Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.12.1955, Az.: 1 StR 354/55
Rechtsmittel
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 13.12.1955
- Aktenzeichen
- 1 StR 354/55
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1955, 12586
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG München I - 21.12.1954
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- JZ 1956, 409
Verfahrensgegenstand
Betrug
Amtlicher Leitsatz
- a)
Für die Annahme einer "Verhinderung" genügt jede tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit, als Richter tätig zu werden, insbesondere die Überlastung mit anderen Dienstgeschäften.
- b)
Das Revisionsgericht hat nur nachzuprüfen, ob der Rechtsbegriff der Verhinderung verkannt worden ist, nicht dagegen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verhinderung vorgelegen haben.
- c)
Der Landgerichtspräsident hat zur Frage der Verhinderung eines Richters auf Grund durchgeführter Ermittlungen selbständig unter Anwendung eines allgemeinen Maßstabes Stellung zu nehmen. Er ist hierbei nicht grundsätzlich davon abhängig, daß sich der Richter vorher selbst zur Frage seiner Verhinderung in demselben Sinne geäußert hat.
An sich hat grundsätzlich nur ein ständiges Mitglied der zuständigen Strafkammer, nicht dagegen ein aus einer anderen Kammer zugezogener Vertreter den Vorsitz zu führen. Ist jedoch infolge einer Verhinderung der übrigen Richter für die Hauptverhandlung als einziges Mitglied der zuständigen Großen Strafkammer ein Assessor verfügbar, so führt der dienstälteste der beiden aus einer anderen Kammer zugezogenen Vertreter den Vorsitz.
Hat ein von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossener Vorsitzender den Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, so liegt kein unbedingter Revisionsgrund vor; es ist vielmehr zu prüfen, ob das Urteil auf dem Verstoß beruhen kann.
In der Strafsache
hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
in der Sitzung vom 13. Dezember 1955
auf Grund der Verhandlungen vom 8. November, 11. November und 13. Dezember 1955,
an denen teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Hörchner als Vorsitzender,
Bundesrichter Dr. Peetz
Bundesrichter Hantel
Bundesrichter Dr. Mannzen
Bundesrichter Dr. Hengsberger als beisitzende Richter,
Amtsgerichtsrat ...,
Staatsanwalt Dr. ... und Oberstaatsanwalt Dr. Dr. ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Angeklagten Dr. O. gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21. Dezember 1954 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten Dr. O. am 14. August 1952 wegen gemeinschaftlich begangenen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und zu 10.000 DM Geldstrafe. Die Revision des Beschwerdeführers Dr. O. führte zur Aufhebung des genannten Urteils im Strafausspruch mit den Feststellungen hierzu und zur Zurückverweisung in diesem Umfang; im übrigen wurde das Rechtsmittel verworfen.
Die Strafkammer hat nunmehr den Angeklagten lediglich zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt. Den An trag, das Verfahren auf Grund des § 3 des Straffreiheitsgesetzes 1954 einzustellens hat sie abgelehnt.
Der Beschwerdeführer Dr. O. beantragt, dieses Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen, hilfsweise, das Verfahren einzustellen. Er rügt die Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, des § 16 Satz 2 GVG, des § 244 Abs. 2 und 3 StPO und des sachlichen Rechts; er macht ferner geltend, das Straffreiheitsgesetz 1954 sei zu Unrecht nicht angewendet worden.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.)
Die Rüge der nichtvorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts:
Die 1. Strafkammer erkannte in der Besetzung mit Landgerichtsrat Dr. L. als Vorsitzendem, Amtsgerichtsrat Dr. W. und Gerichtsassessor R. als beisitzenden Richtern. Der zuletzt genannte Gerichtsassessor gehörte der 1. Strafkammer an; die beiden anderen Richter waren Mitglieder der 2. Strafkammer.
1.)
Der Vorsitzende der 1. Strafkammer, Landgerichtsdirektor Dr. M. und sein Stellvertreter, Landgerichtsrat R., hatten sich für befangen erklärt; ihre Ablehnungsgründe wurden durch Gerichtsbeschluß für begründet befunden; beide waren somit an der Ausübung des Richteramts verhindert. Nach dem Geschäftsverteilungsplan war noch Landgerichtsrat Dr. R. ständiges Mitglied der 1. Strafkammer.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß Landgerichtsrat Dr. R. sowie Landgerichtsdirektor Dr. Sch. und Landgerichtsrat G. von der 2. Strafkammer zu Unrecht übergangen worden seien.
Aus der dienstlichen Äußerung des Landgerichtspräsidenten vom 24. Juni 1955 ergibt sich, daß nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 1954 die Mitglieder der 2. Strafkammer als regelmäßige Vertreter der Richter der 1. Strafkammer bestimmt waren, und zwar "in der Reihenfolge des Dienstalters, beginnend mit dem Dienstjüngsten". Gerichtsassessor Dr. W. und Landgerichtsrat O. waren die dienstjüngsten Richter der 2. Strafkammer. Sie waren nach den dienstlichen Erklärungen des Landgerichtspräsidenten vom 24. Juni 1955 und des Vorsitzenden der 2. Strafkammer von demselben Tage an der Vertretung durch ihre Inanspruchnahme in der 2, Strafkammer verhindert. Für die Annahme einer Verhinderung im Sinne der §§ 63 Abs. 1, 66 Abs. 1 GVG reicht nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGSt 54, 298 f; 55, 236 f; 56, 63 f; 62, 273, 274 f; RG Goltd Arch Bd 47, 159; Bd 62, 482) und des Bundesgerichtshofs (2 StR 53/51 vom 6. April 1951 und 4 StR 77/51 vom 19. April 1951, mitgeteilt von Dallinger in MDR 1951, 539 zu § 67 GVG) jede tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit, als Richter tätig zu werden, insbesondere auch Überlastung mit anderen Dienstgeschäften aus. Ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verhinderung vorgelegen haben, darf das Revisionsgericht nicht nachprüfen (RGSt 25, 389 f; 40, 268, 269 f; 46, 254, 256; 55, 236 f; 62, 309 f; RG Goltd Arch Bd 56, 74; BGH MDR 1951, 539 zu § 67 GVG; vgl auch BGH NJW 1953, 1034 Nr. 20).
Die Verteidigung will den Grundsatz aufgestellt wissen, daß ein Landgerichtspräsident die dienstliche Verhinderung eines Richters wegen Überlastung nur dann bejahen dürfe, anderseits aber auch bejahen müsse, wenn sich der Richter selbst für verhindert erklärt hat. Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Er hält vielmehr an der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs fest, nach der das Ergebnis der Ermittlungen des Landgerichtspräsidenten die tatsächliche Grundlage für die Entscheidung des Revisionsgerichts bildet (vgl u.a. RGSt 40, 268, 269; 46, 254, 256; 54, 298 f; 62, 273; BGH MDR 1951, 539 zu § 67 GVG). Die gegenteilige Rechtsansicht könnte, da die Frage, ob eine Überlastung vorliegt, in hohem Maße von der persönlichen Meinung des Einzelnen abhängig ist, im Dienstbetrieb eines Gerichts zu untragbaren Folgerungen führen. Es bedarf vielmehr der Anwendung eines allgemeinen Maßstabs, der bei einer auf angestellten Erörterungen beruhenden Stellungnahme des Landgerichtspräsidenten in weit höherem Maße gewährleistet ist. Von einem verfassungswidrigen Eingriff der Justizverwaltung in die Rechtspflege kann nicht gesprochen werden.
Der Rechtsbegriff der Verhinderung ist ebenfalls nicht verkannt, wie die ausführlichen dienstlichen Erklärungen des Landgerichtspräsidenten und des Vorsitzenden der 2. Strafkammer ergeben.
Waren aber Gerichtsassessor Dr. W. und Landgerichtsrat O. verhindert, so waren Vertreter zunächst Landgerichtsrat Dr. L. (Dienstalter vom 1. September 1950) und dann Amtsgerichtsrat Dr. Wo. (Dienstalter vom 1. März 1950), der als Hilfsrichter an das Landgericht München I abgeordnet war. Die Rüge, Landgerichtsrat G. (Dienstalter vom 1. Januar 1935) und Landgerichtsdirektor Dr. Schrei seien als Vertreter zu Unrecht übergangen worden, ist daher unbegründet.
Auch Landgerichtsrat Dr. R. war an der Mitwirkung in der Sitzung vom 20. Dezember 1954 durch seine Inanspruchnahme als Vorsitzender der 1. Kleinen Strafkammer verhindert, wie der Landgerichtspräsident unter dem 24. Juni 1955 dienstlich erklärt hat. Insoweit gilt im übrigen das vorstehend Ausgeführte entsprechend (vgl auch unten, 14).
Die Besetzung des Gerichts in der Hauptverhandlung vom 20. und 21. Dezember 1954 kann nach alledem rechtlich nicht beanstandet werden.
2.)
Aus der Besetzung der Strafkammer ergibt sich, daß Landgerichtsrat Dr. L. den Vorsitz in der Hauptverhandlung zu führen hatte.
Wie das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden haben (RGSt 18, 307; 54, 252; 60, 259, 261; 60, 410, 413; BGHSt 1, 265), dürfen Vertreter des Vorsitzenden nur ordentliche Mitglieder des Gerichts, nicht dagegen Hilfsrichter und Gerichtsassessoren sein. Amtsgerichtsrat Dr. W. und Gerichtsassessor Ri. waren somit vom Vorsitz ausgeschlossen. Zwar haben an sich grundsätzlich nur ständige Mitglieder der zuständigen Strafkammer den Vorsitz zu führen, nicht deren Vertreter aus einer anderen Kammer (z.B. RGSt 1, 238; 23, 99). Dieser Grundsatz zwingt aber nicht, wie die Verteidigung in dem nachgereichten Schriftsatz vom 3. Oktober 1955 ausgeführt hat, zu der Folgerung, daß die Strafkammer an dem Tage der Hauptverhandlung überhaupt nicht entscheidungsfähig gewesen sei, weil kein ordentliches Mitglied der 1. Strafkammer, das den Vorsitzenden hätte vertreten können, mehr zur Verfügung stand. Eine solche Folgerung würde den Geschäftsgang in untragbarer Weise stören. Das Reichsgericht hat denn auch in seinem Urteil 2 D 216/31 vom 11. Mai 1931 entschieden, daß dann, wenn für die Hauptverhandlung als einziges Mitglied der Großen Strafkammer ein Assessor verfügbar ist, der dienstältere der beiden aus einer anderen Kammer zugezogenen Vertreter den Vorsitz führt (ebenso Löwe-Rosenberg 19 Aufl Anm 3 zu § 66 GVG). Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat an.
3.)
Da der von Landgerichtsdirektor Dr. M. angezeigte Ablehnungsgrund durch Gerichtsbeschluß für begründet erklärt wurde, war er von jeder Art richterlicher Tätigkeit, wie der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ausführt (BGHSt 3, 68), ausgeschlossen. Ein solcher Richter darf ebensowenig wie ein ausgeschlossener einen Termin zur Hauptverhandlung anberaumen; es ist jedoch bei einem derartigen Verstoß zu prüfen, ob das Urteil auf ihm beruhen kann (BGH 1 StR 321/52 vom 14. Oktober 1952 = MDR 1953, 21 zu § 23 Abs. 2 StPO).
Nun befindet sich in den Strafakten ein von Landgerichtsdirektor Dr. M. unterzeichnetes Schriftstück vom 7. Dezember 1954 folgenden Inhalts:
1. | Ich bitte, unbedingt in dieser Sache Termin anzuberaumen und zwar noch vor Weihnachten und zwar wenn irgend möglich am 21. Dezember 1954 vorm. 9 Uhr, | |
---|---|---|
2. | Besetzung: | Landgerichtsrat L., |
Amtsgerichtsrat W., | ||
Gerichtsassessor Ri.. | ||
3. | Nach Terminsanberaumung bitte Akt sofort von Hand zu Hand Herrn Oberstaatsanwalt H.. |
Den Termin zur Hauptverhandlung beraumte alsdann Landgerichtsrat Dr. L. auf den 20. Dezember 1954, also auf einen anderen als den vorgeschlagenen Tag, an. Daß Landgerichtsdirektor Dr. M. um die Anberaumung eines baldigen Termins gebeten hatte, macht die Verfügung seines Stellvertreters entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht unwirksam. Als Vorsitzender war Landgerichtsdirektor Dr. M. für die Abwicklung der Geschäfte seiner Kammer verantwortlich. Er hat sich unter dem 7. April 1955 dienstlich dahin geäußert, daß er sich durch eine innerdienstliche Anordnung, nach der über den Stand alter Strafverfahren allmonatlich zu berichten ist, veranlaßt sah, seinen Vertreter um baldige Durchführung der Hauptverhandlung zu ersuchen. Das Einwirken auf beschleunigte Erledigung in dem vor seinem Abschluß stehenden Geschäftsjahr stellt keinen unzulässigen Eingriff in das Verfahren dar (vgl BGHSt 3, 68).
Die Besetzung der Strafkammer war durch die Geschäftsverteilung bestimmt (vgl oben). Insoweit scheidet ein unzulässiger Einfluß des ordentlichen Kammervorsitzenden aus.
4.)
Die Verteidigung hat in dem nachgereichten Schriftsatz vom 3. Oktober 1955 ferner gerügt, daß Landgerichtsrat Dr. L. und nicht der für diese Verfügung zuständige Landgerichtsrat Dr. R. Termin zur Hauptverhandlung anberaumte, nachdem der Landgerichtspräsident auf eine Rückfrage des erkennenden Senats in seiner weiteren dienstlichen Äußerung vom 25. November 1955 unter ausführlicher Darlegung der Einzelheiten erklärt hatte, daß Landgerichtsrat Dr. R. im Dezember 1954 durch seine Tätigkeit als Vorsitzender der 1. Kleinen Strafkammer auch daran verhindert war, in Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden der 1. Großen Strafkammer in der Strafsache gegen Dr. O. neuen Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen und die damit zusammenhängenden Verfügungen zu treffen, wies der Verteidiger im Schriftsatz am 5. Dezember 1955 darauf hin, er werde sich hilfsweise für den Fall, daß die Verhinderung des Landgerichtsrats Dr. R. angenommen werden sollte, darauf berufen, das dann Landgerichtsrat O. für die Terminsanberaumung zuständig gewesen wäre. Das hat die Verteidigung dann auch in der Sitzung vom 13. Dezember 1955 vor dem erkennenden Senat geltendgemacht. Es mag dahingestellt bleiben, ob und inwieweit diese Rüge frist- und formgemäß erhoben ist; jedenfalls ist sie unbegründet.
Die Anberaumung des Hauptverhandlungstermins vom 20. Dezember 1954 verfügte Landgerichtsrat Dr. L. am 8. Dezember 1954. Nach der dienstlichen Äußerung des Landgerichtspräsidenten vom 25. November 1955 war Landgerichtsrat Dr. R. damals als Vorsitzender der 1. Kleinen Strafkammer durch die Vorbereitung auf die Sitzungen dieser Kammer, die Durchführung der Hauptverhandlungen und die Anfertigung der in ihnen angefallenen Urteile voll in Anspruch genommen. Am 6. Dezember 1954 fand eine ganztägige Sitzung der 1. Kleinen Strafkammer statt. In der Zeit vom 7. Dezember 1954 mittags bis 9. Dezember 1954 hat Landgerichtsrat Dr. R. nicht in seinem Dienstzimmer im Gerichtsgebäude, sondern in seiner Wohnung an den Strafsachen der Kleinen Strafkammer gearbeitet. Er stand also für die wegen des bevorstehenden Ablaufs des Geschäftsjahres und im Einblick auf die einzuhaltende Ladungsfrist eilige Terminsanberaumung überhaupt nicht rechtzeitig zur Verfügung. Am 9. und 13. Dezember 1954 hatte er wieder ganztägige Hauptverhandlungen der 1. Kleinen Strafkammer durchzuführen.
Hieraus ergibt sich einwandfrei, daß der Landgerichtspräsident bei der Feststellung, Landgerichtsrat Dr. R. sei verhindert gewesen, den Hauptverhandlungstermin anzuberaumen und die damit zusammenhängenden Verfügungen zu treffen, den Rechtsbegriff der Verhinderung nicht verkannt hat.
Die dienstlichen Äußerungen des Landgerichtspräsidenten vom 24. Juni 1955 und des Vorsitzenden der 2. Strafkammer von demselben Tage ergeben ferner, daß auch Landgerichtsrat O. an der Terminsanberaumung in der Strafsache gegen Dr. O. durch seine anderweitige dienstliche Inanspruchnahme verhindert war.
5.)
Nach alledem sind die Besetzung der Strafkammer, die Vertretung des Vorsitzenden und die Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
II.)
Die weiteren Verfahrensrügen:
Der Verteidiger des Angeklagten hatte vorsorglich beantragt, den Oberregierungsrat Dr. H. als Zeugen darüber zu vernehmen, daß Staatsanwalt Dr. Sü. und Rechtsanwalt Dr. K. als Vertreter der Landesbezirksstelle S. bereits zur Zeit der Ausstellung der eidesstattlichen Erklärungen darüber unterrichtet waren, daß im Augenblick der Überweisung des Geldes am 26. Januar 1951 und bei vorherigen Überweisungen ein Teil der Bescheide durch Abtretung bereits zwischenfinanziert war.
Die Strafkammer hat den Beweisantrag durch verkündeten Beschluß abgelehnt. Die Entscheidungsgründe lauten:
"Der Beweisantrag wird abgelehnt, weil er für die Entscheidung ohne Bedeutung ist. Auch wenn die Stuttgarter Sammelstelle schon vor dem 26. Januar 1951 davon Kenntnis hatte, daß Vorfinanzierung erfolgte, kann dennoch ihr Vertrauen durch Dr. O. mißbraucht worden sein, weil die S. stelle von einer Rabbinatsvereidigung (Schreiben vom 1.11.1950) eine gewissenhafte Prüfung der Angaben des Antragstellers erwartete."
Die Revision macht zunächst geltend, das Landgericht habe durch die Ablehnung des Beweisantrags § 244 Abs. 3 StPO verletzt. Die Annahme, daß dennoch ein Vertrauensmißbrauch vorgelegen haben könne, sei rechtsirrig. Wenn die Strafkammer Zweifel gehabt habe, hätte sie zugunsten des Angeklagten entscheiden müssen. Ein Beweisantrag dürfe nicht deshalb abgelehnt werden, weil er nicht geeignet sei, den letzten Zweifel an der Schuld des Angeklagten zu entkräften.
Ferner bezeichnet die Revision in diesem Zusammenhang den § 244 Abs. 2 StPO als verletzt. Der Beschwerdeführer bringt vor, soweit die Strafkammer auf die Vorstellung Gewicht gelegt habe, die die S. Sammelstelle von der Rabbinatsvereidigung hatte, hätte sie den Oberregierungsrat Dr. H. als zuständigen Sachbearbeiter hören müssen; der hätte bestätigt, daß es der S. Stelle lediglich darauf angekommen sei, eine Rabbinatsvereidigung zu erhalten, nicht aber auf eine eigenverantwortliche Überprüfung durch den Angeklagten.
Die geltend gemachten Verstöße liegen nicht vor.
Das Urteil des Landgerichts vom 14. August 1952 war durch die Entscheidung des erkennenden Senats vom 9. Juli 1954 im Schuldspruch mit den Feststellungen hierzu rechtskräftig geworden. An sie war die zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer gebunden. Sie hatte die Feststellungen des ersten Urteils ihrer Entscheidung zur Straffrage zugrunde zu legen und durfte keine widersprechenden Feststellungen treffen (RGSt 42, 241, 244; BGHSt 7, 283).
Die Strafkammer hatte in ihrem ersten Urteil folgendes für erwiesen erachtet:
Kurz vor Weihnachten 1950 wandten sich Aufkäufer von Entschädigungsbescheiden, die zugunsten jüdischer Vertriebener auf Grund des Entschädigungsgesetzes für Württemberg-Baden vom 16. August 1949 (RegBl 1949, S 187) ergangen waren, an den Angeklagten und baten um seine Hilfe, um eine sofortige Auszahlung des nicht vor 1954 fällig werdenden Teiles der Entschädigung durch die Landesbezirksstelle für Wiedergutmachung in S. zu erreichen. Dem Angeklagten war bekannt, daß diese Stelle Vergleiche über vorzeitige Zahlung nur mit den ursprünglich Berechtigten, nicht mit Abtretungsempfängern in Betracht zog. Er wandte sich an den damaligen Leiter des B. Landesentschädigungsamts Dr. A. und besprach mit diesem, es solle der S. Dienststelle erklärt werden, daß binnen weniger Tage eine große Anzahl Vertriebener, die S. Entschädigungsbescheide besäßen und sich zum größten Teil im Lager W. aufhielten, auswandern müsse und daß diese Leute dringend Geld brauchten und sich wegen ihres Entschädigungsanspruchs durch Barzahlung eines Teiles abfinden lassen wollten. Die Unwahrheit dieser Angaben war dem Beschwerdeführer bekannt; ob auch dem inzwischen verstorbenen Dr. A. hat das Landgericht offen gelassen. Dieser teilte den ihm von dem Beschwerdeführer mitgeteilten angeblichen Sachverhalt dem Leiter der Wiedergutmachungsabteilung im S. Justizministerium, Dr. K., mit und erreichte schließlich eine Bevollmächtigung, namens des Landes Württemberg-Baden mit den Berechtigten Vergleiche abzuschließen, durch die eine Barabfindung für die künftig fällig werdenden Entschädigungsansprüche gezahlt werden sollte. Voraussetzung für den Abschluß des Vergleichs war, daß jeder Berechtigte, zu dessen Gunsten ein württemberg-badischer Entschädigungsbescheid ergangen war, in Person vor dem Beschwerdeführer, seinem Rabbiner, die Richtigkeit der im Entschädigungsantrag enthaltenen Angaben über Haftort und Haftzeit beschwor und daß der Angeklagte mit Unterschrift und Amtssiegel die Personengleichheit des Schwörenden mit dem im Feststellungsbescheid genannten Antragsteller bestätigte. Der Beschwerdeführer stellte unter dem 29. Dezember 1950 111 solche Bescheinigungen aus, obwohl er mindestens von einem Teil der vor ihm erschienenen Personen wußte, daß sie nicht die Antragsteller waren, daß es sich vielmehr um Aufkäufer oder um deren Beauftragte handelte und daß die ursprünglich Berechtigten bereits ausgewandert waren. Die Bescheinigung händigte der Angeklagte teils den Schwörenden, zum größten Teil aber den Personen aus, die, wie er wußte, die Geschäfte der "Sammelstelle", der Aufkäuferin von Feststellungsbescheiden, führten. Den zur Erfüllung der auf Grund der Bescheinigungen abgeschlossenen Vergleiche benötigten Betrag von 251.460 DM forderte Dr. A. von der Landesbezirksstelle S. zur Überweisung auf ein Bankkonto zu seiner Verfügung an. Der Betrag wurde entgegen diesem Wunsch an die B. Staatsbank überwiesen und konnte später zurückerlangt werden.
Der Beweisantrag bezweckte, wie sich insbesondere aus der Revisionsbegründungsschrift ergibt, die zur Schuldfrage im ersten Urteil getroffenen Feststellungen durch widersprechende zu ersetzen. Das war unzulässig. Die Ablehnung des Beweisantrags ist somit im Ergebnis rechtlich bedenkenfrei. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt nicht vor.
III.)
Der Strafausspruch:
Die Strafzumessungsgründe lassen keinen sachlichrechtlichen Fehler erkennen. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich, da auch der Beschwerdeführer über die allgemeine Sachrüge hinaus keinen Rechtsverstoß geltend gemacht hat.
IV.)
Die Frage der Straffreiheit:
§ 3 StFG 1954 kann, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, nicht zur Anwendung kommen.
Die Strafkammer hat als wahr unterstellt, daß im Dezember 1950 der Angeklagte Dr. O. von DPs mit S. ... Bescheiden sowie von dritter Seite stürmisch bedrängt wurde, einen Weg zu finden, um die zweite Rate der Haftentschädigung flüssig zu machen, und daß er diese Leute an die sogenannte Sammlergruppe verwies, der er bestätigte, es würde für die Abtretbarkeit der S. Bescheide schon noch eine ähnliche Regelung wie für B. erreicht werden. Die Wahrunterstellung steht nicht im Widerspruch zu der bindenden Feststellung des früheren Urteils, daß der Beschwerdeführer mit seinen falschen Vorspiegelungen die Auszahlung der zweiten Rate zugunsten der Aufkäufer der Bescheide erreichen wollte. Das Landgericht durfte daher die Wahrunterstellung zusagen. Aus ihr ergibt sich jedoch nicht, daß der Angeklagte durch die Täuschung der S. Wiedergutmachungsbehörde Geld für in Not befindliche jüdische Lagerinsassen beschaffen wollte. Nach den rechtskräftigen Feststellungen waren die ursprünglichen Inhaber der Bescheide zu diesem Zeitpunkt größtenteils ausgewandert. Der Geldbetrag sollte den Aufkäufern der Bescheide die sich in keiner wirtschaftlichen Notlage befanden, zugute kommen. Der Angeklagte mag sich diesem Personenkreis gegenüber wegen seiner Zusicherung, es werde ein Weg für die Abtretbarkeit der S. Bescheide gefunden werden, verpflichtet gefühlt haben. Er wußte aber damals, daß die S. Wiedergutmachungsbehörde es entschieden ablehnte. Vergleiche über Bescheide abzuschließen, die sich nicht mehr in der Hand des ursprünglich Berechtigten befanden. Wenn er gleichwohl die erwähnte Zusicherung gab, so hat er die für ihn mißliche Lage gegenüber den Aufkäufern selbst schuldhaft herbeigeführt. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte "seelische Ehrennot" kann nach alledem nicht zur Anwendung des § 3 des Straffreiheitsgesetzes 1954 führen.
Dr. Peetz
Mantel
Dr. Mannzen
Dr. Hengsberger