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Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.09.1959, Az.: 5 StR 289/59

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
22.09.1959
Aktenzeichen
5 StR 289/59
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1959, 13252
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lübeck - 12.12.1958

Verfahrensgegenstand

Raufhandel

In der Strafsache
hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
in der Sitzung vom 22. September 1959,
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Sarstedt als Vorsitzender,
Bundesrichter Schmidt Bundesrichter Schmitt Bundesrichter Dr. Seibert Bundesrichter Dr. Börker als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretär ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten Friedrich M. gegen das Urteil des Schwurgerichts in Lübeck vom 12. Dezember 1958 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe

1

Das Schwurgericht hat den Angeklagten Friedrich M. wegen Raufhandels - Beteiligung an einer Schlägerei, durch die ein Mensch getötet wurde - nach § 227 Abs. 1 StGB verurteilt.

2

Die Revision des Angeklagten rügt Verletzung des Verfahrensrechts und des sachlichen Strafrechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

3

Die Verfahrensrügen sind teilweise nicht in ordnungsgemäßer Form erhoben worden, im übrigen offensichtlich unbegründet.

4

Was die Revision zur Rechtfertigung der Sachrüge vorträgt, sind bloße Angriffe gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung des Schwurgerichts sowie Ausführungen, die von einem anderen Sachverhalt ausgehen, als ihn das Urteil feststellt. Auf Einwendungen dieser Art kann eine Sachrüge nicht gestützt worden.

5

Auf die allgemeine Sachrüge hin hat der Senat das Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, in vollem Umfange geprüft.

6

Nach den Feststellungen des Urteils kam es in dem 5 × 7 Meter großen Schankraum einer Gastwirtschaft, in der etwa 20 Personen anwesend waren, zu einem Streit darüber, ob Paul Petermann, der früher mit Johanna S. in Zigeunerehe gelebt hatte, oder Johanna S. und Bruno R., die nunmehr in Zigeunerehe lebten, die Gastwirtschaft verlassen sollten, weil sie einem Zigeunerbrauch entsprechend nicht zusammensein durften. Der Streit, an dem sich außer den drei Betroffenen auf beiden Seiten auch andere Anwesende beteiligten, führte schließlich zu Tätlichkeiten. Nachdem zunächst Edmund S., ein Sohn der Johanna S., Pe. mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte, zog der Angeklagte, der mit Pe. befreundet war, sein Messer, um seinem Bruder, dem Mitangeklagten Wilhelm M., bei einem tätlichen Zusammenstoß mit einem Halbbruder der Johanna S., dem Mitangeklagten Eduard W., zu helfen. Kurz darauf wurde Pe. durch einen Schuß getötet.

7

Die Anwendung des § 227 Abs. 1 StGB auf den im Urteil festgestellten Sachverhalt ist im Ergebnis ohne Rechtsirrtum.

8

Ob bereits eine Schlägerei im Gange war, bevor der Angeklagte das Messer zog, kann dahingestellt bleiben.

9

Der Beteiligung an einer Schlägerei kann sich auch schuldig machen, wer erst durch sein Eingreifen eine tätliche Auseinandersetzung zur Schlägerei macht. Das hat der Angeklagte getan, als er sein Messer zog, um Wilhelm M. zu helfen, der nach den unwiderlegten Angaben des Angeklagten von Eduard W. angegriffen worden war und am Hals gewürgt wurde. Die Feststellungen des Urteils ergeben, daß der Angeklagte hierbei bewußt die Grenzen der erforderlichen Verteidigung überschritt und daß er nicht nur seinen Bruder Wilhelm M. von Eduard W. befreien wollte, es ihm vielmehr seinem Empfinden als Zigeuner entsprechend darauf ankam, den Angriff auf seinen Bruder zu sühnen, indem er Eduard W. rücksichtslos niederstach. Das in dieser Absicht erfolgte Ziehen des Messers war bei der Sachlage, wie sie hier bestand, bereits der Beginn eines tätlichen Angriffs und damit zugleich der Übergang zu einer tätlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf mehr als zwei Angehörige der miteinander streitenden Gruppen nämlich Edmund Schmelzer, Eduard W. und der Angeklagte, Tätlichkeiten verübten, die über eine abwehrende Verteidigung hinausgingen. Dies gilt um so mehr, als nach den Feststellungen des Urteils der Angeklagte durch das Ziehen des Messers, das von einem Teil der Anwesenden bemerke wurde, bewußt die tätliche Auseinandersetzung, bei der bis zu diesem Zeitpunkt Waffen oder andere gefahrliche Werkzeuge nicht verwendet worden waren, derart verschärfte, daß sich nunmehr auch andere Anwesende mit Waffen und anderem gefährlichen Werkzeugen (Pistole, Messer, Schlagring, Stuhlbein, Bierflasche) an den Tätlichkeiten beteiligten. Daß der Angeklagte nicht dazu kam, Eduard W. niederzustechen, weil seine Ehefrau ihn am Arm festhielt, ändert an dieser rechtlichen Beurteilung nichts.

10

Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr (Nothilfe) des § 52 StGB entfällt im vorliegenden Fall schon deshalb, weil der Angeklagte die Grenzen der erforderlichen Verteidigung überschritten, hat. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob dieser Rechtfertigungsgrund als solcher gegenüber dem Vorwurf der Beteiligung an einer Schlägerei im Sinne des § 227 Abs. 1 StGBüberhaupt durchgreifen kann (vgl. hierzu RGSt 3, 236, 238;  32, 33, 35;  59, 264, 266;  73, 341; RG JW 1934, 76310). Für die Verneinung der Frage spricht, daß der Rechtfertigungsgrund der Notwehr (Nothilfe) nur Verteidigungshandlungen gegen den Angreifer rechtfertigt, nicht dagegen Eingriffe in Rechtsgüter unbeteiligter Dritter (vgl. BGHSt 5, 245, 248) [BGH 02.10.1953 - 3 StR 151/53]. Das trifft für die Beteiligung an einer Schlägerei nicht zu. Das Gesetz bedroht sie mit Strafe, weil sie besondere Gefahren für Leib und Leben aller Personen begründet, die von ihr betroffen werden, gleichgültig, ob sie Angreifer sind oder nicht.

11

Rechtlich bedenkenfrei ist auch die Auffassung des Schwurgerichts, daß der Angeklagte nicht ohne Verschulden in die Schlägerei hineingezogen wurde. Wer sich in solcher Absicht und in solcher Weise an einer tätlichen Auseinandersetzung beteiligt, wie es der Angeklagte nach den bereits oben erwähnten Feststellungen des Urteils getan hat, ist nicht ohne Verschulden in die Schligerei hireingezogen worden.

12

Die Bestrafung des Angeklagten wegen Raufhandels wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Schuß, durch den Pe. getötet wurde, erst abgegeben wurde, als der Angeklagte an der Schlägerei nicht mehr beteiligt war. Das Schwurgericht hat ohne Rechtsirrtum alle Tätlichkeiten, die bei der Auseinandersetzung begangen wurden, als Bestandteile eines einheitlichen Geschehens angesehen. Die Frage, an welchen Einzelhandlungen eines einheitlichen Raufhandels der Täter sich beteiligt hat, ist für die Schuldfrage aus § 227 Abs. 1 StGB ebenso gleichgültig wie die Frage, in welchem Zeitpunkt die Beteiligung erfolgt ist (vgl. RG JW 1939, 9112).

13

Auch sonst läßt das Urteil keinen sachlichrechtlichen Fehler erkennen, der den Angeklagten beschwert.

Sarstedt
Schmidt
Schmitt
Seibert
Börker