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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.03.1953, Az.: V ZR 143/51

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.03.1953
Aktenzeichen
V ZR 143/51
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1953, 12399
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Berlin (West)
KG (West) - 10.09.1951

Fundstellen

  • DB 1953, 351 (amtl. Leitsatz)
  • MDR 1953, 419 (amtl. Leitsatz)

Prozessführer

des Gerhard St. in B., Ba.straße ...,

Prozessgegner

den Buchdruckereibesitzer Oskar St. in B.-Sch., W. Straße ...,

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die "Bezeichnung" einer physischen Person durch die Militärregierung und die damit verbundene Vermögenssperre hat keine rückwirkende Kraft.

  2. 2.

    Zu einem Rechtsgeschäft über Vermögen im Sinne des Art. I (1) des Militärregierungsgesetzes 52 kann die Genehmigung der Militärregierung auch erteilt werden, nachdem das Rechtsgeschäft abgeschlossen ist. Das Rechtsgeschäft bleibt in einem solchen Falle zunächst schwebend unwirksam; es wird, je nachdem die Militärregierung die Genehmigung erteilt oder versagt, rückwirkend wirksam oder nichtig.

  3. 3.

    Ein mangels Genehmigung der Militärregierung zunächst schwebend unwirksames Rechtsgeschäft über Vermögen im Sinne des Art. I (1) des Militärregierungsgesetzes 52 wird rückwirkend wirksam, wenn die Vermögenssperre, um derentwillen das Geschäft genehmigungsbedürftig war, aufgehoben wird.

  4. 4.

    Vereitlungs- oder Umgehungsgeschäfte im Sinne des Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 sind unheilbar nichtig.

hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 1953 unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Dr. Tasche und der Bundesrichter Dr. von Normann, Dr. Hückinghaus, Dr. Heck und Schuster

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Aufhebung des Urteils des 4. Ferienzivilsenats des Kammergerichts vom 10. September 1951 wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, und zwar auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Der Kläger, welcher seit dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP war, überließ sein Hausgrundstück B.-Sch., W.straße ..., (eingetragen im Grundbuch von B.-Sch. Band 36 Blatt 1715) durch notariell beurkundeten Schenkungsvertrag vom 14. August 1945 seinem Sohn, dem Beklagten, und ließ es ihm gleichzeitig auf; der Beklagte wurde am 17. Dezember 1945 als Erwerber des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Der Schenkungsvertrag wurde abgeschlossen und ausgeführt, ohne daß eine Genehmigung oder Ermächtigung der Militärregierung gemäß Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 vorlag; er ist auch nicht nachträglich durch die Militärregierung auf Grund des Militärregierungsgesetzes 52 genehmigt worden.

2

Im November 1950 erhob der Kläger gegen den Beklagten Klage und beantragte:

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, zu bewilligen, daß der Kläger wieder als Eigentümer des vorgenannten Grundstücks in das Grundbuch eingetragen werde,

  2. 2.

    hilfsweise: den Beklagten zu verurteilen, das vorgenannte Grundstück an den Kläger aufzulassen.

3

Zur Begründung seines Hauptantrages trug der Kläger vor, er habe als Mitglied der NSDAP befürchtet, daß sein Vermögen beschlagnahmt oder unter Kontrolle gestellt werden würde; um sein Hausgrundstück derartigen Maßnahmen zu entziehen, habe er es dem Beklagten zum Schein geschenkt; der Hauptantrag sei daher sowohl nach § 117 BGB gerechtfertigt als auch nach Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52, da - wie erwähnt - die Absicht bestanden habe, die in diesem Gesetz bestimmten Befugnisse oder Aufgaben der Militärregierung zu vereiteln, und da er, der Kläger, zu dem unter Art I (1, g) des Militärregierungsgesetzes 52 fallenden Personen gehöre, deren Vermögen der Beschlagnahme durch die Militärregierung unterworfen worden sei. Der Kläger verwies dabei noch darauf, daß das streitige Grundstück im Oktober 1950 durch Verfügung des "Haupttreuhänders für das NSDAP-Vermögen" unter Kontrolle gestellt worden sei. Zur Begründung seines Hilfsantrages machte der Kläger geltend, daß er das streitige Grundstück dem Beklagten nur "als Treuhänder" übereignet und sich vorbehalten habe, jederzeit die Rückübereignung, des. Grundstücks zu verlangen; er habe den Beklagten vergeblich aufgefordert, ihm das Grundstück zurückzugeben.

4

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Er bestritt, daß das Grundstück ihm nur zum Schein oder nur als "Treuhänder" übereignet worden sei, und behauptete, es habe sich um eine Schenkung, und zwar um eine vorweggenommene Erbfolge, gehandelt. Er bestritt ferner, daß der Vertrag vom 14. August 1945 abgeschlossen und ausgeführt worden sei, um das Grundstück der Anwendung des Militärregierungsgesetzes 52 zu entziehen; der Kläger gehöre nicht zu den unter Art I (1) dieses Gesetzes fallenden Personen; die vom Kläger erwähnte Verfügung des "Haupttreuhänders für das NSDAP-Vermögen" sei nach wenigen Tagen zurückgenommen worden. Schließlich legte der Beklagte noch einen gegen den Kläger ergangenen Spruchentscheid des Spruchausschusses Wilmersdorf vom 6. Januar 1950 zum Nachweis dafür vor, daß der Kläger nicht politisch belastet und daher durch Art I (1) des Militärregierungsgesetzes 52 nicht betroffen worden sei.

5

Das Landgericht gab dem Hauptantrag der Klage statt. Die Berufung des Beklagten, mit welcher er die Abweisung der Klage anstrebte, wurde zurückgewiesen.

6

Gegen das Berufungsurteil hat der Beklagte Revision eingelegt und beantragt,

7

das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,

8

hilfsweise: die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

9

Die Revision rügt Verletzung der §§ 134, 242, 516, 518 BGB, des Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 und des § 286 ZPO. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

10

I.

Das Berufungsurteil führt folgendes aus:

11

Das Militärregierungsgesetz 52 sei nach seinem Art IX (11) am Tage seiner ersten Verkündung in Kraft getreten. Selbst wenn man annehmen wolle, daß es für West-Berlin erst vom Tage des. Einrückens der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungstruppens dem 7. Juli 1945, ab gelte, so liege dieser Tag vor dem 14. August 1945, an welchem die Parteien den streitigen Vertrag abgeschlossen hätten. Da der Kläger seit dem 1. Mai 1933 der NSDAP angehört habe, so gehöre er zu den in Teil I der Anordnung der Alliierten Kommandantur Berlin BK/O (46) 101 a vom 26. Februar 1946 bezeichneten Personen und unterliege damit den Bestimmungen der Anordnung der Alliierten Kommandantur Berlin BK/O (49) 25 vom 16. Februar 1949. Das Vermögen der Personen, welche durch die letztgenannte Verordnung betroffen seien, unterliege zugleich dem Militärregierungsgesetz 52. Daher habe der Kläger über das streitige Grundstück gemäß Art II (3) des Militärregierungsgesetzes 52 nur mit Ermächtigung der Militärregierung verfügen können. Da nun aber eine solche Ermächtigung unstreitig nicht eingeholt worden sei, so sei der Vertrag vom 14. August 1945 nichtig, ohne daß es der Prüfung bedürfe, ob mit diesem Vertrag eine Vereitelung oder Umgehung im Sinne des Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 beabsichtigt gewesen sei. Diese Nichtigkeit sei dadurch nicht geheilt worden, daß der "Haupttreuhänder für das NSDAP-Vermögen" das streitige Grundstück unter Kontrolle gestellt, dann aber freigegeben habe. Daher könne der Kläger gemäß § 894 BGB fordern, daß das Grundbuch hinsichtlich des streitigen Grundstücks zu seinen Gunsten berichtigt werde; ob der Vertrag vom 14. August 1945 und seine Ausführung als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB nichtig seien, könne dahingestellt bleiben.

12

II.

Das Berufungsurteil leidet an dem Fehler, daß es den streitigen Vertrag vom 14. August 1945 und dessen Ausführung als nichtig auf Grund des Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 (in Verbindung mit Art II (3) dieses Gesetzes) lediglich deshalb ansieht, weil dieser Vertrag ohne Genehmigung oder Ermächtigung der Militärregierung abgeschlossen und auch nicht nachträglich durch die Militärregierung genehmigt worden ist.

13

Zwar ist es richtig, daß das Militärregierungsgesetz 52 in West-Berlin, als der Vertrag vom 14. August 1945 abgeschlossen und (am 17. Dezember 1945) grundbuchlich ausgeführt wurde, in Kraft getreten war. Aber daraus folgt noch nicht, daß der Vertrag vom 14. August 1945 und dessen Ausführung ohne die - sei es vorgängige, sei es nachträgliche - Genehmigung durch die Militärregierung schlechthin nichtig sind. Das Fehlen dieser Genehmigung wäre nur dann rechtlich bedeutsam, wenn es der Genehmigung zur Zeit des Abschlusses des Vertrages vom 14. August 1945 und seiner Ausführung bedurft hätte. Diese vom Berufungsgericht ohne nähere Begründung bejahte Frage ist zu verneinen. Das Militärregierungsgesetz 52 hat in seinem Art II (3) den Abschluß von bestimmten schuldrechtlichen Verträgen, die sich auf die in seinem Art I bezeichneten Vermögen bezogen, und deren Ausführung ohne "Ermächtigung oder Anweisung der Militärregierung" verboten, in seinem Art V (7) "ohne ordnungsmäßig erteilte Genehmigung oder Ermächtigung der Militärregierung" (mit den in Art IV (6) bestimmten Ausnahmen) für nichtig und in seinem Art VIII (10) für strafbar erklärt. Daraus folgt, daß sowohl Art II (3 zu a) als auch Art V (7) als auch Art VIII (10) des Gesetzes sich nur auf schuldrechtliche oder dingliche Bechtsgeschäfte über solche Vermögensgegenstände beziehen, welche zur Zeit ihrer Vornahme gemäß Art I des Gesetzes der Beschlagnahme (Weisung, Verwaltung, Aufsicht oder sonstiger. Kontrollen) durch die Militärregierung unterworfen waren. Bei Vermögensgegenständen, welche physischen Personen gehörten, ergab sich die Beschlagnahme gemäß Art I (1) des Gesetzes, dessen Anwendbarkeit im vorliegenden Falle allein in Frage kommt, in den meisten Fällen (Ausnahmen in Art I (1) zu b und zu f des Gesetzes) erst durch Vorgänge, welche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes verwirklicht wurden: Verhaftung durch die Militärregierung (Art I (1) zu d) oder generelle oder individuelle "Bezeichnung" durch die Militärregierung (Art I (1) zu c und g). In diesen Fällen, in denen sich die Beschlagnahme des Vermögens physischer Personen gemäß Art I (1) des Gesetzes erst durch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes verwirklichte Vorgänge (Verhaftung oder "Bezeichnung") ergab, trat die Beschlagnahme auch erst mit diesen Vorgängen (ab hoc) und nicht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (ex tunc) ein. Wenn Rechtsgeschäfte solcher Personen durch Art II (1 zu a) des Gesetzes als "verbotene" Handlungen bezeichnet werden, und zwar mit der Folge der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (Art V (1) des Gesetzes) und der Strafbarkeit des Handelnden (Art VIII (10) des Gesetzes), so folgt schon aus dem Begriff des "Verbots", daß es nur für die Zukunft gilt, d.h. von dem Tage ab, an dem objektiv feststeht, daß der Handelnde dem Verbot unterliegt; ein "rückwirkendes" Verbot ist sinnwidrig. Daß der Art II (3) des Gesetzes in diesem Sinne zu verstehen ist, kommt übrigens auch darin zum Ausdruck, daß zu einem an sich verbotenen vermögensrechtlichen Rechtsgeschäft die "Ermächtigung" der Militärregierung erbeten und erteilt werden kann; aber solange noch nicht feststeht, ob ein Rechtsgeschäft das Vermögen einer physischen Person betrifft, welche durch die Militärregierung verhaftet oder gemäß Art I (1 zu c oder g) des Militärregierungsgesetzes 52 "bezeichnet" ist, besteht offensichtlich kein Anlaß, die erwähnte "Ermächtigung" zu erbitten und zu erteilen. Bei dieser Auslegung des Art II (3) des Gesetzes 52 können vermögensrechtliche Rechtsgeschäfte nicht nach Art V (7) des Gesetzes 52 mangels "Genehmigung oder Ermächtigung der Militärregierung" ausnahmslos nichtig sein, obgleich sie zur Zeit ihrer Vornahme keine durch Art II (3) des Gesetzes 52 "verbotenen Handlungen" waren; das folgt daraus, daß Art V (7) sich grundsätzlich nur auf "verbotene Geschäfte" bezieht und damit auf Art II (3) verweist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht Art V (7) des Gesetzes 52 nur für solche vermögensrechtlichen Rechtsgeschäfte, welche zwar zur Zelt ihrer Vornahme nicht durch Art II (3) "verbotene Handlungen" waren, aber vor oder nach dem Inkrafttreten des Gesetzes in der Absicht getätigt wurden, die Befugnisse oder Aufgaben der Militärregierung (Art I (1) des Gesetzes 52) oder "die Rückgabe von Vermögen an den berechtigten Eigentümer" (Art I (2) des Gesetzes 52) zu vereiteln oder zu umgehen. Daher wären der streitige Vertrag vom 14. August 1945 und dessen Ausführung, die mit der am 17. Dezember 1945 vollzogenen Eintragung des Beklagten als Erwerber in das Grundbuch beendet war, auf Grund des Regelsatzes des Art V (7) des Gesetzes 52 mangels Ermächtigung oder Genehmigung durch die Militärregierung nur dann nichtig gewesen, wenn sie durch Art II (3) des Gesetzes 52 "verbotene Handlungen" waren.

14

Der Kläger war unstreitig Mitglied der NSDAP seit dem 1. Mai 1933. Ob und von wann ab aus diesem Grunde sein Vermögen und insbesondere das streitige Grundstück der Beschlagnahme und anderen Maßnahmen der Militärregierung unterworfen wurde, hing davon ab, ob und wann er durch die Militärregierung gemäß Art I (1 zu c oder g.) als eine Person "bezeichnet" wurde, deren Vermögen den Bestimmungen des Militärregierungsgesetzes unterworfen wurde. Das Berufungsgericht hat angenommen, es ergebe sich erst aus der Anordnung der Alliierten Kommandantur Berlin BK/O (46) 101 a betr. Entnazifizierung vom 26. Februar 1946 nebst der zugehörigen "Bestimmung Nr. 1" (beide veröffentlicht im VOBl Berlin 1946 S 71 bez. S 72 vom 7. März 1946), daß der Kläger zu den durch das Gesetz 52 betroffenen Personen gehörte. Die vorgenannte Anordnung betr. Entnazifizierung vom 26. Februar 1946 hat folgende Einleitung:

"Um den Einfluß des Nationalsozialismus und Militarismus in dem öffentlichen und wirtschaftlichen Leben Berlins völlig auszumerzen ..., wird hiermit angeordnet."

15

Sie bestimmt dann in Ziff 1:

"Es ist ungesetzlich seitens irgend eines Zweiges der Verwaltung, irgend eines öffentlichen, oder privaten Betriebes oder einer Privatperson, ohne besondere Genehmigung der Alliierten Kommandantur in irgend einer beaufsichtigenden oder leitenden Stellung, die Aufsicht über Personal mit sich führt, nationalsozialistische Parteimitglieder in ihren Stellungen zu belassen, die mehr als nominell an der Tätigkeit teilgenommen haben ...".

16

In Ziff 2 ist bestimmt:

"Personen sind aus ihren Stellungen wegen mehr als nomineller Tätigkeit in der NSDAP ... zu entlassen, wenn sie der NSDAP beitraten oder als Mitglieder angenommen wurden, bevor Mitgliedschaft im Jahre 1937 Zwang wurde ...".

17

Da diese Bestimmungen sich offensichtlich nur auf solche Personen beziehen, die sich in einem Beamten-, Angestellten- oder ähnlichen Verhältnis befanden, so wurde in der "Bestimmung Nr. 1" der Begriff "Entlassung" in erweiternder Weise folgendermaßen definiert:

"Wo es sich um die Ausübung eines Berufs oder Führung eines Privatunternehmens handelt, ist der Ausdruck (Entlassung) dahin auszulegen, daß die in Frage kommende Person bei der Ausübung ihres Berufs oder Führung ihres Privatunternehmens in der Weise disqualifiziert und eingeschränkt ist, als sie in keiner anderen als in einer privaten Eigenschaft tätig sein kann, in der sie nicht in irgendwelcher Aufsicht ausübenden, leitenden oder organisierenden Eigenschaft handelt oder bei der Anstellung oder Entlassung Dritter oder bei der Festsetzung von Beschäftigungs- oder anderen Richtlinien mittätig ist."

18

Schließlich schied die "Bestimmung Nr 1" die Personen, auf welche sich die politische Säuberung ("Entnazifizierung") beziehen sollte, in zwei Gruppen: in ihrem Teil I zählte sie die Personen auf, die "unverzüglich zu entlassen sind", zu welchen unter 2 II b

"alle Mitglieder der NSDAP, die der Partei beitraten oder als Mitglieder angenommen wurden, bevor Mitgliedschaft der Partei im Jahre 1937 Zwang wurde ...",

19

gehörten, in ihrem Teil II die Personen, welche nicht unverzüglich zu entlassen, aber bei der politischen Säuberung "sorgfältig geprüft" werden müßten, so unter anderem nominelle Mitglieder der NSDAP, die ihr nach dem 1. Mai 1937 beigetreten waren. Hiernach trifft es zu, daß der Kläger, als Buchdruckereibesitzer, also als Inhaber eines Privatunternehmens, und zugleich als ehemaliges Mitglied der NSDAP, durch die politische Säuberung betroffen wurde. Es ist auch richtig, daß er durch die Anordnung BK/O (46)/101 a als eine Person "bezeichnet" wurde, deren Vermögen unter das Militärregierungsgesetz 52 fiel. Zwar fällt die Abgrenzung des Kreises von Personen, welche als mutmaßlich politisch belastet, sich dem sogenannten Entnazifizierungsverfahren zu unterziehen hatten, nicht mit der "Bezeichnung" gemäß Art I (1 c und g) des Gesetzes 52 zusammen. Aber in Ziff 9 der Anordnung BK/O (46) 101 a war bestimmt:

"Keine Schritte gegen das Vermögen von Personen, die auf Grund dieser Anordnung entlassen worden sind (oder - nach der Bestimmung Nr. 1 - ihnen gleichstehen), sollen ohne die Zustimmung der Militärregierung des zuständigen Sektors rechtskräftig sein",

20

was zwar nicht nach dem Wortlaut, aber nach dem Sinn die nach Art II (3 zu a) verbotenen Rechtsgeschäfte konkret definiert. Damit war zwar das Vermögen des Klägers gesperrt, aber nur das Vermögen des Klägers nach dem Stande vom 7. März 1946 und mithin nicht das streitige Grundstück, es sei denn, daß die schon am 17. Dezember 1945 erfolgte Übereignung dieses Grundstücks an den Beklagten als Scheingeschäft nach § 117 BGB oder als Vereitlungsgeschäft im Sinne des Art V (7) des Gesetzes 52 nichtig war.

21

Das Berufungsgericht hat sich indessen nicht mit der Anwendbarkeit der Verordnung des Magistrats von Berlin vom 2. Juli 1945 über die Anmeldung und die Beschlagnahme des Vermögens der Personen, die sich aktiv faschistisch betätigt haben (VOBl Berlin 1945 S. 45), auf den vorliegenden Fall auseinandergesetzt. Diese Verordnung hat der Magistrat auf Grund des ihm (von der sowjetischen Militärregierung) erteilten "Auftrages auf Selbstverwaltung" und "mit Zustimmung des (sowjetischen). Stadtkommandanten" erlassen; sie ist daher, soweit sie Personen im Sinne des Art I (1 zu c oder g) des Militärregierungsgesetzes "bezeichnet", einer Bezeichnung durch die Militärregierung selbst gleichzusetzen. Daß die. Verordnung der Durchführung des Militärregierungsgesetzes 52 dient, ergibt sich sowohl aus ihrer vorerwähnten Benennung als auch aus ihrem § 1, welcher lautet:

"Das Vermögen von Personen, die sich aktiv faschistisch betätigt haben, und das ihrer Ehegatten unterliegt nach näherer Bestimmung der folgenden Vorschriften

  1. a)

    der Anmeldungspflicht,

  2. b)

    der Beschlagnahme."

22

Es folgt in ihrem § 2 mit der Überschrift "Kreis der betroffenen Personen" die Bestimmung:

"Als führende oder aktiv faschistische Nationalsozialisten ... gelten:

  1. 1.

    alle Personen, die zu irgendeinem Zeitpunkt Mitglieder der NSDAP ... gewesen sind ..."

23

mithin eine bestimmte Bezeichnung der unter Art I (1 zu c oder g) des Militärregierungsgesetzes 52 fallenden Personen, zu denen auch der Kläger, als ehemaliges Mitglied der NSDAP, gehörte. Allerdings betraf die Verordnung, soweit sie sich auf die Vermögensbeschlagnahme bezieht, nur die dem Kläger zur Zeit der Veröffentlichung der Verordnung noch gehörenden, nicht dagegen die vorher von ihm veräußerten Vermögensgegenstände. Die Verordnung ist nun, obwohl sie vom 2. Juli 1945 datiert ist, erst am 20. August 1945 veröffentlicht worden, mithin zwar nach dem Abschluß des streitigen Vertrages vom 14. August 1945, aber vor der Umschreibung des streitigen Grundstücks auf den Beklagten. Daher hätte die Umschreibung des streitigen Grundstücks auf den Beklagten gemäß Art II (3 zu a) des Militärregierungsgesetzes 52 genehmigt werden müssen.

24

Die Genehmigung der Militärregierung ist nun unstreitig weder vor noch nach der grundbuchlichen Umschreibung des streitigen Grundstücks erteilt, freilich auch nicht versagt worden. Das Berufungsgericht meint, daß ein nach Art II (3) des Militärregierungsgesetzes 52 genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft nach Art V (7) desselben Gesetzes schlechterdings nichtig ist, wenn es nicht vorher, d.h. bevor es vorgenommen wurde, durch die Militärregierung genehmigt worden ist. Diese Auslegung des Art II (3) und des Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 kann nicht gebilligt werden. Die in der Rechtsprechung und im Schrifttum herrschende. Meinung nimmt an, daß ein nach Art II (3) des Militärregierungsgesetzes 52 genehmigungsbedürftiges, aber bevor es vorgenommen wurde, nicht genehmigtes Rechtsgeschäft regelmäßig nur schwebendunwirksam ist (vgl. aus der Rechtsprechung OLG Stuttgart [24, November 1948] in NJW 1948, 230 = SJZ 1949 Sp 271; OLG München vom 22. Juli 1949 in NJW 1949, 863; OGHBrZ vom 2. November 1949 OGHZ Bd 3 S 82 = NJW 1950, 307), es sei denn, daß es ein Vereitelungs- oder Umgehungsgeschäft im Sinne des Art V (7) des Gesetzes 52 ist. Der Zweck des Militärregierungsgesetzes 52 ("Sperre und Beaufsichtigung von Vermögen") erfordert in der Tat nicht zwingend, daß zu Rechtsgeschäften im Sinne des Art II (3) des Gesetzes 52 die Einwilligung der Militärregierung im voraus erteilt wird, sondern läßt sich ebenso gut erreichen, wenn die Zustimmung der Militärregierung nachträglich eingeholt und, je nachdem, erklärt oder versagt wird. Insbesondere bei zweiseitigen Rechtsgeschäften entspricht es zudem den Erfordernissen des Rechtsverkehrs, die Entscheidung der Militärregierung erst dann einzuholen, wenn die Parteien das Rechtsgeschäft abgeschlossen und sich damit, vorbehaltlich der Entscheidung der Militärregierung, wie bei anderen Rechtsgeschäften, deren Wirksamkeit in der Schwebe steht, einstweilen gebunden haben (RGZ 98 [244] 246; RGZ 103 [104] 106). Denn daß von nach Art. II (3) des Militärregierungsgesetzes 52 genehmigungsbedürftigen, aber noch nicht durch die Militärregierung genehmigten und daher schwebend unwirksamen zweiseitigen Rechtsgeschäften die Partei, deren Vermögen gesperrt ist, sich nicht, solange die Genehmigung nicht erteilt ist, einseitig lossagen kann, folgt schon aus der Erwägung, daß das Gesetz 52 keineswegs bezweckt, die von ihm betroffenen Personen zu schützen; dasselbe gilt für die andere Vertragspartei.

25

IV.

Aus den Ausführungen unter II und III dieser Entscheidungsgründe folgt, daß es nicht dahingestellt bleiben kann, ob der streitige Vertrag vom 14. August 1945 einschließlich seiner dinglichen Ausführung als Scheingeschäft (§ 117 BGB) oder als Vereitelungsgeschäft im Sinne des Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 schlechterdings und unheilbar nichtig ist, oder ob die Nichtigkeit der erst am 17. Dezember 1945 vollendeten Übereignung des streitigen Grundstücks an den Beklagten - wie das Berufungsgericht zu Unrecht annimmt - daraus folgt, daß der Vertrag vom 14. August 1945 und seine dingliche Ausführung durch die Militärregierung nicht im voraus genehmigt worden sind. Da die Genehmigung der Militärregierung, wie dargelegt, auch nachträglich erteilt werden konnte, aber bisher weder erteilt, noch versagt worden ist, so würde die Übereignung des streitigen Grundstücks, falls sie nicht nach § 117 BGB oder als Vereitlungsgeschäft im Sinne des Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 schlechterdings nichtig ist, nur schwebendunwirksam sein. Die Parteien können sich von ihren Rechtsgeschäften, solange deren Wirksamkeit mangels Genehmigung durch die Militärregierung in der Schwebe ist, nicht einseitig lossagen, sondern sie sind, wie in anderen Fällen, in denen ein Rechtsgeschäft der behördlichen Genehmigung bedarf, nach Treu und Glauben gebunden, das Ihrige zu tun, um die noch ausstehende Genehmigung zu erwirken (RGZ Bd 115 S 35 ff [38]). Überdies würden diese Rechtsgeschäfte, falls die Militärregierung sie nachträglich genehmigen würde, durch diese Genehmigung rückwirkend wirksam werden (RGZ Bd 108 S 91 ff [94]). Daher muß auch angenommen werden, daß der Kläger, solange die Wirksamkeit der Übereignung des streitigen Grundstücks, mangels einer Entscheidung der Militärregierung in der Schwebe ist, sowohl mit seinem Hauptantrag (Grundbuchberichtigung) als auch mit seinem Hilfsantrag (Rückauflassung) gegen Treu und Glauben verstößt, soweit diese beiden Anträge darauf gestützt sind, daß die nach Art II (3) des Militärregierungsgesetzes 52 erforderliche Genehmigung der Militärregierung noch nicht erteilt worden ist. Der Kläger hätte, bevor er die Klage erhob, längst die Entscheidung der Militärregierung herbeiführen können; das hat er nicht nur unterlassen, sondern selbst zur grundbuchlichen Umschreibung des streitigen Grundstücks auf den Beklagten dadurch beigetragen, daß er dem Grundbuchamt gegenüber die unrichtige eidesstattliche Versicherung (Bl 27 der Grundakten von Berlin-Schmargendorf Band 36 Blatt 1715 [ehemals Band 36 Blatt 1076] Band I) abgab, er werde durch die Verordnung des Berliner Magistrats vom 2. Juli 1945 (und mithin durch das Militärregierungsgesetz 52) nicht betroffen. Aus diesen Gründen mußte das Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweiten. Verhandlung und Entscheidung, und zwar auch über die Kosten des Revisionsrechtsauges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

26

Das Berufungsgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob der Vertrag vom 14. August 1945 und die Übereignung des streitigen Grundstücks an den Beklagten als Scheingeschäfte nichtig sind. Wenn es diese Frage verneint, wird es weiter zu prüfen haben, ob der Vertrag vom 14. August 1945, mag er ein Schenkungsvertrag oder ein sogenannter Treuhandvertrag sein, und die Übereignung des streitigen Grundstücks an den Beklagten, als Vereitelungsgeschäfte im Sinne des Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 nichtig sind. Wenn es auch diese Frage verneint, wird es prüfen müssen, ob die Übereignung des streitigen Grundstücks an den Beklagten noch schwebend unwirksam ist.

27

Bei dieser letzteren Prüfung kann es darauf ankommen, ob das Vermögen des Klägers, zu welchem das streitige Grundstück noch gehörte, als der Kläger durch die erwähnte Verordnung des Berliner Magistrats vom 2. Juli 1945 betroffen wurde, noch der Sperre auf Grund des Militärregierungsgesetzes 52 unterliegt, in welchem Falle eine Entscheidung der Militärregierung gemäß Art II (3) des Gesetzes 52 noch herbeigeführt werden könnte, oder ob es inzwischen entsperrt worden ist, in welchem Falle eine solche Entscheidung der Militärregierung nicht mehr in Frage käme, vielmehr die Übereignung des streitigen Grundstücks an den Beklagten infolge der Entsperrung des Vermögens des Klägers wirksam geworden wäre, indem der Kläger durch die Entsperrung seines Vermögens die freie Verfügung über sein Vermögen zurückerlangt hätte (so zutreffend OLG München [22. Juli 1949] in NJW 1949 S 863 = MDR 1950 S 38; ob dieser Entscheidung auch darin beigepflichtet werden kann, daß die Entsperrung nicht zurückwirkt, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben). Da der Kläger zugestandenermaßen es verabsäumt hat, gemäß der Anordnung der Alliierten Kommandantur Berlin BK/O (46) 107 vom 27. Februar 1946 (VOBl Berlin 1946 S 81) seinen Personalausweis rechtzeitig zur Abstempelung vorzulegen, fiel er unter die Anordnung der Alliierten Kommandantur Berlin BK/O (49) vom 16. Februar 1949 (VOBI Berlin 1949 S 71). Nach Ziffer 4 I dieser Anordnung könnte der Kläger wegen seiner Säumnis mit einer Geldstrafe und nach ihrer Ziffer 7 II mit einer "Entnazifizierungsgebühr" belegt werden; ferner bestimmte Ziffer 8 der Anordnung, daß auch bei Personen, welche - wie es auf den Kläger zutrifft - anläßlich der politischen Säuberung ohne vermögensmäßige Maßnahmen verblieben, die Sperre ihres Vermögens erst aufgehoben wurde, wenn, die Geldstrafe und die "Entnazifizierungsgebühr" bezahlt waren. Nun ist der Kläger durch den Spruchentscheid des Spruchausschusses Wilmersdorf in der Tat wegen seiner Säumnis mit einer Geldstrafe von 235 DM-W und außerdem mit einer "Entnazifizierungsgebühr" von 440 DM-W belegt worden, und dieser Spruchentscheid scheint rechtskräftig geworden zu sein; dagegen ist nichts darüber vorgetragen, ob diese beiden Beträge bezahlt worden sind und daraufhin das Vermögen des Klägers entsperrt worden ist.

28

Wenn sich ergibt, daß der Hauptantrag des Klägers unbegründet ist, dann wird das Berufungsgericht schließlich prüfen müssen, ob wenigstens der Hilfsantrag des Klägers begründet ist, der sich auf die Behauptung stützt, daß sich hinter dem "Schenkungsvertrag" vom 14. August 1945 ein sogenanntes "Treuhandgeschäft" verbirgt und daß die Übereignung des streitigen Grundstücks an den Beklagten nicht schenkungsweise, sondern "zu treuen Händen" vorgenommen worden ist. Wenn ein Treuhandgeschäft vorliegt, kann es dahingestellt bleiben, ob es nach Art V (7) des Militärregierungsgesetzes 52 (als Vereitelungsgeschäft oder wegen Versagung der Genehmigung durch die Militärregierung) nichtig oder nichtig geworden oder ob es schwebend unwirksam oder ob es (infolge Genehmigung durch die Militärregierung oder infolge Entsperrung des Vermögens des Klägers.) wirksam geworden ist. Zwar hat der Kläger im Berufungsrechtszug nur beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, und den Hilfsantrag der Klage nicht ausdrücklich - wie es formell geboten gewesen wäre - wiederholt. Aber es kann nicht angenommen werden, daß der Kläger den Hilfsantrag der Klage im Berufungsrechtszug fallen lassen wollte, und daher kann sein Berufungsantrag dahin ausgelegt werden, daß mit ihm der Hilfsantrag der Klage vorsorglich aufrechterhalten werden sollte.

Dr. Tasche Dr. v. Normann Dr. Hückinghaus Dr. Heck Schuster