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Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.02.1956, Az.: 5 StR 352/55

Absehen vom Versuch; Verbrecherischer Wille; Gefährlichkeit; Vergewaltigung; Freiwilliger Rücktritt vom Versuch; Strafverfolgung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
28.02.1956
Aktenzeichen
5 StR 352/55
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1956, 10221
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 18.05.1955

Fundstellen

  • BGHSt 9, 48 - 53
  • JA 2003, 757-764 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1956, 370-372 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1956, 718-719 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Versuchte Notzucht u.a.

Amtlicher Leitsatz

Läßt der Täter vom Notzuchtsversuch ab, weil dieüberfallene Frau ihn entgegen seiner Erwartung kennt und er aus diesem Grunde die alsbaldige Strafverfolgung befürchtet, so tritt er nicht freiwillig zurück.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Sieht der Täter von dem begonnenen Versuch freiwillig ab, ist der verbrecherische Wille nicht so stark, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre. Die im Versuch zum Ausdruck gekommene Gefährlichkeit erweist sich nachträglich als wesentlich geringer. Deshalb ahndet das Gesetz den Versuch "als solchen" nicht.

  2. 2.

    Läßt der Täter von der überfallenen Frau ab, weil sie ihn (entgegen seiner Erwartung) kennt und er deshalb alsbaldige Strafverfolgung befürchtet, liegt kein freiwilliger Rücktritt vom Versuch einer Vergewaltigung vor.

In der Strafsache
hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
in der Sitzung vom 28. Februar 1956,
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Rotberg als Vorsitzender,
Bundesrichter Dr. Koffka
Bundesrichter Schmidt
Bundesrichter Schmitt
Bundesrichter Dr. Börker als beisitzende Richter,
Landgerichtsrat Dr. ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretär ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
fürRecht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts in Verden a.d. Aller vom 18. Mai 1935 samt den Feststellungen aufgehoben

    1. 1.)

      im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen versuchter Notzucht verurteilt worden ist,

    2. 2.)

      im gesamten Strafausspruch.

  2. II.

    Im übrigen wird die Revision des Angeklagten verworfen.

  3. III.

    Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

1

I.

Der Angeklagte hatte am 7. Februar 1955 in der Zeit von 13.30 Uhr bis gegen 18 Uhr etwa 25 kleine Glas Bier und 10 Schnäpse verzehrt. Nachdem er anschließend noch in einer Gastwirtschaft eingekehrt war, in der er aber nichts getrunken hatte, begab er sich auf seinem Fahrrad auf den Heimweg. Gegen 19.45 Uhr traf er auf der Straße Teufelsmoor - Pennigbüttel, etwa in der Höhe der "Wolfsburg", die 19jährige Verkäuferin Liselotte A. die auf ihrem Fahrrad mit Licht fuhr und sich auf dem Rückweg von ihrer Arbeitsstätte in Osterholz-Scharmbeck befand. Der Angeklagte fuhr zunächst an Liselotte A. vorbei, wendete aber dann und fuhr hinter ihr her, wobei er das Licht an seinem Rad ausschaltete. Er fuhr an die linke Seite der Liselotte A. heran, versetzte ihr einen Schlag an den Kopf, so daß sie nach rechts fiel, ließ dann sein Rad selbst fallen und stürzte sich, um den Beischlaf zu erzwingen, auf die Zeugin. Er griff sofort nach ihrem Hals. Bei dem Vorbeikommen hatte der Angeklagte die ihm an sich bekannte Zeugin nicht erkannt, hingegen hatte die Zeugin den Angeklagten erkannt. Als der Angeklagte sich auf sie warf, rief sie: "Hermann, laß mich los!" "Bestürzt, weil er sich erkannt wußte und jetzt dieÜberfallene selbst erkennend, entgegnete er fragend; 'Lilo, Du?' Er ließ sofort von ihr ab und stand auf. Er berief sich nicht darauf, daß er sie etwa ungewollt angefahren habe. Er brachte nur hervor: 'Wenn ich das gewußt hätte ...' (dabei hatte er im Sinnes daß du es seiest), ... 'hätte ich das nicht gemacht.' Selbstanklagen, daß er sich schämen müsse, wechselten zwei- bis dreimalig noch mit einem Aufflammen seiner geschlechtlichen Begierde. Er bedrängte die Zeugin dann mit dem unmißverständlichen Angebot: 'Ich möchte ja! Schade, daß Du es bist!' Er beteuerte auch mehrmals, daß er sich das Leben nehmen wolle, falls die Zeugin A. den Vorfall anzeigen würde. Er erinnerte sie an seine Familie. Der Zeugin war dieser Vorfall so unliebsam, daß sie ihm Stillschweigen versprach; sie erklärte ihm, er könne auch seine Einkäufe in dem Geschäft in Osterholz-Scharmbeck fortsetzen."

2

Nach diesem Vorfall begab sich der Angeklagte gegen 21 Uhr auf den Hof der Gastwirtschaft B. Dort stand das Fahrrad des Fleischbeschauers W., auf dem sich dessen Aktentasche mit dem Fleischbeschaukasten befand. Der Angeklagte löste die Aktentasche mit dem Fleischbeschaukasten von dem Rad des W., nahm sie auf sein eigenes Rad und fuhr davon.

3

II.

Die Strafkammer verurteilt den Angeklagten wegen versuchter Notzucht und wegen Diebstahls.

4

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Sie rügt Verletzung des Verfahrensrechts und des sachlichen Strafrechts. Sie ist nur zum Teil begründet.

5

III.

Die Verfahrens rüge fällt mit der sachlichen Beanstandung, die Strafkammer habe § 31 StGB verletzt, zusammen und ist daher mit dieser Rüge zu erörtern.

6

IV.

1.)

Sachlichrechtlich unterliegt die Verurteilung wegen versuchter Notzucht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

7

a)

Die Begründung, mit der die Strafkammer die volle Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten bei dieser Tat bejaht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

Der Bundesgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, daß äußerlich unauffälliges Verhalten eines Menschen, sein planmäßiges Handeln und sein Vermögen, sich an die Tat zu erinnern, rauschbedingte Unzurechnungsfähigkeit oder verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließen (vgl BGHSt 1, 385; 5 StR 533/54 vom 9.11.1954 = VRS 8,49; 4 StR 216/53 vom 2.7.1953; 5 StR 74/55 vom 8.3.1955). Er hat ferner ausgesprochen, daß es bei Feststellung eines erheblichen Blutalkoholgehalts ausdrücklicher Ausführungen zur Frage der Zurechnungsfähigkeit bedarf (vgl 2 StR 626/52 vom 30.1.1953 = VRS 5, 282).

9

Die Strafkammer stützt allerdings ihr Ergebnis nicht ausschließlich darauf, daß der Angeklagte sich unauffällig verhalten und daß andere Personen aus diesem äußeren Verhalten auf keine erhebliche Alkoholwirkung geschlossen haben, und sie übersieht nicht, daß der Angeklagte in den letzten 41/2 Stunden vor dem Notzuchtsversuch, dem der Diebstahl nachfolgte, eine erhebliche Menge Alkohol getrunken hat. Daß der Angeklagte trotzdem voll zurechnungsfähig gewesen sei, begründet das Urteil vor allem auch damit, wie er sich verhielt, als er die Zeugin A. erkannte. Daraus, daß der Angeklagte unmittelbar, nachdem er die Zeugin niedergeworfen hatte, um sie zu vergewaltigen, ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, daß er wisse, was er habe tun wollen, daß dies Unrecht sei und daß er sich nunmehr, nachdem er erkannt war, durch die Furcht vor Anzeige und Bestrafung von weiterem Tun abhalten, also hemmen lasse, folgert die Strafkammer, daß er die Einsicht und das Hemmungsvermögen auch schon beim Niederwerfen der Zeugin besessen hat.

10

Diese Schlußfolgerung ist zu beanstanden. Gerade das Erkennen der Zeugin hat, wie das Urteil ergibt, einen so starken Eindruck auf den Angeklagten gemacht, daß die Strafkammer hätte prüfen müssen, ob etwa dieser Eindruck den Angeklagten stark ernüchtert hat, so daß aus seinem Verhalten nach Erkennen der Zeugin ein Rückschluß auf sein Erkenntnis- und Hemmungsvermögen vor diesem Zeitpunkt bedenklich ist.

11

Es empfiehlt sich, daß die Strafkammer in der neuen Verhandlung zur Prüfung dieser Frage einen Sachverständigen zuzieht.

12

b)

Zur Begründung dafür, daß der Angeklagte nichtfreiwillig vom Notzuchtsversuch zurückgetreten sei, führt die Strafkammer nur aus: Der Angeklagte habe sich, weil er nun erkannt war, nicht mehr an die Zeugin herangetraut, sein Rücktritt von der versuchten Notzucht sei daher nicht freiwillig gewesen. Aus den sonstigen Ausführungen der Strafkammer ergibt sich, daß der Angeklagte sich gegenüber der Zeugin, die ihn erkannt hatte, geschämt hat, und daß er eine Strafanzeige dieser Zeugin fürchtete. Ob einer dieser beiden Gründe für sich allein ausschlaggebend für den Rücktritt war, läßt das Urteil nicht mit voller Sicherheit erkennen, wenn auch der Gedanke naheliegt, daß die Furcht vor sicherer Bestrafung infolge der Entdeckung für den Angeklagten genügt hätte, von seinem Vorhaben abzulassen.

13

Die Strafkammer wird in der neuen Verhandlung insoweit eindeutige Feststellungen treffen müssen. Hiervon hängt es nämlich ab, ob der Rücktritt freiwillig war.

14

aa)

In der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß es für die Frage, ob der Rücktritt unfreiwillig im Sinne des § 46 StGB war, nicht darauf ankommt, ob der Beweggrund zum Rücktritt sittlich billigenswert ist. Es ist deshalb auch mehrfach ausgesprochen worden, daß ein Rücktritt auch dann freiwillig ist, wenn er aus Angst vor späterer. Entdeckung der Tat erfolgt (vgl RGSt 47, 74 [78]; 54,326; 57, 313 [316]; BGHSt 7, 296 [292]; BGH LM Nr. 1 zu § 46 StGB).

15

Das Reichsgericht (RGSt 37, 402 [406]; 47, 74 [78]; 65, 145 [149]) hat jedoch wiederholt entschieden, der Rücktritt sei dann unfreiwillig, wenn nach den gesamten Umständen die Gefahr baldiger Entdeckung und Bestrafung dem Angeklagten sich so aufgedrängt habe, daß er sie vernünftigerweise nicht auf sich nahmen konnte und daher von der Ausführung der Tat abstehen mußte.

16

Diese Rechtsprechung wird im Schrifttum angegriffen. Gegen sie wird im wesentlichen, eingewendet, sie gehe unrichtig davon aus, daß es Beweggründe gebe, die seelisch zwingend seien. Vielmehr habe der Täter nur dann keine freie Wahl, wenn ein Zwang jede Willenstätigkeit ausschließe, also nicht als Beweggrund, sondern als Ursache wirke. So liege es nur bei völliger seelischer Lähmung. In allen übrigen Fällen handele der Täter nicht infolge Zwanges, sondern auf Grund von Beweggründen. Diese nach ihrer Stärke so abzustufen, daß von einem bestimmten Stärkegrad des Beweggrundes an der Rücktritt als unfreiwillig gelte, sei willkürlich und verlange vom Tatrichter Feststellungen, zu denen er nicht in der Lage sei (so u.a. Welzel Strafrecht 5. Aufl S 161 [162]; Dohna ZStW 59, 541 [544]; Bockelmann NJW 1955, 1417 [1418]; vgl auch Frank StGB § 46 Anm II).

17

Der Senat erkennt diese Bedenken nicht an. Wie eine Rundfrage ergeben hat, befindet er sich dabei im Einklang mit allen anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs.

18

Die Bedenken des Schrifttums beruhen auf der Auffassung, ein strafbefreiender Rücktritt nach § 46 Nr. 1 StGB werde nur durch eine Zwangslage ausgeschlossen, die die Durchführung der Tat unmöglich mache und dem Täter überhaupt keinen Raum zur eigenen Entschließung lasse. Das trifft nicht zu. § 46 Nr. 1 StGB setzt voraus, daß der Täter an der Ausführung nicht "durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren". Es muß sich also zwar um solche - wirklichen oder nur vorgestellten - äußeren Umstände handeln, auf deren Eintreten der Wille des Täters keinen Einfluß hatte. Das bedeutet aber nicht, daß diese Umstände ihrerseits schlechthin alsäußere Ursache für das Unterbleiben der weiteren strafbaren Tätigkeit wirken müssen. Vielmehr kommen auch solche Umstände in Betracht, die einen entsprechenden Entschluß des Täters hervorrufen. Nur in diesem zweiten Falle kann im Grunde davon gesprochen werden, daß der Täter die Ausführung "aufgegeben" habe. Diese Ausdrucksweise des Gesetzes deutet auf eine Entschließung des Täters hin. Hätte das Gesetz nur den ersten Fall im Auge, so mäßte es die engere Voraussetzung aufstellen, daß die Ausführung der Tat durch Umstände, die vom Willen des Täters unabhängig waren, unmöglich geworden ist. So kann es auch deshalb nicht ausgelegt werden, weil es nur verlangt, daß der Täter durch die genannten Umstände nicht "gehindert" worden ist, die Tat auszuführen. An einem Tun "gehindert" kann man sich nach allgemeinem Sprachgebrauch auch durch solche Umstände sehen, die ihm im Wege stehen, ohne es unmöglich zu machen. Auf der gleichen Rechtsansicht beruht das Urteil des 4. Strafsenats vom 14. April 1955 (BGHSt 7, 296 [298, 300]).

19

Nur diese Auslegung des § 45 Nr. 1 StGB, die nach dem Wortlaut des Gesetzes naheliegt, ihm mindestens nicht widerspricht, ermöglicht gerechte Entscheidungen. Die Gegenmeinung läßt Fälle straflos, in denen der Versuch strafwürdig bleibt. Das gilt gerade dann, wenn der Täter von der Tat absteht, weil er sich entdeckt weiß und mit Anzeige und Bestrafung rechnet. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, in diesem Falle bewähre sich die abschreckende Wirkung des Strafgesetzes, und § 46 Nr. 1 StGB solle gerade solchen Tätern zugute kommen, die sich von ihr beeindrucken ließen. Eier hat aber nicht schon die allgemeine Strafdrohung, sondern erst die Entdeckung gewirkt. Erfahrungsgemäß setzen sich Verbrecher über das Strafgesetz in der Regel deshalb hinweg, weil sie hoffen, nicht ermittelt oder jedenfalls nicht überführt zu werden. Wer die Fortführung der Tat aufgibt, weil diese Hoffnung getrogen hat, bleibt gefährlich und strafwürdig.

20

Dieser Gesichtspunkt der Gefährlichkeit und Strafwürdigkeit des verbrecherischen Willens ist für die Auslegung des § 46 Nr. 1 StGB von entscheidender Bedeutung.

21

Der Zweck dieser Vorschrift wird zwar in der Regel darin gesehen, dem Täter noch während des Versuche einen Anreiz zu geben, von der Vollendung der Tat abzustehen. Die ihm für diesen Fall zugesagte Straflosigkeit des Versuchs soll ihn nach dieser Auffassung bestimmen, die "goldene Brücke" des Rücktritts zu betreten.

22

In den meisten Fällen denkt der Täter aber beim Versuch gar nicht an die strafrechtlichen Folgen. Er wird oft nicht einmal wissen, noch weniger sich vor Augen, halten, daß er sich Straflosigkeit verschaffen kann, wenn er sein verbrecherisches Vorhaben aufgibt. Er wird sich dazu im allgemeinen auch nicht gerade durch, solche Erwägungen, selbst wenn er sie anstellen sollte, bestimmen lassen. Es wird daher der Wirklichkeit besser gerecht, den Sinn des § 46 Nr. 1 StGB in folgendem zu sehen, Steht der Täter von dem begonnenen Versuch freiwillig ab, so zeigt sich darin, daß sein verbrecherischer Wille nicht so stark war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre. Seine Gefährlichkeit, die im Versuch zunächst zum Ausdruck gekommen war, erweist sich nachträglich als wesentlich geringer. Aus diesem Grunde sieht das Gesetz davon ab, den "Versuch als solchen" zu ahnden. Denn eine Strafe erscheint ihm nicht mehr nötig, um den Täter für die Zukunft von Straftaten abzuhalten, um andere abzuschrecken und die verletzte Rechtsordnung wiederherzustellen. Besonders den ersten Zweck und den Gedanken der Gerechtigkeit hält das Gesetz für besser gewahrt, wenn es dem Täter den verbrecherischen Entschluß, den er rechtzeitig aufgegeben hat, nicht mehr zurechnet und ihn nur insoweit bestraft, als er durch die Versuchshandlungen etwa schon den vollen Tatbestand einer anderen strafbaren Handlung erfüllt hat.

23

Der Rücktritt des Angeklagten wäre also unfreiwillig gewesen, wenn für ihn die Gewißheit, bei weiterem Handeln angezeigt und bestraft zu werden, für sich allein genügt hätte, ihn von weiterer. Tun abzuhalten.

24

bb)

War des nicht der Fall, spielte vielmehr unabhängig von der Frage der Bestrafung auch der Gedanke für den Angeklagten eine Rolle, daß pr wich nicht gerade an der Liselotte A. vergreifen wollte, so kommt noch folgendes in Betracht:

25

Wäre der Angeklagte durch das unerwartete Erkanntwerden in einen solchen Schock geraten, daß dadurch sein Triebverlangen beseitigt wurde, so wäre sein Rücktritt unfreiwillig gewesen. Diese Möglichkeit scheidet aber nach den bisherigen Feststellungen aus.

26

Schämte sich der Angeklagte, gerade die mit ihm bekannte Liselotte A. zu notzüchtigen, und ließ er wesentlich auch aus diesem Grunde von ihr ab, so war er nicht in einer Lage, die seinen Willen zwingend bestimmte und in der er verständigerweise keine andere Wahl treffen konnte. Sein Rücktritt war dann freiwillig (ähnlich RGSt 47, 74 [79]).

27

cc)

In jedem Fall wird die Strafkammer zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte, gegebenenfalls in Tateinheit mit dem Notzuchtsversuch, noch der Körperverletzung durch hinterlistigen Überfall (§ 223 a StGB) schuldig gemacht hat.

28

2.)

Gegen die Verurteilung wegen Diebstahls bestehen keine rechtlichen Bedenken. Das gilt sowohl, soweit die Strafkammer die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten, als auch, soweit sie seinen Diebstahlsvorsatz angenommen hat.

29

Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, er habe geglaubt, nicht die Aktentasche des W., sondern seine eigene Aktentasche mit einer von seinem Bruder beschafften Flasche Rum an sich zu nehmen.

30

Auch wenn man die Möglichkeit unterstellt, daß der Angeklagte erst durch das Erkennen der Zeugin A. so ernüchtert worden ist, daß er erst von diesem Zeitpunkt an eine Einsichts- und Hemmungsfähigkeit gegenüber dem Notzuchtsversuch hatte, so sind die Ausführungen der Strafkammer, mit denen sie diese Einsichts- und Hemmungsfähigkeit für den nach diesem Zeitpunkt begangenen Diebstahl bejaht, einwandfrei. Die Strafkammer hat aus dem Verhalten des Angeklagten gegenüber der Zeugin A. in Verbindung mit der Art, wie er den Diebstahl ausgeführt und sich danach benommen hat, ohne Rechtsirrtum auf seine Zurechnungsfähigkeit bei Ausführung des Diebstahls und auf seinen Diebstahlsvorsatz geschlossen. Sie brauchte demgegenüber dem Umstand, daß der Angeklagte nach Ausführung des Diebstahls kurz vor seinem Haus gegen einen Baum gefahren ist, auf dem Rad geschwankt hat und zu Hause dann bei Tisch eingeschlafen ist, keine wesentliche Bedeutung beizumessen.

31

3.)

Da sich nicht ausschließen läßt, daß die Höhe der Strafe für den Diebstahl durch die Feststellungen zur Notzucht mit beeinflußt ist, war das Urteil aber im Strafausspruch auch hinsichtlich des Diebstahls aufzuheben.

Dr. Rotberg
Dr. Koffka
Schmidt
Schmitt
Börker