Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 29.10.1959, Az.: VII ZR 176/58

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
29.10.1959
Aktenzeichen
VII ZR 176/58
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1959, 13978
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
Oberlandesgerichts in München - 10.07.1958

Prozessführer

der Firma H. und Sohn, Alleininhaber Otto H. in G.-P., O.straße ...,

Prozessgegner

die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Finanzen, dieser vertreten durch die Oberfinanzdirektion M.

hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 1959 unter Mitwirkung der Bundesrichter Scheffler, Rietschel, Dr. Winkelmann, Erbel und Dr. Vogt

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in München vom 10. Juli 1958 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

In dem Hause der Klägerin R.straße ... in G.-P. war Anfang Februar 1956 die Wasserleitung an mehreren Stellen eingefroren. Versuche des damaligen Hausmeisters L., die Leitung mit einer Lötlampe aufzutauen, schlugen fehl. Darauf erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag zum Auftauen der Leitung. Am 6. Februar 1956 begaben sich der Geselle F. und der Lehrling Ma. der Beklagten mit einem elektrischen Auftaugerät in das Haus der Klägerin. F. stellte den Transformator in der Mitte der vom Erdgeschoß zum ersten Stock führenden Treppe auf und schloß je einen Pol des Geräts an die Wasserleitung im Keller und in der Küche des Mieters Gu. im ersten Dachgeschoß an. Etwa eine halbe. Stunde, nachdem er den Strom eingeschaltet hatte, wurde an einer Berührungsstelle der Wasserleitung mit einem parallel zu ihr verlaufenden Warmwasserleitungsrohr Isoliermaterial entzündet, das den Dachstuhl des Hauses in Brand setzte. Dadurch wurden erhebliche Teile des Hauses zerstört.

2

Die Klägerin beziffert den Brandschaden ohne die Mietausfälle auf 53.000 DM. Sie hat von der Beklagten die Zahlung eines Teilbetrages von 15.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. Februar 1956 gefordert, weil diese und deren Gehilfen ihre Pflichten aus dem Werkvertrage schuldhaft verletzt hätten.

3

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Klageanspruch nach Grund und Betrag bestritten und vorgetragen, sie habe das Auftaugerät schon seit 1935 in zahlreichen Fällen benutzt, ohne daß ein Schaden entstanden sei. Elektrische Auftaugeräte hätten jedenfalls bis zu dem Brande als völlig ungefährlich gegolten. Nicht nur die Hersteller hätten dies in ihren Werbeanzeigen versichert; auch in Fachkreisen sei bis dahin niemals auf eine Brandgefahr hingewiesen worden. F. habe bei der Verwendung des Geräts mit dem Ausbruch eines Brandes nicht rechnen können. Er habe angenommen, die Wasserleitung sei ordnungsmäßig verlegt. Ihm sei bekannt gewesen, daß die Leitung schon früher ohne Schaden aufgetaut worden sei.

4

Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

5

Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung, während die Klägerin um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet.

Entscheidungsgründe:

6

Das Oberlandesgericht hat festgestellt, der Brand im Hause der Klägerin sei nicht durch den Auftauversuch L., sondern infolge des Anschlusses des elektrischen Transformators durch F. verursacht worden. Das Feuer sei in einem schwer zugänglichen und an dieser Stelle nicht übersehbaren Bodenraum entstanden. Infolge einer leichten Berührung der unter Strom stehenden Kaltwasserleitung mit dem Knie einer leeren Warmwasserleitung habe sich an der Kontaktstelle ein starker Widerstand gebildet. Dadurch seien die Rohre an den Berührungspunkten übermäßig erhitzt worden. Die leicht brennbaren Isolierstoffe, mit denen die Leitungsrohre umwickelt gewesen seien, hätten sich entzündet und ihrerseits das Dachgeschoß in Brand gesetzt.

7

Auf Grund dieses Sachverhalts hat das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten für den der Klägerin entstandenen Schaden wegen schuldhafter Verletzung des mit dieser geschlossenen Werkvertrages gemäß den §§ 631, 276, 278 BGB bejaht. Da das Feuer durch den Auftauversuch F. entstanden sei, die Brandursache also dem Gefahrenkreise der Beklagten angehört habe, hält es diese für beweispflichtig dafür, daß der Brand nicht auf ihr oder ihrer Angestellten Verschulden zurückzuführen sei. Diesen Nachweis habe die Beklagte nicht erbracht. Vielmehr habe die Beweisaufnahme ergeben, daß F. die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in mehrfacher Hinsicht außer acht gelassen habe. Er habe insbesondere vor dem Anschluß des Auftaugeräts den Rohrverlauf außerhalb des Kellers nicht überprüft. Sein Verschulden sei erheblich, weil er von der Mieterin Gu. auf die hinter deren Wandschrank liegenden Rohre hingewiesen worden sei, auch kein Wasser zum Löschen bereit gestellt habe.

8

Da der Brand im Hause der Klägerin, wie im zweiten Rechtszuge unstreitig geworden ist, auf den Auftauversuch des Gesellen der Klägerin zurückzuführen ist, trifft die Beklagte nach herrschender Meinung (BGHZ 23, 288, 290 f) die Beweislast dafür, daß sie oder ihre Erfüllungsgehilfen bei dem Anschluß oder der Verwendung des Auftaugeräts die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet haben.

9

Hiervon geht auch die Revision aus. Sie meint aber, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung der Schuldfrage nicht beachtet, daß weder Fasser noch die Beklagte den Schaden und die Gefährlichkeit elektrischer Auftaugeräte nach Lage der Umstände hätten voraussehen können. Die Beklagte habe sich des Transformators Jahre hindurch und in zahlreichen Fällen bedient, ohne daß ein Schaden eingetreten sei. Die Hersteller derartiger Geräte hätten diese noch bis in die jüngste Zeit als ungefährlich bezeichnet und jede Brandgefahr für ausgeschlossen erklärt. Auf die mit der Verwendung elektrischer Auftaugeräte verbundenen Gefahren sei von interessierter Seite erst längere Zeit nach dem Brande im Hause der Klägerin hingewiesen worden.

10

Diese Gesichtspunkte können das angefochtene Urteil nicht erschüttern.

11

1)

Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß ausgeführt hat, muß von einem Fachmann, der sich bei seiner Arbeit elektrischer Geräte bedient, verlangt werden, daß er mit der Eigenart und dem Verhalten des elektrischen Stroms wenigstens in den Grundzügen vertraut ist. Hierzu gehört die Erkenntnis, daß an Wasserrohren, die gewöhnlich nicht zur Weiterleitung elektrischen Stromes bestimmt und deswegen nicht gegen Abirrungen des Stroms gesichert sind, sofern sie elektrisch erwärmt und zu diesem Zwecke unter Strom gesetzt werden, aus verschiedenen Ursachen Widerstände auftreten und daß die davon betroffenen Stellen auch bei geringer Spannung in gefährlicher Weise erhitzt werden können. Das Berufungsgericht hat somit die Vorhersehbarkeit des Brandes in rechtlich einwandfreier Weise bejaht. Es brauchte nicht noch einen Sachverständigen zu hören, durfte vielmehr seine eigene Sachkunde zugrundelegen.

12

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Gesellen F. der Beklagten um einen erfahrenen Elektromonteur und Installateur, bei dem jenes Wissen vorauszusetzen ist. Eine besondere wissenschaftliche Vorbildung, wie die Revision meint, ist hierzu nicht erforderlich.

13

Wenn F. den ihm erteilten Auftrag ordnungsmäßig und ohne Schädigung der Klägerin ausführen wollte, so genügte es nicht, daß er das Auftaugerät mit zwei weit voneinander entfernten Stellen der Wasserleitung verband, den Strom einschaltete und den Auftauerfolg abwartete. Das hätte auch jeder Laie tun können, der über die Handhabung von Transformatoren belehrt worden war. Von einem Fachmann wie F. mußte darüber hinaus erwarten werden, daß er sich über den Verlauf der unter Strom zu setzenden Wasserleitung und über das Vorhandensein möglicher Widerstände Gedanken machte. Denn es war ihm bekannt, daß es sich bei dem Hause der Klägerin um ein älteres Gebäude mit unübersichtlichem Rohrverlauf handelte.

14

Dann aber durfte er sich nicht darauf verlassen, daß die Wasserleitung so verlegt sei, daß sie keinen Kontakt mit anderen metallischen Leitungen hatte. Vielmehr hätte er, ehe er das Auftaugerät einschaltete, mindestens den für ihn sichtbaren Teil der Wasserleitung verfolgen und ihn auf das Vorhandensein etwaiger Widerstände untersuchen müssen. Das ist unstreitig nicht geschehen. F. hat im Gegenteil nicht die geringsten Vorsichtsmaßregeln getroffen. Er hat nach seiner eigenen Erklärung nicht einmal die hinter dem Wandschrank in der Wohnung Gu. befindlichen Rohre in Augenschein genommen, obwohl ihn diese Mieterin auf den Rohrverlauf aufmerksam gemacht hatte. Durch ein solches Verhalten hat ers wie das Berufungsgericht, ohne sich mit den technischen Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Dr. Hösl in Widerspruch zu setzen, angenommen hat, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in erheblichem Maße verletzt.

15

2)

Die von der Revision hervorgehobenen Umstände können die Beklagte nicht entlasten.

16

Daß F. vor dem Brand schon lange und oft ohne Schwierigkeiten mit dem Auftaugerät erfolgreich gearbeitet hat, enthob ihn ebensowenig der Verpflichtung, vor Einschaltung des Stromes die Wasserrohre, soweit dies möglich war, auf ihren Verlauf zu überprüfen, wie die ihm bekannte Tatsache, daß andere Installateure die Rohrleitung im Hause der Klägerin früher schon mit Erfolg aufgetaut hatten. Denn die Unterlassung einer Pflicht findet nicht dadurch ihre Rechtfertigung, daß sie ia vielen Fällen keine schädlichen Folgen gehabt hat. Im übrigen hat die Beklagte nicht vorgetragen, daß die Handwerker, die das Rohrnetz im Hause der Klägerin in früheren Jahren mit elektrischen Geräten aufgetaut haben, es unterlassen haben, die Leitung auf das Vorhandensein von Widerständen zu untersuchen.

17

Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der von Fasser benutzte Transformator, sofern er richtig gehandhabt wurde, ungefährlich war. Der Umstand, daß bei sachgemäßer Verwendung des Auftaugeräts ein Schaden nicht zu erwarten war, befreite die Beklagte aber nicht von der Verpflichtung, alle ihr zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um einen mit der Stromzufuhr verbundenen Schaden vom Hause der Klägerin abzuwenden. Hierzu gehörte, wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Hösl angenommen hat, u.a., eine möglichst eingehende Untersuchung der Wasserleitung auf ihren Verlauf und auf das Vorhandensein von Widerstandsstellen. Von dieser Verpflichtung wurde die Beklagte weder durch die Versicherung der Herstellerfirmen, daß ihre Geräte ungefährlich und daß bei ihrer Verwendung Brände ausgeschlossen seien, noch dadurch befreit, daß bis zu dem im Hause der Klägerin ausgebrochenen Brande von den dazu berufenen Stellen auf die mit der Verwendung elektrischer Auftaugeräte verbundenen Gefahren nicht hingewiesen worden war. Denn die bei einem Elektromonteur zu unterstellende Kenntnis von der Eigenart und dem Verhalten des elektrischen Stromes erforderte diese Maßnahme ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit des Auftaugeräts und auf etwaige Warnungen aus Fachkreisen.

18

Ein Brand in einem bewohnten Haus gefährdet nicht nur hohe Sachwerte, sondern auch Gesundheit und Leben der Bewohner. Es ist daher ein besonders hohes Maß von Sorgfalt zu verlangen; insbesondere mußte F. auch die nicht ganz naheliegende Möglichkeit in Betracht ziehen, daß das Wasserrohr mit einem anderen Rohr in Berührung kam und in der Nähe der Berührungsstelle leicht entzündliche Stoffe waren.

19

3)

Das Berufungsgericht hat hiernach ohne Rechtsverstoß und, ohne die an einen Elektrofachmann hinsichtlich seiner Sorgfaltspflicht zu stellenden Anforderungen zu überspannen, den Beweis dafür, daß die Beklagte oder ihr Erfüllungsgehilfe bei dem Auftauversuch im Hause der Klägerin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat, nicht als erbracht angesehen. Die Revision der Beklagten erweist sich damit als unbegründet. Sie muß mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

Scheffler Rietschel Dr. Winkelmann Erbel Dr. Vogt