benutzt hat und daß er nicht nur allein, sondern zusammen mit seinem Sohne Benno auf den bereits wehrlosen Hi. einschlug.
III.
Die Revision des Angeklagten Hi.
Die Darlegungen des angefochtenen Urteils zur Verurteilung des Angeklagten Hi. nach § 227 Abs. 1 StGB lassen - jedenfalls im Ergebnis - keinen Rechtsfehler zum Machteil des Angeklagten erkennen. Die Revisionsangriffe schlagen fehl.
1.
Der Versuch des Beschwerdeführers, an die Stelle der Feststellungen des angefochtenen Urteils seine eigene Darstellung zu setzen, ist im Revisionsrechtszuge unzulässig.
2.
Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Widerspruch in der Schilderung des Tatherganges liegt nicht vor. Daß der Angeklagte Guido J. vor die Tür seiner Gaststätte trat, ist nur überflüssigerweise zwei Mal an verschiedenen Stellen der Gründe wiedergegeben worden.
3.
Nicht beigetreten werden kann der Revision auch insoweit, als sie den Versuch unternimmt, den einheitlichen Vorfall in mehrere selbständige Teile zu zergliedern, indem sie ausführt, Hi. habe die ihm durch Benno J. zugefügte Beleidigung ("du Bulle!") mit einem Faustschlag in Benno J.'s Gesicht, einer "leichten Körperverletzung", erwidern dürfen; damit sei für Hi. "die ganze Angelegenheit der Auseinandersetzung erledigt" gewesen. Dem sei der Angriff von Guido und Benno J. auf Hi. gefolgt.
Zwar war Hi. durch Benno J.'s Äußerung in seiner Ehre angegriffen wordene Gleiches geschah möglicherweise auch dadurch, daß Benno J., als er Hi. zur Bezahlung seiner Zechschuld aufforderte, an dessen Jacke griff. Die nach Art und Maß erforderliche Verteidigung durch Hi. konnte aber nicht in einer tätlichen Abwehr durch einen Faustschlag in Benno J.'s Gesicht bestehen, der zur Folge hatte, daß Benno J. gegen seinen hinter ihm befindlichen Vater Guido J. taumelte. Hi. stand demzufolge für sein weit über das zulässige Maß hinausgehendes Verhalten kein Rechtfertigungsgrund zur Verfügung, Rechtsirrig ist deshalb die Ansicht der Revision, Hi. habe Benno J.'s Verhalten nur kompensiert. Benno und Guido J. fühlten sich vielmehr mit Recht von Hi. angegriffene Hi. hat, wovon das Schwurgericht zutreffend ausgeht, durch seinen Faustschlag gegen Benno J. innerhalb der Teilgruppe J. - Hi. mit der tätlichen Auseinandersetzung begonnen. Sein Faustschlag hatte die Folge, daß aus dem Streit zwischen ihm und Benno J. eine Schlägerei wurde, das heißt eine tätliche Auseinandersetzung zwischen mindestens drei Personen, nämlich ihm, Benno und Guido J..
In die tätliche Auseinandersetzung ist Hi., während nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils auch Ho. und W. sich schon in einen Streit mit Zufügung körperlicher Verletzungen verwickelt hatten, - entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht - nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden. Denn jedenfalls schoß, wie schon erörtert, sein Verhalten gegenüber Benno J. weit über das zur Abwehr der ihm zugefügten Beleidigung erlaubte Maß hinaus. Sein Faustschlag führte sogar zu einer körperlichen Beeinträchtigung Guido J.'s, mit der er infolge der Wucht seines Schlages rechnen mußte.
4.
Für den inneren Tatbestand des § 227 Abs. 1 StGB gilt auch hier das unter II 3 Gesagte.
Nach alledem kann nur die Revision des Angeklagten Ho. Erfolg haben, die Rechtsmittel der Angeklagten J. und Hi. sind dagegen zu verwerfen.
Sauer
Martin
Lang-Hinrichsen
Flitner