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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 10.11.1952, Az.: VI ZR 249/52

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
10.11.1952
Aktenzeichen
VI ZR 249/52
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1952, 10026
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
KG Berlin - 14.07.1952
LG Berlin

Fundstellen

  • BGHZ 8, 47 - 55
  • JZ 1953, 113-116 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • MDR 1954, 196-200 (Urteilsbesprechung von Oberverwaltungsgerichtsrat Privatdozent Dr. Karl August Bettermann; erläuternd)
  • NJW 1953, 179-181 (Volltext mit amtl. LS) "Rechtsirrtum bei Fristversäumung"

Prozessführer

des Kaufmanns Ernst W. in B., M.straße ...,

Prozessgegner

1. den Kaufmann Fritz W.,

2. die Frau Elisabeth We. geb. N.,

3. das Fräulein Hildegard N.,

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.)

    Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil des Berufungsgerichts darf nicht angeordnet werden, wenn die Revision wegen verspäteter Begründung als unzulässig zu verwerfen ist.

  2. 2.)

    Ein Rechtsstreit ist auch dann eine gesetzliche Feriensache, wenn nur der hilfsweise geltend gemachte Klagegrund dies rechtfertigt.

  3. 3.)

    Ein mit Einlegung und Durchführung der Revision beauftragter Rechtsanwalt muss dafür sorgen, dass die vor oder in den Gerichtsferien eingelegten Revisionen rechtzeitig darauf geprüft werden, ob sie gesetzliche Feriensachen sind, die Frist zur Begründung also auch während der Gerichtsferien läuft.

  4. 4.)

    Eine auf einem Rechtsirrtum beruhende Fristversäumnis ist nur dann unabwendbar, wenn der Streit Vertreter einer Partei die äusserste, ihm nach Lage der Sache zumutbare Sorgfalt aufgewandt hat, um eine richtige Rechtsansicht zu gewinnen. Musste ihm dabei die Zweifelhaftigkeit der Rechtslage erkennbar werden, so versäumt er die Frist schuldhaft, wenn er nicht vorsorglich so handelt, wie es bei einer für seine Partei ungünstigen Entscheidung des Zweifels zur Wahrung ihrer Belange notwendig ist.

hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der Sitzung vom 10. November 1952 unter Mitwirkung der Bundesrichter Dr. Delbrück, Dr. Kleinewefers, Dr. Gelhaar, Dr. Rotberg und Dr. Hauß

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten vom 10. September 1952 auf weitere Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 14. Juli 1952 wird zurückgewiesen.

Gründe:

1

Die Kläger haben im Berufungsrechtszug ein Räumungsurteil des Kammergerichts über ein ihnen gehöriges Lichtspielhaus erstritten. Der Räumungsantrag war in erster Linie unter Anzweifelung der Wirksamkeit des über die Kinoräume geschlossenen Benutzungsvertrages aus Eigentum hergeleitet worden. Durch das Urteil ist die auf Nichtgenehmigung gestützte Nichtigkeit des Vertrages wegen späterer Vertragsbestätigung verneint, dem hilfsweise auf Belästigung und Eigenbedarf (§ § 2, 4 MSchG) gegründeten Mietaufhebungs- und Räumungsbegehren - aber entsprochen und die durch das Landgericht ausgesprochene Abweisung der Widerklage auf Feststellung des unkündbaren Fortbestehens des Mietverhältnisses aufrecht erhalten worden.

2

Gegen dieses - am 21. Juli 1952 zugestellte - Urteil hat der Beklagte mit einem am 4. August 1952 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt. Dem gleichzeitig mit der Revision von dem Beklagten gestellten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil ist durch Beschluß des Ferienzivilsenats vom 15. August mit Befristung bis zum 30. September 1952 entsprochen worden.

3

Den vom Beklagten mit Schriftsatz vom 10. September weiterhin gestellten Antrag auf Erstreckung des Einstellungsbeschlusses bis zum Erlaß des Revisionsurteils haben die Kläger am 15. September 1952 mit dem Hinweis beantwortet, daß der Rechtsstreit als Mietsache Feriensache gewesen und die Revision infolgedessen mangels rechtzeitiger Begründung unzulässig geworden sei, so daß auch eine weitere Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht mehr in Betracht komme. Eine Abschrift der Erwiderung der Kläger wurde am 16. September 1952 durch die Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofs an den Streitvertreter des Beklagten weitergeleitet.

4

Auf den am gleichen Tage eingegangenen Antrag des Beklagten wurde die Frist zur Begründung der Revision von dem Vorsitzenden des damals für die Erledigung zuständigen V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs durch Verfügung vom 17. September bis zum 15. November 1952 verlängert.

5

Am 30. September hat der Beklagte gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt und gleichzeitig die Revisionsbegründung eingereicht. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches macht er geltend, im Büro seines Prozeßbevollmächtigten sei die Frist zur Begründung der Revision auf den 15. Oktober 1952 mit Vorfristen auf den 12. Oktober, 1. Oktober und 15. September notiert worden. Dem Bevollmächtigten sei die Akte an diesen Tagen wegen Einlegung der Revision und wegen des Antrages auf Einstellung der Zwangsvollstreckung vorgelegt worden. Er habe, wie üblich, die Notierung der Fristen überprüft und in Ordnung befunden. Damals hätten ihm außer einem Unterrichtungsschreiben des Streitvertreters des zweiten Rechtszuges die Urteile des Landgerichts und des Kammergerichts vorgelegen. Aus dem Urteil des Kammergerichts habe er entnommen, daß die Klage in erster Linie auf Eigentum gestützt gewesen sei. Nach dem Inhalt der Vorentscheidungen habe er annehmen müssen, daß es sich nicht um eine Feriensache handele. Diese Auffassung sei auch zutreffend. Sollte man aber die Rechtslage anders beurteilen, so liege für den Beklagten in der abweichenden Auffassung ein unabwendbarer Zufall, der den Wiedereinsetzungsantrag rechtfertige. -

6

Dem Antrag des Beklagten auf weitere Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem von ihm mit der Revision angefochtenen Urteil des Kammergerichts könnte nur entsprochen werden, wenn die Revision zulässig wäre. Ist schon das Rechtsmittel selbst als unzulässig zu verwerfen, so ist für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kein Raum (RGZ 104, 303; Stein-Jonas-Schönke 20. Aufl. Anm. II zu § 719 ZPO; Baumbach-Lauterbach 20. Aufl. Anm. 2 zu § 719 ZPO). Das Reichsgericht hat dies a.a.O. allerdings nur entschieden für eine Revision, die deshalb unzulässig war, weil sie sich gegen ein nur über die Vollstreckbarkeit befindendes Urteil des Berufungsgerichts richtete (§ 718 Abs. 2 ZPO). Der gleiche Rechtsgedanke trifft aber auch auf solche Revisionen zu, die wegen fehlerhafter Einlegung oder Begründung unzulässig sind. Sie sind nicht geeignet, den Revisionsrechtszug mit dem Ziel der Rechtsnachprüfung der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung zu eröffnen. Sie müssen mit dem Ergebnis verworfen werden, daß das angefochtener Urteil rechtskräftig und damit endgültig vollstreckbar wird. Dieser verfahrensrechtlichen Lage würde die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht zuwiderlaufen. Daß sie nicht im Geiste der Zivilprozeßordnung läge, ist im übrigen aus ihrem § 713 a zu entnehmens der zu Gunsten des Schuldners ergehende Vollstreckungsanordnungen mißbilligt, wenn die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit des vollstreckbaren Urteils nicht vorliegen.

7

Die Zulässigkeit der Revision ist aber u.a. von ihrer rechtzeitigen Begründung abhängig (§ § 554, 554 a ZPO). Die Begründungsfrist ist - im Gegensatz zur Revisionsfrist - keine Notfrist. Ihr Ablauf wird, demgemäß durch die Gerichtsferien in der Zeit vom 15. Juli bis 15. September gehemmt, es sei denn, daß die Sache Feriensache ist (§ 223 ZPO). Da eine Revisionsbegründung erst am 30. September eingegangen ist, würde sie nur rechtzeitig sein, wenn der Rechtsstreit keine Feriensache war.

8

Die Entscheidung über den Einstellungsantrag setzt danach zunächst eine Entscheidung über die Vortrage voraus, ob der Rechtsstreit im Sinne der § § 199 ff GVG als Feriensache anzusehen war.

9

Die Sache ist nicht durch den Bundesgerichtshof als Feriensache bezeichnet worden (§ 200 Abs. 4 GVG). Ihre Eigenschaft als Feriensache könnte deshalb nur darauf beruhen, daß ihr Streitgegenstand sie gemäß § 200 Abs. 2 von Gesetzes wegen zur Feriensache macht. Dies ist zu bejahen; weil es sich im Sinne der Nr. 4 dieser Vorschrift um eine Streitigkeit zwischen dem Vermieter und dem Mieter von Räumen wegen deren Räumung handelt.

10

Die Anwendung der Nr. 4 könnte nicht mit der Begründung angezweifelt werden, das zwischen den Parteien möglicherweise bestehende Vertragsverhältnis sei jedenfalls kein Mietverhältnis, sondern allenfalls ein Pachtverhältnis, so daß schon darum eine Feriensache nicht vorgelegen haben könne. Der zwischen dem Rechtsvorgänger der Kläger und dem Beklagten abgeschlossene Benutzungsvertrag vom 27. Dezember 1945, in den die Kläger als Käufer des Lichtspielhausgrundstückes unstreitig eingetreten sind, wenn er im Zeitpunkt der Veräußerung wirksam war, stellt sich als Mietvertrag dar. Nach § 7 des Vertrages, der sich selbst als "Mietvertrag" bezeichnet, wurde davon ausgegangen, daß der Beklagte die gesamte Lichtspieleinrichtung selbst stellt. Das wird bestätigt durch das Vorbringen des Beklagten in seinen Einstellungsanträgen vom 2. August und 10. September 1952, in denen er selbst hervorhebt, daß er im Falle der Vollstreckung des angefochtenen Räumungsurteils das gesamte Inventar einschließlich der Vorführanlage, elektrischen Einrichtung, Bestuhlung und Dekoration herausreißen lassen müsse. Gegenstand des Benutzungsvertrages war daher nur eine reine Raummiete, nicht dagegen auch die pachtmäßige Ziehung eines Geschäftsertrages aus einem eingerichteten Unternehmen. Der gleichartigen Beurteilung des Kammergerichts ist deshalb beizutreten.

11

Der Charakter des Rechtsstreits als Feriensache ist aber auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Räumungsklage in erster Linie auf die Behauptung gestützt worden war, der Mietvertrag sei infolge Nichterteilung der zunächst erforderlich gewesenen besatzungsbehördlichen Genehmigung nicht wirksam geworden; das Lichtspielhaus sei deshalb an die Kläger als Eigentümer herauszugeben.

12

Das Ziel der Klage war in jedem Abschnitt des Verfahrens die Räumung des Kinos. Der dahin gerichtete Antrag ist allerdings zunächst vornehmlich auf das Eigentum der Kläger gestützt worden. Daneben war aber schon in der Klageschrift hilfsweise die Räumung nach Aufhebung des Mietverhältnisses erbeten worden. Es handelt sich danach verfahrensrechtlich um die Geltendmachung desselben Klagebegehrens auf der Grundlage zweier verschiedener Klagegründe. Daß die letztlich erstrebte Räumung im Falle der Eigentumsklage unmittelbar, im Falle der Mietaufhebungsklage nur nach vorangegangener gerichtlicher Aufhebung des Mietvertrages erreicht werden kann, ändert nichts daran, daß das Klageverlangen im Ergebnis auf denselben Rechtsausspruch, nämlich die Verurteilung zur Herausgabe der gleichen Räume, gerichtet und damit sachgleich ist. In einen solchen Falle muß es aber für die Anerkennung als Feriensache genügen, wenn der für die hier anzustellende Betrachtung einheitliche Klageanspruch auch auf einen Klagegrund gestützet wird, der, wenn er die alleinige Klagegrundlage darstellte, den Charakter als Feriensache begründen würde. Das Hinzutreten eines weiteren Klagegrundes zu der Klagebegründung, die für sich allein bereits die Sache zur Feriensache machen würde, kann dem durch die gesetzliche Behandlung als Feriensache bevorzugten Klagegrund diesen Vorzug nicht nehmen. Die gegenteilige Auffassung würde dem Sinne der Vorschrift des § 200 Abs. 2 GVG widersprechen. Gewisse Sachen sind gesetzlich zu Feriensachen gerade darum erklärt, weil sie erfahrungsgemäß einer besonders schleunigen Entscheidung bedürfen. Dazu gehören die Räumungsklagen der Vermieter. Solche Klagen werden dadurch nicht weniger eilig, daß der Vermieter sein Räumungsverlangen auch noch auf sein Eigentum stützen kann und stützt. Für das durch die Behandlung als Feriensache zu fordernde Beschleunigungsinteresse der Kläger ist es weiterhin ohne Belang, ob sie den Räumungsanspruch in erster Linie aus dem Mietverhältnis und nur hilfsweise aus einem anderen Rechtsgrunde herleiten oder ob sie umgekehrt verfahren. In jeden Falle bleibt der Räumungsanspruch als solcher eilig und ist er auch auf die Beendigung des Mietverhältnisses gestützt.

13

Diese Erwägungen müssen erst recht durchgreifen, wenn, wie hier, im zweiten Rechtszuge ausweislich der gewechselten Schriftsätze fast ausschließlich über die Aufhebung des Mietverhältnisses gestritten worden und der Räumungsklage durch das Berufungsgericht unter Aufhebung des Mietverhältnisses entsprochen worden ist. Gerade durch die Entscheidung auf die Mietaufhebungsklage ist der Rechtsstreit nunmehr als Mieträumungsstreit im Sinne des § 200 Abs. 2 Nr. 4 in die Revisionsinstanz gediehen. Es würde jeder natürlichen Betrachtung zuwiderlaufen, wenn gleichwohl die eben für solche Rechtssachen gesetzlich angeordnete Behandlung als Feriensachen nur darum unterbleiben sollte, weil der gleiche Räumungsausspruch von den Klägern ursprünglich auch unter Hinweis auf ihr Eigentum angestrebt worden ist und weil an sich auch das Revisionsgericht - bei entsprechender rechtlicher Beurteilung des zu Grunde liegenden Sachverhalts - nicht daran gehindert wäre, der Klage trotz Nichteinlegung eines Rechtsmittels durch die Kläger aus dem Klagegrund des Eigentums stattzugeben.

14

Dieser Beurteilung kann nicht mit dem Hinweis auf eine vermeintlich abweichende Auffassung von Rechtsprechung und Schrifttum entgegengetreten werden. Wenn das Reichsgericht in JW 1891, 245 und ihm folgend Stein-Jonas-Schönke 20. Aufl. Anm. II 2 a zu § 1 ZPO sowie Baumbach-Lauterbach 20. Aufl. Anm. 4 C zu § 23 GVG annehmen, daß eine Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 23 Nr. 2 a GVG nicht gegeben sei, falls der Kläger seinen Anspruch unter Ablehnung eines Mietvertrages ausschließlich auf Eigentum stütze, so ist dies zwar für die Beurteilung als Feriensache von Interesse, da die Zuständigkeitsvorschrift des § 23 die gleichen Sachen erfaßt, die nach § 200 Abs. 2 Nr. 4 Feriensachen sind. Schlüsse gegen die hier vertretene Auffassung können jedoch aus diesen Stellungnahmen nicht hergeleitet werden, weil in dem der Entscheidung aus dem Jahre 1891 zu Grunde liegenden Fall die Klage nur auf Eigentum gegründet war, während sie in der jetzt zur Entscheidung stehenden Sache auch auf die Aufhebung des Mietverhältnisses gestützt wird. Ebensowenig stehen die Entscheidungen des Reichsgerichts in RGZ 78, 316 [319] und 118, 28 der Behandlung des gegenwärtigen Rechtsstreits als Feriensache entgegen. Beide Entscheidungen betreffen - abweichend von dem jetzt gegebenen Sachverhalt - Klagen, in denen zwei selbständige und auf verschiedene Klagegründe gestützte Ansprüche, nämlich ein Anspruch aus dem Wechsel und ein nicht wechselrechtlicher Anspruch, im Wege der nach § 260 ZPO zulässigen echten Anspruchshäufung zusammengefaßt waren. Für diese Fälle hat das Reichsgericht zur Vermeidung einer verschiedenen Behandlung der mehreren in demselben Rechtsstreit anhängigen Ansprüche teils als Periensache und teils als Nichtferiensache und der damit vor allem für den Fristenlauf zu befürchtenden Verwirrung die Ansicht vertreten, daß das Hinzutreten eines Anspruches, der als solcher keine gesetzliche Feriensache ist, zu einem Anspruch, der nach § 200 Abs. 2 in dieser Weise bevorzugt wird, den gesamten Rechtsstreit einheitlich zur Nichtferiensache mache. Es hat dabei darauf hingewiesen, daß die mit einer solchen einheitlichen Behandlung für den eiligen Anspruch möglicherweise verbundenen Nachteile durch Erhebung getrennter Klagen oder durch gerichtliche Trennung der Sache gemäß § 145 ZPO vermieden werden könnten. Dieser Hinweis zeigt, daß die vom Reichsgericht in den zuletzt erwähnten Entscheidungen behandelten Fälle sich von dem jetzt gegebenen grundlegend unterscheiden. Bei dem ausschließlich auf Räumung gerichteten Klagebegehren wäre eine getrennte Geltendmachung der beiden Klagegründe in verschiedenen Prozessen oder die Trennung durch Gerichtsbeschluß sinnwidrig gewesen, weil - im Ergebnis - nur der Ausspruch ein und derselben Rechtsfolge, der Räumung, verlangt wird. Folgerungen können daher aus den genannten Entscheidungen gegen die bereits dargelegte im gegenwärtigen Rechtsstreit gegebene Rechtslage nicht gezogen werden. Dasselbe gilt für die Ausführung von Rosenberg in seinem Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 5. Aufl, Seite 91 und in seiner Anmerkung in JW 27, 2425, die sich beide gleichfalls nur auf den abweichenden Fall der gegenständlichen Anspruchshäufung, beziehen.

15

Daß die Erhebung einer Widerklage auf die Beurteilung des Klageanspruchs als Feriensache keinen Einfluß hat, ist mehrfach zutreffend entschieden worden (vgl. die zuletzt erörterten Entscheidungen des Reichsgerichts; ferner KG in JW 1931, 1106). Aus dem gleichen Grunde steht der Umstand, daß die im gegenwärtigen Rechtsstreit erhobene Widerklage auf Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses, gerichtet ist, der Behandlung des gesamten Rechtsstreits als Feriensache nicht im Wege, obwohl die Mietfeststellungsklage als solche nicht zu den nach § 200 Abs. 2 Nr. 4 GVG zur gesetzlichen Feriensache erklärten Streitgegenständen gehört.

16

Die Frist zur Begründung der Revision war demgemäß, weil der Fristablauf nicht durch die Ferien gehemmt worden ist, am 4. September 1952 abgelaufen. Sie konnte durch die Verfügung des Vorsitzenden des V. Zivilsenats vom 17. September nicht mehr wirksam verlängert werden. In Frage käme nur noch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die im Falle ihrer Gewährung die Fristversäumung bedeutungslos und damit die verspätet begründete Revision zulässig machen würde.

17

Das Wiedereinsetzungsgesuch ist zwar nach § 233 Abs. 1 ZPO an sich zulässig, auch innerhalb der Frist des § 234 und in der Form des § 236 angebracht, aber sachlich nicht gerechtfertigt. Ihm könnte nur stattgegeben werden, wenn glaubhaft gemacht wäre, daß der Beklagte durch einen unabwendbaren Zufall an der Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist verhindert war (§ 233). Diese Voraussetzungen liegen nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten nicht vor. Danach hat der Bürovorsteher seines Prozeßbevollmächtigten, nachdem Revision eingelegt war, selbständig die Frist zu ihrer Begründung auf den 15. Oktober 1952 und die Vorfristen ab 15. September 1952, also auf Termine notiert, die nach dem Ablauf der Begründungsfrist liegen. Die Akten sind dem Prozeßbevollmächtigten nach seinen Angaben erst zu diesen Terminen vorgelegt worden. Erst aus diesem Anlaß hat er die Frage der etwaigen Beurteilung als Feriensache geprüft und die Fristnotierung nach seiner Meinung in Ordnung befunden. Der in dieser Auffassung enthaltene Rechtsirrtum liegt demnach zeitlich später als das Ende der Begründungsfrist und kann deshalb für ihre Versäumung nicht ursächlich sein. Die Versäumung ist vielmehr zunächst darauf zurückzuführen, daß der Streitvertreter des Beklagten nach seinem Vortrag nicht dafür gesorgt hat, daß ihm alle Sachen, bei denen, sofern sie als Feriensache behandelt werden, ein Ablauf der Begründungsfrist während der Ferien in Betracht kam, zur Prüfung auf ihren Charakter als Feriensache rechtzeitig, d.h. tunlichst zu Beginn der Ferien, vorgelegt wurden. Wäre die Vorlage rechtzeitig erfolgt, so hätte der Prozeßbevollmächtigte schon bei oberflächlicher Einsicht in die ihm nach seinen Angaben damals zur Verfügung stehenden Entscheidungen der Vorderrichter bereits aus dem entscheidenden Teil des Kammergerichtsurteils ersehen müssen, daß die Räumungsklage als Mietaufhebungsklage zugesprochen worden war. Selbst wenn der Bevollmächtigte geglaubt hätte, hieraus noch nicht den Schluß ziehen zu sollen, daß es sich um eine Feriensache handele, so hätte er doch bei pflichtmäßiger Sorgfalt mit der Möglichkeit einer solchen Behandlung rechnen und zumindesten vorsorglich die Revision rechtzeitig begründen oder doch einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist stellen sollen.

18

Der Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, daß die Beurteilung des Rechtsstreits als Feriensache eine nicht voraussehbare grundsätzliche Abweichung von der bisher herrschenden Rechtsauffassung darstelle und darum einen Wiedereinsetzungsgrund gebe. Unabwendbar ist eine Versäumung nur, wenn sie auch nicht durch die äußerste nach den Umständen des Falles dem Prozeßbevollmächtigten gerechterweise zumutbare Sorgfalt verhindert werden konnte (RGZ 159, 110; RG in DR 39; 1761 [1762]; OLG Frankfurt/Main in SJZ 50, 759). Dabei ist kein zu milder Maßstab anzulegen (BGH NJW 1951, 111 [BGH 06.12.1950 - IV ZB 106/50]). Die Unterlassung fristgerechter Begründung eines Rechtsmittels infolge eines Rechtsirrtums ist regelmäßig nicht als unabwendbar anzusehen. Der IV. Senat des Bundesgerichtshofs hat diese Auffassung in einem Beschluß vom 11. März 1952 (IV ZB 4/52 - BGHZ 5, 275 -) sogar für den Fall vertreten, daß die Geschäftsstelle des Gerichts dem Anwaltsbüro den 16. Oktober als das Ende der Frist bezeichnet hat. In dem zur Entscheidung stehenden Fall ist das äußerste Maß von Sorgfalt schon darum nicht angewandt worden, weil, wie dargelegte sonst vorsorglich wenigstens eine rechtzeitige Fristverlängerung erwirkt worden wäre, wie dies - allerdings zu spät - hier auch nachträglich noch geschehen ist. Aber auch der zu Grunde liegende Rechtsirrtum selbst könnte nicht als unabwendbar anerkannt werden. Wie bei der vorstehenden Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung und Literatur ausgeführt, betreffen diese eine andere verfahrensrechtliche Läge als die gegenwärtig gegebene. Eine genauere Nachprüfung, wie sie zur Vermeidung von Rechtsnachteilen geboten gewesen wäre, hätte zumindesten solche Zweifel in die Übertragbarkeit der auf anderer Grundlage aufgestellten Grundsätze wecken müssen, daß sich die Pflicht aufgedrängt haben würde, die zur Wahrung der Begründungsfrist erforderlichen Maßnahmen für alle Falle rechtzeitig Innerhalb der Ferien zu ergreifen.

19

Die Versäumung der Begründungsfrist hätte der Beklagte hiernach durch seinen Streitvertreter abwenden können; er muß dies gegen sich gelten lassen (§ 232 Abs. 2 ZPO). Dem für ihn gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könnte deshalb nicht stattgegeben werden.

20

Die Revision bleibt demnach unzulässig mit der Folge, daß der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung - als gleichfalls unzulässig - abgelehnt werden mußte.

Dr. Delbrück Dr. Rotberg