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Bundesgerichtshof
Urt. v. 08.05.1958, Az.: 4 StR 52/58

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
08.05.1958
Aktenzeichen
4 StR 52/58
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1958, 13121
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Münster (Westfalen) - 10.12.1957

Verfahrensgegenstand

Meineid

In der Strafsache
hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
in der Sitzung vom 8. Mai 1958,
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Rotberg als Vorsitzender,
Bundesrichter Mantel Bundesrichter Krumme Bundesrichter Dr. Seibert Bundesrichter Prof. Dr. Lang-Hinrichsen als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt ... in der Verhandlung, Oberstaatsanwalt ... bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellter ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts in Münster (Westfalen) vom 10. Dezember 1957 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

Die Angeklagte war von Ende September 1954 bis zum 1. Februar 1955 Provisionsvertreterin bei der Wäsche-Ausstattungsgesellschaft in P. (WAG) und verdiente monatlich etwa 200-300 DM an Provisionen. Sie hatte von der Firma für ihre Tätigkeit ein Warenlager gegen Sicherungsübereignung verschiedener ihr gehöriger Gegenstände, u.a. eines Opel-Personenwagens, erhalten. Nach Aufgabe ihrer Vertretertätigkeit gab sie zwar das Warenlager zurück, schuldete der WAG aber noch 293,92 DM. Die Gläubigerin konnte durch Versteigerung eines Teils der ihr zur Sicherung übereigneten Sachen nur 178,12 DM erlösen, weil die übrigen Gegenstände, besonders der Personenwagen, nicht aufzufinden waren.

2

Am 19. Januar 1955 leistete die Angeklagte auf Antrag einer anderen Gläubigerin den Offenbarungseid. Sie erklärte dabei zu Protokoll u.a., sie sei "selbständig als Süßwarenhändlerin, ohne Einkommen, weil sie den Handel erst im Frühjahr aufnehmen wolle", und bestätigte auf die Frage des Vollstreckungsrichters nochmals, daß sie "kein Einkommen" habe. In dem von ihr beschworenen Vermögensverzeichnis ließ sie die Nummer, unter der Forderungen auf Lohn, Gehalt u. ä. anzugeben sind, folgendermaßen ausfüllen: "Verheiratet, 5 Kinder im Alter von 11 bis 24 Jahren. Kein Mann ist seit November 1954 arbeitslos und bezieht für sich und 2 Kinder Arbeitslosenunterstützung von 32,40 DM wöchentlich." Ihr Vertreterverhältnis zur WAG und ihre Provisionsbezüge verschwieg sie. Sie leistete den Offenbarungseid dahin, daß sie ihre Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe.

3

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Meineids verurteilt, weil sie bewußt wahrheitswidrig angegeben habe, kein Einkommen zu haben, indem sie verschwiegen habe, daß sie monatlich 200-300 DM Provisionen erhielt.

4

Ihre Revision, die Verletzung der Aufklärungspflicht und des sachlichen Strafrechts rügt, muß Erfolg haben.

5

Die Aufklärungsrüge ist nicht ordnungsmäßig begründet, weil die Revision nicht angibt, welcher Beweismittel sich der Tatrichter zur weiteren Erforschung des Sachverhalts noch hätte bedienen müssen (BGHSt 2, 168).

6

Die Sachbeschwerde ist dagegen begründet.

7

Allerdings kommt es nicht darauf an, ob die Angeklagte, wie die Revision geltend macht, mit der Ladung zum Offenbarungsedstermin ein veraltetes Formblatt mit Belehrung über die noch vor dem Erlaß des Vollstreckungsmaßnahmengesetzes vom 20. August 1953 gültig gewesene Eidesformel erhalten hat. Hierdurch wird die Wirksamkeit des Offenbarungseides nicht berührt. Die Zusendung eines solchen Formblattes an den Schuldner vor dem Offenbarungseidstermin ist im Gesetz nicht vorgeschrieben und bildet keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Verfahrens. Maßgebend ist allein die vom Vollstreckungsrichter dem Schuldner vor der Eidesleistung erteilte Belehrung. Dieser hat der Angeklagten - wie das Urteil feststellt - die einzelnen Punkte des Vermögensverzeichnisses erläutert, die notwendigen Angaben mit ihr durchgesprochen und sie über die Bedeutung des Eides belehrt.

8

Unzutreffend ist auch die Auffassung der Revision, daß der Vollstreckungsschuldner grundsätzlich nur dann wegen Meineides verurteilt werden kann, wenn er zur Zeit der Eidesleistung eine Provisionsforderung gegen seine Firma aus dem Vertreterverhältnis gehabt hat, die seine eigenen Unkosten und die Gegenforderungen der Arbeitgeberin überstieg. Wie allgemein anerkannt ist, gehören auch Ansprüche aus einem Vertretervertrage, auch noch nicht verdiente Provisionen für die in Zukunft abzuschließenden Warenverkäufe, zu dem pfändbaren Vermögen des Vollstreckungsschuldners. Denn nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind auch künftige Forderungen der Pfändung unterworfen, wenn zur Zeit der Pfändung schon eine Rechtsbeziehung besteht, aus der die Forderungen nach Art und Person des Drittschuldners bestimmt werden können (RGZ 138, 252; RGSt 71, 300; Stein/Jonas 17. Aufl. § 829 ZPO Anm. I 1 a), Der Schuldner muß deshalb die künftigen Provisionsansprüche offenbaren, ebenso das ihnen zugrunde liegende Vertreterverhältnis, weil dieses zur Angabe des Grundes der Forderung gemäß § 807 ZPO notwendig ist. Demgegenüber kann er sich nicht, wie die Revision meint, darauf berufen, daß die künftigen Provisionsforderungen seine daraus zu bestreitenden Unkosten nicht übersteigen oder durch Gegenforderungen des Vertragspartners aufgezehrt würden. Denn es handelt sich insoweit nicht um eine zweifelsfreie Unpfändbarkeit der Forderungen, die allein ihn von der Offenbarungspflicht befreien könnte (RGSt. 71, 302; BGH in LM Nr. 10 zu § 807 ZPO - StS -). Diese umfaßt sogar Forderungen, die vom Drittschuldner bestritten werden, und auch solche, deren Bestand oder Höhe sonst aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zweifelhaft ist (RGSt 60, 37; BGH in LM Nr. 20 zu § 154 StGB).

9

Am 19. Januar 1955 war die Angeklagte noch Vertreterin der WAG. Sie hatte auch noch das Warenlager im Besitz und konnte mithin bis zur Auflösung des Vertrages weitere Verkäufe tätigen und Provisionen verdienen. Unter diesen Umständen war sie verpflichtet, ihre künftigen Provisionsansprüche aus diesem Vertreterverhältnis ohne Rücksicht darauf zu offenbaren, ob sie schließlich nach Abzug ihrer eigenen Unkosten und etwaiger Gegenforderungen der WAG noch einen Überschuß erzielte. Schon durch das Verschweigen dieses Verhältnisses und der aus ihm etwa noch erwachsenden Provisionsansprüche hat sie also den äußeren Tatbestand des Meineides verwirklicht.

10

Durchgreifende Bedenken bestehen aber gegen die Urteilsfeststellungen zum inneren Tatbestand des Meineides.

11

Das Landgericht führt aus, die Angeklagte habe bewußt wahrheitswidrig angegeben, daß sie kein "Einkommen" habe. Sie sei seit Jahren als Geschäftsfrau tätig gewesen und habe gewußt, daß Provisionen ebenfalls Einkommen seien, nach dem im Vermögensverzeichnisformblatt ausdrücklich gefragt würde. Sie habe auch genau gewußt, daß sie dies hätte angeben müssen. Deshalb habe sie erklärt, sie wolle erst im Frühjahr den Süßwarenhandel aufnehmen, und gesagt, daß ihr Mann arbeitslos sei und Arbeitslosenunterstützung beziehe, obwohl danach nicht gefragt worden sei. Diese Angabe habe zusätzlich erhärten sollen, daß sie kein eigenes Einkommen habe und auf die Arbeitslosenunterstützung ihres Mannes angewiesen sei.

12

Diese Erwägungen könnten ausreichen, wenn es sich um ein noch unbestimmte Zeit weiterdauerndes Vertreterverhältnis gehandelt hätte. Nach den Feststellungen gab die Angeklagte aber ihre Tätigkeit bei der WAG schon Ende Januar 1955 auf. Als sie sodann ihr Warenlager zurückgab, schuldete sie dieser Firma noch 293,92 m. Bei dieser Sachlage liegt die Vermutung nahe, daß die Angeklagte schon bei der Eidesleistung wußte, daß das Vertreterverhältnis in wenigen Tagen aufgelöst werden würde. Falls sie deshalb nicht mehr mit nennenswerten Warenverkäufen für die WAG gerechnet und keine wesentlichen Provisionseinnahmen mehr erwartet haben sollte, ließe sich möglicherweise nicht ausschließen, daß sie im Hinblick auf die Höhe ihrer Schuld gegenüber der WAG der Meinung war, sie habe tatsächlich kein. "Einkommen" aus dem Vertreterverhältnis mehr und brauche es deshalb auch nicht zu offenbaren. Das stünde der Annahme einer vorsätzlichen Eidesvorletzung entgegen. Dasselbe würde gelten, wenn die Angeklagte angenommen haben sollte, sie habe wegen der Gegenforderung der WAG keine Einnahmen aus dem Provisionsverhältnis mehr zu erwarten.

13

Da das Landgericht den Sachverhalt noch nicht unter diesem Gesichtspunkt erörtert hat, muß das Urteil aufgehoben werden. Falls der Angeklagten kein Meineid nachgewiesen werden sollte, wird das Landgericht in der neuen Verhandlung den gesamten Sachverhalt daraufhin zu prüfen haben, ob sie - wie in dem angefochtenen Urteil schon angedeutet worden ist - sich eines fahrlässigen Falscheides schuldig gemacht hat. Dabei wird indes zu berücksichtigen sein, daß vor der Leistung des Offenbarungseids abgeschlossene Sicherungsübereignungsverträge nicht in dem Vermögensverzeichnis angegeben zu werden brauchen, wenn der Schuldner bei der Eidesleistung keinen Anspruch auf Rückübereignung der zur Sicherung übergebenen Gegenstände oder auf Herausgabe eines Übererlöses mehr hat (BGH in NJW 1952 S. 1023).

Rotberg
Mantel
Krumme
Seibert
Lang-Hinrichsen