Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.07.1952, Az.: IV ZR 28/52
Auflösung der H. T. GmbH nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 Art. I; Umstellung der Darlehensverbindlichkeit nach § 14 Ziff. 2 UmstG (Umwandlungssteuergesetz); Umstellung der zur Sicherung der Darlehensforderung eingetragenen Hypothek nach § 2 Ziff. 1 der 40. DVO zum UmstG im Verhältnis 1: 1; Anspruch auf Rückzahlung der infolge des Irrtums über das Umstellungsverhältnis gezahlten Zinsbeträge und Tilgungsbeträge nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB; Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB gegenüber dem Anspruch aus § 812 BGB; Erfordernis des Bestehens eines fälligen und durchsetzbaren Anspruchs; Rückforderung der geleisteten Beträge als Verstoß gegen Treu und Glauben
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 14.07.1952
- Aktenzeichen
- IV ZR 28/52
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1952, 10102
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamburg - 13.11.1951
Rechtsgrundlagen
- § 14 Ziff. 2 Umstg
- § 2 Ziff. 1 der 40. DVO zum UmstG
- § 273 BGB
- § 812 Abs. 1 S. 1 BGB
Fundstellen
- BGHZ 7, 123 - 127
- NJW 1952, 1175-1176 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
A. L. versicherungs-AG, Zweigniederlassung H., H., H.,
vertreten durch ihren Vorstand, Dr. Gerd M., Dr.h.c. Hahs P., Ernst Me., Dr. Wolf
Mei., Dr. Walter M. und Wilhelm B. in S.
Prozessgegner
Treuhänder für das Sondervermögen unter der Firma "H. T." GmbH, H., Rechtsanwalt ...
Amtlicher Leitsatz
Zahlt der Schuldner und Grundstückseigentümer auf eine zur Sicherung einer nach § 14 Ziff 2 UmstG nicht in DM umgestellte Forderung Zins- und Tilgungsraten, weil er irrig annahm, die Forderung sei im Verhältnis 10: 1 umgestellt, so kann er die Zahlung nach § 812 BGB zurückfordern. Dem Gläubiger steht kein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB zu.
Redaktioneller Leitsatz
Solange nicht eine gesetzliche Regelung erfolgt ist, steht nicht fest, ob und in welcher Art nicht umgestellte Reichsmarkverbindlichkeiten getilgt werden können. Durch eine DM-Zahlung können sie auch deswegen nicht getilgt werden, weil eine allgemeine gesetzliche Vorschrift über das Wertverhältnis der früheren RM zur DM nicht besteht.
In dem Rechtsstreit
hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung von 7. Juli 1952
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Dr. Lersch, Ascher, Raske, Dr. Hartz und Johannsen
für Recht erkannt
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 13. November 1951 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit den 1. März 1950 Treuhänder für das Sondervermögen unter der Firma H. T. GmbH. Diese Gesellschaft war der Parteiverlag der NSDAP. Ihre letzten Gesellschafter waren der Gauleiter Ka. als Treuhänder des Eherverlags und eine Tochtergesellschaft des Eherverlags "St. GmbH". Zum Treuhandvermögen gehörte auch das Pr. H., S. ort .... Bei der Errichtung dieses Hauses hat die Beklagte ein verzinsliches erststelliges Hypothekentilgungsdarlehen in Höhe von 2.700.000,- RM gewährt, für das Sie Stadt H. die selbstschuldnerische Bürgschaft übernahm. Zins- und Tilgungsraten wurden bis einschliesslich März 1945 geleistet. Am Währungsstichtag betrug die Darlehensforderung der Beklagten noch 2.559.458,53 RM. Die Zinsrückstände beliefen sich auf 37.432,20 RM. Die Darlehensforderung und die Hypothek wurden von den Parteien in Verkennung der Rechtslage als im Verhältnis 10: 1 umgestellt behandelt.
Auf Grund einer Vereinbarung vom September 1948 über die Zahlung von Zins- und Tilgungsraten mit den Vorgänger des Klägers wurden für die Zeit von 21. Juni 1948 bis 13. Oktober 1949 insgesamt 24.826,89 DM an die Beklagte gezahlt. Am 13. Oktober 1949 wurde das Grundstück durch Beschluss des allgemeinen Organisationsausschusses in Gelle der Hansestadt Hamburg übereignet.
Der Kläger begehrt Rückzahlung der infolge des Irrtums über das Umstellungsverhältnis gezahlten Zins- und Tilgungsbeträge in Höhe von 24.826,89 DM nebst 4 % Zinsen seit den 1. Januar 1950.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist dem Anspruch des Klägers mit Rechtsausführungen entgegengetreten und hat geltend gemacht, das Verlangen des Klägers Verstosse gegen Treu und Glauben. Ferner hat sie sich wegen der ihr gegen das Treuhandvermögen zustellenden Forderung auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte weiter ihren Antrag, die Klage abzuweisen. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die an sich zulässige, frist- und formgerecht eingelegte Revision ist unbegründet.
Die H. T. GmbH ist nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 Art I aufgelöst worden. Ihre Darlehens-Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten ist daher nach §,14 Ziff 2 UmstG nicht umgestellt worden. Die zur Sicherung dieser Darlehensforderung eingetragene Hypothek ist dagegen nach § 2 Ziff 1 der 40. DVO zum UmstG im Verhältnis 1: 1 umgestellt.
Nach dem Willen des Rechtsvorgängers des Klägers sollte die Leistung dazu dienen, die für die Zeit von 21. Juni 1948 bis 13. Oktober 1949 auf das Darlehen geschuldeten Zins- und Tilgungsraten zu begleichen. Der Kläger kann die geleisteten Zahlungen nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückfordern, weil die Forderung, zu deren Tilgung die Zahlung dienen sollte, zur Zeit überhaupt nicht durch eine Zahlung getilgt werden kann. Das Darlehen war, wie bereits ausgeführt, nicht auf DM umgestellt und daher noch eine RM-Verbindlichkeit (vgl BGHZ 2, 300). Solange nicht eine gesetzliche Regelung erfolgt ist, steht überhaupt nicht fest, ob und in welcher Art derartige, nicht umgestellte Reichsmarkverbindlichkeiten getilgt werden können. Durch eine DM-Zahlung können sie auch deswegen nicht getilgt werden, weil eine allgemeine gesetzliche Vorschrift über das Wertverhältnis der früheren RM zur DM nicht besteht. Die Währungsreform ist nicht in der Weise durchgeführt worden, dass neben die RM-Währung die DM-Währung trat, die in einen bestimmten Wertverhältnis zu der alten Währung steht. Durch das erste Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens ist vielmehr die RM-Währung ausser Kraft gesetzt und durch die DM-Währung ersetzt worden. Soweit dieses Gesetz den Umtausch von Altgeldnoten gegen Zahlungsmittel der neuen Währung vorsah, wurde damit nur die Erstausstattung der Bevölkerung und der wirtschaft mit neuen Geld bezweckte. Auch aus der in dem Umstellungsgesetz angeordneten Umwandlung der Altgeldguthaben kann ein allgemeines Wertverhältnis der RM zur DM nicht hergeleitet werden, da nur ein Teil der Altgeldguthaben überhaupt umgewandelt worden ist. Dasselbe gilt hinsichtlich der in diesen Gesetz enthaltenen Pestinnungen über die Umstellung der RM-Forderungen. Diese sind je nach den besonderen Verhältnissen verschieden oder gar nicht umgestellt worden. Demnach hat der Rechtsvorgänger des Klägers um eine Verbindlichkeit zu tilgen, etwas geleistet, was nicht geschuldet war und daher die bezweckte Schuldtilgung nicht bewirken konnte. Eine solche Leistung kann nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgefordert werden. Die Rechtslage ist ähnlich, als wenn auf eine echte Fremdwährungsschuld in der Annahme, die Verbindlichkeit dadurch tilgen zu können, eine Zahlung in inländischer Währung erfolgt währe. § 245 BGB kann gleichfalls mangels eines allgemein gültigen Wertverhältnisses zwischen RM und DM nicht angewandt werden.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Hypothek in Verhältnis 1: 1 umgestellt und dass durch die Zahlung eine entsprechende Enthaftung des Grundstücks eingetreten sei. Die für die Beklagte auf dem Grundstück eingetragene Hypothek ist wenigstens zur Zeit nur ein Formalrecht. Eine bestimmte Umstellung der Hypothek musste erfolgen, um im Interesse des Grundstücks-Verkehrs, vor allem etwaiger im Rang nachstehender Grundpfandgläubiger, Klarheit über die Belastung des Grundstücks zu schaffen. Von einer Umstellung im Verhältnis 10: 1 ist abgesehen worden, da das ein ungerechtfertigtes Aufrücken der nachstehenden Gläubiger zur Folge gehabt hätte (vgl die amtliche Begründung zur 40. DVO zum UmstG Ziff 3 b aa u. BAnz 49 Nr. 11). Die Hypothekengläubigerin kann jedoch dieses für sie eingetragene Recht praktisch überhaupt nicht verwerten. Gegen seine Geltendmachung stehen dem Eigentümer die sich aus § 14 UmstG ergebenden Einreden nach § 1137 BGB zu. Dass es sich bei der. Belastung nur um ein Formalrecht handelt, ergibt auch § 5 Abs. 2 der 40. DVO zum UmstG. Danach kann der Eigentümer, wenn das Umstellungsverhältnis nach § 2 Ziff 1 in das Grundbuch eingetragen ist, die Eintragung eines Widerspruchs beantragen. Dieser Widerspruch ist nicht allein in Wahrheit nur eine Vormerkung zur Sicherung des künftigen Anspruchs auf Änderung des dinglichen Rechtsverhältnisses, der sich aus der endgültigen gesetzlichen Regelung des Rechtsverhältnisses ergeben kann, wie Harmening-Duden (ErgBd. 40. DVO zum UmstG § 5 Anm. 3) annimmt. Allerdings entspricht die Eintragung des Umstellungsverhältnisses an sich den darüber getroffenen gesetzlichen Bestimmungen. Die Eintragung eines Widerspruchs ist jedoch auch dadurch gerechtfertigt, dass die Umstellung nur eine formale Rechtsstellung für den Hypothekengläubiger begründet hat, die der materiellen Rechtslage, die allein durch die nicht umgestellte Hypothekenforderung bestimmt wird, nicht entspricht. Begründet aber die eingetragene Hypothek nur eine formale Rechtsstellung für den Gläubiger und ist ungeklärt, ob und inwieweit der Gläubiger materiell berechtigt ist, dann kann eine Zahlung auf die Hypothek, die in Verkennung der Rechtslage geleistet worden ist, ihren Rechtsgrund nicht darin finden, dass dadurch die Hypothek getilgt und die Haftung des Grundstücks gemindert worden ist. Das gilt umsomehr, als die Darlehensforderung, zu deren Sicherung die Hypothek dient, durch diese Zahlung überhaupt nicht getilgt werden konnte.
Abgesehen davon hat das Berufungsgericht frei von Rechtsirrtum festgestellt, dass der Rechtsvorgänger des Klägers mit seiner Zahlung nur die von den Parteien irrtümlich als umgestellt angesehene Forderung tilgen und nicht etwa eine Enthaftung des Grundstücks herbeiführen wollte. Letztere war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allenfalls ein wirtschaftliches Motiv, nicht aber der eigentliche Zweck und Rechtsgrund der Zahlung. Wenn nicht besondere Umstände dafür sprechen, kann nicht angenommen werden, dass ein Schuldner, der zugleich Grundstückseigentümer ist, und eine Zahlung an den Hypothekengläubiger leistet, damit allein bezweckt, die Haftung des Grundstücks zu mindern. Rechtlich gesehen bildet die Forderung das Kernstück der Hypothek. Diese ist grundsätzlich von dem Bestand der Forderung abhängig. Die Hypothek als solche gibt dem Gläubiger weder dem Schuldner noch dem Grundstückseigentümer gegenüber einen Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme. Die Hypothek gibt dem Gläubiger nur das Recht, sich aus dem belasteten Grundstück wegen der gesicherten Forderung zu befriedigen. Der Grundstückseigentümer ist auf Grund der Hypothek nur verpflichtet, dieses Vorgehen des Gläubigers zu dulden. § 1142 BGS gibt dem Eigentümer nur ein Lesungsrecht ohne einen entsprechenden Anspruch des Gläubigers zu begründen. Zahlt der persönliche Schuldner, der zugleich Grundstückseigentümer ist. Tilgungsraten, dann will er damit in der Regel die durch die Hypothek gesicherte Forderung tilgen. Dass durch die Zahlung zugleich die Haftung des Grundstücks gemindert wird, ist nur eine Folge, die sich aus der akzessorischen Natur der Hypothek ergibt und die zudem, um auch formal nach aussen erkennbar zu werden, eine Berichtigung des. Grundbuchs erfordert. Da der Rechtsvorgänger des Klägers Treuhänder für das gesamte Vermögen der GmbH war, konnte das Berufungsgericht bedenkenlos annehmen, dass er mit seiner Zahlung nur die Verbindlichkeit der GmbH tilgen wollte. Irgendwelche besonderen Umstände, aus denen sich ergibt, dass er mit der Zahlung auch die Haftung des Grundstücks mindern wollte, haben die Parteien nicht vorgetragen.
Gegenüber dem Anspruch des Klägers aus § 812 BGB kann die Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geltend machen. Diese Möglichkeit scheitert schon daran, dass die Beklagte keinen fälligen Anspruch gegen die aufgelöste GmbH hat. Ihre Darlehensforderung kann zur Zeit überhaupt nicht erfüllt werden. Das für sie eingetragene Hypothekenrecht ist nur ein Formalrecht. Schliesslich dient das Zurückbehaltungsrecht auch nur dazu, den Gläubiger Wegen des ihr zustehenden Anspruchs zu sichern. Ein Zurückbehaltungsrecht kann daher, nach dem das ganze Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben insoweit nicht geltend gemacht werden, als der. Anspruch bereits anderweit ausreichend gesichert ist. Das trifft für die Darlehensforderung der Beklagten zu. Sie ist durch die dafür eingetragene Hypothek gesichert. Dafür, dass diese Hypothek infolge einer Entwertung des Grundstücks durch Kriegsschäden oder infolge anderer vorangehender Rechte nicht vollwertig ist, bietet der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte. Wenn auch das Hypothekenrecht nur ein Formalrecht ist, so stellt es doch eine ausreichende Sicherung dar, da die gesicherte Forderung zur Zeit überhaupt nicht bewertbar ist und einen Wert nur in dem Umfang hat, als der Gesetzgeber künftig eine Umstellung in DM anordnen wird. Es ist zu erwarten, dass dann in demselben Umfang das Formalrecht zu einem Vollrecht wird.
Der Kläger verstösst damit, dass er die gezahlten Beträge zurückfordert, auch nicht gegen Treu und Glauben. Seine Aufgabe ist es, das Vermögen der aufgelösten GmbH zu verwalten und für die Aufgaben zu erhalten, denen es nach einer künftigen gesetzlichen Regelung zu dienen bestimmt ist.
Um dieser Aufgabe zu genügen, verfolgt er seinen Anspruch. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Ascher
Raske
Dr. Hartz
Johannsen