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Bundesgerichtshof
Urt. v. 29.09.1952, Az.: III ZR 340/51

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
29.09.1952
Aktenzeichen
III ZR 340/51
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1952, 11550
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Essen
OLG Hamm i.W. - 16.10.1951

Fundstellen

  • BGHZ 7, 223 - 231
  • DB 1952, 987-988 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 1953, 40-41 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • NJW 1953, 99-101 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

1.) der Firma Wilhelm S. oHG in Gl., G.str. ...,

2.) des Kraftfahrers Bernhard B. in Gl., H.str. ...,

Prozessgegner

den Kraftfahrer Johann Sch. in Gl., H.str. ...,

Amtlicher Leitsatz

Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes sind die Vermögensverhältnisse des Verpflichteten nicht zu berücksichtigen. Auf das Bestehen einer Haftpflichtversicherung zugunsten des Verpflichteten kommt es deshalb nicht an.

hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 1952 unter Mitwirkung der Bundesrichter Dr. Delbrück, Dr. Kleinewefers, Dr. Gelhaar, Rietschel und Dr. Rotberg

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm i.W. vom 16. Oktober 1951 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsmittels fallen den Beklagten zur Last.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Am 12. Dezember 1947 gegen 11.30 Uhr fuhr der Kläger mit seinem Kleinkraftrad in Gl. die Heringstrasse in südwestlicher Richtung. In seiner Fahrtrichtung liegt rechts an der Straße die Ein- und Ausfahrt der Zeche Mathias St. III/IV. Der Kläger fuhr mit einer Geschwindigkeit von etwa 25-30 km/st und in einer Entfernung von etwa 1 m vom rechten Bordstein. Ihm war bekannt, daß sich an der angegebenen Stelle die Ausfahrt befindet, diese ist auch in einer Entfernung von etwa 50 Metern zu erkennen. Die Heringstraße verläuft in Fahrtrichtung des Klägers gesehen nicht gerade, sondern in einem großen Bogen nach rechts an der Ausfahrt vorbei. An dieser Ausfahrt stieß der Kläger mit dem herausfahrenden Lastkraftwagen der beklagten Firma, der von dem beklagten Kraftfahrer B. gesteuert wurde, zusammen. Der Kläger wurde schwer verletzt und erlitt Sachschaden.

2

Der Kläger hat mit der Behauptung, den Fahrer B. treffe die alleinige Schuld, folgende Schäden geltend gemacht:

beschädigte Kleidung92,50DM
Reparatur des Kraftrades453,05DM
Schmerzensgeld5.000,00DM.
3

Weiter hat der Kläger Verdienstausfall für die Zeit vom 12. Dezember 1947 bis 31. August 1949 nach Abzug der Sozialleistungen mit 819,36 DM und ab 1. September 1949 eine Kapitalabfindung zunächst von 5.000 DM begehrt. Er hat dementsprechend beantragt, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn einen Betrag von

4

1.364,91 DM für Rückstände sowie

5

ein Schmerzensgeld und

6

eine Kapitalabfindung von mindestens 5.000 DM zu zahlen.

7

Die Beklagten haben gebeten, den Kläger mit der Klage abzuweisen. Sie sind der Auffassung, der Unfall sei vom Kläger mindestens überwiegend verschuldet.

8

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 543,75 DM nebst Zinsen zu zahlen; es hat den Beklagten zu 2 ferner zur Zahlung von 5.000 DM Schmerzensgeld verurteilt, aber den gegen die Beklagte zu 1 erhobenen Anspruch auf Schmerzensgeld abgewiesen.

9

Im Schlußurteil hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 12.000 DM zu zahlen, und die Mehrforderung des Klägers abgewiesen.

10

Die Beklagten haben gegen diese Entscheidungen des Landgerichts Berufung eingelegt. Sie bestreiten nicht mehr, daß den Führer B. ein Verschulden trifft, sind jedoch der Auffassung, den Kläger treffe ebenfalls ein Verschulden, so daß eine Abwägung der Schadensursachen zu einer Schadensteilung führen müsse. Im übrigen haben sie sich u.a. auch gegen die Kapitalabfindung gewandt und beantragt, die Klage insoweit abzuweisen, als mehr als 271,85 DM für Sachschaden und mehr als 750 DM als Schmerzensgeld zugesprochen ist. Der Kläger hat im Wege der Anschlußberufung gebeten, die Berufung zurückzuweisen, evtl. mit der Maßgabe, daß die Beklagten verurteilt werden, und zwar die Beklagte zu 1 im Rahmen des Kraftfahrzeugesetzes, zur Zahlung von 1.194,36 DM Verdienstausfall für die Zeit von 12. Dezember 1947 bis 31. August 1949 und einer Monatsrente vom 1. September 1949 bis zum vollendeten 65. Lebensjahr in einer angemessenen Höhe unter Berücksichtigung eines Nettoeinkommens des Klägers von 280 DM je Monat, der vom Kläger bezogenen und zu erwartenden Rente der Berufsgenossenschaft und eines Abzuges von 426 DM für Fürsorgeleistungen der Stadt Gladbeck, und daß ferner die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wird, dem Kläger allen weiteren Schaden aus dem Unfall zu ersetzen, und zwar die Beklagte zu 1 im Rahmen des Kraftfahrzeuggesetzes. Die Beklagten haben im wesentlichen ihr tatsächliches Vorbringen über den Unfall wiederholt. Sie haben gebeten, die Anschlußberufung zurückzuweisen.

11

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil den Schmerzensgeldanspruch auf 4.000 DM herabgesetzt. Das Schlußurteil hat es dahin abgeändert, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt sind, an den Kläger 152,06 DM nebst 4 ½ % Zinsen seit dem 1. September 1949 und eine monatliche Unterhaltsrente von 75 DM für die Zeit vom 1. September 1949 bis zum 31. März 1970, längstens jedoch bis zum Tode des Klägers, zu zahlen. Dem Feststellungsantrag hat es entsprochen, vorbehaltlich des Übergangs von Ansprüchen auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger. Im übrigen sind die Berufungen zurückgewiesen worden.

12

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Revision. Sie beantragen, das Urteil des Berufungsgerichts teilweise aufzuheben und den Kläger mit der Klage abzuweisen mit Ausnahme eines Schmerzensgeldes von 750 DM sowie eines Betrages von 271,85 DM für Sachschadenersatz und der Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger die Hälfte allen weiteren Schadens zu ersetzen, die Beklagte jedoch nur im Rahmen des Kraftfahrzeuggesetzes und soweit nicht ein Übergang auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger vorliegt.

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Der Kläger bittet die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

14

Die Revision ist zulässig. Sie wendet sich vor allem gegen die vom Berufungsgericht gebilligte Auffassung des Landgerichts, den Kläger treffe kein ursächliches mitwirkendes Verschulden an dem Unfall, und rügt weiter eine Verletzung der §§ 254, 847 BGB; 1, 17 StVO, 286, 287 ZPO sowie einen Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze. Sie konnte keinen Erfolg haben.

15

I.

Die Annahme eines schuldhaften Verhaltens des beklagten Fahrers unterliegt keinen Bedenken. Derjenige, der aus einem Grundstück auf die Straße fährt, ist zu besonderer Sorgfalt verpflichtet, da der Gesetzgeber zu Recht das Ein- und Ausfahren für gefährlich hält. Wer aus einer Ausfahrt auf die Straße fährt, muß, wie von der Rechtsprechung stets betont worden ist, sein Möglichstes tun, um die durch das Ausfahren herbeigeführte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer zu mindern. Diesen Pflichten ist der Führer B. nicht nachgekommen, was auch von der Revision nicht bestritten wird.

16

Das Berufungsgericht hat ein mitwirkendes Verschulden des Klägers zu Recht verneint. Es ist zwar richtig, daß auch der Kläger, da ihm die Ausfahrt "als besonderer Gefahrenpunkt" bekannt war, nicht unbekümmert seinen Weg fortsetzen durfte, wenn er erkannte oder erkennen konnte, ein Fahrzeug werde aus der Ausfahrt auf die Straße fahren und seine Fahrt behindern. Das Berufungsgericht hat hierzu aber gerade ausgeführt, es komme nicht darauf an, wann der Kläger den ausfahrenden Lastkraftwagen sehen konnte, da er damit rechnen durfte, Börger werde seiner Pflicht aus § 17 StVO nachkommen. Der Kläger habe nach den Umständen nicht mit einem verkehrswidrigen Verhalten zu rechnen brauchen. Diese Ausführungen lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen.

17

Es bedurfte auch keiner besonderen Erwähnung des in der Berufungsinstanz von den Beklagten eingereichten Gutachtens des vereidigten Sachverständigen für Kraftfahrzeuge und Verkehr, Dipl. Ing. M. Die in dem Gutachten enthaltenen Tatsachen sind vom Berufungsgericht erwogen und offensichtlich der Entscheidung zugrunde gelegt worden, wenn auch ohne besonderen Hinweis auf das Gutachten. In diesem Gutachten wird weiter zum mitwirkenden Verschulden des Klägers Stellung genommen und ausgeführt, auch auf seiner Seite liege eine schuldhafte Mitverursachung vor, vor allem könne dieser sich "unter keinen Umständen darauf berufen", der Unfall sei für ihn unabwendbar gewesen. Dieser Hinweis zeigt, daß der Sachverständige rechtsirrig davon ausgegangen ist, es handele sich um ein Kraftfahrzeug, auf das das Kraftfahrzeuggesetz anzuwenden sei, während dies bei Kleinkrafträdern gemäß § 27 KrfzG nicht der Fall ist. Es kommt daher lediglich darauf an, ob den Kläger ein nachweisbares Verschulden trifft. Gerade dann, wenn Borger, wie die Beklagten behaupten, nur mit einer ganz geringen Geschwindigkeit aus der Toreinfahrt auf den Bürgersteig gefahren ist, brauchte der Kläger nicht damit zu rechnen, der Lastkraftwagen werde vorschriftswidrig auf die Straße hinausfahren.

18

Das Berufungsgericht hat, weiter geprüft, ob den Kläger vielleicht deshalb ein Vorwurf treffe, weil er nicht früher nach links ausgewichen sei und so den Unfall vermieden habe. Es hat hierzu ausgeführt, zwar wäre Raum zum Ausweichen nach links vorhanden gewesen, da die Strasse breit genug war, es habe aber für ihn kein Anlaß bestanden, nach links auszuweichen, solange er mit einem Anhalten des Lastkraftwagens rechnen durfte. Auch hierin liegt kein Rechtsirrtum. Da der Kläger nicht mit einem verkehrswidrigen Verhalten des B. rechnen mußte, durfte er mit der Geschwindigkeit von 25 bis 30 km/st fahren. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger nach links hätte fahren können oder mit Gegenverkehr rechnen mußte. Nur dann käme es auf diese Tatsache an, wenn er hätte annehmen müssen, der Lastkraftwagen werde seinen Fahrweg behindern. Daß dies rechtzeitig erkennbar war, ist nicht dargetan.

19

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der aus einem Grundstück ausfahrende Führer müsse besondere Rücksicht auf den "fließenden Verkehr" nehmen. Dieser Hinweis wird von der Revision zu Unrecht mit der Begründung angegriffen, es habe sich außer dem Kläger kein Fahrzeug auf der Straße befunden. Der Begriff des fließenden Verkehrs setzt nicht eine bestimmte Dichte des Verkehrs voraus, sondern er bezeichnet denjenigen Verkehr, der sich auf der Straße an der Ausfahrt vorbei bewegt: Er ist also auch dann vorhanden, wenn sich nur ein Fahrzeug auf der Straße bewegt, der ausfahrende Wagen aber dessen Fahrweg benutzen will. Irrig ist auch die Auffassung der Revision, ein Verkehrsteilnehmer müsse an jeder ihm bekannten Ausfahrt aus einem Grundstück - ausgenommen vielleicht auf Fernverkehrsstraßen - seine Fahrt verlangsamen. Diese Auffassung wird auch nicht, wie die Revision meint, von Müller vertreten. Dieser sagt lediglich (S 729 zu Anm. 6) unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München, daß die bloß abstrakte Möglichkeit, ein anderer Verkehrsteilnehmer könnte herankommen, keine Wartepflicht für den Ausfahrenden begründe. Die Erwähnung (Müller zu § 17 StVO Anm. 3) der Entscheidung des Kammergerichts, nach der ein Benutzer von Fernverkehrsstraßen an ihm bekannten Ausfahrten seine Fahrt nicht verlang semen muß, besagt nichts darüber, daß auf anderen Strassen stets eine Herabsetzung der Geschwindigkeit zu erfolgen hätte. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall zu Recht die Geschwindigkeit des Klägers nicht beanstandet worden. Ein unbekümmertes Drauflosfahren, wie die Revision meint, ist nicht nachgewiesen.

20

Ein mitwirkendes, den Anspruch minderndes Verschulden des Klägers ist daher von beiden Vorderrichtern rechtsirrtumsfrei als nicht nachgewiesen angesehen worden.

21

II.

Damit wird auch die weitere für den Fall eines hälftigen Mitverschuldens erhobene Rüge gegenstandslos, nach der dem Kläger alsdann auf Grund des Quotenvorrechts der öffentlich-rechtlichen Versicherungsträger kein Rentenanspruch mehr zustande. Ebenso entfällt damit eine Teilung des Sachschadens oder eine Begrenzung des Feststellungsanspruchs auf die Hälfte.

22

III.

Die Revision wendet sich weiter gegen die Höhe der festgesetzten Rente. Sie ist der Meinung, mit Rücksicht auf das Lupusleiden und sein vorgerücktes Alter hätte der Kläger auch ohne den Unfall als Kraftfahrer keine Arbeit mehr gefunden. Das Berufungsgericht ist bei der Bemessung der Höhe der Rente rechtsirrtumsfrei von dem Arbeitseinkommen des Klägers ausgegangen unter Berücksichtigung der Gestaltung der Verhältnisse für die Zukunft. Es geht sodann - mit dem Landgericht - von einem Nettoeinkommen von 250 DM monatlich aus und berücksichtigt den Wert der Naturalien (Kartoffeln und Gemüse), die der Kläger erhielt, mit wöchentlich 5 DM Alsdann berechnet das Gericht den später erzielten Arbeitsverdienst. Das Berufungsgericht durfte hierbei, wie die Revision mit Recht rügt, die schriftliche Auskunft des früheren Arbeitgebers des Klägers, Alfred J. nicht verwenden. Diese war zwar vom Kläger dem Gericht eingereicht, ist aber von den Beklagten nicht als inhaltlich richtig zugestanden worden. In der Berufungsbegründung ist ausdrücklich bestritten, daß der Kläger jemals über 250 DM monatlich verdient hätte oder auch nur seine Stellung behalten haben würde. Weiter ist dort ausdrücklich darauf hingewiesen, die Lupuserkrankung würde einer anderweiten Anstellung entgegengestanden haben. Nun hat das Berufungsgericht zwar ausgesprochen, J. hätte den Kläger nicht entlassen, wenn auch der Nachfolger des Klägers seine Stelle bereits 1949 aufgeben mußte und J. seinen Wagen selbst fuhr. Das Berufungsgericht geht aber dennoch von einer zeitweisen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung des Lupusleidens aus und kommt daher nur zu einem Durchschnittsverdienst von 250 DM. Diese Ausführungen zeigen in ihrer Gesamtheit, daß das Berufungsgericht die von J. eingereichte Bescheinigung nicht verwertet und daß es aus ihr nicht, wie die Revision meint, den Schluß gezogen hat, der Kläger wäre ständig bei J. mit einem Wochenverdienst von 70 DM in Arbeit geblieben. Denn dann wäre es unverständlich, warum von einer zeitweisen Arbeitslosigkeit gesprochen wurde. Das Gericht hat vielmehr erkennbar die zukünftige Entwicklung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände gemäß § 287 ZPO gewürdigt. Hierin ist ein mit der Revision angreifbarer Irrtum aber nicht erkennbar.

23

IV.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Landgericht erwogen, daß es sich um eine besonders schwere und außergewöhnlich schmerzhafte Verletzung gehandelt hat und daß der Bruch drei Jahre nach dem Unfall noch nicht geheilt war. Es hat sodann die beiderseitigen Vermögensverhältnisse berücksichtigt, aber auch den Umstand, daß der Beklagte zu 2) Versicherungsschutz genießt. Das Berufungsgericht hat diese Erwägung im Ergebnis gebilligt und nur den vom Landgericht auf 5.000 DM bemessenen Betrag auf 4.000 DM herabgesetzt. Es hält das Bestehen einer Haftpflichtversicherung für einen Faktor, der bei der Bemessung eines angemessenen Schmerzensgeldes in gewissem Umfange mit berücksichtigt werden kann. Auszugehen sei stets von Art und Umfang der erlittenen Schmerzen; das hiernach zu bestimmende Schmerzensgeld könne mit Rücksicht auf die ungünstige wirtschaftliche Lage des Schädigers, die an sich zu berücksichtigen wäre, jedenfalls dann nicht herabgesetzt werden, wenn der Schädiger haftpflichtversichert sei. Diese Erwägungen werden von der Revision unter Hinweis auf verschiedene Ausführungen im Schrifttum angegriffen; sie hält das Vorhandensein einer Haftpflichtversicherung für einen Umstand, der mit der Höhe des Schmerzensgeldes nichts zu tun habe.

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Die Angriffe der Revision sind im Ergebnis nicht gerechtfertigt.

25

Die Frage, ob und in welchem Maße eine Haftpflichtversicherung die Vermögenslage des Schädigers beeinflußt, kann für die Bemessung des Schmerzensgeldes nur dann Bedeutung gewinnen, wenn die Vermögenslage des Schädigers dabei überhaupt in Betracht zu ziehen ist. Dies ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum bisher überwiegend angenommen worden (vgl. u.a. RGZ 136, 60; Enneccerus-Lehmann, Lehrbuch 1950 § 250, 2; Palandt § 847; Staudinger-Engelmann zu § 847; Planck § 847; 3 RGRK § 847, 5; Geigel, Haftpflichtprozess, Erl. zu § 847 Abs. 1; Hildebrandt I RPV 1941 S 58; Thees DJ 1941, S 617; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 1952 S 202 ff; Friese, Reichshaftpflichtgesetz 1950 S 245; Boettinger DR 1944, 431).

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Gegen diese Ansicht haben sich vor allem Peterssen (JW 1936, 2965 und in DAR 1936, 133) sowie Walter (JW 1936, 2773) und Müllereissert (JRPV 1937, 275) (vgl. auch OLG Köln, JRPV 1937, 221 = JW 1937, 1257), ferner Carl (DR 1941, 385 und AkadZ 1937, 402) ausgesprochen.

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Zur Entscheidung dieser Frage kommt es auf den Sinn und Zweck der billigen Entschädigung in Geld gemäß § 847 BGB an. Der Wortlaut des Gesetzes fordert eine Beachtung der Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht. Dagegen könnte sie geboten sein, wenn es sich bei § 847 BGB auch nur im weiteren Sinne um eine Strafvorschrift handeln würde. Eine solche Vorstellung kam in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch zum Ausdruck (Band II S 799). Dies beruht offensichtlich darauf, daß, wie die Motive ergeben, der Ersatz des nicht vermögensrechtlichen Schadens, das Schmerzensgeld, nicht nur als eine Ausnahme gegenüber dem sonstigen Grundsatz des Schadensersatzes angesehen, sondern auch gegenüber dem gemeinen Recht und den meisten neueren Gesetzeswerken als eine Neuerung betrachtet worden ist. Ausschlaggebend für die Aufnahme in den ersten Entwurf des Bürgerlichen Rechts war die Bestimmung über eine Buße bei Körperverletzungen im Strafrecht. Auch diese Buße ist aber, wie der klare Wortlaut des Gesetzes ergibt, ein Anspruch des Geschädigten, der neben dem Strafanspruch des Staates steht. Wird auf Buße erkannt, so ist damit der Entschädigungsanspruch des Verletzten gedeckt. Aus der verfahrensrechtlichen Regelung, die dem Strafrichter die Möglichkeit gibt, über einen Bußanspruch zu erkennen, ist nicht zu folgern, daß dieser damit auch einen strafrechtlichen Charakter erhält. Es handelt sich bei der Auferlegung der Buße nicht um eine Bestrafung des Verpflichteten, sondern um die Zuerkennung eines rein privatrechtlichen Anspruchs, der nur die bezeichneten Straftaten zur Voraussetzung hat und gegen den sogar grundsätzlich eine Aufrechnung möglich ist, was dem Strafcharakter zuwiderlaufen würde (Leipziger Kommentar 6./7. Aufl §§ 231, 188 StGB).

28

In den Protokollen der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Bd. II, 1898 S 640 ff) ist folgerichtig von einem Strafcharakter des Schmerzensgeldes keine Rede mehr; seine Ausdehnung auf den Fall der Ehrverletzung wurde von der Kommission gerade deshalb abgelehnt, weil damit die Besorgnis bestehe, die von der Reichsgesetzgebung beseitigte gemeinrechtliche actio injuriarum aestimatoria werde wiederhergestellt. Dies sollte gerade nicht geschehen, da die actio iniuriarum einen strafrechtlichen Charakter gehabt habe. Hiermit stimmt überein, wenn Peterssen (JW 1936, 2965) ausführt, das Schmerzensgeld könne keinen Strafcharakter haben, da es damit unserem Rechtssystem zuwider laufe. Ein Strafzweck stünde dem Zweck des Schadensersatzes entgegen. Auch die Regelung des Schmerzensgeldes im Rahmen des bürgerlichen Rechts spreche gegen einen Strafcharakter der Vorschrift.

29

Schon die Fassung des § 847 BGB läßt erkennen, daß der Anspruch auf Schmerzensgeld ein Schadensersatzanspruch ist, der sich von anderen Schadensersatzansprüchen nur insoweit unterscheidet, als der Schaden nicht am Vermögen oder an vermögenswerten Gütern eingetreten ist. Darauf deutet die Verwendung des Wortes "auch" in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift. Die vom Gesetz gewählte Ausdrucksweise, dem Verletzten sei eine "Entschädigung" zu gewähren, spricht nicht gegen die Wertung als Schadensersatzanspruch, zumal der durch die unerlaubte Handlung herbeigeführte nichtvermögensrechtliche Nachteil ebenso wie die sonstigen nachteiligen Folgen einer solchen Handlung als "Schaden" bezeichnet wird. Dies ist für die nichtvermögensrechtlichen Folgen einer schädigenden Handlung außerdem ausdrücklich auch in § 253 BGB geschehen.

30

Der Charakter als echter Schadensersatzanspruch wird aber mehr noch durch die systematische Einordnung der Vorschrift des § 847 in den Zusammenhang der Regelung der Rechtsfolgen unerlaubter Handlungen deutlich gemacht. Die nachteilige Wirkung einer unerlaubten Handlung auf die nichtvermögensrechtlichen Belange des Verletzten ist genau so gut Folge der rechtswidrigen schuldhaften Verletzungshandlung wie die Schmälerung vermögenswerter Interessen. Eine Schadensersatzleistung für nichtvermögensrechtliche Schäden wird deshalb auch im Wege einer Wiederherstellung in Natur da, wo sie möglich ist, allgemein zugelassen (vgl. Staudinger, BGB 9. Aufl Anm. 2 zu § 253, Vorbem II 1 Abs. 3 vor § 249; BGB RGR Komm, 9. Aufl Anm. 1 vorletzter Abs. zu § 249; Palandt Anm. 1 zu § 249 BGB.) Diese Auffassung befindet sich in Übereinstimmung mit der allgemeinen Anschauung, die unter Ablehnung einer nur materiellen Betrachtung gerade die geldlich nicht meßbaren, weil nicht der Vermögenswelt angehörigen Güter häufig sogar höher bewertet als die vermögensrechtlichen Werte. Ein Ersatz für immaterielle Schäden kann im Einzelfall für den Verletzten sehr wohl mindestens so wichtig erscheinen wie eine Ersatzleistung für den Verlust geldwerter Güter.

31

Eine Ersatzleistung durch Wiederherstellung in Natur ist nun bei nichtvermögensrechtlicher Schädigung häufig nicht möglich. Das Gesetz mußte deshalb, um dem Bedürfnis nach immaterieller Entschädigung gebührend Rechnung zu tragen, dafür sorgen, daß dem nur in seinen nichtvermögens-rechtlichen Belangen Geschädigten auch bei Unmöglichkeit einer Naturalherstellung ein wirksamer Ausgleich gegeben wird. Dieser Ausgleich kann nur in einer Geldleistung bestehen. Sie besitzt, da sie an die Stelle einer im Einzelfall nicht möglichen Wiederherstellung in Natur oder neben eine zur vollen Entschädigung nicht ausreichende Naturalherstellung tritt, gleichfalls den Charakter einer Schadensersatzleistung. Die Grundsätze, nach denen die Geldleistung (das sog, Schmerzensgeld) zu bemessen ist, sind deshalb, wie schon Peterssen in JW 1936, 2965 dargelegt hat, nach dem Schadensersatzzweck dieses Anspruchs zu bestimmen. Maßgebend muß demnach der Schaden sein, der durch die unerlaubte Handlung bei dem Verletzten in nichtvermögens-rechtlicher Form entstanden ist. Wie immer bei Schadensersatzansprüchen sind darum grundsätzlich nur die Folgen zu berücksichtigen, die die zum Ersatz verpflichtende Handlung auf Seiten des Geschädigten hervorgerufen hat. Ob der Schadensersatzzweck, auch die Beachtung des Verschuldensgrades des Schädigers ausschließt, ist hier nicht zu entscheiden.

32

Die Zweckbestimmung auch des Schmerzensgeldanspruchs als eines Schadensersatzanspruchs ist durch die Rechtsprechung bisher nicht genügend beachtet worden. Nur die unzulängliche Einschätzung der Wichtigkeit gerade auch einer wirksamen Entschädigung für die durch die Rechtsverletzung herbeigeführte Einbuße geldlich nicht meßbarer Art hat vielfach dazu geführt, den Schmerzensgeldanspruch mit oft recht ungenügenden Ersatzbeträgen abzufinden. Statt dessen gilt es, dem Grundsatz Anerkennung zu verschaffen, daß ebenso wie beim Ausgleich des Vermögensschadens auch bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nur der Entschädigungsbetrag ausreichen kann, der zur Beseitigung des verursachten Nachteiles notwendig ist.

33

Mit diesem durch die Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes gegebenen Erfordernis ist es unvereinbar, bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die Vermögenslage des Schädigers zu beachten. Dies würde dazu führen, daß in Abweichung von den sonstigen Grundsätzen des Schadensersatzrechts nicht nur Art und Umfang des angerichteten immateriellen Schadens, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Schädigers für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgeblich sind. Häufig hat die Rücksichtnahme auf die Vermögenslage des Schädigers die Gerichte sogar zu der Annahme veranlaßt, daß seine Leistungsfähigkeit die obere Grenze des "zumutbaren" Schmerzensgeldes darstellt, hinter der der Umfang der Schädigung fast völlig zurücktritt. Diese Rücksichtnahme verkennt nicht nur das Wesen des Schadensersatzanspruches, um den es sich, wie ausgeführt, auch bei dem Anspruch auf Ausgleich des nichtvermögensrechtlichen Schadens handelt. Sie steht auch im Widerspruch mit der das gesamte Schuldrecht leitenden Grundanschauung, daß der Umfang einer Verpflichtung regelmäßig von der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Schuldners unabhängig ist (vgl. § 279 BGB). Ein Anlaß zu einer so weittragenden Durchbrechung der das gesamte einschlägige Rechtsgebiet beherrschenden Grundansichten ist umso weniger gegeben, als eine solche Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers im Ergebnis zu einer Unterbewertung gerade der Rechtsgüter führt, die ihrer sittlichen Wertschätzung nach häufig gegenüber den reinen Vermögenswerten den höheren Rang verdienen. Dieses Ergebnis kann nicht im Sinne einer über materielle Interessenwahrung hinausreichenden, an sittlichen Maßstäben ausgerichteten Rechtsordnung liegen.

34

Wie wenig die Beachtung der Vermögenslage des Schädigers befriedigt, zeigt sich im übrigen bei völliger Mittellosigkeit des Haftpflichtigen. Sie müßte hier zu einer gänzlichen Versagung des Anspruchs führen, eine unhaltbare Folgerung, die auch das Reichsgericht trotz ihrer Folgerichtigkeit als unannehmbar, weil unbefriedigend, ablehnen mußte (RG in DAR 1934 S 152 f), ebenso wie es das Reichsgericht umgekehrt für die Haftpflicht des Fiskus abgelehnt hat (JW 1915, 920), auf das Merkmal der Leistungsfähigkeit zu Gunsten des Verletzten Rücksicht zu nehmen. Bei richtiger Rechtsanwendung ist die Rücksichtnahme auf die Leistungsunfähigkeit des Schuldners hier wie auch sonst Sache des Vollstreckungsverfahrens. Der Verpflichtete mag sich gegenüber den Vollstreckungsorganen auf die zum Schutze zahlungsfähiger Schuldner geschaffenen Bestimmungen berufen. Im Vollstreckungsverfahren kann dann im Einzelfall unter Beachtung der beiderseitigen Verhältnisse der erforderliche Ausgleich herbeigeführt werden. Beim Vorliegen der hierfür gegebenen Voraussetzungen ist es ferner dem zur Leistung des vollen Schmerzensgeldes verurteilten Schädiger unbenommen, sich zur Angleichung seiner Verbindlichkeit an seine Leistungsfähigkeit der richterlichen Vertragshilfe zu bedienen. Wollte man aber zulassen, daß die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Prozeßgericht bestehende mangelnde Leistungsfähigkeit bereits im Erkenntnisverfahren zu einer Herabsetzung des an sich im Hinblick auf das Schadensausmaß angemessenen Schmerzensgeldes berechtigt, so würde dem Geschädigten die für ihn bei allen anderen Zahlungsansprüchen bestehende Aussicht genommen, im Falle einer nachträglichen Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers zur Befriedigung wegen seiner immateriellen Einbuße zu gelangen. Diese Schlechterstellung des in seinen nichtvermögens-rechtlichen Belangen Verletzten ist innerlich nicht zu rechtfertigen, wie es überhaupt dem natürlichen Gerechtigkeitsgefühl widerspricht, daß etwa im Falle einer Körperverletzung der Umfang des Schmerzensgeldes bei sonst völlig gleicher Auswirkung der verletzenden Handlung von dem Zufall abhängig sein soll, ob der Schädiger leistungsfähig ist oder nicht, obwohl der Umfang der aus derselben unerlaubten Handlung hervorgehenden vermögensrechtlichen Ansprüche trotz ihrer häufig erheblich geringeren Bedeutung davon unabhängig ist.

35

Eine gesonderte rechtliche Behandlung von Schmerzensgeldansprüchen gegenüber anderen Ersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung ist daher nur insoweit zulässig und geboten, als sie sich aus der besonderen Art des immateriellen Schadens ergibt. Die Besonderheit der nichtvermögens-rechtlichen Entschädigung beschränkt sich aber darauf, daß, wie schon der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone (OGHZ 2, 65 [17]) ausgesprochen hat, infolge der Natur des verletzten Rechtsinteresses keine Möglichkeit besteht, dem Verletzten seinen immateriellen Schaden durch Geldleistung im eigentlichen Sinne zu ersetzen, also den Zustand herzustellen, der ohne das schadenstiftende Ereignis bestehen würde. Bei der Gewährung von Schmerzensgeld kann es sich immer nur darum handeln, dem Verletzten für die erlittenen körperlichen und seelischen Leiden einen - wenn auch unvollkommenen - Ausgleich zu geben. Schmerzempfinden und Geldeswert sind, wie Walter (in JW 1937, 2773) richtig bemerkt, an sich unvergleichbare Größen. Der an die Stelle des Anspruchs auf Wiedergutmachung von Unlustgefühlen tretende Geldanspruch kann deshalb nicht genau berechnet werden. Er unterliegt der Schätzung des Richters, der ihn angemessen, d.h. so zu bestimmen hat, daß er zum Ausgleich der immateriellen Nachteile geeignet ist. Diese im Schätzungswege vorzunehmende Anpassung an die durch die unerlaubte Handlung herbeigeführte nichtvermögensrechtliche Benachteiligung - und nur sie - meint das Gesetz, wenn es in § 847 BGB von einer "billigen" Entschädigung in Geld spricht. "Billig" ist die Entschädigung dann, wenn sie der durch die "Billigkeit", d.h. der durch eine angemessene Rücksichtnahme auf den entstandenen immateriellen Schaden gebotenen Höhe, entspricht.

36

Die von der bisher herrschenden Gegenmeinung vertretene Auffassung, "billig" sei eine Entschädigung im Einzelfall nur, wenn sie auch auf die Leistungsfähigkeit des Schädigers Rücksicht nehme, kann hiernach nicht gutgeheißen werden. Sie findet, wie dargelegt, weder im Wortlaut des Gesetzes noch in seiner Entstehungsgeschichte (Motive Bd. II S 799; Protokolle II S 640) noch in seinen für das Schadensersatzrecht maßgebenden systematischen Grundlagen eine Stütze.

37

Der Ansicht, daß das Gesetz von dem das gesamte Schuldrecht beherrschenden Grundsatz der Haftung ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit eines Schuldners auch bei dem Schmerzensgeldanspruch nicht abweichen wollte, steht die gesetzliche Behandlung nicht entgegen, die der Schadensausgleich in den Fällen gefunden hat, in denen der Schädiger mangels Zurechnungsfähigkeit an sich überhaupt nicht haftet. § 829 BGB begründet in solchen Fällen im Wege einer Sonderregelung eine Verpflichtung zu angemessener Entschädigung des Verletzten dann, wenn es mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des - unverantwortlichen - Schädigers unbillig erscheinen würde, den Verletzten leer ausgehen zu lassen. Die Aufnahme dieser Bestimmung in das Bürgerliche Gesetzbuch ist von der ersten Kommission im Hinblick auf ihre außergewöhnliche Abweichung vom Verschuldensgrundsatz und die Verweisung des Richters auf die ausschließliche Anwendung von Billigkeitsrücksichten abgelehnt worden (Motive II S 734). Sie ist gleichwohl später als Ausnahmevorschrift in das Gesetz aufgenommen worden. Sie sollte trotz mangelnden Verschuldens des Schädigers unter Berücksichtigung der beiderseitigen Vermögensverhältnisse zu einer den Anforderungen der Moral und des Anstandes entsprechenden Schadloshaltung des Geschädigten für den ihm entstandenen, zahlenmäßig feststehenden Vermögensschaden führen (Protokolle II S 583; ferner RGZ 60, 300 [303]). Diese Gesichtspunkte können jedoch auf die Bestimmung des Schmerzensgeldes nach § 847 BGB nicht übertragen werden. Denn bei dem Schmerzensgeld handelt es sich um einen ganz andersartigen Anspruch. Er stellt einen auf Verschulden beruhenden Ersatzanspruch dar, dessen inhaltliche Bestimmung nur wegen der Art der Schädigung eine besondere Regelung, eben die Verweisung auf die "billige" Anpassung an die Lage des Verletzten, erfordert. Der Anspruch gegen den schuldlosen Schädiger aus § 829 BGB entnimmt seine - systemwidrige - Grundlage nur aus der Leistungsfähigkeit des Schädigers (und der Bedürftigkeit des Verletzten) und hat mit der Art des angerichteten Schadens, insbesondere damit, ob es sich, um einen Schaden am Vermögen oder einen nichtvermögensrechtlichen Schaden handelt, nichts zu tun. Deshalb ist auch der im § 829 verwandte Begriff der "Billigkeit" ein ganz anderer als der in § 847 benutzte. Unter diesen Umständen muß daraus, daß § 847 BGB die Erstreckung der Haftung auf die Mittel, deren der Schädiger zur Bestreitung seines standesgemäßen Unterhalts und zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf, abweichend von § 829 BGB nicht verbietet, ebenfalls der Wille des Gesetzgebers gefolgert werden, daß es bei der Ausgleichung des immateriellen Schadens durch Geldleistung auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht ankommen sollte.

38

Da hiernach die Vermögenslage des Schädigers für die Höhe des Schmerzensgeldes ohne Bedeutung ist, so ergibt sich zwangsläufig, daß auch das Vorhandensein einer Haftpflichtversicherung diese Vermögenslage nicht mit einer Wirkung für die Höhe des Schmerzensgeldes beeinflussen kann.

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Das Berufungsgericht hat zwar rechtsirrtümlich diese Grundsätze verkannt, seine Entscheidung beruht jedoch auf der Erwägung, die etwa ungünstige Vermögenslage des Beklagten zu 2) sei wegen der bestehenden Haftpflichtversicherung für die Höhe des Schmerzensgeldes unerheblich, es hat also im Ergebnis diese Vermögenslage außer Betracht gelassen und nur die jenigen Umstände gewürdigt, die sonst von Bedeutung sind. Die rechtsirrtümliche Begründung für die Außerachtlassung der Vermögenslage des Beklagten zu 2) hat also die Entscheidung nicht beeinflußt. Die Abwägung der übrigen Umstände läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen.

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Die Revision war deshalb mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Dr. Delbrück Dr. Kleinewefers Dr. Gelhaar Rietschel Dr. Rotberg