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Bundesgerichtshof
Urt. v. 29.09.1958, Az.: II ZR 342/56

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
29.09.1958
Aktenzeichen
II ZR 342/56
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1958, 14388
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Frankfurt/Main - 18.09.1956
LG Frankfurt/Main

Fundstellen

  • JZ 1959, 128-129 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1958, 909-910 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1958, 1968 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

des Kaufmanns Kurt W., F./M., Ro. Straße ..., jetzt G./Krs. O., A. B.,

Prozessgegner

Frau Else E., F./M., Bl.platz ..., ptr., bei Wi.,

Amtlicher Leitsatz

Allein der Umstand, daß ein Vertrag von beiden Parteien mit verschiedener Begründung angefochten Wird, berechtigt das Gericht noch nicht, ohne Prüfung des Anfechtungstatbestands von der Nichtigkeit des Vertrags auszugehen.

hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 1958 unter Mitwirkung der Bundesrichter Dr. Haidinger, Dr. Fischer, Dr. Kuhn, Dr. Haager und Liesecke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Ferien-Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt/Main vom 18. September 1956 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Der Kläger ging am 1. Juli 1957 mit der Beklagten als "gleichberechtigter Teilhaberin" eine Gesellschaft zum Betrieb des Groß- und Einzelhandels mit Süßwaren ein. Die Parteien vereinbarten, dem Geschäft kein Geld zu entnehmen, "was nicht zur Weiterführung des Geschäfts notwendig" sei. Die Buch- und Kassenführung oblag der Beklagten. Der Kläger war im Außendienst tätig. Gegen Ende des Jahres 1952 äußerte der Steuerhelfer des Klägers Bedenken hinsichtlich der Übereinstimmung zwischen den Buchungen und den tatsächlich vorhandenen Werten und erklärte, einer der Gesellschafter müsse heimlich erhebliche Gelder entnommen haben. Während der dadurch ausgelösten Meinungsverschiedenheiten legte die Beklagte eine grobe mit einer Schuldenlast von 2.514,18 DM abschließende Zusammenstellung von Gläubigern und Schuldnern vor (GA 106/107). Darauf verabredeten die Parteien am 31. Dezember 1952 das Ausscheiden der Beklagten in einer als Vorvertrag bezeichneten Vereinbarung. Kurz nach dieser Vereinbarung erschienen Steuerbeamte beim Kläger zwecks Pfändung von 2.000 DM rückständiger Umsatzsteuer, die in dieser Aufstellung nicht enthalten waren. Ungeachtet der sich so offenbarenden Unrichtigkeit der Zusammenstellung und ohne daß eine Bilanz aufgestellt war, wie sie im "Vorvertrag" vom 31. Dezember 1952 als Voraussetzung für eine endgültige Vereinbarung vorgesehen war, schlossen die Parteien am 15. Januar 1953 einen endgültigen Auseinandersetzungsvertrag. Die Beklagte erhielt unter Verzicht auf weitere Ansprüche gegen den Kläger eine Abfindung für ihre Einlage. Der Kläger erklärte, daß er keine Ansprüche mehr an die Beklagte stelle. Der Steuerhelfer des Klägers konnte infolge der unübersichtlichen Buchführung erst im September 1953 zu einem gewissen Abschluß gelangen. Er errechnete einen Fehlbetrag von 9.200 DM. Eine Betriebsprüfung des Finanzamts im Oktober 1953 ergab einen geschätzten Fehlbetrag von rund 40.000 DM. Die Beklagte hat das Ergebnis dieser Betriebsprüfung gegenüber dem Finanzamt anerkannt.

2

Der Kläger hat behauptet, er habe nach Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages vom 15. Januar 1953 festgestellt, daß die Beklagte den hohen Gewinn, den der Betrieb nach den Feststellungen des Finanzamts abgeworfen habe sich angeeignet habe. Die Beklagte habe wahrheitswidrig ihre Aufstellung der Verbindlichkeiten zum 31. Dezember 1952 als vollständig bezeichnet, außerdem habe sie die Einnahmen, die aus dem Betrieb von Trinkhallen anfielen, um 13.514,94 DM zu gering verbucht. Sie habe sich ferner unter Anfertigung unrichtiger eigener Belege Ersatz für Aufwendungen für ihre Geschäftsführertätigkeit vergütet, die nicht entstanden seien. Endlich habe sie unbefugt Privatentnahmen gemacht und durch ihren Sohn heimlich Waren aus dem Lager entwenden lassen. In dem Auseinandersetzungsvertrag habe er nur auf Ansprüche verzichtet, die sich im Rahmen einer normalen Auseinandersetzung bei Feststellung eines größeren Verlustes des Geschäfts ergeben hätten, jedoch nicht auf Ersatzansprüche wegen derart umfangreicher Unterschlagungen.

3

Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn als Schadenersatz für unterschlagene Geschäftsgelder einen Teilbetrag von 10.000 DM zu bezahlen. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragte.

4

Sie hat bestritten, sich unbefugt Geschäftsgelder angeeignet zu haben. Sie hat eingeräumt, Falschbuchungen vorgenommen zu haben, hat jedoch dazu geltend gemacht, daß sie dies auf Veranlassung und im Einverständnis mit dem Kläger getan habe, zum größten Teil deshalb, um Schwierigkeiten bei der Einreihung als Großhandelsbetrieb zu umgehen und um außerdem den Umsatz von Trinkhallen wegen der sich an den Umsatz knüpfenden Steuerpflichten und Pflichten zur Tragung sozialer Abgaben geringer erscheinen zu lassen. Die nicht verbuchten Einnahmen seien für Schwarzeinkäufe verwendet worden. Auch seien an die Trinkhallenwärter nicht verbuchte Auszahlungen erfolgt. Die Aufwendungen für Geschäftsunkosten, die sie in den von ihr verfertigten formlosen Ausgabebelegen aufgezeichnet habe, seien zum größten Teil dem Kläger, im übrigen ihr wirklich entstanden. Eine Privatentnahme von 2.200 DM, die sie im Einverständnis mit dem Kläger gemacht habe, sei in den Büchern ordnungsgemäß vermerkt. Sie habe den Kläger auf das Bestehen weiterer Steuerschulden aufmerksam gemacht. Zudem seien noch weitere nicht gebuchte Außenstände vorhanden gewesen. Eine Zahlung an einen Gläubiger sei ebenfalls nicht verbucht gewesen. Verluste seien durch unwirtschaftliche Maßnahmen des Klägers entstanden, insbesondere dadurch, daß der Kläger und seine Ehefrau zum eigenen Verbrauch und zum eigenen Verkauf Waren dem Lager entnommen hätten. Bei den Feststellungen des Finanzamts handle es sich um utopische Schätzungen. Sie habe sie nur unter dem Druck eines Steuerstrafverfahrens anerkannt und habe dabei auf die Unrichtigkeit dieser Feststellungen hingewiesen.

5

Mit der Behauptung, der Kläger habe sie durch arglistige Täuschung zum Abschluß des Gesellschaftsvertrages veranlaßt, hat sie widerklagend die Verurteilung des Klägers zur Zahlung von 16.000 DM, die ihre Einlage gebildet hätten, beantragt. Den Auseinandersetzungsvertrag vom 15. Januar 1953 mit dem darin enthaltenen Verzicht auf weitere, ihre Abfindung übersteigende Ansprüche hat sie wegen Drohung angefochten.

6

Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt. Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen, und zwar die Klage, weil der Verzicht in dem Auseinandersetzungsvertrag auch Schadenersatzansprüche wegen etwaiger Unterschlagungen erfasse, die Widerklage, weil eine zur Anfechtung berechtigende Drohung nicht vorgelegen habe. Der Kläger hat Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat er mit Schriftsatz vom 5. März 1954 den Auseinandersetzungsvertrag angefochten, da die Beklagte ihn, wie er erst im Herbst 1953 ersehen habe, bei Abschluß des Vertrages arglistig getäuscht habe, indem sie ihm ihre umfangreichen Unterschlagungen, die völlige Unzuverlässigkeit ihrer Bücher und die wirkliche Höhe der Schulden verschwiegen habe. Außer dem Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung an ihn hat er hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die aus den Parteien bestehende Gesellschaft einen Betrag von 10.000 DM zu bezahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils, soweit seiner Klage nicht mit einem Teilbetrag von 6.100 DM stattgegeben wurde, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe:

7

1.)

In dem endgültigen Auseinandersetzungsvertrag vom 15. Januar 1953 hatten beide Parteien erklärt, nach Unterzeichnung des Vertrages keine Ansprüche gegeneinander zu stellen. Das Berufungsgericht sieht darin einen erschöpfenden Verzicht auf alle im Zusammenhang mit dem früheren Gesellschaftsverhältnis etwa entstandenen weiteren Ansprüche, auch soweit sie sich aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung wegen Unterschlagung durch die Beklagte begründen lassen sollten. Da der Kläger die Voraussetzungen für die Anfechtung dieses Vertrages nicht bewiesen habe, seien seine etwaigen aus dem Gesellschaftsverhältnis herrührenden Ansprüche durch den vertraglichen Verzicht erledigt.

8

Nach Auffassung der Revision setzt sich das Berufungsgericht damit, daß es den Vertrag als wirksam betrachtet, unter Verstoß gegen §128 ZPO mit dem Vorbringen der Parteien in Widerspruch. Diese Ansicht trifft nicht zu. Die Beklagte hat in der ersten Instanz diesen Vertrag wegen Drohung (GA 79) angefochtene, um ihre Widerklage zu begründen. Gegen das landgerichtliche Urteil, das die Wirksamkeit der Anfechtung verneint, hat sie kein Rechtsmittel eingelegt. Sie hat im zweiten Rechtszug, in dem der Kläger seinerseits diesen Auseinandersetzungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten hat (GA 104, 136), die Auffassung vertreten, der Vertrag bestehe fort, die Anfechtung des Klägers sei grundlos. Unter Hinweis auf die in JW 1912, 285 veröffentlichte Entscheidung des Reichsgerichts und auf die Ansicht von Baumbach-Lauterbach (ZPO Grundzüge §128 Anm. 3 c) meint die Revision, mit ihren Anfechtungserklärungen hätten beide Parteien zum Ausdruck gebracht, daß sie den Vertrag als nichtig ansähen. Infolgedessen hätte das Berufungsgericht den Vertrag ebenfalls als nichtig behandeln müssen.

9

Diese Ansicht wird der Stellung des Gerichts im Zivilprozeß nicht gerecht. Es ist grundsätzlich nur an tatsächliche Behauptungen einer Partei gebunden, soweit diese von der anderen Partei zugestanden oder nicht bestritten werden (§§288, 138 Abs. 3 ZPO). Dagegen ist das Gericht in der Subsumtion festgestellter Tatsachen unter gesetzliche Vorschriften frei. Die Parteien können daher nicht durch ein Geständnis von Rechtsverhältnissen oder durch übereinstimmende Kundgabe von Rechtsansichten eine eigene rechtliche Beurteilung durch das Gericht ausschließen (RGZ 35, 409; 80, 363, 364; 85, 163, 167; 161, 243, 247; RG WarnRspr 1938, 54; Rosenberg, Zivilprozeßrecht 7. Aufl. §113 I 1 a und e; Wieczorek, ZPO §288 Anm. A II b 1). Allerdings können tatsächliche Behauptungen in Rechtsbegriffe eingekleidet sein, so wenn z.B. vorgetragen wird, eine Partei sei Eigentümerin einer Sache oder es sei ein Kauf zwischen den Parteien abgeschlossen. Rechtsbegriffe oder Rechtsverhältnisse können aber nur dann als inhaltlich tatsächliches Vorbringen angesehen werden, wenn sie einfach und allgemein bekannt sind. Nur in diesem Fall ist die Einführung eines Rechtsbegriffs seiner Zerlegung in die einzelnen tatsächlichen Momente gleichzuachten, so daß ein Geständnis das Gericht hindert, die Wahrheit eines solchen Vorbringens zu prüfen. Handelt es sich jedoch um einen schwierigen Rechtsbegriff, oder ist die Zusammenfassung eines Tatsachenkomplexes als Rechtsverhältnis zweifelhaft, dann wird das Gericht durch ein Zugeständnis des Gegners nicht gebunden. Es muß auf die Tatsachen zurückgreifen und ihre rechtliche Einordnung selbst vornehmen (RGZ 35, 409, 411; RG JW 1899, 768; Stein-Jonas §282 Ann. II 2 a; §288 Anm. II 1 a; Wieczorek, ZPO §288 Anm. A II b 2). Nach diesen in Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelten Grundsätzen kann nicht davon gesprochen werden, die Rechtsfrage, ob ein Vertrag gegen die guten Sitten verstoße und deshalb nichtig sei, sei einfach, so daß der dahingehende übereinstimmende Parteivortrag eine unstreitige Tatsachenbehauptung darstelle, die das Gericht an der eigenen Prüfung hindere. Soweit aus RG JW 1912, 285 eine andere Auffassung des Reichsgerichts entnommen werden könnte, wird daran nicht festgehalten (vgl. RG JW 1899, 768).

10

Die Beklagte war daher unter diesem Gesichtspunkt nicht gehindert, im zweiten Rechtszug eine andere Rechtsauffassung zu vertreten als vorher (RGZ 161, 243, 247). Es erscheint auch nicht angängig, eine übereinstimmende Rechtsansicht der Parteien deshalb als für das Gericht bindend zu bezeichnen, weil die Streitteile nach dem Verhandlungsgrundsatz über den Streitstoff verfügen könnten, eine Auffassung, die in RGZ 58, 54 anklingt, in welcher Entscheidung das RG das Zugeständnis des Eigentums weder als Geständnis noch als Anerkenntnis betrachtet hat, sondern ihm als "prozessualem Dispositionsakt" eingeschränkte Geständniswirkung zuerkannt hat. Die Befugnis der Parteien, über den Streitstoff zu verfügen, ist nicht unbegrenzt. Sie erstreckt sich nur auf den Tatsachenstoff, zu dem, wie dargelegt, auch einfache präjudizielle Rechtsbegriffe gehören, und auf den Klageanspruch selbst, nicht aber auf die rechtlichen Grundlagen dieses Anspruches. Auch aus der von der Revision angeführten Entscheidung des Reichsgerichts (JW 1912, 285) können entgegen der Revision keine unmittelbaren Folgerungen für den vorliegenden Sachverhalt gezogen werden. Denn in dem vom RG entschiedenen Falle stimmte die Rechtsauffassung beider Parteien über die Sittenwidrigkeit und die daraus sich ergebende Nichtigkeit des Vertrages überein. Hier aber macht jede Partei eine Verfehlung der anderen geltend und folgert daraus die Berechtigung, sich vom Vertrag einseitig durch Gestaltungserklärung rückwirkend lossagen zu können, während sie die vom Gegner behauptete eigene Verfehlung bestreitet.

11

Darüber hinaus war zu prüfen, ob den beiderseitigen Anfechtungserklärungen nicht jedenfalls eine materiellrechtliche Wirkung dahin zuerkannt werden muß, daß darin ein durch Antrag und Annahme dieses Antrages zustande gekommener Vertrag über die rückwirkende Aufhebung des Auseinandersetzungsvertrages zu sehen wäre. In der Erklärung, wegen Verfehlungen des Vertragsgegners den Vertrag vom 15. Januar 1953 anfechten zu wollen, kann ein Antrag auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages nicht gefunden werden. Zwar ist das Ziel, die Beseitigung des Vergleichs vom 15. Januar 1953, bei Anfechtung wie Aufhebungsvertrag mit rückwirkender Kraft das gleiche. Eine Anfechtungserklärung hat jedoch in der Regel nicht den Zweck, eine Mitwirkung der Gegenpartei zu gemeinsamem Ziel herbeizuführen, wie es bei dem Vertragsangebot der Fall ist. Außerdem stellt die Beantwortung der Anfechtung der einen Partei mit einer Anfechtung der anderen wegen einer Verfehlung des Gegnern keine Kundgabe des Einverständnisses mit der Erklärung des zuerst Anfechtenden dar, jedenfalls dann nicht, wenn die Begründung der ersten Anfechtung ausdrücklich in Abrede gestellt wird. Man mag bei einer Kündigung eines Vertragsverhältnisses, der der Gegner nicht widerspricht, davon sprechen können, der Gegner habe sich dem Willen des Kündigenden gefügt und deshalb sei Willensübereinstimmung zwischen beiden Parteien über Beendigung des Rechtsverhältnisses erzielt worden. Wenn aber eine Partei aus eigenem Recht rückwirkende Beseitigung des Vertragsverhältnisses erstrebt, die andere darauf dieses Recht zurückweist und ihrerseits sich vom Vertrage aus eigenem Recht lossagt, besteht eine solche Willensübereinstimmung nicht (vgl. RG JW 14, 865; RG SeuffArch 79 Nr. 4). Die Beklagte hat freilich, worauf sich die Revision auch beruft, im ersten Rechtszuge erklärt, sie wolle sich nicht auf den vom Kläger im Vergleich ausgesprochenen Verzicht auf weitere Ansprüche berufen. Offenbar hat auch sie jedoch nicht damit zum Ausdruck bringen wollen, sie wolle eine einverständliche Aufhebung des Vertrages vom 15. Januar 1953 herbeiführen. Denn sie schließt unmittelbar an ihre Erklärung die Anfechtung an, die überflüssig wäre, wenn sie der Auffassung war, der Vertrag sei durch übereinstimmende Erklärung der Parteien bereits aufgehobene überdies hat die Beklagte ihre Erklärung in zweiter Instanz nicht aufrechterhalten, vielmehr ausdrücklich den Vertrag als fortbestehend und Wirksam bezeichnet. Somit hätte sie einen Antrag auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages zu einem Zeitpunkt widerrufen, zu dem ihn der Kläger noch nicht angenommen hatte. Die Erklärung der Beklagten im ersten Rechtszug, sie wolle sich nicht auf den Verzicht des Klägers in dem Auseinandersetzungsvertrag berufen, hinderte sie auch unter dem Gesichtspunkt einer einseitigen Verzichtserklärung schon deshalb nicht an einer anderen Stellungnahme, weil sie nur unter der Bedingung abgegeben wurde, daß auch die Beklagte nicht an ihrem in dieser Vereinbarung ausgesprochenen Verzicht festgehalten werde. Weder nach materiellrechtlichen Grundsätzen noch aus verfahrensrechtlichen Gründen kann deshalb der Auseinandersetzungsvertrag im Hinblick auf die Erklärung der Parteien im Prozeß als hinfällig betrachtet werden.

12

2.)

Es erhebt sich daher die weitere Frage, ob der Kläger den Vertrag vom 15. Januar 1953 wirksam angefochten hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war er sich beim Abschluß des Vertrages mindestens darüber im klaren, daß die Buchführung der Parteien schwerwiegende Fehler enthielt, daß von dem Steuerhelfer Weber der Verdacht heimlicher Geldentnahme geäußert wurde und daß weder eine Bilanz noch eine zuverlässige Aufstellung der Verbindlichkeiten vorlag. Der Kläger hatte selbst behauptet, sein Steuerhelfer habe ihm erklärt, "einer der beiden Teilhaber müsse erhebliche Gelder aus dem Betrieb herausgezogen haben, welche buchmäßig noch vorhanden seien". Nach Ansicht des Berufungsgerichts konnte unter diesen Umständen die Erklärung, "keine Ansprüche mehr" gegen die Beklagte zu stellen, nur als inhaltlich erschöpfender Verzicht auf alle im Zusammenhang mit dem früheren Gesellschaftsverhältnis etwa entstandenen weiteren Ansprüche aufgefaßt werden, auch soweit sie sich gleichzeitig aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung begründen lassen sollten.

13

Diesen Vertrag hat der Kläger mit der Begründung angefochten, er sei von der Beklagten bei Vertragsschluß getäuscht worden. Die Anfechtung ist jedoch nicht begründet. Das Berufungsgericht hat einen Nachweis für eine derartige Täuschung nicht als erwiesen angesehen. Das Berufungsgericht hat dabei, was die Revision bei ihren Rügen nicht genügend beachtet, auseinandergehalten, daß die Täuschung einmal darin liegen kann, daß die Beklagte aus steuerlichen Gesichtspunkten oder z.B. zur Ersparnis von Sozialversicherungsbeiträgen Falschbuchungen vorgenommen haben kann, ohne daß damit gleichbedeutend ist, daß sie sich Gelder angeeignet hat.

14

Nach dem Berufungsurteil hat der Kläger nicht bewiesen, daß die Beklagte, wie er behauptet, hohe Gewinne unterschlagen hat. Einmal hat der Sachverständige dargelegt, daß die vom Kläger angegebenen Umsatzzahlen, nach denen er diesen Gewinn berechnet habe, überhöht seien. Die Erzielung eines Gewinns und Entwendungen der Beklagten hätten sich nicht feststellen lassen. Es erscheine durchaus möglich, daß der Betrieb der Parteien ohne jeglichen Gewinn oder sogar mit Verlust gearbeitet habe, wofür die Tatsache spreche, daß dem Kläger kaufmännische Tüchtigkeit gefehlt hafte. Auf der anderen Seite sei es nicht auszuschließen, daß der Kläger oder Dritte dem Lager unberechtigt Ware entzogen hätten. Die unterbliebene Buchung der Trinkhalleneinnahmen zwinge ebenfalls nicht zu der Annahme der Unterschlagung von Geldern durch die Beklagte, da den Erlösen entsprechende Werte auch ohne Entnahme der Beklagten auf andere Weise, z.B. durch Entwendung hätten verlorengehen können. Die Revision meint, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, anzugeben, wohin die ungebuchten Erlöse geflossen seien. Die in dieser Rüge zum Ausdruck kommende Auffassung, daß das Berufungsgericht die Beweislast verkannt habe, ist nicht begründet. Soweit der Kläger, wie er ausdrücklich bemerkt hat (GA 134), seine Anfechtung darauf stützt, daß die Beklagte Gelder unterschlagen habe, hat er diesen Sachverhalt zu beweisen. Die Tatsache, daß zweifellos Einnahmen nicht gebucht wurden, bildet nur ein Indiz für diesen Beweis, dem das Gericht in tatrichterlicher Würdigung andere Möglichkeiten des Verbrauchs diesen Einnahmen gegenübergestellt hat. Soweit sich der Revisionsbegründung entnehmen läßt, daß gegen die Feststellungen zu diesem Fragenkomplex Verfahrensrügen erhoben werden, sind sie unbegründet. Dies gilt für die Rüge, der Zeuge We. sei nicht darüber vernommen worden (Schriftsatz vom 5. 3. 1954 - Bl. 3 GA 103), daß dem Kläger keinerlei Umstände bekannt waren, die den zwingenden Schluß auf die unbefugte Entnahme von Geldern durch die Beklagte zuließen. Dieses Vorbringen ist nicht erheblich, da das Berufungsgericht die Anfechtung wegen einer Täuschung über Unterschlagungen nicht etwa deshalb verneint hat, weil der Kläger Kenntnis von den unbefugten Entnahmen gehabt habe, sondern aus dem Grund, daß keine unbefugten Entnahmen festgestellt seien. Des weiteren rügt die Revision (Schriftsatz vom 20. Auge 1954 - Bl. 5 GA 134), der Zeuge R., der die Betriebsprüfung vorgenommen habe, sei nicht vernommen worden. Das Berufungsgericht hätte in diesem Fall den von diesem Zeugen geschätzten Gewinn zugrunde legen müssen. Soweit der Kläger damit einen Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen R. stellen wollte, fehlt es an der Angabe der unter Beweis gestellten Tatsache. Daß der Betriebsprüfer R. einen höheren Gewinn geschätzt hatte, hat das Berufungsgericht im übrigen gewürdigt. In Wahrheit handelt es sich wohl darum, daß der Betriebsprüfer R. als Gutachter gehört werden sollte. Die Auswahl der Gutachter liegt im freien Ermessen des Gerichts, das den Wirtschaftsprüfer Dr. L. als Sachverständigen bestimmt hat. Ebenso unbegründet ist die Rüge, der Zeuge We. sei nicht gehört worden. Er war in diesem Zusammenhang dafür benannt worden (Schriftsatz vom 20. Aug. 1954 - Bl. 7 GA 136), daß die Beklagte bei einer Unterredung die Entnahme von Geldern geleugnet habe. Dieser Beweisantrag könnte erheblich sein dafür, daß der Kläger keine Kenntnis von Unterschlagungen hatte, er besagt jedoch nichts für die allein maßgebliche Tatsache, ob die Beklagte Gelder unterschlagen hat. Des weiteren macht die Revision geltend, das Gutachten des Gerichtssachverständigen stehe auf dem Standpunkt, daß verschiedene Zweifelsfragen durch Zeugenvernehmungen festgestellt werden könnten. Das Gericht hätte die entsprechenden Beweise ergeben müssen. Diese allgemein gehaltene Rüge entbehrt der in §554 Abs. 2 Ziff 2 b vorgeschriebenen bestimmten Tatsachen, die den Mangel ergeben.

15

Da somit die Teststellung des Berufungsgerichts, ein Beweis für Unterschlagungen durch die Beklagte sei nicht erbracht, in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist, fehlt es schon deshalb an den Voraussetzungen für eine Täuschung des Klägers. Soweit die Anfechtung des Auseinandersetzungsvertrages auf diesen Sachverhalt gestützt wird, ist sie daher mit Recht vom Berufungsgericht als unwirksam betrachtet worden.

16

Was den Vorwurf der Falschbuchungen anlangt, so war sich der Kläger bei Abschluß des Vertrages darüber im klaren, daß die Buchführung der Beklagten schwerwiegende Fehler enthielt und daß weder eine Bilanz noch eine zuverlässige Aufstellung der Verbindlichkeiten vorlag. Trotzdem hat er auf alle im Zusammenhang mit dem früheren Gesellschaftsverhältnis etwa entstandenen weiteren Ansprüche verzichtete. Darunter würden auch Ansprüche auf Schadenersatz wegen dieser schlechten Buchführung fallen, die damit begründet sein konnten, daß den Kläger infolge dieser Verletzung der Gesellschafterpflichten durch die Beklagte z.B. steuerliche Nachteile, wie Säumniszuschläge oder Steuerstrafen, treffen würden. Aus dem Zusammenhang des Berufungsurteils ist zu entnehmen, daß das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf die Kenntnis schwerwiegender Buchungsfehler und das fehlen einer Bilanz und einer zuverlässigen Aufstellung feststellen wollte, daß der Kläger mit Falschbuchungen in dem Umfang, wie er sie behauptet hat, gerechnet habe. Damit entfiele der Kausalzusammenhang zwischen einer Täuschung der Beklagten und dem Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages (LM BGB §123 Nr. 4). Entgegen der Ansicht der Revision kann darin kein Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gesehen werden, zumal der Kläger einmal hatte erklären lassen (Schriftsatz vom 20. Aug. 1954 - Bl. 5 GA 134), die Anfechtungserklärung beziehe sich nicht darauf, daß Falschbuchungen vorgenommen seien, sondern daß effektiv erhebliche Beträge dem Geschäft durch die Beklagte entzogen worden seien.

17

Es war auch nicht Sache der Beklagten, zu beweisen, daß der Kläger Kenntnis von ihren Falschbuchungen hatte, denn der Kläger hat sämtliche Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung zu beweisen, also auch die Tatsache, daß er von der Art der Buchführung durch die Beklagte keine Kenntnis hatte. Die Tatsache, daß es sich um den Beweis einer negativen Tatsache handelt, führt zu keiner Umkehrung der Beweislast. Der mit einem solchen Beweis durch den Kläger verbundenen Schwierigkeit ist dadurch Rechnung zu tragen, daß die Beklagte sich nicht mit einem einfachen Bestreiten der Behauptung des beweispflichtigen Klägers über die Nichtkenntnis der Falschbuchungen begnügen darf, sondern daß sie diese Behauptung substantiiert bestreiten und darlegen muß, aus welchen Gründen der Kläger Kenntnis von den Falschbuchungen hatte. Demgegenüber hätte der Kläger beweisen müssen, daß diese Gegendarstellung der Beklagten unrichtig ist (BGH WM 1958, 777). Die Beklagte ist ihrer Pflicht zum substantiierten Bestreiten nachgekommen, indem sie im einzelnen die Umstände vorgetragen hat, aus denen sich die Kenntnis des Klägers ergibt. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe ihr einmal vorgeschlagen, im geschäftlichen Interesse derartige Buchungsmanipulationen vor annehmen. Der Kläger hatte selbst eingeräumt, daß in ganz geringem Umfang ein "ohne-Rechnung-Geschäft" durchgeführt worden sei. Den demnach zu führenden Beweis für die Unrichtigkeit der Darstellung der Beklagten hat der Kläger nicht erbracht. Die Revision rügt in diesem Zusammenhang die Übergehung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen Weber (Schriftsatz vom 5. März 1954 - Bl. 2, 39 GA 102, 103). Das in das Wissen dieses Zeugen gestellte Vorbringen war in diesem Zusammenhang nicht erhebliche, da der Zeuge dafür benannt wurde, daß von der Entnahme von Geld, also von Unterschlagungen beim Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages nichts bekannt war. Hier handelt es sich dagegen um Differenzen in der Buchführung, die, wie bereits dargelegt, nicht gleichbedeutend sind mit Unterschlagung der nicht ordnungsgemäß verbuchten Gelder. Das gleiche gilt von der vom Kläger beantragten Parteivernehmung (GA 102).

18

Das Berufungsgericht hatte weiteres Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 30. August 1956 (Bl. 2, GA 261) zum Nachweis dafür, daß ihm die unrichtige Buchführung der Beklagten nicht bekannt gewesen sei, als verspätet zurückgewiesen. Die Revision meint, diese Behauptung sei schon früher dadurch in den Prozeß eingeführt worden, daß sie im Strafverfahren eingehend erörtert worden und die Strafakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien. Diese summarische Bezugnahme des Klägers auf die Strafakten, die sich allein aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt, kann einen substantiierten Beweisantrag nicht ersetzen. Zudem würde durch die aus den Strafakten zu entnehmende Behauptung die Anfechtung des Auseinandersetzungsvertrages nicht begründet. Es handelt sich um die Falschbuchung eines Betrages von 1.800 DM. Wenn der Kläger in Unkenntnis dieser Tatsache den Auseinandersetzungsvertrag geschlossen hat, so ist trotzdem ein Irrtum über eine Falschbuchung von einem derart geringen Umfang nicht kausal für den in dem Vertrag ausgesprochenen Verzicht. Der Kläger hatte seine Anfechtung selbst damit begründet, daß er in Unkenntnis über den außergewöhnlichen Umfang der Falschbuchung gewesen sei.

19

Bei der Beweiswürdigung, ob der Kläger Kenntnis von den Falschbuchungen hatte, hat das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit des beiderseitigen Vorbringens gegeneinander abgewogen und ist zu dem Ergebnis gekommen, die Angaben des Klägers seien zur Widerlegung des Vorbringens der Beklagten nicht ausreichend, da der Kläger durch die Art seines Vorbringens im Prozeß, den Wechsel in seinen Angaben und die nachgewiesene Unwahrhaftigkeit einzelner Angaben sich als unglaubhaft erwiesen habe. Einmal hat das Berufungsgericht hierbei den Umstand berücksichtigt, daß der Kläger dem Stand des Verfahrens angepaßt, über den Umfang seiner Kenntnis bei Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages widerspruchsvolle Behauptungen aufgestellt hat. Diese und mehrere andere Erwägungen, die das Berufungsgericht als Beweisanzeichen für die Unglaubwürdigkeit des Klägers verwertet hat, hat die Revision nicht angegriffen. Sie wendet sich lediglich gegen ein einzelnes Argument, nämlich die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe im Prozeß behauptet, niemals Privatentnahmen gemacht zu haben. Das Berufungsgericht hat dagegen festgestellt, der Kläger habe Entnahmen für private Zwecke gemacht. Die Revision weist demgegenüber auf das Vorbringen in der Klageschrift hin, der Kläger habe für sämtliche Entnahmen einen Beleg angefertigt. Mit diesem Vorbringen steht das Berufungsurteil nicht im Widerspruch. Das Berufungsgericht spricht nämlich von Privatentnahmen, d.h. Entnahmen für private Zwecke, während es sich bei dem Vorbringen in der Klageschrift, wie dem Urteil Zusammenhang zu entnehmen ist, um Entnahmen für geschäftliche Aufwendungen handelt. Somit sind in verfahrensrechtlicher Hinsicht keine Rechtsfehler bei den Feststellungen des Berufungsgerichts ersichtlich, soweit sie die Behauptung des Klägers betreffen, er habe den Auseinandersetzungsvertrag wegen Täuschung über die ordnungsgemäße Buchführung wirksam angefochten.

20

3.)

Nach Ansicht der Revision rechtfertigt sich der Schadenersatzanspruch des Klägers schon aus der Tatsache, daß die Beklagte in der Unterwerfungsverhandlung den Buch- und Betriebsprüfungsbericht als richtig anerkannt und dadurch dem Kläger eine außerordentliche Steuerlast auferlegt habe. Der Kläger hatte bisher seine Schadenersatzansprüche in erster Linie damit begründet, die Beklagte habe Gelder unterschlagen oder veruntreut (Schriftsatz vom 20. Auge 1954 - Bl. 3 GA 132), also Verfehlungen vor Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages begangen. Er hat dabei ausgeführt, er verlange in erster Linie nicht Schadenersatz wegen der "Falschbuchungen der Beklagten (wie Steuerstrafen, Säumniszuschläge pp)". Selbst wenn man diese Darstellung so verstehen sollte, daß er auch unter diesem letzteren Gesichtspunkt Schadenersatz verlange, so handelt es sich dabei um die Anknüpfung an Vorgänge, die vor der Auseinandersetzung liegen. Demgegenüber liegt ein anderer Sachverhalt vor, wenn die Revision den Schadenersatzanspruch jetzt auf das, wie die Revision wohl ausführen will, den Kläger bindende Anerkenntnis der Betriebsprüfung stützen will. Die darin liegende Klagänderung ist in der Revisionsinstanz nicht mehr zulässig. Schon deshalb kann dieses Vorbringen der Revision nicht zum Erfolg verhelfen, ohne daß es noch darauf ankommt, ob eine derartige Erklärung den Kläger verpflichtete, und ob dem Kläger dadurch insoweit ein Schaden entstanden ist, daß er zu Unrecht Steuern zahlen mußte.

21

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus §97 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Haidinger Dr. Fischer Dr. Kuhn Dr. Haager Liesecke