Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 03.11.1959, Az.: 1 StR 393/59

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
03.11.1959
Aktenzeichen
1 StR 393/59
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1959, 13314
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Augsburg - 21.05.1959

Verfahrensgegenstand

versuchte Abtreibung

In der Strafsache
hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
in der Sitzung vom 3. November 1959,
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Geier als Vorsitzender,
Bundesrichter Dr. Peetz
Bundesrichter Dr. Willms
Bundesrichter Fischer
Bundesrichter Dr. Faller als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellter ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Angeklagten K. gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 21. Mai 1959 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Im Oktober 1958 suchte die damals im sechsten Monat schwangere Angeklagte B. den früheren Mitangeklagten Dr. R., einen Arzt, auf, um von ihm ihre Leibesfrucht beseitigen zu lassen. Dr. R. dachte jedoch nicht daran, dem Wunsche der Angeklagten nachzukommen; er nahm bei ihr vielmehr nur eine gynäkologische Untersuchung vor. Die Angeklagte war demgegenüber bis zur Beendigung der Untersuchung der Meinung, Dr. R. werde ihre Leibesfrucht beseitigen und untersuche sie zu diesem Zweck.

2

Das Landgericht hat Dr. R. - wegen erwiesener Unschuld - freigesprochen, die Angeklagte K. hingegen der versuchten Eigenabtreibung in der 2. Begehungsform des § 218 Abs. 1 i.V.m. § 218 Abs. 2, § 43 StGB schuldig erkannt und sie zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten - unter bedingter Strafaussetzung zur Bewährung - verurteilt.

3

Die Revision der Angeklagten K. bleibt ohne Erfolg.

4

1.)

Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) ist unzulässig, weil die Revision nicht angibt, auf welchem Wege das Landgericht die von ihr vermißte weitere Aufklärung hätte versuchen müssen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 2, 168).

5

2.)

Auch die Sachbeschwerde greift nicht durch.

6

Für die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin der versuchten Zulassung der Abtötung ihrer Leibesfrucht durch einen anderen im Sinne des § 218 Abs. 1 i.V.m. § 218 Abs. 2, § 43 StGB schuldig gemacht hat, ist, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, nicht von Bedeutung, daß der frühere Mitangeklagte Dr. B. nicht die Leibesfrucht der Beschwerdeführerin beseitigen wollte, sondern bei ihr nur eine gynäkologische Untersuchung vornahm. Entscheidend ist vielmehr, daß die Angeklagte K. sich von Dr. R. in der - irrigen - Meinung untersuchen ließ, Dr. R. sei zur Durchführung der von ihr gewünschten Abtreibung entschlossen und untersuche sie "zu diesem Zweck". Hätte sie schon in der Untersuchung selbst die Abtreibungshandlung gesehen, so könnte es nach den von der Rechtsprechung zur Strafbarkeit des Versuchs mit untauglichen Mitteln entwickelten Grundsätzen nicht zweifelhaft sein, daß sie der versuchten Abtreibung schuldig wäre; denn es ist kein Grund ersichtlich, warum eine Schwangere, die von einem Dritten eine nur in ihrer Vorstellung zur Abtreibung geeignete und bestimmte Handlung an sich vornehmen läßt, strafrechtlich anders behandelt werden soll, als eine Schwangere, die selbst eine solche Handlung an sich vornimmt (vgl. RGSt 61, 360).

7

Entgegen der Meinung der Revision läßt das Urteil auch insoweit keinen Rechtsirrtum erkennen, als das Landgericht; von der Vorstellung der Beschwerdeführerin über die Bedeutung der von Dr. R. vorgenommenen Untersuchung ausgehend, in der Zulassung dieser Untersuchung nicht bloß eine (straflose) Vorbereitungshandlung, sondern bereits den Versuch der Abtreibung erblickt hat. Die Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlung und Versuch bemißt sich für die Fälle des untauglichen Versuchs nach denselben Grundsätzen wie für den tauglichen Versuch. Im Sinne des § 43 StGB beginnt hiernach der Täter im Bereiche des untauglichen Versuchs dann mit der Ausführung des Verbrechens, wenn er sein Angriffsmittel dergestalt in tätige Beziehung zum Angriffsgegenstand bringt, daß bei Tauglichkeit des Angriffsmittels die Herbeiführung des vom Gesetz mißbilligten Erfolgs nach seinem Verbrechensplane und nach natürlicher Auffassung im unmittelbaren Anschluß an die entfaltete Tätigkeit nahegerückt, sein Handeln also im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes führen würde (vgl. u.a. BGHSt 4, 270, 273 [BGH 03.07.1953 - 2 StR 452/52];  4, 333, 334 [BGH 10.09.1953 - 1 StR 758/52];  9, 62, 64 [BGH 25.10.1955 - 2 StR 282/55]; BGH LM Nr. 22 zu § 211 StGB).

8

Von diesen rechtlichen Erwägungen ist auch die Strafkammer im vorliegenden Falle ausgegangen. In tatsächlicher Hinsicht hat sie ohne Rechtsirrtum für erwiesen erachtet, laß die Beschwerdeführerin bei der ärztlichen Untersuchung der Meinung war, Dr. R. sei bereits unbedingt zur Beseitigung ihrer Leibesfrucht entschlossen - ein nur bedingter Tatwille wäre strafrechtlich ohne Bedeutung (vgl. u.a. RGSt 68, 339, 341;  70, 201, 203;  71, 53)- und werde bei ihr unmittelbar anschließend (s.S. 13 UA) die Abtreibungshandlung vornehmen. Nicht ausdrücklich erörtert hat das Landgericht allerdings, wie sich die Beschwerdeführerin die Vornahme der Abtreibungshandlung vorgestellt hat; ersichtlich hat es jedoch angenommen, daß die Angeklagte entsprechend den vorausgegangenen Erklärungen des früheren Mitangeklagten P. damit rechnete, sie werde von Dr. R. Spritzen und Bestrahlungen mit dem Erfolg eines "natürlichen Abgangs" bekommen.

9

Bei dieser Sachgestaltung kann die Überzeugung des Landgerichts nicht aus Rechtsgründen beanstandet werden, die Beschwerdeführerin habe nach ihrem Verbrechensplane mit der Verwirklichung des Tatbestandes der Eigenabtreibung dadurch begonnen, daß sie die Untersuchung durch Dr. R. als "ersten Akt der Abtreibung" zuließ und sich damit so weit vorwagte, daß "eine unmittelbare Rechtsgutgefährdung vorlag". Zwischen ärztlicher Untersuchung und Abtreibungshandlung würde in der Tat ein so enger Zusammenhang bestehen, daß die Untersuchung nach der Vorstellung der Beschwerdeführerin und auch nach natürlicher Betrachtungsweise bereits einen Bestandteil des Abtreibungstatbestandes bildete; denn im allgemeinen wird ein Arzt, mag er auch schon von vornherein zur Beseitigung der Leibesfrucht einer Schwangeren fest entschlossen sein, die Abtreibungshandlung erst vornehmen, wenn er sich zuvor durch eine körperliche Untersuchung der Schwangeren wenigstens über die Art der Anwendung des zu benutzenden Abtreibungsmittels Klarheit verschafft hat, Schließt sich, wie hier nach der Vorstellung der Angeklagten, an die Untersuchung sofort die Abtreibungshandlung an - wie es sich verhält, wenn die Abtreibung erst auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird, steht nicht zur Entscheidung -, so zeigt sich deutlich, wie sehr Untersuchung und Abtreibungshandlung miteinander im obigen Sinne verbunden sind. Dies übersieht die Revision bei ihren entgegenstehenden Ausführungen, insbesondere auch bei der Begründung der "Aufklärungsrüge". Es ist nicht einzusehen, warum die Beschwerdeführerin die Untersuchung durch Dr. R. nicht schon als den "Beginn der Tatbestandsverwirklichung" angesehen haben sollte, wenn sie in Erinnerung an die vorausgegangenen Gespräche mit dem Mitangeklagten Purrmann damit rechnete, sie werde von Dr. R. Spritzen und Bestrahlungen bekommen und dann einen "normalen Abgang" haben; denn auch dann konnte Dr. R. nach ihrer Vorstellung im unmittelbaren Anschluß an die Untersuchung die von ihr für tauglich gehaltene eigentliche Abtreibungstätigkeit vornehmen (oder gegebenenfalls mit ihr wenigstens beginnen). Im übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der Entscheidung 5 StR 581/52 vom 18. September 1952 (vgl. hierzu Dallinger in MDR 1953, 19) in einem Falle, in dem der Täter eine Schwangere in der - nachträglich wegen zu weit vorgeschrittener Schwangerschaft nicht verwirklichten - Absicht untersuchte, unmittelbar anschließend die Abtreibung selbst vorzunehmen, die Annahme des Erstgerichts gebilligt, der Täter habe sich durch die Untersuchung schon des Versuchs der (Fremd)abtreibung schuldig gemacht.

10

Die Voraussetzungen des auch beim untauglichen Versuch möglichen (vgl. zu § 46 Nr. 1 RGSt 68, 82, 83; zu § 46 Nr. 2 BGHSt 11, 324) freiwilligen Rücktritts nach § 46 Nr. 1 StGB hat das Landgericht ebenfalls rechtsirrtumsfrei verneint.

11

Da schließlich auch der Strafausspruch keinen Rechtsfehler zeigt, ist die Revision zu verwerfen.

Dr. Geier
Dr. Peetz
Willms
Fischer
Dr. Faller