Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.04.1961, Az.: V ZR 183/59
Rechtsmittel
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 26.04.1961
- Aktenzeichen
- V ZR 183/59
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1961, 14041
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Stuttgart - 17.09.1959
- LG Heilbronn - 21.10.1958
Rechtsgrundlagen
- § 317 ff BGB
- Art. 119 WürttAGBGB i.d.F. v. 29. Dezember 1931, RegBl S. 545
Amtlicher Leitsatz
- a)
Eine Behörde kann zur Bestimmung einer Leistung im Sinne der §§ 317 ff BGB kraft Privatautonomie (hier: durch Testament) berufen werden, soweit diese Behörde - auf Antrag oder von Amts wegen - nicht kraft Gesetzes zur verbindlichen Entscheidung zuständig ist (entschieden für den Gemeinderat als Schätzbehörde im Sinne des Art. 119 WürttAGBGB).
- b)
Ist der Verkehrswert mehrerer Grundstücke durch den Dritten als einheitliche Leistung zu bestimmen, so erstreckt sich die Prüfung, ob die Entscheidung offenbar unbillig ist, nur auf die gesamte Leistung und nicht auf den Wert einzelner Grundstücke oder einzelner Grundlagen für die Schätzung.
In dem Rechtsstreit
hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 1961
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Tasche sowie
der Bundesrichter Dr. Augustin, Schuster, Dr. Freitag und Offterdinger
für Recht erkannt:
Tenor:
A)
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. September 1959, anstelle der Verkündung den Parteien zugestellt am 9. Oktober 1959, aufgehoben.
B)
Das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21. Oktober 1958 wird auf die Berufung der Beklagten und auf die Anschlußberufung des Klägers unter Zurückweisung beider Rechtsmittel im übrigen dahin abgeändert:
I.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger gegenüber folgendes Vertragsangebot abzugeben:
- 1.
Die Beklagten verpflichten sich, dem Kläger das lastenfreie Eigentum an folgenden im Grundbuch von B. (Württ.) Grundbuchheft Nr. ... Abt. I eingetragenen Grundstücken zu verschaffen:
Nr. 1 Geb. Nr. 15 Sc.straße mit a und b, Wohnhaus, Scheuer, Schuppen, Bienenstand und Hofraum 6 a 06 qm Nr. 2 Parz. Nr. 1885 Baumgarten lud. Schloß 7 a 34 qm Nr. 3 Parz. Nr. 1886 Gemüsegarten h.d. Schloß 6 a 35 qm Nr. 4 Parz. Nr. 1887 Baumacker h.d. Schloß 32 a 93 qm Nr. 21 Parz. Nr. 1889 Baumacker h.d. Schloß 37 a 47 qm Nr. 22 Parz. Nr. 1901 Acker h.d. Schloß 11 a 26 qm Nr. 24 Parz. Nr. 1884/3 Acker h.d. Schloß 14 a 43 qm Nr. 25 Parz. Nr. 1903 Acker h.d. Schloß 14 a 78 qm Nr. 26 Parz. Nr. 1902 Acker h.d. Schloß 11 a 75 qm - 2.
Der vom Kläger hierfür zu entrichtende Übernahmepreis beträgt:
- a)
35.400 DM
- b)
die Hälfte der vom 8.12.1956, dem Todestag des Konsuls a.D. Theodor D., an noch zu zahlenden Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz. Insoweit hat der Kläger die Beklagten von ihren Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt zu befreien. Von den Beklagten schon bezahlte Beträge hat er ihnen sofort zu erstatten.
- 3.
Der 35.400 DM betragende Teil des Übernahmepreises ist in 5 gleichen am Jahresschluß, erstmals am 31. Dezember 1957 fälligen Jahresteilbeträgen zu bezahlen. Er ist vom Tage der Auflassung der Grundstücke ab mit jährlich 5 % zu verzinsen; die Zinsen sind am 31. Dezember eines jeden Jahres fällig.
- 4.
Der Kläger verpflichtet sich, die im Zeitpunkt der Auflassung noch nicht fälligen Raten nebst Zinsen auf den unter Nr. 1 erwähnten Grundstücken mit erstem Rang hypothekarisch sicherzustellen.
II.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
C)
Von den Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen trägt jede Partei ihre eigenen Kosten und die Gerichtskosten je zur Hälfte.
Tatbestand
Der Kläger verlangt als Vermächtnisnehmer von den Beklagten, den Erben des am 8. Dezember 1956 verstorbenen Theodor D., das Angebot zum Verkauf des Gebäudegrundstücks Schloßstraße Nr. 15 und verschiedener Parzellen in Brackenheim gegen Zahlung des vom Gemeinderat Brackenheim geschätzten Preises von 35.400,- DM nebst Übernahme eines unbestrittenen, testamentarisch bestimmten Teils der Lastenausgleichsabgabe.
Dem Rechtsstreit liegt ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute D. vom 28. März 1953 zugrunde, in dem sich beide Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Zu dem Vermächtnis des Klägers ist unter Nr. VI bestimmt:
"Unser Mieter Hermann H., Landwirt und Weingärtner in B., hat das Recht, auf den Tod des Überlebenden von uns die nachbezeichneten Grundstücke der Markung B. lastenfrei zu übernehmen:
Geb. Nr. 15 Sc.straße mit a und b, Wohnhaus, Scheuer, Schuppen, Bienenstand und Hofraum, Parz. Nr. 1885 ... Parz. Nr. 1886 ... Parz. Nr. 1887 ... Parz. Nr. 1889 ... Parz. Nr. 1901 ... Parz. Nr. 1884/3 ... Parz. Nr. 1903 ... Parz. Nr. 1902 ... Der Übernahmepreis setzt sich zusammen aus
1.
dem Schätzungswert des Gemeinderats Brackenheim,2.
der Hälfte der beim Tode des Überlebenden von uns noch zu zahlenden Vermögensabgabe auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes.....
Der Übernahmeberechtigte hat sich innerhalb eines Vierteljahres nach dem Tode des Überlebenden von uns über die Annahme oder Ablehnung seines Rechtes zu erklären. Bei Annahme des Rechtes sind unsere Erben verpflichtet, dem Übernahmeberechtigten ein Vertragsangebot entsprechend den Bestimmungen dieses Testaments zu machen."
...
"Wir sind der Auffassung, daß wir mit dieser Bestimmung es unserem Mieter Hermann H. ermöglichen, unser Haus nebst den dazu gehörigen Grundstücken unter günstigen Bedingungen zu erwerben.
Bei unseren Erwägungen gingen wir davon aus, daß die gemeinderätliche Schätzung sich in durchaus angemessenem Rahmen bewegen wird."
Die Ehefrau D. starb wenige Tage nach der Testamentserrichtung. Der Ehemann bestimmte am 20. Dezember 1954:
"Die gemeinderätliche Schätzung von Haus und Scheuer mit Stall soll nicht unter 30.000,- DM liegen."
Auf Antrag des Klägers schätzte der Gemeinderat von B. das Hausgrundstück am 8. Januar 1957 unter Zugrundelegung eines Indexes von 140 (100 für das Jahr 1914) auf 20.400,- DM, die übrigen Grundstücke auf 15.000,- DM, worauf der Kläger den Erben erklärte, die Liegenschaften zu diesem Preise erwerben zu wollen.
Auf erneuten Antrag der Erben verblieb der Gemeinderat bei seiner Schätzung. Da die Beklagten das Verkaufsangebot zu diesem Preise verweigerten, verlangte der Kläger mit vorliegender Klage die Abgabe eines entsprechenden Verkaufsangebots nebst Auflassung und Eintragungsbewilligung, hilfsweise statt Zahlung des Schätzpreises die Zahlung eines nach richterlichem Ermessen festgesetzten Preises.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Der Gerichtssachverständige bestimmte den Verkaufswert der Hofreite für das Jahr 1954 auf 32.100,- DM (Index: 200), den der übrigen Grundstücke auf 11.500,- DM, die ganzen Liegenschaften zusammen für das Jahr 1956 unter Mittelung mit dem Ertragswert auf 48.500,- DM.
Das Landgericht verurteilte entsprechend dem Hilfsantrag zu dem Verkaufsangebot unter Bestimmung des Schätzwerts auf 40.000,- DM und zur Auflassung sowie Eintragungsbewilligung. Der Kläger begehrte mit seiner Berufung Verurteilung entsprechend seinem Hauptantrag; sein Rechtsmittel wurde zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten, die nunmehr die Grundstücke gegen Zahlung von 48.500,- DM zum Verkauf anboten, erhöhte das Berufungsgericht hingegen nach Einholung von Äußerungen anderer Gemeinden über den dort zugrundegelegten Index den Kaufpreis auf insgesamt 44.000,- DM (bebautes Grundstück bei Index 200: 29.000,- DM, die übrigen Grundstücke: 15.000,-DM) und wies die Klage im übrigen ab.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Hauptantrag (Verkaufsangebot unter Zugrundelegung des Schätzwerts in Höhe von 35.400,- DM) weiter. Die Beklagten haben beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht erblickt in der Anordnung des Übernahmerechts in Nr. VI des Testaments ein Vermächtnis zugunsten des Klägers, bei welchem die Bestimmung der Leistung dem billigen Ermessen eines Dritten überlassen ist (§ 2156 BGB). Den nach § 2156 BGB erforderlichen Zweck des Vermächtnisses erblickt der Berufungsrichter darin, daß der Kläger als Pächter der Liegenschaften die Möglichkeit haben sollte, diese "zu günstigen Bedingungen zu erwerben". Der Gemeinderat sei zwar als Behörde zum Schiedsgutachter berufen worden. Dies stehe der Wirksamkeit des Vermächtnisses jedoch nicht entgegen. Die im Urteil des erkennenden Senats vom 18. Februar 1955 (NJW 1955, 665 [BGH 18.02.1955 - V ZR 110/53]) erwähnten Ausnahmen lägen nämlich nicht vor. Der Gemeinderat sei sogar im Gegenteil gemäß Art. 119 WürttAGBGB i.d.F. des Gesetzes vom 29. Dezember 1931 (RegBl S. 545) gesetzlich zu Schätzungen auf Antrag der Beteiligten berufen. Die Schätzung des Gemeinderats als Schiedsgutachter sei daher im Rahmen des § 319 BGB gerichtlich überprüfbar. Nicht zu beanstanden sei die Preisbestimmung für die unbebauten Grundstücke. Dagegen habe der Gemeinderat bei der Bestimmung des Preises für das Gebäudegrundstück - möge dies noch so sehr seiner eigenen seitherigen Praxis entsprochen haben - die nach dem Willen der Erblasser zu berücksichtigende Preisentwicklung nicht beachtet, und er sei von den bei anderen gemeinderätlichen Schätzungen im Lande üblichen und anzuerkennenden Grundsätzen in solchem Maße abgewichen, daß die Schätzung als offenbar unbillig und damit als unverbindlich im Sinne des § 319 BGB bezeichnet werden müsse.
Die auch sonst verwendete Indexzahl in Höhe von 200 ergäbe ungefähr den richtigen Bewertungsmaßstab, und zwar auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Gemeinderat in Brackenheim seither in seinen Schätzungen besonders zurückhaltend gewesen sei. Der Preis für die Hofstelle sei daher auf 29.000,- DM zu veranschlagen, und der Übernahmepreis sei insgesamt auf 44.000,- DM festzusetzen.
II.
Die Revision erhebt im wesentlichen drei Angriffe: Der Gemeinderat sei als Behörde nicht Dritter im Sinne der §§ 317 ff BGB, seine Entscheidung daher vom Gericht nicht überprüfbar; das Berufungsgericht habe den Begriff "offenbar unbillig" verkannt und den Willen der Erblasser infolge rechtsfehlsamer Auslegungsmaßstäbe und ungenügender Berücksichtigung der erhobenen und angebotenen Beweise nicht richtig erforscht.
1.)
Die Revision stellt zuerst zur Nachprüfung, ob der Gemeinderat nicht trotz der Betrauung mit der Schätzung durch die Erblasser nicht als öffentlichrechtlich beauftragte Behörde - zu vergleichen OLG Stuttgart, WürttZSpr 1938 S. 60 - gehandelt habe und daher nicht Dritter, im Sinne der §§ 317 ff BGB sein könne; verneinendenfalls sei der Weg für eine gerichtliche Bestimmung der Leistung gemäß § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB versperrt.
Allerdings hat der erkennende Senat in dem erwähnten Urteil vom 18. Februar 1955 ausgesprochen, daß in den Fällen, in denen eine gesetzlich geregelte Zuständigkeit einer Behörde besteht, diese Stelle nicht durch den Willen der Vertragsparteien als Schiedsgutachter eingesetzt werden könne. Der Gemeinderat ist in Württemberg gemäß Art. 119 AGBGB nach Maßgabe der Verfügung des Justizministeriums vom 18. März 1914 (ABl. 37 - SchätzVf -) und der weiteren Verfügungen vom 17. Dezember 1919 (ABl 153), vom 10. Dezember 1921 (ABl 263) und vom 1. März 1926 (Abl 64) nach einem bestimmten Verfahren auf Antrag eines Beteiligten auch zu Grundstückschätzungen berufen. Ob es sich im vorliegenden Fall um eine Nachlaßsache im Sinne von Art. 119 AGBGB handelt, kann dahingestellt bleiben, denn nachdem der Gemeinderat die Schätzung vorgenommen hat, ist es ohne Bedeutung, ob er dazu verpflichtet (Art. 119 Abs. 1 Satz 1) oder nur berechtigt war (Art. 119 Abs. 2). Entscheidend ist, daß in allen Fällen gemeinderätlicher Schätzungen, wie bei der Gewährung eines Realkredits oder bei der Schätzung zum Zwecke einer Auseinandersetzung, es den Beteiligten überlassen bleibt, diese Schätzung für ihre Zwecke zu verwenden oder nicht. Die in Württemberg seit langem überkommene Regelung von Grundstücksschätzungen im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit soll dem interessierten Bürger nur die Möglichkeit geben, eine gesicherte Schätzung herbeizuführen, in keinem Verfahren soll er aber an diese Schätzung irgendwie gebunden sein. Davon geht auch das Berufungsgericht offenbar aus; es würde im übrigen auch an einer reichs (bundes=)-rechtlichen Grundlage fehlen, die einer landesrechtlichen Regelung eine bürgerlichrechtliche Wirkung verschaffte. Die erwähnte Entscheidung des Senats betrifft demgegenüber solche Regelungen, kraft deren eine Behörde - sei es von Amts wegen oder auf Antrag - kraft Gesetzes zu bindenden Entscheidungen über eine Streitigkeit berufen ist.
Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich hinsichtlich der bindenden Wirkung der Entscheidung nicht um einen öffentlich-rechtlichen Auftrag; die Bindung der Erben an die Entscheidung des Gemeinderats ergibt sich allein aus dem rechtsgeschäftlichen Willen der Erblasser. Es kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben, ob ein Gemeinderat demjenigen gegenüber, der sich auf eine Schätzung verläßt, schadensersatzpflichtig werden kann und, da diese rechtspflegerische Tätigkeit ein Akt der öffentlichen Fürsorge darstellen und damit in Ausübung Öffentlicher Gewalt erfolgen kann, die Gemeinde für einen solchen Schaden einzutreten hat (vgl. OLG Stuttgart, WürttZtschrfRpfluVerw 1911, 58; WürttZSpr 1938 S. 60).
Gleichzeitig ergibt sich aus der Grundlage der bindenden Wirkung jedoch, daß auch der Gemeinderat als Dritter im Sinne der §§ 317 ff BGB durch Vertrag oder durch letztwillige Verfügung bestimmt werden kann, und zwar - nach freier Entschließung der Vertragsparteien oder des Erblassers - zur Schätzung nach Maßgabe der dafür bestehenden Verfügungen (so in der Regel, wie auch im vorliegenden Fall, da dadurch die Zuverlässigkeit der Schätzung gefördert wird) oder nach billigem Ermessen oder (ausgenommen im Falle des § 2156 BGB) nach freiem Belieben. Damit entfallen die Bedenken, die die Revision gegenüber der Anwendung der § 519 Abs. 1 BGB vorbringt. Im Hinblick auf die privatrechtliche Bindung der Betroffenen an die Schätzung ist der Schutz des § 319 BGB andererseits geboten.
Bedenken bestehen aber auch nicht insoweit, als § 319 Abs. 1 BGB die Bestimmung nach billigem Ermessen voraussetzt, während es sich im vorliegenden Fall um eine Schätzung nach Maßgabe behördlicher Verfügungen, die das Verfahren und die Art der Schätzung betreffen, handelt. Eine ersatzweise Bestimmung durch Urteil kann mit Hilfe von Sachverständigen auch in solchen Fällen durch das Gericht getroffen werden (vgl. Titze, ZAkDR 1941, 116; insgesamt auch Wirth, Mitteilungen aus der Praxis, herausgegeben vom Württ. Notarverein, 1950, 217).
2.)
Die Revision trägt weiter vor, das Berufungsgericht habe den Begriff der offenbaren Unbilligkeit verkannt. "Offenbar unbillig" ist nach Ansicht der Revision eine Bestimmung der Leistung nur, wenn ein Mißbrauch der Entscheidungsbefugnis oder ein grober Irrtum des Bestimmungsberechtigten vorliegt. Aus dem Testament ergebe sich der Wille der Erblasser dahin, die gemeinderätliche Schätzung möge sich im üblichen seitherigen Rahmen des Gemeinderats Brackenheim bewegen. Es dürfe daher kein Vergleich, zu anderen gemeinderätlichen Schätzungen im Land gezogen werden. In einem solchen Vergleich erblickt die Revision einen Verstoß gegen § 286 ZPO. Das Berufungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, daß die getroffene Preisbestimmung vollständig der seitherigen Praxis des Gemeinderats Brackenheim entsprochen habe.
Im Ergebnis kann der ersten dieser Rügen der Erfolg nicht versagt werden.
a)
Im vorliegenden Fall war nicht der Gegenstand der Leistung, sondern nur die Höhe der Gegenleistung des zum Kaufe berechtigten Vermächtnisnehmers zu bestimmen. Diese Leistung sollte nicht nur nach billigem Ermessen, sondern nach den bestimmten Richtlinien, die in den obenerwähnten Verfügungen des Justizministeriums betreffend eine amtliche Schätzung von Grundstücken im einzelnen festgelegt sind, erfolgen. Die Bestimmung eines weiteren Zwecks des Vermächtnisses war unter diesen Umständen nicht erforderlich. Ein weiterer Zweck des Vermächtnisses ist nach dem Wortlaut des Testaments auch nicht ersichtlich; der letzte Absatz unter Nr. VI bringt nur zum Ausdruck, daß die Erblasser davon ausgingen, die Schätzung werde sich in durchaus angemessenem Rahmen bewegen und daß eine Schätzung in diesem Rahmen dem Begünstigten einen Erwerb zu günstigen Bedingungen ermögliche.
Mit Recht hat das Berufungsgericht daher ausgeführt, daß der Gemeinderat dadurch nicht etwa zu einer besonders niedrigen Schätzung veranlaßt werden sollte. Er sollte den Wert der Grundstücke vielmehr nach Maßgabe der allgemeinen Anordnungen und unter Heranziehung seiner besonderen Sachkunde schätzen. Zutreffend erblickt das Berufungsgericht in dem genannten letzten Absatz eine Klarstellung gegenüber den Erben; danach vertrauten die Erblasser auf eine Schätzung im angemessenen Rahmen, und sie gingen davon aus, daß eine solche Schätzung günstige Bedingungen für den Vermächtnisnehmer zum Erwerb des Anwesens schaffe, weil gemeinderätliche Schätzungen sich nach den Feststellungen des Tatrichters erfahrungsgemäß oft nicht unerheblich unter den Preisen halten, die bei einem Grundstücksverkauf im Zeitpunkt der Schätzung tatsächlich erzielt zu werden pflegen.
Gegenüber den Einwendungen der Revision ist von diesem Standpunkt aus im besonderen auszuführen, daß die Erblasser nicht von einem besonderen Schätzungsmodus des Gemeinderats Brackenheim ausgehen konnten und nach den Feststellungen des Tatrichters auch nicht wollten, sondern auf eine Schätzung vertraut haben, wie sie dem Gemeinderat nach allgemeiner Anordnung zur Pflicht gemacht ist. Den Gemeinderat in Brackenheim haben sie zur Schätzung berufen, da er ortskundig ist und daher für seinen Bezirk im besonderen Maß sachkundig erscheint. Gleichwohl ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht neben anderen Umständen (allgemeine Wertsteigerung seit 1914) die von anderen Gemeinderäten in vergleichbaren Bezirken verwendeten Indexzahlen bei der Prüfung herangezogen hat, ob sich die getroffene Schätzung auf Grund eines Indexes von 140 im Rahmen der Billigkeit hält. Sie stellen neben dem vom Gerichtssachverständigen verwendeten Index, einen wertvollen Hinweis dar.
b)
Soweit die Revision Ausführungen über einen Mißbrauch der übertragenen Befugnis macht, liegen diese neben der Sache, da ein solcher weder behauptet, noch vom Tatrichter festgestellt worden ist. In Betracht gezogen und bejaht hat das Berufungsgericht allerdings einen groben Irrtum im Sinne des Revisionsvortrags.
Offenbare Unbilligkeit im Sinne des § 319 Abs. 1 BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil des VIII. Senats vom 14. Oktober 1958, NJW 1958, 2067 [BGH 14.10.1958 - VIII ZR 118/57]), wovon abzuweichen kein Anlaß vorliegt, "eine Zwischenstufe zwischen dem billigen Ermessen einerseits und der Willkür andererseits. Sie verlangt deshalb mehr, als daß sich das Schiedsgutachten nicht mehr im Rahmen des billigen Ermessens hält (RG, WarnRspr 1943 Nr. 4, SeuffA 97 Nr. 38). Eine solche Entscheidung ist nur dann offenbar unbillig, wenn sie den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und wenn sich ihre Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muß (RGZ 69, 167; 99, 105, 106; 147, 58, 63)".
Das Berufungsgericht hält die bei landwirtschaftlichen Grundstücken allgemein verwendete Indexzahl von 200 für den richtigen Bewertungsmaßstab. Tatsächlich ist auch der Gerichtssachverständige von dieser Zahl ausgegangen. Diese Feststellung kann aus rechtlichen Gründen nicht angefochten werden. Käme es allein auf das Verhältnis des vom Schätzer zugrunde gelegten zu dem vom Gericht als zutreffend erkannten Index als Bewertungsmaßstab für das bebaute Grundstück an, so könnte der dem Schätzer gezogene Rahmen überschritten sein. Ist zu prüfen, ob die dem Gemeinderat obliegende Bestimmung offenbar unbillig ist, so kann jedoch nur die gesamte Leistung, die der Erwerber unter Zugrundelegung der Schätzung des Gemeinderats für die ihm anzubietenden Liegenschaften zu erbringen hat, zu der Leistung ins Verhältnis gesetzt werden, die sich auf Grund des vom Tatrichter als angemessen ermittelten Wertmaßstabs bestimmen läßt. Aus dem Erblasserwillen läßt sich nichts anderes entnehmen; danach ist für die gesamten Liegenschaften ein einheitlicher Schätzwert zu bestimmen. Da die vom Kläger neben dem Schätzpreis noch zu übernehmende Lastenausgleichsabgabe auf etwa 3.000 DM veranschlagt wird, hat er unter Zugrundelegung der Schätzung des Gemeinderats insgesamt 38.400 DM für die zu übernehmenden Liegenschaften zu zahlen, während er nach der Ersatzbestimmung durch das Berufungsgericht insgesamt 47.000 DM zu leisten hätte.
Auch wenn man in Betracht zieht, daß der Gemeinderat nach der Schätzverfügung den Verkehrswert zu bestimmen hat, und der Tatrichter bei der Ersatzbestimmung seinerseits schon einen "vorsichtigen Maßstab" angewendet, also an der unteren Grenze des Wertes geblieben ist, kann bei einer Abweichung in Höhe von nur 8.600 DM nicht festgestellt werden, daß sich der vom Gemeinderat geschätzte Teil des Übernahmepreises in dem dargelegten Maße als verfehlt offenbart und die Schätzung den vom Gemeinderat hier zu beobachtenden Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt. Das Gesetz hat einem kraft der Privatautonomie als Schätzer berufenen Dritten einen erheblichen Ermessensspielraum eingeräumt; eine Einengung dieses Rahmens würde die Gefahr von Streitigkeiten auslösen, die durch die Bestimmung des Dritten gebannt werden sollte. Unter diesen Umständen ist die Bestimmung des Gemeinderats B. nicht unverbindlich und es ist kein Raum für eine Bestimmung des Schätzpreises durch das Gericht. Da die Revision in diesem Punkt Erfolg hat, braucht auf die übrigen gegen die Ersatzbestimmung vorgebrachten Rügen der Revision nicht eingegangen zu werden. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und das Urteil des Landgerichts hinsichtlich des von den Beklagten abzugebenden Vertragsangebots entsprechend der Anschlußberufung abzuändern. Die Neufassung enthält im übrigen keine sachlichen Änderungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Bundesrichter Dr. Freitag ist durch Urlaubsabwesenheit verhindert zu unterschreiben. Dr. Tasche
Dr. Augustin
Schuster
Offterdinger