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Bundesgerichtshof
Urt. v. 23.02.1959, Az.: III ZR 77/58

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
23.02.1959
Aktenzeichen
III ZR 77/58
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1959, 14221
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Celle - 01.03.1958

Fundstellen

  • DVBl 1959, 440-441 (Volltext mit amtl. LS)
  • DÖV 1959, 959 (amtl. Leitsatz)
  • MDR 1959, 467 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1959, 1125-1126 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

des Rechtsanwalts und Notars Kurt S. in L.,

Prozessgegner

den Landwirt Hermann H. in M., Kreis L.,

Amtlicher Leitsatz

Besteht die Amtspflichtverletzung in der Versäumung eines Rechtsbehelfs, dann ist bei der Prüfung, welcher Schaden dadurch entstanden ist, bei einer versäumten gerichtlichen Entscheidung darauf abzustellen, wie jenes Gericht nach der Auffassung des jetzt über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtig hätte entscheiden müssen; hätte dagegen über den versäumten Rechtsbehelf eine Verwaltungsbehörde nach ihrem Ermessen zu entscheiden gehabt, dann muß der Richter im Schadensersatzprozeß prüfen, wie jene Behörde nach ihrer sonstigen Übung entschieden hätte.

hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 1959 unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Prof. Dr. Geiger sowie der Bundesrichter Dr. Pagendarm, Dr. Kreft, Dr. Arndt und Dr. Hußla

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 1. März 1958 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Der Kläger hatte seinen Schwager, den Mühlenbesitzer F., mit erheblichen Geldbeträgen unterstützt. Am 19. Juni 1953 schloß er zur Sicherung seiner auf rund 100.000 DM aufgelaufenen Forderung verschiedene Verträge mit dem Schuldner. Dabei beurkundete der Beklagte als Notar auch einen Vertrag, durch den die Ehefrau des Schuldners, die Schwester des Klägers, ein unbelastetes Wiesengrundstück von 1,2322 ha Größe an den Kläger verkaufte. Der Verkehrswert dieses dem Preisstop unterliegenden Grundstücks betrug etwa 6.000 DM. Im Vertrage wurde ein Kaufpreis von 20.000 DM festgesetzt, über dessen Zahlung es dort heißt:

"Der Kaufpreis wird dadurch getilgt, daß der Käufer mit einer ihm gegen den Ehemann F. zustehenden Forderung in gleicher Höhe, die die Ehefrau Fehling übernommen hat, die Aufrechnung erklärt. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß damit von der Darlehensforderung des Käufers gegen den Ehemann Ludwig F. ein Betrag von 20.000 DM getilgt ist und daß gleichzeitig hierdurch der Kaufpreis für das verkaufte Grundstück belegt ist."

2

Der Beklagte beantragte bei der unteren Landwirtschaftsbehörde des Kreises H. die Genehmigung des Kaufvertrages und wies daraufhin, daß die Wiese im Familienbesitz bleibe und von den Eheleuten F. weiter benutzt werden solle. Die Landwirtschaftsbehörde versagte die Genehmigung, weil das Vertragsgründstück mit dem vereinbarten Kaufpreis weit überzahlt würde und der Gegenwert in einem groben Mißverhältnis zum tatsächlichen Grundstückswert stehe. Der Bescheid wurde dem Beklagten am 6. Juli 1953 zugestellt. Der nach der Landwirtschaftlichen Verfahrensordnung binnen zwei Wochen zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde nicht gestellt. Erst auf spätere Gegenvorstellungen des Klägers sprach die Landwirtschaftsbehörde H. am 12. Januar 1954 unter Abänderung des früheren Bescheides die Genehmigung des Kaufvertrages aus.

3

Der Kläger verkaufte im Jahre 1954 die Wiese an einen Landwirt S. für 6.000 DM, doch verweigerte seine Schwester die Erteilung der Auflassung. Die Klage auf Auflassung wies das Landgericht Stade durch Urteil vom 19. April 1955 ab, weil der Kaufvertrag mit Versagung der Genehmigung nichtig geworden und die spätere Genehmigung bedeutungslos gewesen sei. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden. Der Kläger hatte in dem Verfahren dem jetzigen Beklagten den Streit verkündet. Der Ehemann F. war inzwischen wirtschaftlich völlig zusammengebrochen.

4

Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz wogen Verletzung seiner Pflichten als Notar und hat dazu insbesondere vorgetragen: Der Beklagte habe die Nichtigkeit des Vertrages verschuldet. Er habe ihm weder die Versagung der Genehmigung mitgeteilt, noch den Bescheid ausgehändigt, noch ihn über Frist, Form und Bedeutung der möglichen Rechtsbehelfe belehrt. Der Beklagte habe den Bescheid erst Anfang 1954 auf ausdrückliches Verlangen herausgegeben. Der Notar hätte mindestens vorsorglich den Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und später Wiedereinsetzung beantragen müssen. Er habe sich aber weder um die Anfechtung des Versagungsbescheides noch um eine Fristenkontrolle gekümmert. Ein solcher Antrag hätte Erfolg gehabt, weil der wahre Gegenwert für die Wiese bei den zerrütteten Vermögensverhältnissen von F. nicht dem Nennwert der verrechneten Schuld entsprochen habe. Der Beklagte habe im übrigen auch bei der Beurkundung seine Pflichten verletzt, da er ihn auf die Bedenken gegen eine derartige Preisabrede hätte hinweisen und dem Vertrag eine andere Fassung geben müssen, da eine Barzahlung nicht in Frage gekommen sei. Ohne diese Pflichtverletzungen hätte der Kläger den Gegenwert der Wiese mit mindestens 6.100 DM gerettet; in zweiter Linie müsse der Beklagte ihm mindestens 100 DM Kosten für die vergebliche Beurkundung und den Vorprozeß wegen der Auflassung erstatten. Der Kläger hat zuletzt beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 6.100 DM nebst Zinsen zu verurteilen.

5

Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und ausgeführt: Er habe den Kläger sofort nach Empfang des versagenden Bescheides mündlich über dessen Bedeutung sowie über Frist und Form des möglichen Rechtsbehelfs belehrt. Der Kläger, der in diesen Dingen ausreichende Erfahrung besessen habe, habe aber erklärt, er werde die Sache persönlich auf dem Landratsamt in H. in Ordnung bringen. Im übrigen wäre der Vertrag niemals genehmigt worden, weil der Kaufpreis den Wert des Grundstückes weit überschritten habe. Damals sei F., noch nicht zahlungsunfähig gewesen.

6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten nach dem Klagantrag verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er seinen Klagabweisungsantrag weiter verfolgt. Der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

7

I.

Nach § 21 der Reichsnotarordnung hat ein Notar, der die ihm einem anderen gegenüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt, diesem den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

8

Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Beklagte mindestens seine Pflichten als Notar deshalb verletzt habe, weil er nach Zustellung des die Genehmigung versagenden Bescheides den Kläger nicht richtig beraten habe. Er habe zwar dem Kläger geraten, sich an seinen Bekannten beim Kreis in H. zu wenden, hätte ihn aber dabei auf die kurze Rechtsmittelfrist hinweisen und mindestens den mit der Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vor Fristablauf vorlegen müssen. Der Notar hätte außerdem das Ergebnis der Bemühungen des Klägers überwachen und vorsorglich den Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen müssen. Denn jeder Notar müsse den sichersten Weg gehen. Das alles habe der Beklagte versäumt, er habe nicht einmal in seinem Terminskalender oder in den Handakten eine Frist notiert. Das alles sei schuldhaft gewesen. Dann könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte auch sonst seine Pflichten verletzt habe. Diese Pflichtverletzung habe bewirkt, daß der die Genehmigung versagende Bescheid rechtskräftig geworden sei und den bis dahin schwebend unwirksamen Kaufvertrag endgültig nichtig gemacht habe, so daß der spätere Genehmigungsbescheid gegenstandslos geblieben wäre.

9

Das alles zeigt keinen Rechtsfehler und wird auch von der Revision nicht angegriffen. Es entspricht insbesondere der Rechtsprechung, daß ein genehmigungsbedürftiger und bis dahin schwebend unwirksamer Vertrag nach rechtskräftiger Versagung der Genehmigung endgültig unwirksam wird, so daß spätere Genehmigungsbescheide bedeutungslos sind (RGZ 103, 104; 106, 142; BGH NJW 1956, 1918).

10

II.

Die Revision greift nur die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts an, die dahin gehen:

11

Durch diese Pflichtverletzung sei ein Schaden entstanden. Dabei sei davon auszugehen, wie das Landwirtschaftsgericht bei richtiger Behandlung der Sache hätte entscheiden müssen. Nach der Überzeugung des Berufungsgerichts hätte das Landwirtschaftsgericht nach Anstellung sachgemäßer Ermittlungen die erforderliche Genehmigung erteilt. Zwar sei nach Art. IV 4 b des Kontrollratsgesetzes 45 die für die Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks erforderliche Genehmigung zu versagen, wenn der Gegenwert in einem groben Mißverhältnis zum Wert stehe. Bei der hier getroffenen Vereinbarung sei aber nicht der Nennwert des Kaufpreises, sondern der wirtschaftliche Wert der Forderung des Klägers gegen den Ehemann F. maßgebend. Die Wiese habe einen Verkehrswert von 6.000 DM gehabt. Ebenso hätten damals die Parteien die Gegenforderung bewertet; denn Wiese und Forderung sollten sich - gleichgültig in welcher Höhe ausgleichen; die Forderung sei damals andererseits auch noch nicht völlig wertlos gewesen, keinesfalls hätte das Landwirtschaftsgericht das erkennen können. Als Schaden könne der Kläger den von S. gebotenen Kaufpreis von DM 6.000 verlangen und stets auch die Kosten des Vorprozesses wegen der Auflassung, die mindestens 100 DM ausmachten.

12

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand:

13

1)

Die Revision meint, die Erwägung des angefochtenen Urteils sei schon deshalb fehlerhaft, weil das Oberlandesgericht nicht berücksichtigt habe, daß Frau F. die Schuld ihres Mannes übernommen habe; es sei nicht festgestellt, daß sie vermögenslos sei.

14

Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, daß dieser "Schuldübernahme" keine Bedeutung beigemessen werden könne, da sie ein bloßer juristisch-technischer Vorgang und möglicherweise unnötig gewesen sei. Schuldübernahme und Erfüllung fielen hier bei wirtschaftlicher Betrachtung zusammen; die Verkäuferin habe den Kaufpreis nicht in bar bekommen, sondern das Grundstück hatte dazu dienen sollen, den Ehemann von einem Teil seiner Schulden gegenüber dem Bruder der Verkäuferin zu befreien.

15

Diese Vertragsauslegung enthält weder einen Rechtsfehler noch eine Verletzung der Denkgesetze. Bei der Auslegung des Vertrages ist nicht am Buchstaben zu haften, sondern der wahre Wille der Parteien bei vernünftiger, praktischer und wirtschaftlicher Betrachung zu erforschen. Der Wille der Parteien ging nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts dahin, dem Schwager des Schuldners für seine langjährige erhebliche Hilfe durch die Übereignung des Wiesengrundstücks wenigstens teilweise eine Befriedigung zu verschaffen. Dazu sollte das im Eigentum der Ehefrau des Schuldners stehende Grundstück derart dienen, daß ohne Barzahlung für die Übereignung des Grundstücks ein bestimmter Teil der Schuld erlassen wurde. Diese Erwägung wird durch den Umstand unterstützt, daß es den rechtsunerfahrenen Vertragsparteien völlig gleichgültig war, welche Rechtsform der Notar dafür wählte, wie sich aus dem Ablauf der Verhandlungen und Beurkundung ergibt. Aus dieser Auslegung ergibt sich weiter folgendes: Die Schuldübernahme hatte nicht die Bedeutung, daß Frau F. eine unbeschränkte eigene Haftung für die Schuld ihres Mannes begründen, sondern nur, daß sie formal eine Verrechnung mit dem Kaufpreis ermöglichen sollte. Selbst wenn sie also Schuldnerin durch diese Erklärung geworden war, sollte diese Schuld sofort durch Verrechnung erlöschen und eine Haftung mit ihrem sonstigen Vermögen außer ihrer Kaufpreisforderung aus diesem Grundstückskauf nicht begründet werden.

16

2)

Bei dieser Auslegung des Vertrages lag - entgegen der Ansieht der Revision - kein Verstoß gegen § 313 BGB vor; denn die Urkunde enthielt alle wesentlichen Erklärungen und Vereinbarungen der Parteien richtig und vollständig.

17

3)

Die Revision rügt weiter: Die Auslegung des Berufungsgerichts, daß der Kläger den Wert seiner Forderung ungefähr entsprechend dem Wert der Wiese schätzte, enthalte eine Verletzung des § 286 ZPO; beide Eheleute F. hätten übereinstimmend erklärt, die Wiese sei 20.000 DM wert. Es ist richtig, daß die Eheleute F. eine solche Erklärung abgegeben haben. Das Oberlandesgericht hat diese Erklärungen aber nicht als richtig übernommen und den Wert der Wiese nicht danach ermittelt. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts hatte das Verlangen der Eheleute F. nur bedeutet, daß sie damit einen Erlaß der Schuld in Höhe von 20.000 DM gefordert und durch diese Angabe beschönigt hätten. Das war eine mögliche Beweiswürdigung, die für das Revisionsgericht bindend ist und die sogar durch den Verlauf der Verhandlungen bestätigt wird, die sich wie folgt abgespielt hatten: Der Notar hatte in der vorbereiteten Urkunde zunächst einen Kaufpreis von 6.000 DM eingesetzt; Frau F. war damit einverstanden und erst ihr Mann wünschte eine Erhöhung auf 20.000 DM mit der Bemerkung, die Wiese sei mehr wert; der Beklagte änderte daraufhin sofort die Urkunde und erklärte, es sei ja gleich, ob 6.000 oder 20.000 DM, wozu der Kläger schwieg. Eine Preisbestimmung in dieser Form ist nur verständlich, weil die Parteien nicht von einer Barzahlung, sondern von einer Verrechnung mit einer zweifelhaften Forderung ausgingen.

18

Im übrigen ist diese Rüge schon deshalb unerheblich, weil nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils es trotz der Erklärungen der Eheleute F. zwischen den Parteien unstreitig war, daß die dem Preisstop unterliegende Wiese einen Verkehrswert von nur etwa 6.000 DM hatte.

19

4)

Die Revision trägt ferner vor: Das Berufungsgericht habe den Vortrag des Beklagten übersehen, daß anzunehmen sei, der Kläger würde dem Landwirtschaftsgericht dasselbe vorgetragen haben, was er zur Erwirkung der verspäteten Genehmigung der Landwirtschaftsbehörde erklärt habe, daß es sich nämlich um ein bebautes Grundstück gehandelt habe; dieser Vortrag hätte aber nicht zu einer Genehmigung geführt.

20

Richtig ist, daß die untere Landwirtschaftsbehörde in Harburg bei Erteilung der Genehmigung im Januar 1954 vermerkt hatte, die Gemeinde habe bestätigt, daß das Grundstück mit einem massiven Hühnerstall bebaut sei. Das war unrichtig, weil dieses Gebäude auf einem anderem Grundstück stand. Die Frage der Bebauung war im übrigen höchstens für die Anwendung der Preisstopbestimmungen von Bedeutung, aber nicht für die hier anwendbare Vorschrift des Art. IV KRG 45.

21

Das Berufungsgericht hat diesen Sachvortrag nicht übersehen, denn es hat die Einzelheiten über die Erwirkung der späteren Genehmigung im Urteil aufgeführt und auch auf die Schriftsätze Bezug genommen. Es hat jedoch unter zulässiger Anwendung des § 287 ZPO festgestellt, daß es davon ausgehe, daß der Kläger dem Landwirtschaftsgericht die besonderen Umstände für die Bewertung der Forderung dargelegt hätte, zumal der Beklagte nicht behauptet habe, daß der Kläger sich, etwa anders verhalten haben würde. Das war richtig; denn der Schriftsatz vom 27. November 1956, auf den jetzt die Revision hinweist, enthält in der Tat eine solche Behauptung nicht. Im übrigen ist nicht festgestellt, daß der Kläger die falsche Erklärung der Gemeinde gekannt oder gewollt hat. Das Berufungsgericht hat weiter als seine Überzeugung festgestellt, daß das Landwirtschaftsgericht die damaligen Parteien und die Eheleute Fehling gehört sowie die Grundakten auch des Mühlengrundstücks herangezogen hätte; dann hätte es den wahren Wert der Forderung erkannt und ein Mißverhältnis zwischen Grundstückspreis und Grundstückswert verneint. Dabei ist dem Urteil auch die Überzeugung des Gerichts zu entnehmen, daß das Landwirtschaftsgericht die Bebauung der Wiese mit einem Hühnerstall für die Anwendung des Art. IV KRG 45 sofort als unerheblich erkannt und das den Parteien auch eröffnet hätte.

22

Auch sonst sind insoweit die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts fehlerfrei, das darauf abstellt, wie das Landwirtschaftsgericht hätte entscheiden müssen: Das Versehen des Notars lag darin, daß er einen gerichtlichen Rechtsbehelf schuldhaft versäumt hatte. Das Oberlandesgericht hatte dann unter Anwendung des § 287 ZPO festzustellen, welchen Schaden diese Pflichtverletzung verursacht hatte. Dabei war nicht maßgebend, wie das Landwirtschaftsgericht, dessen Entscheidung der Notar herbeizuführen gehabt hatte, über den Antrag auf Erteilung der Genehmigung entschieden, hätte, sondern wie es nach Auffassung des jetzt erkennenden Gerichts richtig hätte entscheiden müssen. Dieser Grundsatz gilt für alle derartigen Fälle im Regelfall, weil sich bei dem möglichen Wechsel der mitwirkenden Richter oder der zur Entscheidung berufenen Beamten und bei dem unberechenbaren Einfluß der verschiedensten Erwägungsgründe nie mit Sicherheit in dem späteren Schadensersatzprozeß feststellen läßt, wie ein Gericht in einem früheren Verfahren wirklich entschieden hätte. Dasselbe gilt für Entscheidungen der Verwaltungsbehörden, bei denen die Behörde an zwingende Vorschriften gebunden ist oder etwa als Aufsichtsbehörde reine Rechtsfragen zu entscheiden hat. Anders ist es jedoch bei Ermessensentscheidungen: Durfte die Verwaltungsbehörde, deren Entscheidung versäumt worden ist, nach ihrem Ermessen entscheiden, dann kommt es bei der Frage, was die Behörde veranlaßt hätte, darauf an, wie die Verwaltungsbehörde nach ihrer allgemeinen oder besonderen Übung den Rahmen ihres Ermessens in gleichen oder ähnlichen Fällen auszufüllen pflegte; in solchen Fällen muß also das über den Schadensersatzanspruch erkennende Gericht nach § 287 ZPO feststellen, wie jene Behörde entschieden hätte (RG JW 1912, 51; 1936, 813; RGZ 91, 164; 117, 287/293; 142, 321/333; 169, 353/358; BGH III ZR 62/54 vom 3. November 1955 = LM Nr. 5 zu § 21 RNotO; BGHZ 22, 258). Das Berufungsgericht hat diese in fester Rechtsprechung entwickelten Grundsätze richtig angewandt. Zwar trat hier das Landwirtschaftsgericht nach Versagung der Genehmigung an die Stelle der Verwaltungsbehörde und hätte bei Einlegung des versäumten Rechtsbehelfs über die Genehmigung nach denselben Grundsätzen zu entscheiden gehabt wie die Landwirtschaftsbehörde. Nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 45 mußte aber die beantragte Genehmigung erteilt werden, wenn kein Versagungsgrund nach Art. IV des Gesetzes vorlag (Lange-Wulff, Die Höfeordnung, 3. Aufl. 1951, Nr. 431). Das Landwirtschaftsgericht hätte also keine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt. Hinsichtlich des vom Landwirtschaftsgericht zu würdigenden Sachverhalts hat das Oberlandesgericht ebenfalls richtig geprüft, was die Beteiligten vorgetragen hätten und nicht etwa, was sie hätten vortragen müssen oder sollen.

23

5)

Die Revision meint endlich, da das Berufungsgericht nicht den Zeitpunkt festgestellt habe, an dem das Landwirtschaftsgericht entschieden hätte, hätte es ein grobes Mißverhältnis des Kaufpreises zum Grundstückswert schon deshalb annehmen müssen, weil inzwischen nach dem Zusammenbruch von F. die Forderung des Klägers völlig wertlos gewesen sei.

24

Das Kontrollratsgesetz 45 will zwar in erster Linie Bodenspekulationen durch überhöhte Grundstückspreise verhindern, aber außerdem die Landwirte vor unvorteilhaften Verkäufen schützen, so daß ein grobes Mißverhältnis im Sinne des Art. IV KRG 45 auch bei einem zu niedrigen Verkaufspreis vorliegen kann (BGH LM Nr. 16 zu Art. IV KRG 45). Das hat das Berufungsgericht jedoch nicht übersehen. Es hat zwar den genauen Tag nicht festgestellt, an dem nach seiner Auffassung das Landwirtschaftsgericht entschieden haben würde. Da es aber zutreffend davon ausgeht, wie das Gericht pflichtgemäß hätte entscheiden müssen, ergibt sich daraus, daß die Entscheidung bei der einfachen Sachlage bald nach Stellung des Antrages ergangen wäre. Das Oberlandesgericht hat das näher dahin erläutert, daß zur Zeit der zu unterstellenden Entscheidung der Mühlenbesitzer Fehling noch nicht völlig zusammengebrochen sei, jedenfalls das Landwirtschaftsgericht das nicht hätte erkennen können. Das Urteil begründet das näher auch damit, daß die aussichtslose Vermögenslage von F. sich erst im Laufe des Konkursverfahrens, der Zwangsversteigerung und der daneben laufenden Interventionsprozesse herausgestellt habe, also erst im Laufe des ganzen Jahres 1954. Das alles unterlag der freien Würdigung des Berufungsgerichts nach § 287 ZPO und läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

25

6)

Auch sonst ergibt das Urteil keine Rechtsverletzung. Die Revision muß daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

Dr. Geiger Dr. Pagendarm Dr. Kreft Dr. Arndt BR Dr. Hußla ist beurlaubt und deshalb verhindert, zu unterschreiben. Dr. Geiger