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Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.04.1957, Az.: 4 StR 568/56

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
04.04.1957
Aktenzeichen
4 StR 568/56
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1957, 12983
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Bochum - 03.09.1956

Verfahrensgegenstand

Meineid u.a.

In der Strafsache
wegen Meineids u.a.
hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
in der Sitzung vom 4. April 1957,
an der teilgenommen haben:
Bundesrichter Krumme als Vorsitzender,
Bundesrichter Dr. Sauer,
Bundesrichter Dr. Seibert,
Bundesrichter Hoepner,
Bundesrichter Prof. Dr. Lang-Hinrichsen als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellter ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts in Bochum vom 3. September 1956 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit er wegen Meineides und wegen eines fortgesetzten Betruges im ersten Halbjahr 1954 (C 1 des angefochtenen Urteils) verurteilt worden ist, sowie im Gesamtstrafausspruch.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen eines Meineides sowie wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und vier Monaten Gefängnis verurteilt.

2

Die ursprünglich in vollem Umfang eingelegte und auf die Verletzung von verfahrensrechtlichen Vorschriften und des sachlichen Rechts gestützte Revision hat der dazu bevollmächtigte Verteidiger nachträglich auf die Verurteilung des Angeklagten wegen Meineides und wegen fortgesetzten Betruges in den unter C 1 des Urteils genannten Fällen beschränkt. Sie hat Erfolg.

3

I.

Die Verfahrensrüge bezieht sich nur auf die Verurteilung des Angeklagten wegen Meineides. Soweit sie beanstandet, daß der Tatrichter den Sachverhalt nicht näher aufgeklärt habe, ist sie unzulässig, da sie die Beweismittel nicht angibt, mit deren Hilfe dies hätte geschehen können und müssen (BGHSt 2, 168). Im übrigen rügt die Revision nur, daß nicht zu ersehen sei, auf Grund welcher Beweise einzelne Tatsachenfeststellungen getroffen wurden. Dabei übersieht sie, daß die Revision auf eine etwaige Verletzung des § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht gestützt werden kann (RGSt 47, 109 a.E.).

4

II.

Die Sachrüge.

5

1.

Der Angeklagte hat am 20. März 1953 im Vollstreckungsverfahren die Richtigkeit eines Vermögensverzeichnisses versichert, das keine nennenswerten Vermögenswerte enthielt und zu dem er erklärte: "Zur Zeit keinerlei Einkommen, Schuldner ist jetzt als Graphiker beim Aufbau einer eigenen Existenz, bei der die zwei Söhne des Schuldners, die Berglehrlinge sind, ihn finanziell unterstützen. Er hofft im Mai 1953 die ersten Einnahmen zu erzielen." Am 8. Juli 1954 leistete er den Offenbarungseid. Dabei erklärte er zu Protokoll: "Mein Vermögensverzeichnis vom 20. März 1953 in 6 M 1110/53 trifft noch in allen Punkten zu. Ich habe kein weiteres Vermögen hinzuerworben. Ich bin noch heute praktisch ohne Einkommen. Meinen Beruf als Kunstmaler kann ich nicht mehr ausüben, weil ich nicht mehr über die genügende Sehkraft verfüge. Ich fertige lediglich noch hin und wieder eine Zeichnung an. Der erzielte Gewinn ist dabei jedoch so gering, daß von einem durchschnittlichen Monatseinkommen überhaupt nicht gesprochen werden kann. Ich werde von meinen beiden Söhnen unterhalten." Im Anschluß an diese Erklärung beschwor der Angeklagte, daß er die von ihm verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. Tatsächlich betrieb er aber seit dem Frühjahr 1953 einen "Versandhandel in Familiendrucksachen". Er verschaffte sich dazu von den umliegenden Standesämtern die Aufgebotslisten und übersandte allen aufgebotenen Paaren Angebote und Muster für Heiratsanzeigen. Die daraufhin eingehenden Bestellungen ließ er bei verschiedenen Druckereien ausführen und verschickte die Anzeigen sodann gegen Nachnahme an die Besteller. Seine Bruttoeinnahmen hieraus betrugen im Mai 1954 824,70 DM und im Juni 1954 949,60 DM. Nach der Überzeugung der Strafkammer war dem Angeklagten durch die Fragen des den Offenbarungseid abnehmenden Richters bewußt geworden, "daß er eine etwaige Berufstätigkeit als Quelle von Einnahmen ohne Rücksicht auf den etwa erzielten Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben im Offenbarungseidsverfahren abzugeben hatte; sein Ablenken in dem Protokoll vom 8. Juli 1954 von seiner ergebnislosen Tätigkeit als Kunstmaler" zeige, "daß er ganz bewußt auf sein Anzeigengeschäft und die daraus erzielten Einnahmen nicht zu sprechen kommen wollte." Hiernach habe er bewußt einen falschen Offenbarungseid geleistet.

6

Die Strafkammer ging somit davon aus, daß der Schuldner auch die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben über eine etwaige geschäftliche Tätigkeit als derzeitige Quelle von Bruttoeinnahmen nach § 807 Abs 2 ZPO zu beschwören hat, und verurteilte den Angeklagten wegen seiner bewußt unrichtigen Angaben in diesem Punkt nach § 154 StGB. Das steht im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, wonach ein Erwerbsgeschäft als solches nicht Gegenstand der Angaben im Offenbarungseidsverfahren ist, weil es selbst nicht der Pfändung unterliegt. Soweit zur Verwirklichung der Erwerbsmöglichkeiten, die ein Geschäftsbetrieb bietet, körperliche Sachen, die dem Schuldner gehören, vorhanden sind, hat der Schuldner sie wegen ihrer Zugehörigkeit zu seinem Vermögen anzugeben. Dagegen fallen unrichtige Angaben über das Bestehen eines Geschäftsbetriebes, oder die Inhaberschaft an ihm nicht unter die Offenbarungspflicht und nicht unter den Offenbarungseid (vgl RGSt 42, 424;  68, 130; RG DJ 1936, S 1731). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat bereits im Urteil vom 15. Dezember 1955 (BGHSt 8, 399) angeschlossen. Dort ist auch dargelegt, daß und warum die Neufassung des § 807 ZPO durch das Gesetz vom 28. August 1953 (BGBl I, 1952) in dieser Beziehung den Umfang der Offenbarungspflicht nicht ausgedehnt hat. Bloße Erwerbsmöglichkeiten braucht danach der Schuldner auch heute ebensowenig zu offenbaren, wie sonstige Vermögenswerte, die keine Rechte darstellen. Das gilt namentlich für ein Handelsgeschäft ohne pfändbare Vermögensgegenstände, für den Kundenkreis und Rechtsverhältnisse, aus denen noch keine Forderungen erwachsen sind.

7

Wenn der Schuldner etwa den Eid in der irrigen Annahme leistete, daß er auch seine unwahren Angaben über seiner Berufstätigkeit als Quelle von Einnahmen umfasse, so kommt seine Verurteilung wegen versuchten Meineides in Betracht.

8

In dieser Beziehung ist aber eine erneute Aufklärung des Sachverhalts notwendig, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts ersichtlich von der Annahme ausgeht, daß eine solche Offenbarungspflicht wirklich bestehe. Daher muß die Verurteilung wegen Meineids aufgehoben und die Sache in diesem Punkte zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen werden.

9

2.

Rechtlich fehlerhaft ist aber auch die Verurteilung des Angeklagten wegen fortgesetzten Betruges hinsichtlich der im Urteil C 1 angeführten Fälle. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte u.a. seit dem 6. Januar 1954 die Druckarbeiten für seinen Anzeigenversand in der Buchdruckerei L. in H. anfertigen lassen. Er erklärte dem Mitinhaber dieser Firma, T. seine Arbeitsweise und bezahlte bis zum 17. März 1954 die ausgeführten Druckarbeiten vereinbarungsgemäß binnen drei Tagen "nach Eingang des Nachnahmebetrages", d.h. offensichtlich nach Eingang der Bezahlung von seinen, des Angeklagten, Kunden. Danach erteilte er bis April 1954 weitere Druckaufträge, ließ aber eine Schuld von 126,95 DM auflaufen. Das Landgericht nimmt an, daß der Angeklagte auch diesen Geschäftspartner durch Vorspiegelung einer in Wirklichkeit nicht vorhandenen Zahlungsfähigkeit zu den Lieferungen veranlaßt habe. Worin die Täuschungshandlung liegt und wann sie begangen ist, wird nicht festgestellt, obwohl der Angeklagte die ersten Monate durchaus vereinbarungsgemäß gezahlt hat. Das Landgericht nimmt nicht an, daß der Angeklagte seine Lieferanten über seine Zahlungswilligkeit getäuscht habe, denn es billigt ihm zu, daß er zeitweilig hoffte, seinen Verpflichtungen schließlich doch nachkommen zu können. Nun ist zwar bei einem gegenseitigen Vertrag unter Umständen der eine Vertragsteil verpflichtet, eine bei ihm nach dem Vertragsschluß eingetretene Zahlungsunfähigkeit dem vorleistungspflichtigen Vertragsgegner zu offenbaren (BGHSt 6, 198 [BGH 15.06.1954 - 1 StR 526/53]). Es handelt sich hier aber nicht etwa um einen Sukzessivlieferungsvertrag, sondern um mehrere Einzelbestellungen. Eine Verpflichtung des Angeklagten, bei einer solchen Bestellung auf seine verschlechterte Vermögenslage hinzuweisen, könnte sich nur aus besonderen Umständen ergeben; solche hat das Landgericht hier aber nicht festgestellt. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die Verurteilung des Angeklagten wegen Meineids mit auf der Feststellung beruht, der Angeklagte habe im Mai 1954 noch 824,70 DM und im Juni 1954 noch 949,60 DM eingenommen.

10

Den gleichen Mangel weist die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges auf, soweit er bei der Firma Gebr. R. Bestellungen gemacht, die Lieferungen aber nur unvollständig bezahlt hat. Da das Landgericht sämtliche unter C 1 erörterten Bestellungen als einen fortgesetzten Betrug angesehen hat, muß das Urteil insoweit ganz aufgehoben werden. Bestehen bleibt nur die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges zum Nachteil der Firma M. (C 2), gegen die die Revision nicht aufrechterhalten worden ist.

Krumme
Sauer
Seibert
Hoepner
Lang-Hinrichsen