Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.04.1953, Az.: II ZR 143/52
Schließung einer Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung; Ergänzende Vertragsauslegung in Widerspruch zu dem im Vertrag zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen; Unzulässige Erweiterung des Vertragsgegenstandes durch ergänzende Vertragsauslegung; Auslegung einer Willenserklärung; Ergänzende Auslegung eines Vergleichsvertrages; Regelung der sich aus einer Auseinandersetzung ergebenden Rechtsbeziehungen; Durchführung und Aufrechterhaltung des gesamten Vertragszwecks durch ergänzende Vertragsauslegung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 22.04.1953
- Aktenzeichen
- II ZR 143/52
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1953, 10485
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm vom 24.04.1952
- LG Münster
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 9, 273 - 279
- DB 1953, 463-464 (Volltext mit amtl. LS)
- JZ 1953, 512 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1953, 411-412 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1953, 937-938
- NJW 2017, 3074
Prozessführer
1. Kaufmann Dr. Theodor K ... in M..., A... H... Nr. 5,
2. Kaufmann Ernst K ... in H..., W... 175,
- Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt ... -
Prozessgegner
1. Frau Agnes K..., Witwe, geb. B... in M..., S... 11,
2. Minderjährige Annette K ..., wohnhaft ebendort,
3. Minderjähriger Fritz-Walter K ..., wohnhaft ebendort,
zu 1,
- Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt ... -
zu 2 und 3 vertreten durch ihre Mutter, die Klägerin
Amtlicher Leitsatz
Enthält ein Vertrag innerhalb seines tatsächlich gegebenen Rahmens einen offen gebliebenen Punkt (Vertragslücke), so hat der Richter eine solche Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Die ergänzende Vertragsauslegung darf sich nicht in Widerspruch zu dem im Vertrag zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen setzen und darf nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen.
In dem Rechtsstreit
hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung
vom 11. April 1953
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Dr. Selowsky, Dr. Haidinger, Dr. Fischer, Dr. Kuhn und Artl
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 24. April 1952 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Kläger sind die gesetzlichen Erben, des am 13. Februar 1949 verstorbenen Kaufmanns Fritz K.... Dieser war mit den Beklagten Gesellschafter von vier verschiedenen Handelsgesellschaften. In den Gesellschaftsverträgen von drei dieser Gesellschaften war bestimmt, daß beim Tode eines der Gesellschafter die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird und daß die Erben des verstorbenen Gesellschafters mit 75 % des nach der letzten genehmigten Bilanz zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens abzufinden sind, wobei die Abfindungssumme in Jahresraten von 10 bis 15 Jahren gezahlt werden sollt. Bei der Errechnung des Auseinandersetzungsguthabens für die Kläger kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien, wobei es zwischen ihnen vor allem streitig war, ob für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens die Steuer- oder die Handelsbilanz maßgeblich sei und ob einige im Bruchteilseigentum stehende, den verschiedenen Unternehmen dienende Grundstücke als Geschäftsvermögen oder Privatvermögen zu behandeln seien. Die Parteien einigten sich über diese Meinungsverschiedenheiten in einem notariellen Vertrag vom 1. Juli 1949, in dem die Abfindungssumme für die drei Gesellschaften auf 250.000 DM, zahlbar in 15 gleichen Jahresraten und mit 4 1/2 % verzinslich, festgelegt wurde.
Die Kläger sind als Erben des Kaufmanns Fritz K... zur Soforthilfe herangezogen worden, wobei für die Höhe der Abgabe nach § 1 SHG der Wert der Beteiligung des Erblassers an den Gesellschaftsunternehmen sowie der Wert seines Bruchteilseigentums an den Geschäftsgrundstücken vom 21. Juni 1948 zugrunde gelegt worden sind. Die Kläger haben inzwischen nach ihren Behauptungen mehr als 21.000 DM an Soforthilfe und Soforthilfesonderabgabe gezahlt. Sie sind der Meinung, daß die Beklagten sie von ihrer Abgabepflicht hinsichtlich des Grundvermögens teilweise und hinsichtlich des Anlage- und Vorratsvermögens vollständig freizustellen hätten. Zur Begründung dieser Auffassung haben sie ausgeführt, daß die Vertragschließenden in dem Vertrag vom 1. Juli 1949 keine Bestimmungen über die Behandlung der Soforthilfeabgabe aufgenommen hätten und daß die insoweit maßgeblichen Vorschriften der Gesellschaftsverträge über die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens eine Lücke aufwiesen, die nach dem Sinn dieser Vorschriften entsprechend ihrer Rechtsauffassung zu schliessen sei. Sie haben unter diesem Gesichtspunkt einen Teilbetrag in Höhe von 6.100 DM eingeklagt.
Die Beklagten sind diesen Rechtsausführungen entgegengetreten und haben namentlich behauptet, daß nach dem Inhalt des Vertrages vom 1. Juli 1949 für die Soforthilfe und für den Lastenausgleich allein die Vorschriften der bevorstehenden Gesetze gelten sollten und demgemäß jeder der Vertragschließenden den auf ihn nach dem Gesetz entfallenden Anteil an der Soforthilfe selbst zu zahlen habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht den geltend gemachten Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Kläger um Zurückweisung der Revision bitten.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Vertrag vom 1. Juli 1949 ein Vergleich sei, da zwischen den vertragschließenden Streit und Ungewißheit über die Höhe des Auseinandersetzungsanspruchs der Kläger bestanden habe und der Inhalt des Vertrages dahin gegangen sei, die aufgetretenen Zweifelsfragen über die Höhe des Anspruchs im Wege des gegenseitigen Nachgebens endgültig auszuräumen. Dabei habe dieser Vergleich das zugrundeliegende Rechtsverhältnis nicht berührt, sondern nur den Auseinandersetzungsanspruch seiner Höhe nach in wesentlicher Anlehnung an die Gesellschaftsverträge festgelegt. Hieraus ergebe sich aber entgegen der Rechtsansicht der Kläger nicht die Möglichkeit einer ergänzenden Auslegung der Gesellschaftsverträge, weil für die Durchführung der Auseinandersetzung der Vergleich vom 1. Juli 1949 alle Zweifelsfragen geklärt und den Anspruch der Kläger ziffernmäßig festgesetzt habe. Bei dieser Sachlage sei für eine Auslegung der Willenserklärungen zugunsten der Kläger nach § 133 BGB kein Raum, auch komme die Ausfüllung einer Vertragslücke nach § 157 BGB nicht in Betracht. Schließlich habe auch der Erlaß des Soforthilfegesetzes auf den Bestand des Vergleichs keinen Einfluß gehabt, weil die Parteien bei Vertragsabschluß mit dem Gesetz gerechnet hätten und das Gesetz daher die Geschäftsgrundlage des Vergleichs nicht berührt hätte. Dagegen sei jedoch zugunsten der Kläger eine Anwendung des § 242 BGB geboten, um die unbillig hohe Belastung der Kläger durch das Soforthilfegesetz auszuräumen. Diese unbillige Belastung der Kläger beruhe darauf, daß das Soforthilfegesetz für die Berechnung der Abgaben auf den Vermögensstand vom 21. Juni 1948 zurückgreife und es daher für die Höhe der von den Klägern geschuldeten Abgaben auf die Beteiligung ihres Erblassers an den Gesellschaften, nicht aber auf ihren im Wert um 25 % niedrigeren Auseinandersetzungsanspruch ankomme. Die Rechtsprechung habe bereits bei der Anwendung des § 23 SHG hervorgehoben, daß die durch das Soforthilfegesetz beeinflußten Rechtsbeziehungen der Betroffenen unter Umständen gemäß § 242 BGB einer ausgleichenden Regelung zu unterziehen seien. Dieses habe auch für den vorliegenden Fall zu gelten, da nach dem Inhalt der Verhandlungen zwischen den Parteien diese nicht den Willen gehabt hätten, die getroffene Vereinbarung ohne jede Rücksicht auf das bevorstehende Soforthilfegesetz aufrecht zu erhalten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe in dieser Hinsicht nicht eindeutig geklärt werden können, ob die Vertragschließenden in den Vergleich deshalb keine Vereinbarung über den bevorstehenden Lastenausgleich aufgenommen hätten, weil sie sich für die weitere Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen in diesem Punkt alle Wege offen halten oder weil sie damit jede weitere Zahlung über die Vergleichssumme hinaus ausschließen wollten. Rechtsanwalt Dr. M... habe als Zeuge die hierbei verfolgte Absicht der Parteien dahin gekennzeichnet, daß jeder bei der bevorstehenden Lastenausgleichsregelung sein Päckchen selbst habe tragen sollen. Diese bildliche und plastische Umschreibung des Parteiwillens sei vieldeutige weil sie nicht erkennen lasse, ob die Kläger Soforthilfe nur von dem Steuerwert des ihnen zugebilligten Auseinandersetzungsguthabens oder auch noch einen Teil des Päckchens entrichten sollten, der auf die nach dem Vergleich den Beklagten verbleibenden Vermögenswerte entfiele. Es könne aus dieser Feststellung nur so viel entnommen werden, daß die Kläger nicht von der gesamten Soforthilfelast durch die Beklagten freizustellen seien, daß sie vielmehr für den ihnen zugesprochenen 3/4 Anteil ihr Päckchen an der Soforthilfe selbst zu tragen hätten. Dagegen sei es möglich und geboten, unter Anwendung des § 242 BGB einen gerechten Ausgleich zwischen den Vertragschließenden insoweit herbeizuführen, als die Kläger auch zur Soforthilfe hinsichtlich des nach den Gesellschaftsverträgen den Beklagten zustehenden 1/4 Anteils des Verstorbenen herangezogen werden. Bei einer gerechten Interessenabwägung müßten die Beklagten die restlichen 25 % der Soforthilfeabgabe den Klägern abnehmen.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind nicht völlig frei von Widerspruch. Das Berufungsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, daß die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch der Kläger davon abhängig ist, ob die Parteien in dem Vergleich eine Regelung darüber getroffen haben, welchen Einfluß die erwartete Gesetzgebung über den Lastenausgleich (und die Soforthilfe) auf den Auseinandersetzungsanspruch der Kläger haben werde. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme in rechtlich einwandfreier und auch von der .Revision nicht angegriffener Form zu dem Ergebnis, daß nach dem Willen der Vertragschließenden jeder "sein Päckchen" selbst zu tragen habe. Gegen diesen Teil der Ausführungen des Berufungsgerichts bestehen keine rechtlichen Bedenken. Haltbar sind auch noch die Ausführungen des Berufungsgerichts, in denen es darlegt, daß sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen lasse, ob diese Regelung die gesamte Soforthilfeabgabe umfasse oder ob sie sich nur auf die nach dem Vergleich verteilten Vermögenswerte beziehe. Dagegen ist es zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht des weiteren meint, daß diese offen gebliebene Frage nicht nach den §§ 133, 157 BGB; sondern unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach § 242 BGB beantwortet werden müsse. Dem Berufungsgericht kann in diesen Punkt nur insoweit zugestimmt werden, als es die Anwendung des § 133 BGB verneint. Es hat bei der Würdigung der Beweisaufnahme ersichtlich alle Gesichtspunkte herangezogen, die für die Auslegung der einzelnen Vertragserklärungen in Betracht kommen, Wenn es bei dieser tatrichterlichen Beurteilung zu dem Ergebnis gekommen ist, daß alle diese Umstände keine gesicherte Klärung über den Inhalt der abgegebenen Erklärungen ermöglichen und daß diese Erklärungen die beiden entgegengesetzten, und zwar sowohl die von den Klägern vertretene wie auch die von den Beklagten vertretene Auslegung zulassen, so ist das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hält sich hierbei im Rahmen der durch § 133 BGB gezogenen Grenzen, indem es die beiderseitigen Erklärungen der Vertragschließenden unter Berücksichtigung ihres Willens nach Treu und Glauben auslegt. Dagegen ist es rechtlich nicht haltbar, daß das Berufungsgericht die Anwendung des § 157 BGB verneint und statt dessen die Bestimmung des § 242 BGB heranzieht. Das Berufungsgericht geht nämlich in diesem Zusammenhang mit Recht davon aus, daß es zum Abschluß eines Vertrages zwischen den Parteien gekommen ist, daß ihre Willenserklärungen keinen Dissens aufweisen, sondern daß sie zu einer Willensübereinstimmung geführt haben. Bei dieser Rechtslage ist es unter Anwendung des §157 BGB erforderlich, den gesamten Vertragszweck und Vertragsinhalt unter Berücksichtigung des erklärten Parteiwillens und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu ermitteln. Hierbei ergibt sich nach den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Auslegung der einzelnen Willenserklärungen (§ 133 BGB) daß die Vertragschließenden zwar im allgemeinen dahin übereingekommen sind, daß jede der Parteien angesichts der bevorstehenden Gesetzgebung zum Lastenausgleich "ihr Päckchen" zu tragen habe, nicht aber, daß sie mit der erforderlichen Bestimmtheit auch geregelt haben, ob die Kläger im Verhältnis zu den Beklagten den Teil der Soforthilfe zu tragen haben, der ihnen nach dem Soforthilfegesetz durch die rückwirkende Berücksichtigung des Vermögensstandes vom 21. Juni 1948 hinsichtlich des bei den Beklagten verbliebenen 1/4 Beteiligungsanspruchs ihres Erblassers auferlegt worden ist. Diese für das Revisionsgericht bindende Feststellung des Berufungsgerichts führt aus Rechtsgründen zwingend zu der Annahme, daß hier eine Vertragslücke vorliegt. Der Auseinandersetzungsvergleich der Parteien enthält innerhalb seines tatsächlich gegebenen Rahmens, nämlich der abschliessenden Regelung der durch den Tod des Erblassers zwischen den Parteien entstandenen Rechtsbeziehungen, einen offen gebliebenen Punkt, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine eindeutige Regelung gefunden hat. Die Schließung einer solchen Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung ist nach allgemeiner Ansicht in Rechtsprechung (RGZ 87, 211 [213/14]; 92, 318 [320]; 129, 80 [88]; 136, 178 [185]; Warneyer 1916 Nr 69, Nr 157; HRR 1929, Nr 794; 1934 Nr 1275; JW 1935, 1233) und Schrifttum (RGRK § 157 Bem 1; Soergel-Lindenmaier § 157 Bem 1; Lehmann, Allgem Teil § 30 VI; Staudinger-Riezler § 157 Bem 5) unter Anwendung des § 157 BGB geboten. Dabei hält sich im vorliegenden Fall die Schließung dieser Lücke nach den in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen auch im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 157 BGB, weil es sich hierbei nicht um eine Abänderung des geschlossenen Vertrages (RG HRR 1933 Nr 1573) im Widerspruch zu dem im Vertrag zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen (RG HRR 1929 Nr 794; 1934 Nr 1275) und auch nicht um eine unzulässige Erweiterung des Vertragsgegenstandes (RGZ 87, 213/14; 129, 88; 136, 185), sondern um eine Ergänzung des Vertragsinhalts handelt, die zur Durchführung und Aufrechterhaltung des gesamten Vertragszwecks, nämlich einer abschließenden Regelung der sich aus der Auseinandersetzung ergebenden Rechtsbeziehungen erforderlich ist, weil die Parteien den in Betracht kommenden Punkt nach den Darlegungen des Berufungsgerichts keiner feststellbaren Regelung zugeführt haben. Bei der Ausfüllung einer Vertragslücke handelt es sich um eine Ergänzung des Vertrages, um richterliche Schaffung und Schöpfung dessen, was für den eingetretenen, nicht vorhergesehenen Fall zwischen den Parteien rechtens sein soll (RGZ 92, 320). Um den Fall einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung handelt es sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hier, so daß die erforderliche Ergänzung des Vertrages unter Anwendung des § 157 BGB geboten ist.
Für die Vertragsauslegung verweist § 157 BGB auf die Erfordernisse von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte. Dieser objektive Auslegungsmaßstab ist aber nach feststehender Rechtsprechung (RGZ 142, 23 [33] HRR 1929 Nr 794; 1934 Nr 1275; JW 1935 Nr 1233) bei der ergänzenden Vertragsauslegung zugleich unter Berücksichtigung des anzunehmenden Willens der Vertragsparteien anzuwenden, da eine solche Auslegung nur den Vertragsinhalt, nicht auch den Vertragswillen zu ergänzen hat. Der Richter, dem die ergänzende Vertragsauslegung im einzelnen Fall obliegt, muß also die Frage prüfen und beantworten, wie die Parteien den fraglichen, ungeregelt gebliebenen Punkt geregelt haben würden, wobei er zugleich die Grundsätze von Treu und Glauben mitzuberücksichtigen hat (RGRK § 157 Bem. Das Berufungsgericht hat sich in eingehenden Ausführungen mit der Frage befaßt, wie der offen gebliebene Punkt in der Vereinbarung der Parteien nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu ergänzen sei. Es hat dabei die Gesichtspunkte herangezogen, die in der Rechtsprechung zur Anwendung des § 23 SHG aufgestellt worden sind, und die darauf hinauslaufen, daß die durch das Soforthilfegesetz beeinflußten Rechtsbeziehungen der Betroffenen einer ausgleichenden Regelung unterzogen werden müssen. Dieser Beurteilung ist beizutreten. Ihr steht nicht, wie die Revision meint, der Umstand entgegen, daß der Erblasser der Kläger noch einige Zeit nach der Währungsreform in dem Genuß seiner vollen Gesellschafterbeteiligung gewesen war. Denn die Soforthilfeabgabe ist eine Steuer, die nach der Höhe des Vermögens und nicht unter Berücksichtigung der gezogenen Nutzungen seit der Währungsreform berechnet und erhoben wird. Sie ist gewissermaßen eine Belastung, die auf dem Vermögen ruht und die daher nach objektiven Gesichtspunkten mit der unentgeltlichen Zuweisung eines 25 %igen Anteils von der Gesellschafterbeteiligung des Erblassers auf die Beklagten in der Regel auch in dem gleichen Verhältnis nunmehr die Beklagten in ihrer Rechtsbeziehung zu den Klägern treffen muß. Eine solche nach Treu und Glauben gebotene Beurteilung entspricht auch den Beziehungen der Parteien zueinander. Die Vorschriften der Gesellschaftsverträge über die nur 75 %ige Abfindung der Erben eines verstorbenen Gesellschafters, die nach der zutreffenden Auslegung des Berufungsgerichts durch den Vergleich nicht ersetzt, sondern durch die Bestimmung der Höhe des Auseinandersetzungsanspruchs nur ergänzt worden sind, gehen ersichtlich davon aus, daß die Erben im Interesse einer Erhaltung der einzelnen Unternehmen nicht in voller Höhe und nicht sofort das Auseinandersetzungsguthaben erhalten, sondern nur auf einen Anspruch in Höhe von 75 % zahlbar in einzelnen Raten, beschränkt sein sollen. Dagegen ergibt sich aus dieser Regelung nicht, daß die Erben darüber hinaus noch eine weitere Einbuße zugunsten der verbleibenden Gesellschafter erleiden sollen, indem sie auch die öffentlichen Abgaben, die mit Rücksicht auf den den Gesellschaftern zufallenden 1/4 Anteil erhoben werden, zu entrichten haben. Der in den Gesellschaftsverträgen zum Ausdruck gekommene Parteiwille, steht somit im Einklang mit der nach Treu und Glauben gebotenen Ergänzung des Vertragsinhalts, da, wie das Berufungsgericht im einzelnen festgestellt hat, aus dem Vergleich vom 1. Juli 1949 kein irgendwie gearteter Anhaltspunkt für einen gegenteiligen Parteiwillen ersichtlich ist.
Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts handelt es sich also nicht darum, daß hier im Wege der richterlichen Vertragsgestaltung ein geschlossener Vertrag unter Anwendung des § 242 BGB seinem Inhalt nach abgeändert wird. Eine solche Abänderung des Vertrages durch den Richter wäre unzulässig; denn wenn die Parteien die Freiheit haben, ihre Rechtsbeziehungen in dieser oder in jener Form zu regeln, ohne daß eine solche Vereinbarung etwa nach den §§ 134, 138 BGB nichtig wäre, dann kann auch ein ausdrücklich so oder so geschlossener Vertrag der Parteien nicht später von dem Richter unter Anwendung des § 242 BGB seinem Inhalt nach entgegen dem ausdrücklichen Willen der Vertragschließenden einer sachlichen Abänderung zugeführt werden. In einem solchen Fall könnte nur - eine Voraussetzung, die das Berufungsgericht für den vorliegenden Fall mit Recht verneint hat - beim Vorliegen der Voraussetzungen vom Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertrages an die veränderten tatsächlichen Verhältnisse in Betracht kommen.
Zusammenfassend ergibt sich daraus, daß der Vergleich vom 1. Juli 1949 eine Vertragslücke enthält, die unter Anwendung des § 157 BGB eine ergänzende Vertragsauslegung ermöglicht und erfordert, und daß eine solche ergänzende Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der vom Berufungsgericht dargelegten Grundsätze von Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des in den Gesellschaftsverträgen zum Ausdruck gekommenen Parteiwillens dahin führt, daß die Beklagten den Klägern insoweit die diesen auferlegten Soforthilfeabgaben zu erstatten haben, als diese unter Berücksichtigung des den Beklagten zugefallenen 1/4 Anteils des verstorbenen Gesellschafters von den Klägern erhoben werden.
II.
Wenn die Revision gegenüber den Ausführungen des Berufungsgerichts grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendung des § 242 BGB erhebt, so braucht auf diese Ausführungen nicht mehr im einzelnen eingegangen zu werden, da zwar die Anwendung des § 242 durch das Berufungsgericht fehlerhaft, aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die angegriffene Entscheidung bei Anwendung des § 157 BGB aufrechtzuerhalten ist. Es handelt sich hier, wie bereits dargelegt, nicht um eine Vertragsänderung durch den Richter, sondern um eine nach § 157 BGB gebotene Ergänzung des Vertrages, die nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsgegenstandes führt und sich nicht zu dem im Vertrag zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen in Widerspruch setzt. Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Parteien über den hier entscheidenden Punkt keine Regelung getroffen haben, daß hier also nach dem Inhalt des Vertrages eine Lücke vorliegt, die den Bestand des Vertrages selbst nicht berührt, schließt die Annahme der Revision aus, daß das Berufungsgericht den Vertrag durch die Schließung dieser Lücke abgeändert hat .
Die Revision greift außerdem die Auffassung des Berufungsgerichts an, daß sich nach der Auslegung der Vertragserklärungen (§ 133 BGB) nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit feststellen lasse, daß die Parteien die gesetzliche Regelung über die Soforthilfe auch insoweit für ihre Rechtsbeziehungen gelten lassen wollten, als es sich um die Heranziehung der Kläger zur Leistung der Soforthilfe für den Teil der Beteiligung ihres Erblassers handele, der nach den Gesellschaftsverträgen und nach dem Vergleich den Beklagten ohne eine besondere Abfindung der Kläger zugefallen ist. Die Revision meint, daß sich diese Feststellung des Berufungsgerichts schon angesichts des eigenen Vortrags der Kläger nicht halten lasse. Dieser Angriff der Revision erweist sich jedoch ebenfalls als unbegründet. Alles was die Revision in diesem Zusammenhang vorträgt, hat das Berufungsgericht im Rahmen der ihm zustehenden tatrichterlichen Auslegung berücksichtigt. Es hat hieraus auch, was die Revision nicht weiter beachtet, die Folgerung gezogen, daß die Auffassung der Kläger nicht zutreffend sei, daß sie die gesamte ihnen auferlegte Soforthilfe wegen der Beteiligung ihres Erblassers an den Gesellschaften auf die Beklagten abwälzen könnten. Es ist vielmehr insoweit durchaus im Sinne der Darlegungen der Beklagten an dem Ergebnis gekommen, daß auch die Kläger "ihr Päckchen" an der Soforthilfe zu tragen haben. Dagegen lassen die Ausführungen der Revision nicht erkennen, warum angesichts des Vortrags der Kläger die weitere Auslegung des Berufungsgerichts unhaltbar sein soll, daß nämlich die Beklagten hinsichtlich des ihnen zugefallenen 1/4 Anteils die den Klägern auferlegte Soforthilfe diesen zu erstatten haben.
Der weitere Hinweis der Revision, der Vertrag sei lückenlos geschlossen und die Parteien hätten bewußt das volle Risiko der bevorstehenden Gesetzgebung auf sich genommen, geht an der tatsächlichen Feststellung des Berufungsgerichts vorbei. Das Berufungsgericht kommt unter Würdigung des Beweisergebnisses in diesem Punkt gerade zu einem anderen Ergebnis, so daß dieser Hinweis der Revision in der Revisionsinstanz keine Beachtung mehr finden kann.
Schließlich greift die Revision auch noch den Ausgangspunkt in den Darlegungen des Berufungsgerichts an, daß nämlich die Kläger nach dem Vergleich vom 1. Juli 1949 nur 75 % ihres Beteiligungsguthabens erhalten hätten. Die Revision meint, daß unter Berücksichtigung der Darlegungen der Beklagten die Kläger bei einer 75 %igen Abfindung nur 218.000 DM erhalten haben würden und daß der ihnen darüber hinaus zugebilligte Betrag von 32.000 DM entweder als eine Abgeltung für die Übernahme des Risikos der späteren Lastenausgleichsgesetzgebung oder als eine höherprozentige Abfindung (mit der Rechtsfolge einer niedrigeren Beteiligung der Beklagten an der Soforthilfeabgabe der Kläger) angesehen werden müsse. Auch diesen Ausführungen der Revision kann nicht beigetreten werden. Sie stehen im Widerspruch mit der rechtlich einwandfreien Auffassung des Berufungsgerichts, daß sich die Parteien angesichts ihrer erheblich auseinandergehenden Ansichten über die ziffernmäßige Höhe des 75 %igen Beteiligungsguthabens vergleichsweise auf einen Betrag von 250.000 DM geeinigt hätten. Danach stellt dieser Betrag nunmehr nach dem Willen der beiden Vertragsparteien den Auseinandersetzungsanspruch der Kläger unter Berücksichtigung ihres 75 %igen Beteiligungsguthabens dar. Damit entfallen ohne weiteres die Folgerungen, die die Revision in diesem Zusammenhang mit ihrer Rüge ziehen zu können geglaubt hat.
Zusammenfassend erweist sich somit die Revision als unbegründet, so daß sie mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen ist.