Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.03.1952, Az.: 1 StR 625/51
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 04.03.1952
- Aktenzeichen
- 1 StR 625/51
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1952, 11824
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- Landgerichts in Stuttgart - 27.06.1951
Verfahrensgegenstand
Betrugs i.R. u.a.
Prozessgegner
den Elektrotechniker August Sch. aus St., geboren am ... in W., Krs. M.,
hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in der Sitzung vom 4. März 1952, an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Richter als Vorsitzender,
Bundesrichter Dr. Peetz Bundesrichter Mantel Bundesrichter Glanzmann Bundesrichter Dr. Jagusch als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt Dr. ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellter ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts in Stuttgart vom 27. Juni 1951 samt den Feststellungen insoweit auf gehoben, als der Angeklagte in den Fällen Kr. und K. (Fälle III 7 und 8 der Urteilsgründe) verurteilt ist. Auch die Gesamtstrafe wird aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1.
Der Verteidiger hat nur insoweit Revision eingelegt, als der Angeklagte in den Fällen Kr., K., C. und G. (III 7, 8, 10 und 11 der Urteilsgründe) verurteilt ist.
2.
In den Fällen Kr. und K. ist der Revision, wenn auch ihre Ausführungen in weitem Umfang nur die tatsächlichen Feststellungen des Urteils bekämpfen und daher insoweit unzulässig sind, der Erfolg nicht zu versagen.
a)
Der bei der Firma Kr. offenbar als Verkäufer tätige L. hat sich bei der Bestellung der Preßspanpappe durch den Angeklagten die Bezahlung der Ware bei der Abholung ausbedungen. Das Landgericht meint zutreffend, der Angeklagte hätte, wenn er auf diese Zahlungsbedingungen nicht eingehen wollte, von der Bestellung Abstand nehmen müssen und sich nicht darauf berufen können, er habe seinerseits die Bezahlung bei Abholung nicht zugesagt. Offenbar geht es auch davon aus, dass er sich in Wirklichkeit über die Art seiner Zahlungsverpflichtung im klaren war. War dies der Fall, so konnte der Angeklagte die Aushändigung der Ware nur bei sofortiger vollständiger Bezahlung des Kaufpreises erwarten. Infolgedessen kann er sich eines Betruges durch die Bestellung schuldig gemacht haben, wenn er von vornherein das Ziel verfolgt hat, sich ohne Bezahlung in den Besitz der Ware zu setzen (vgl. RGSt 53, 162 und RG in JW 1927, 2429 über die Frage des Betrugs bei der Bestellung von Waren gegen Nachnahme). Dass der Angeklagte bei der Bestellung dieses Ziel im Auge hatte, hat das Landgericht nicht festgestellt und kann auch dem Urteilszusammenhang nicht entnommen werden. Im übrigen geben auch sonst die Urteilsausführungen zu Bedenken Anlass. Das Landgericht hat den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob sich der Angeklagte des Betruges in der Form des sogenannten Kreditbetruges schuldig gemacht habe. Es hat die Frage mit der Begründung bejaht, der Angeklagte habe mindestens mit der Möglichkeit gerechnet, nicht entsprechend den allgemeinen Zahlungsbedingungen innerhalb 30 Tagen nach Lieferung zahlen zu können. Damit ist der innere Tatbestand der zum Betrug gehörenden Vermögensbeschädigung nicht hinreichend dargetan. Zwar genügt in dieser Beziehung auch der bedingte Vorsatz. Doch ist dieser nicht schön dann erfüllt, wenn der Täter mit der Möglichkeit des schädigenden Erfolges seiner Handlungsweise rechnet, sondern nur dann, wenn er den schädigenden Erfolg innerlich billigt und ihn damit für den Fall seines Eintretens will (RGSt 72, 36, 43, 44). Bedarf bei dem bedingten Vorsatz der Vermögensbeschädigung der Billigungsakt im allgemeinen schon sorgfältiger Prüfung (vgl. RG in LZ 1917, 141 und in DR 1943, 74), so muss dies erst recht in einem Fall gelten, in dem, wie hier, der Angeklagte als ein Mensch geschildert wird, der stets gewillt war, den von ihm nicht aus Leichtsinn, sondern in Wirtschaftlicher Bedrängnis angerichteten Schaden im Laufe der Zeit wiedergutzumachen (S 21 UA).
Die Urteilsfestetellungen reichen auch nicht zum Nachweis dafür aus, dass sich der Angeklagte etwa später durch Betrug den Besitz der bestellten Ware verschafft hat. Im Urteil ist weder festgestellt, wer die Ware abgeholt hat, noch ob der Angeklagte, falls er sie nicht selbst abholte, der mit der Abholung beauftragten Person den Auftrag gegeben hat, die sofortige Übermittlung des Kaufpreises zu versprechen. Ebensowenig ist dem Urteil zu entnehmen, wie hoch der Kaufpreis war und ob der Angeklagte besonders bei einem niedrigen Preis nicht in der Lage war, das Geld sofort zu bezahlen, und sich dessen bewusst war oder wenigstens die Unmöglichkeit sofortiger Zahlung in Rechnung stellte und billigte. Die Tatsache, dass der Angeklagte den im Dezember 1949 und Januar 1950 in den Fällen B. u.A. übernommenen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen konnte und Ende Januar 1950 wiederholt fruchtlose Pfändungsversuche des Gerichtsvollziehers über sich ergehen lassen musste, zwingt für sich allein noch nicht zu solchen Schlüssen, ebensowenig wie die Tatsache, dass er die Ware später nicht bezahlte.
b)
Im Falle K. hat der Angeklagte bei der Erteilung des Auftrags, 170 Radiogehäuse zu lackieren, ausdrücklich Bezahlung bei der Abholung zugesagt, ohne bei der Abholung das erforderliche Geld (24 DM) bei sich zu haben. Auch hier begegnet die Verurteilung denselben Bedenken wie im Falle Kr., insofern der Angeklagte die Bezahlung bei der Abholung versprach und demnach mit der Aushändigung der lackierten Gehäuse nur bei sofortiger Bezahlung rechnen konnte. Hiervon abgesehen beschränkt sich das Urteil neben den allgemeinen Erörterungen über die Zahlungsfähigkeit des Angeklagten auf die Feststellung, er habe die Bezahlung bei der Abholung zugesagt, obwohl er nicht gewusst habe, ob er bis dahin das erforderliche Geld haben werde. Dieser Feststellung kann nicht entnommen werden, dass der Angeklagte schon bei der Auftragserteilung sich darüber im klaren war, das Geld für das Lackieren bei der Abholung der Gehäuse nicht zur Verfügung zu haben, oder wenigstens mit dieser Möglichkeit unter innerer Billigung der zum Nachteil der Firma K. eintretenden Vermögensbeschädigung gerechnet hat. Das Landgericht durfte auch nicht den Einwand des Angeklagten, er habe - offenbar nach der Abholung - einen Angestellten mit der Zahlung der 24 DM beauftragt, ohne weiteres als unerheblich behandeln. In dem Einwand konnte die Schutzbehauptung des Angeklagten liegen, er habe zur Zeit der Abholung den Betrag von 24 DM zur Verfügung gehabt. War dem so, so konnte diese Tatsache als ein Beweisanzeichen dafür verwertet werden, dass der Angeklagte bei dem Vertragsabschluss darauf vertraut habe, bei der Abholung der Gehäuse über den für die Bezahlung der Kosten erforderlichen Geldbetrag zu verfügen. Ein Betrug bei der Abholung der Gehäuse scheidet schon deshalb aus, weil sie K. an den Angeklagten herausgab, ohne dabei von diesem irgendwie getäuscht worden zu sein.
In den beiden Fällen kann hiernach die Verurteilung wegen Betrugs nicht aufrechterhalten bleiben.
3.
Unbegründet ist hingegen die Revision in den Fällen C. und G.
In beiden Fällen hat sich der Angeklagte von Firmen, mit denen er in Geschäftsverbindung stand, Darlehen geben lassen und für die Darlehen Schecks ausgestellt, obwohl er seinen Kredit bei der bezogenen Bank, wie er wusste, weit überschritten hatte. Im Falle C. zahlte er zwar am folgenden Tag den als Darlehen erhaltenen Betrag von 100 DM auf seinem Bankkonto ein; doch löste die Bank den Scheck bei Vorzeigung nicht ein, sondern verrechnete das Geld auf die Schuld des Angeklagten. Im Falle G. rechnete der Angeklagte nach seiner Schutzbehauptung mit dem Eingang fälliger Zahlungen auf sein Bankkonto. Die erwarteten Zahlungen gingen jedoch nicht ein und der Scheck wurde bei der Vorzeigung nicht eingelöst. Nachdem G. den Scheck schon vorgelegt hatte, bat ihn der Angeklagte, den Scheck nicht einzulösen, da er keine Deckung habe, und versprach, das Darlehen in bar zurückzuzahlen. Er kam seinem Versprechen aber nicht nach.
In der Hingabe der ungedeckten Schecks hat das Landgericht mit Recht den Tatbestand des Betruges erblickt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte sein Guthaben bei der bezogenen Bank erheblich überzogen und befand sich auch sonst in schlechter wirtschaftlicher Lage. Die von ihm ausgestellten Schecks waren daher für die Schecknehmer entgegen ihrer Erwartung wertlos. Dementgegen spielte sich der Angeklagte gegenüber den beiden Schecknehmern als Inhaber eines zur Deckung der Schecks ausreichenden Bankguthabens auf. Sie gaben ihm die Darlehen nur im Vertrauen darauf, dass die Schecks bei der Vorzeigung eingelöst würden, und wurden dadurch, dass die Schecks für sie wertlos waren, an ihrem Vermögen geschädigt. Dieser Schädigung beim Vertragsabschluss war sich der Angeklagte in beiden Fällen ersichtlich bewusst. Wenn er im Falle G. seiner Behauptung nach hoffte, dass durch den Eingang fälliger Zahlungen die Deckung für den hingegebenen Scheck beschafft werde, so hätte die etwaige Verwirklichung dieser Hoffnung nur einen nachträglichen Ausgleich des bewusstermassen schon zugefügten Vermögensschadens bewirkt. Dabei ist noch von Bedeutung, dass der Schecknehmer am Sitze der bezogenen Bank wohnte, der Angeklagte also auf die umgehende Vorzeigung des nichtvordatierten Schocks gefasst sein musste.
Im Falle C. hat der Angeklagte zwar schon am Tage nach dem Empfang des Darlehens den erhaltenen Betrag von 100 DM auf sein Bankkonto einbezahlt. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass er das von ihm beabsichtigte Geschäft, zu dem er das Darlehen von 100 DM erbeten hatte, nicht abschliessen konnte und daher die 100 DM zur Verfügung hatte. Jedenfalls konnte die Einzahlung der 100 DM, wie das Landgericht mit Recht meint, den schon begangenen Betrug nicht mehr aus der Welt schaffen; sie bedeutete nur den Versuch, die zum Nachteil der Firma C. eingetretene Vermögensbeschädigung nachträglich wieder auszugleichen. Mit der Feststellung auf S 17 UA, der Angeklagte habe gewusst, dass sein Konto stark überzogen war, hat das Landgericht ebenso wie im Falle G. die Annahme des inneren Tatbestandes ausreichend begründet. Auf die weitere Bemerkung, er habe "mindestens mit der Möglichkeit gerechnet, dass der Scheck nicht eingelöst werde", kam es deshalb nicht mehr an. Für sich allein betrachtet, würden gegen sie die zum Falle Kr. erörterten Bedenken zu erheben gewesen sein.
Die Strafzumessung gibt ebenfalls zu keinen Beanstandungen Anlass. Die Rückfallvoraussetzungen nach § 264 StGB sind irrtumsfrei festgestellt.
Die Revision war daher in diesen Fällen als unbegründet zu verwerfen.
4.
Die Aufhebung des Urteils in den Fällen Kr. und K. hat auch die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge.