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Bundesgerichtshof
Urt. v. 31.01.1952, Az.: III ZR 131/51

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
31.01.1952
Aktenzeichen
III ZR 131/51
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1952, 12392
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Freiburg i.Brsg. - 15.02.1951

Fundstellen

  • JZ 1952, 434 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1952, 546 (amtl. Leitsatz)
  • ZZP 1952, 273-275

Prozessführer

des Helmuth Sch., gen. K., Revuedirektor in H.-O., G.-F.strasse ...,

Prozessgegner

die Deutsche Bundesrepublik (Bundespost), vertreten durch den Präsidenten der Oberpostdirektion Freiburg i.Br.,

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Wird bei einer zulässig erhobenen positiven Feststellungsklage während des Prozesses die Leistungsklage möglich, so braucht der Kläger regelmässig nicht von der Feststellungs- zur Leistungsklage überzugehen. Wenn aber im ersten Rechtszuge lange vor dessen Beendigung die Schadensentwicklung voll abgeschlossen ist, der Beklagte deshalb den Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage anregt, der Kläger aber an der Feststellungsklage festhält, ohne daß der Übergang zur Leistungsklage die Entscheidung über den Grund des Anspruchs verzögern würde und durch diesen Übergang auch nicht der Verlust einer Instanz für den Streit über die Höhe des Anspruchs eintritt, muß zur Leistungsklage übergegangen werden.

  2. b)

    Die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 141, 420 [426]), daß der Haftungsausschluß der Post in §29 TO auf Schäden aus dem eigentlichen Telegrafendienst beschränkt ist, wird übernommen.

hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 1952 unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Dr. Riese und der Bundesrichter Dr. Pagendarm, Dr. Kleinewefers, Dr. Bock und Rietschel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Badischen Oberlandesgerichts in Freiburg i.Brsg. vom 15. Februar 1951 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Der Kläger, der unter dem Namen K. als Zauberkünstler auftritt, gab im Zirkus Ho. Mitte Juli 1949 in Freiburg auf dem Messplatz ein Gastspiel. Nach dem Vertrage, der eine dreiwöchige Kündigungsfrist vorsah, hatte der Kläger vom 27. November 1948 bis 15. Oktober 1949 mit seiner aus 16 Personen bestehenden Truppe im Rahmen der Darbietungen des Zirkus Ho. gegen eine Gewinnbeteiligung von 33,3 % unter Garantierung einer Monatsgage von 18.000 DM aufzutreten. Der Kläger beabsichtigte, nach Ablauf seines Vertrages mit dem Zirkus Ho. im Metropoltheater in Stuttgart aufzutreten. Indessen plante der Zirkus Ho., noch während der Vertragszeit mit dem Kläger ebenfalls ein Gastspiel in Stuttgart zu geben. Er hatte jedoch Schwierigkeiten mit der Miete eines geeigneten Standplatzes. Zur Vermeidung eines zweimaligen Gastspiels in Stuttgart wollte der Kläger einen Vertragsabschluss mit dem Metropoltheater davon abhängig machen, dass es Direktor Ho. bis Vertragsende nicht gelingen würde, mit seinem Zirkus in Stuttgart aufzutreten. Im Verlauf dieser Verhandlungen teilte das Metropoltheater dem Kläger mit, dass es Direktor Ho. nicht gelungen sei, den für das geplante Stuttgarter Gastspiel als Standplatz vorgesehenen Karlsplatz zu mieten. Daraufhin liess der Kläger noch während des Gastspiels in Freiburg am 16. Juli 1949 durch seine Sekretärin bei der Telegrammannahmestelle des Zweigpostamts 4 in Freiburg ein Telegramm mit dem Absendervermerk "Freiburg, Erasmusstr. 14" an das Metropoltheater aufgeben, das am gleichen Tage zugestellt wurde. Es hatte folgenden Wortlaut:

"Da Karlsplatz nicht in Frage kommt, wird, wie ich höre, versucht, Kasernenplatz Rotebühlkaserne zu bekommen.

Gruss K.".

2

Der Schalterbeamte des Postamts berechnete dabei 30 Pfennig Gebühren zu wenig. Er begab sich zwei Tage später zum Standplatz des Zirkus Ho. und legte dort im Bürowagen der Sekretärin des Direktors Ho. das Telegramm zur Nacherhebung der Gebühr vor. Die Sekretärin las das Telegramm und teilte den Inhalt Direktor Ho, mit. Dieser kündigte hierauf mit Schreiben vom 18. Juli 1949 den Vertrag zum 11. September 1949. Dem Kläger gelang es, andere erst für später vorgesehene Gastspielverträge vorzuverlegen und deshalb mit seiner Truppe zunächst unterzukommen, jedoch war er im Monat Dezember 1949 ohne Spielvertrag.

3

Der Kläger vertritt die Ansicht, der Schalterbeamte habe grobfahrlässig das Telegrafengeheimnis verletzt und sich damit einer Amtspflichtverletzung schuldig gemacht. Die Nacherhebung der Gebühr habe nur durch den ordentlichen Zustellbeamten und nur bei der im Telegramm angegebenen Absenderanschrift des Klägers vorgenommen werden dürfen. Der Schalterbeamte habe dagegen der ihm unbekannten Sekretärin des Zirkusdirektors das Telegramm ausgehändigt und damit einem Unbefugten den Inhalt des Telegrammes zugänglich gemacht.

4

Der Kläger begehrt mit der schon im August 1949 erhobenen Klage die Feststellung, dass die Beklagte für den Ersatz des Schadens hafte, der ihm dadurch entstehe, dass ein Angestellter der Beklagten am 16. Juli 1949 der Sekretärin des Zirkusdirektors Ho. ein von ihm an das Metropoltheater in Stuttgart gerichtetes Telegramm mitgeteilt habe.

5

Die Beklagte beantragt Klagabweisung. Sie ist der Auffassung, der Schalterbeamte habe bei entsprechender Anwendung der für die Zustellung an Telegrammempfänger geltenden Vorschriften die Gebührennacherhebung auch am Arbeitsplatz und bei Angestellten des Klägers vornehmen dürfen. Wenn er dabei die Sekretärin des Direktors Ho. für die des Klägers angesehen habe, so sei hierin kein Verschulden zu erblicken. Sie vertritt weiter die Ansicht, die Bestimmung des §29 Telegrafenordnung schliesse Schadensersatzansprüche aller Art aus. Überdies habe der Kläger den von ihm behaupteten Schaden selbst verursacht; nicht die Tätigkeit des Schalterbeamten, sondern sein eigenes offenbar vertragswidriges Verhalten habe Direktor Ho. zur Kündigung veranlasst. Wenn diese Kündigung zu Unrecht erfolgt sei, so habe der Kläger die Pflicht gehabt, seine Rechte gegenüber Direktor Ho. geltend zu machen. Er handle daher arglistig, wenn er die Beklagte jetzt in Anspruch nehme.

6

Der Kläger erwidert, der Vertrag sei durch Direktor Ho. unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist gekündigt worden. Der Kläger habe somit keine Möglichkeit gehabt, gegen die Kündigung wirksam vorzugehen. Seine Verhandlungen mit dem Metropoltheater seien nicht vertragswidrig gewesen, da sie sich erst auf die Zeit nach Beendigung seines Vertrages mit dem Zirkus Ho. bezogen hätten.

7

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Haftung der Beklagten nur zu einem Drittel des Schadens bejaht. Beide Instanzen gehen davon aus, der Haftungsausschluss des §29 Telegrafenordnung sei auf die Schäden beschränkt, "die mit dem eigentlichen Telegrafenbetrieb unmittelbar in Zusammenhang ständen" bezw. auf die Schäden, "die sich aus dem "konkreten Benutzungsvorgang" ergäben". Das Oberlandesgericht nimmt jedoch ein Mitverschulden des Klägers an, weil dieser damit habe rechnen müssen, dass bei der von ihm gewählten Art der Mitteilung Direktor Ho. von dem Inhalt des Telegrammes Kenntnis erhalten und daraus Anlass zur Kündigung des Vertrages habe herleiten können.

8

Mit der Revision begehrt der Kläger Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, mit der Anschlussrevision die Beklagte volle Abweisung der Klage. Beide Parteien haben um Zurückweisung des Rechtsmittels der Gegenseite gebeten.

Entscheidungsgründe:

9

I.

Die Anschlussrevision rügt, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen der Feststellungsklage bejaht hat, obgleich die zunächst gegebenen Voraussetzungen im Laufe des Rechtsstreits bereits im ersten Rechtszuge dadurch entfallen seien, dass die Schadensentwicklung abgeschlossen gewesen sei und der Schaden der Höhe nach hätte beziffert werden können. Der Kläger vertritt demgegenüber wie in den Tatsacheninstanzen die Auffassung, ein Übergang von einer zunächst zulässig erhobenen Feststellungsklage sei bei Möglichwerden einer Leistungsklage niemals erforderlich, vielmehr bleibe die Feststellungsklage auch weiterhin zulässig.

10

Massgebend für das Bestehen des Feststellungsinteresses ist, wie bei allen Prozessvoraussetzungen, der Zeitpunkt der Urteilsfällung. Es genügt daher, wenn im Laufe des Prozesses bis zur Urteilsfällung diese Voraussetzung der Feststellungsklage entstanden ist. Fällt aber das Feststellungsinteresse während des Prozesses fort, so wird nunmehr die Feststellungsklage grundsätzlich unzulässig (vgl. Stein-Jonas Aufl. 17 §256 Anm. IV, 7; Rosenberg, Lehrbuch des Zivilprozessrechts Aufl. 5 §86 II 3 S 374; Baumbach Aufl. 20 §256 ZPO Anm. 3 A; RGZ 71, 68 [73]; missverständlich RGZ 124, 378). Wird allerdings bei einer zulässig erhobenen positiven Feststellungsklage während des Prozesses die Leistungsklage möglich, so braucht der Kläger regelmässig nicht von der Feststellungs- zur Leistungsklage überzugehen. Vielmehr wird selbst bei abgeschlossener Schadensentwicklung die Feststellungsklage auch weiterhin als zulässig angesehen (RG in ständiger Rechtsprechung z.B. RGZ 108, 201 [202]; WarnRspr 1909 Nr 43 und 44; 1914 Nr. 341 und die oben angeführten Schriftsteller). In diesem Falle kann auch dann, wenn die Schadensentwicklung voll abgeschlossen ist und weitere Zukunftsschäden nicht mehr zu erwarten sind, dem Kläger regelmässig nicht angesonnen werden, entweder die erhobene Klage zurückzunehmen und von neuem den Rechtsstreit auf Leistung anhängig zu machen, oder aber bei Umwandlung der Feststellungsklage in eine Leistungsklage auf eine alsbaldige Entscheidung über seinen Anspruch, in vielen Fällen sogar auf eine Instanz für die Entscheidung über den Leistungsanspruch, zu verzichten. Vielmehr wirkt das einmal zur Zeit der Klageerhebung vorhanden gewesene Interesse an der alsbaldigen Sachentscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf die einmal in zulässiger Weise erhobene Klage fort. Für den Gegner besteht in diesem Falle regelmässig ebenfalls kein sachliches Interesse an der Abweisung der Klage in der angebrachten Art der Feststellungsklage. Deshalb entspricht es in der Regel den Zwecken des Prozesses und dem Rechtsschutzbedürfnis, in diesen Fällen der Feststellungsklage ihren weiteren Lauf zu lassen (RGZ 71, 68 [72/73]). Diese Rechtsprechung findet also ihre einzige Begründung in dem Bestreben, unnütze Prozesse und Prozessverschleppungen zu vermeiden. Derartige prozessökonomische Erwägungen können jedoch dann nicht durchgreifen, wenn im ersten Rechtszuge lange vor dessen Beendigung die Schadensentwicklung voll abgeschlossen ist, der Beklagte deshalb den Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage anregt, der Kläger aber an der Feststellungsklage festhält, ohne dass der Übergang zur Leistungsklage die Entscheidung über den Grund des Anspruches verzögern würde und durch diesen Übergang auch nicht der Verlust einer Instanz für den Streit über die Höhe des Anspruchs eintritt. In diesem Falle würde das eigensinnige Festhalten an der Feststellungsklage nur zur Vermehrung der Prozesse und zur Erhöhung der Prozesskosten führen. Es müsste nach Führung der Feststellungsklage ein neuer Prozess über die Leistungsklage in Gang gebracht werden, in dem anders als bei der Vorabentscheidung über den Grund des Anspruchs alle Gebühren erneut entstehen würden. Unter diesen besonderen Voraussetzungen rechtfertigen die für den Regelfall geltend gemachten Gründe nicht, das Feststellungsinteresse trotz Zulässigwerdens der Leistungsklage auch weiterhin zu bejahen.

11

Die Beklagte behauptet, dass dieser Sonderfall hier vorliege. Sie hat dazu im einzelnen vorgetragen: Der Kläger mache Verdienstausfall geltend, der darauf zurückgeführt werde, dass das Vertragsverhältnis des Klägers mit Ho. infolge der Kündigung schon zum 11. September 1949 beendet worden sei, während es ohne diese Kündigung sein Ende erst zum 15. Oktober 1949 gefunden hätte. Selbst wenn der Schaden beim Kläger nicht in der Zeit vom 11. September bis 15. Oktober 1949 voll in Erscheinung getreten sei, weil er einige zunächst für später angesetzte Gastspiele in diese Zeit habe vorverlegen können, so sei doch nach des Klägers eigenem Vortrag der Schaden bis zum Ende des Jahres 1949 voll in Erscheinung getreten. Der Kläger habe daher die Möglichkeit gehabt, noch geraume Zeit vor der Schlussverhandlung erster Instanz (28. März 1950) ohne Rechtsnachteil zur Leistungsklage überzugehen. Er habe das trotz ausdrücklichen Hinweises der Beklagten unterlassen.

12

Zu diesem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten über die Beendigung der Schadensentwicklung hat das Berufungsgericht keine hinreichend sicheren Tatsachenfeststellungen getroffen, vielmehr spricht es nur davon, die Entwicklung des Schadens sei "wohl" abgeschlossen gewesen; ausserdem ist aus dieser Wendung nicht zu entnehmen, ob dieser Zustand schon, im ersten Rechtszuge so zeitig eingetreten war, dass ein Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage ohne Rechtsnachteil für den Kläger möglich gewesen wäre.

13

Das Feststellungsinteresse des Klägers kann auch nicht etwa im Hinblick darauf schlechthin bejaht werden, dass die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts die auf Grund einer Feststellungsklage ergehende Entscheidung auch ohne den Zwang der Verurteilung zu einem bezifferten Betrage anerkennen und Zahlung leisten werde (RGZ 129, 34). Voraussetzung der Zulässigkeit der Feststellungsklage in jenen Fällen ist, dass die Sache sich durch das Feststellungsurteil formelhaft erledigen wird, wie insbesondere bei Beamtenansprüchen auf Gehalt, Ruhegeld und Einterbliebenenbezüge. So liegt der Fall hier jedoch nicht, da nach der Art des geltend gemachten Schadensersatzes (Minderverdienst eines Artisten gegenüber einem prozentual festgelegten, jedoch bis zu einem bestimmten Betrage garantierten Gewinnanteil) mit der naheliegenden Möglichkeit zu rechnen ist, dass auch nach Abschluss der Feststellungsklage über die Höhe des Schadens streitig wird entschieden werden müssen.

14

Deshalb sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Feststellungsklage noch nicht hinreichend geklärt. Schon aus diesem formellen Grunde konnte das angefochtene Urteil nicht aufrecht erhalten werden.

15

II.

Das angefochtene Urteil hält auch einer materiellrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

16

Da die Beklagte mit ihrer Anschlussrevision ihre Haftung für den eingetretenen Schaden in Zweifel zieht, während der Kläger sich nur gegen die aus dem Rechtsgrunde des Mitverschuldens erfolgte Hinderung seiner Ansprüche wendet, erscheint es geboten, die Rüge der Anschlussrevision als den den Gesamtanspruch in Frage stellenden und daher umfassenderen Angriff zuerst zu behandeln.

17

1.

Die Anschlussrevision der Beklagten rügt Verletzung des §29 der Telegrafenordnung vom 30. Juni 1926 i.d.F. vom 22. Dezember 1938 (Amtsblatt des Reichspostministeriums - im Folgenden ABl abgekürzt - 1938, 849 Anlage) - im Folgenden kurz "TO" genannt. Die Revision vertritt die Auffassung, dass es sich bei §29 TO um eine umfassende und erschöpfende Regelung handle, die die Haftung der Beklagten abschliessend regle und Ersatzansprüche bei dem Telegrafendienst schlechthin ausschliesse.

18

Das Berufungsgericht ist bei der Prüfung der grundsätzlichen Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten auf S. 14 und 15 des Urteils den Kommentaren, "deren Verfasser den Kreisen der Post angehören" (Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht 3. Aufl. zu §10 FAG Anm. 10 S. 232; Niggel, Deutsches Postrecht 2. Aufl. §35 S. 146; Hellmuth, System des Deutschen Post-, Telegrafen- und Fernsprechverkehrsrechts 1929 2. Teil §5 S. 185 ff und in Eger, Eisenbahnrechtliche Entscheidungen 38, 233 [238]), nicht gefolgt, die ausführen, im Postgesetz sei "als erste Grundregel der Grundsatz der Nichthaftung aufgestellt, der nur in den vom Gesetz selbst gebrachten Ausnahmen durchbrochen werde und in den Bestimmungen des §6 Abs. 5 und des §12 des Postgesetzes seinen unzweideutigen Ausdruck gefunden habe". Das Berufungsgericht vertritt die Ansicht, es komme nicht darauf an, ob in den einschlägigen postalischen Gesetzen und Rechtsverordnungen eine Haftung vorgesehen sei, sondern darauf, ob eine auf Grund anderer Rechtsnormen eingreifende Haftung ausgeschlossen sei; soweit ein Haftungsausschluss überhaupt nicht vorgesehen sei oder im Einzelfall nicht eingreife, bleibe daher die Haftung auf Grund bürgerlich-rechtlicher Rechtsnormen und des Art. 34 GrundG bestehen. Das Berufungsgericht hat dann weiter die Frage, ob die im Postgesetz und den entsprechenden Ordnungen für die Einzelgebiete des Postwesens ausgesprochene Haftungsbeschränkung durch die Bestimmungen der Weimarer Verfassung oder des Grundgesetzes beseitigt sei, deshalb dahingestellt gelassen, weil es das Vorliegen eines Haftungsausschlusses aus §29 TO verneint.

19

Der Rechtsgrundsatz, den das Berufungsgericht zum Ausgangspunkt seiner Entscheidung genommen hat, lässt einen Rechtsirrtum nicht erkennen; die Revision ist diesem Rechtsgrundsatz auch nicht ausdrücklich entgegengetreten. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten sich im Rahmen der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 57, 150 [151]; 67, 182 [184]; 107, 41 [42]; 141, 420 [426]). In allen angeführten Entscheidungen geht das Reichsgericht zwar davon aus, durch die im einzelnen angeführten Bestimmungen, insbesondere durch §12 Postgesetz vom 28. Oktober 1871 (RGBl 1871, 347), sei die Haftung der Postverwaltung umfassend und erschöpfend geregelt worden und insbesondere eine weitergehende Haftung der Post auch für den Fall ausgeschlossen, dass einen Beamten ein Verschulden treffe, das dessen unbeschränkte Haftung nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen begründe. Andererseits lässt das Reichsgericht diesen Grundsatz im Hinblick auf Sinn und Zweck der erstrebten Haftungsbeschränkung nur insoweit gelten, als das Postgesetz oder die entsprechenden für die einzelnen Sondergebiete der Post erlassenen Ordnungen selbst eine Haftungsregelung vornehmen, d.h. also den Umfang der Haftung näher regeln oder die Haftung gänzlich ausschliessen; wo Postgesetz und Ordnungen für die Sondergebiete schweigen, lässt das Reichsgericht die allgemeinen Haftungsregelungen weiter gelten.

20

Dieser Rechtsprechung des Reichsgerichts, die von der Revision nicht angegriffen worden ist, tritt der Senat bei.

21

2.

Im einzelnen rügt die Anschlussrevision Verletzung des §29 TO deshalb, weil das Berufungsgericht zwischen "Telegrafendienst, der die ganze Telegrafeneinrichtung mit ihren nur mittelbar bei der Benutzung in Erscheinung tretenden Einrichtungen umfasst", und "eigentlichem Telegrafendienst im Sinne eines konkreten Benutzungsvorganges" unterscheidet. Sie ist der Auffassung, der Wortlaut der Telegrafenordnung gebe zu einer solchen Einschränkung des Ausdrucks "Telegrafendienst" keinen Anhalt; sie verweist auf die in §29 TO gebrauchten Ausdrücke, die Post hafte für "keinerlei Schäden" und die Post übernehme "keine Gewähr"; die in §29 angeführten Beispiele für den Haftungsausschluss bezögen sich nur zum Teil auf den "konkreten Benutzungsvorgang", zum Teil liessen sie jede Verbindung mit dem "eigentlichen Betriebshergang" bezw. dem "konkreten Benutzungsvorgang" vermissen, wie zum Beispiel der Haftungsausschluss für "Schäden durch Ausschliessung von der Benutzung der Telegrafenanlagen" und für solche aus "der Einstellung des Telegrafendienstes" sowie für Schäden "durch Erteilung unrichtiger Auskunft". Schliesslich meint die Revision, die hier erfolgte Einziehung der zu wenig berechneten Gebühren gehöre zum konkreten Benutzungsvorgang und zum eigentlichen Telegrafenbetrieb. Es könne dabei keinen Unterschied machen, ob die Gebühren am Postschalter erhoben oder wegen eines Irrtums in der Rechnung erst später erhoben würden. Bei diesem zum konkreten Benutzungsvorgang gehörenden Vorlegen des Telegrammes habe der Postbeamte angeblich einen Fehler begangen, indem er das Telegramm nicht dem Absender persönlich vorgelegt habe. Diese Massnahme des Postbeamten werde jedoch durch die Beispiele des §29 TO von der Haftung ausgeschlossen, wo es ausdrücklich heisst, dass "sonstige Fehler bei der Übermittlung und Zustellung der Telegramme" von der Haftung ausgeschlossen seien. Wenn schon die unrichtige Zustellung an den Adressaten von §29 TO erfasst werde, so müsse auch die unrichtige Vorlegung an den angeblichen Absender durch den Haftungsausschluss gedeckt werden. Eine Differenzierung zwischen derartig lebensmässig gleichliegenden Vorgängen würde zu Ungewissheit und zu willkürlichen Unterscheidungen führen.

22

Den Ausführungen der Revision kann nicht gefolgt werden, wie sich aus dem Vergleich der Haftungsregelung für die verschiedenen Tätigkeitsgebiete der Post ergibt. Es spricht insbesondere §12 des Postgesetzes vom 28. Oktober 1871 (RGBl 1871, 347) davon, dass die Haftung in den §§8, 9, 10 und 11 "nach Verschiedenheit der Fälle" bestimmt sei. Für Postwurfsendungen wird in §9 der Postordnung vom 30. Januar 1929 (RGBl I, 33) die "Gewähr für fehlerlose Verteilung und für Verteilung zu einer bestimmten Zeit oder innerhalb einer bestimmten Frist" ausgeschlossen. Es wird also gerade auf die Haftungsgefahren abgestellt, die dieser Tätigkeit besonders nahe liegen. Auf dem hier in Betracht kommenden Gebiete des Telegrafenverkehrs erfolgte der Haftungsausschluss zunächst hinsichtlich der "richtigen Überkunft der Telegramme oder deren Überkunft und Zustellung innerhalb bestimmter Frist und hinsichtlich der Nachteile, die durch Verlust, Entstellung oder Verspätung der Telegramme entstehen" (§21 Abs. 1 TO vom 16. Juni 1904 - (ABl 171)). Auch nach §24 TO vom 30. Juni 1926 (Anlage zum ABl 1926, 447) haftet die Post "für keinerlei Schäden, insbesondere nicht für Schäden durch Ausschliessung von der Benutzung der Telegrafenanlage, durch Einstellung des Betriebs, durch Betriebsstörungen, durch Unterlassung, Verzögerung oder sonstige Fehler bei der Annähme, die Beförderung und Zustellung der Telegramme, durch Erteilung unrichtiger Auskunft". Durch §29 TO i.d.F. vom 22. Dezember 1938 (ABl 819) wird der Haftungsausschluss näher erläutert, indem der Fassung des bisherigen §24 als weitere Beispielsfälle, in denen für Schäden nicht gehaftet wird, hinzugefügt werden die Schäden "durch Versehen bei der Aufnahme und bei der Zustellung von Telegrammen durch Fernsprecher, Nebentelegrafen oder über einen Teilnehmer-Fernschreibeanschluss"; die Telegrafenordnung wird damit der weiteren technischen Ausgestaltung des Postwesens angepasst. Auch die Fernsprechordnungen in den Fassungen vom 25. August 1921 (RGBl 1, 1207), 21. Dezember 1922 (RGBl I, 931), 21. Juni 1924 (ABl 371) und 15. Februar 1927 (ABl 859) schliessen die Haftung aus für Schäden "durch vorübergehende Stillegung von Teilnehmereinrichtungen oder durch Ausschliessung von der Benutzung des öffentlichen Fernsprechnetzes, durch Versehen bei der Wahrnehmung des Unfallmeldedienstes, durch Betriebsstörungen, durch Versehen bei Verhängung der Sperre oder durch die Sperre oder die fristlose Aufhebung von Teilnehmereinrichtungen, durch unrichtige, verzögerte oder unterbliebene Herstellung von Gesprächsverbindungen, durch Versehen bei der Behandlung von besonderen Gesprächsverbindungen im Fernsprechauftragsdienst, bei der Zeitansage, durch Fehler im Amtlichen Fernsprechbuch, durch Fehler in Rufnummern und durch unrichtige Auskünfte." An dieser Grundregelung hat auch die etwas abweichende Fassung des §41 der Fernsprechordnung vom 24. September 1939 (ABl 859) nichts geändert, wie sich schon daraus ergibt, dass in der Verwaltungsanweisung zu §41 (Allgemeine Dienstanweisung der Deutschen Reichspost Abschnitt VI 3 A Aufl. 1940 S. 115) die in §29 Abs. 2 der früheren Fassung aufgezählten Haftungsausschliessungsgründe wiederum als Beispiele genannt werden. Im §9 des Postscheckgesetzes vom 26. März 1914 (RGBl 1914, 85) i.d.F. der Bekanntmachung vom 22. März 1921 (RGBl 1921/247) wird die Haftung nur für die rechtzeitige Ausführung der erteilten Aufträge ausgeschlossen, während im übrigen "die Postverwaltung dem Kontoinhaber für die ordnungsgemässe Ausführung der bei dem Postscheckamt eingegangenen Aufträge nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Schuldners für die Erfüllung seiner Verbindlichkeit" haftet. Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich, dass die Haftung in der Tat nach der "Verschiedenheit der Fälle" (§12 Postgesetz) geregelt ist. Die Verschiedenheit der Fälle ergibt sich aber gerade aus den Eigenarten des jeweils in Betracht kommenden Tätigkeitsgebietes der Post und der diesem Gebiete besonders innewohnenden Haftungsgefahren. Diese Gefahren ergeben sich beim Telegrafendienst nur aus dem eigentlichen Telegrafendienst (RGZ 141, 420 [426]), nicht aus jeglicher Betätigung, die durch den Telegrafendienst bedingt ist, wie bereits das Berufungsgericht auf S. 15 bis 17 seines Urteils überzeugend begründet hat. Demgegenüber greift der Hinweis der Anschlussrevision auf den Wortlaut des §29 TO, wonach die Post "keine Gewähr" übernimmt und für "keinerlei Schäden" haftet, nicht durch, denn es muss auf die Haftungsregelung für das gesamte Postwesen abgestellt werden. Diese zeigt aber nach den angeführten Beispielen eine Beschränkung des Haftungsausschlusses der Post nur für die typischen Haftungsgefahren der einzelnen Sondergebiete der postalischen Tätigkeit. Nur in diesem Zusammenhang kann §29 richtig verstanden werden. Auch der Hinweis darauf, dass unter den in §29 TO angeführten Beispielen des Haftungsausschlusses sich Vorgänge befinden, die nicht zu dem eigentlichen Telegrafendienst zu rechnen sind, kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Von diesen Beispielen käme insoweit höchstens der Ausschluss "für eine Haftung hinsichtlich der durch Erteilung unrichtiger Auskunft hervorgerufener Schäden" in Betracht. Nach dem Zusammenhang ist aber auch dieser Beispielsfall auf solche Auskünfte zu beschränken, die sich aus dem eigentlichen Telegrafendienst ergeben.

23

Selbst wenn es Fälle geben kann, in denen es zweifelhaft sein mag, ob eine Tätigkeit noch zum eigentlichen Telegrafendienst zu zählen ist oder nicht, so können bei der hier in Betracht kommenden Nacherhebung zuwenig gezahlter Telegrammgebühren solche Zweifel nicht auftauchen. Zwar sind diese Gebühren anlässlich der Ausübung des Telegrafendienstes irrigerweise nicht erhoben worden. Jedoch konnte eine derartige falsche Berechnung der Gebühren auch auf jedem anderen Gebiet des Postwesens vorkommen. Die Nacherhebung solcher Gebühren hat jedenfalls im vorliegenden Falle mit der Tätigkeit, die sie bedingt, also mit dem Telegrafendienst, überhaupt nichts mehr zu tun. Insbesondere handelt es sich nicht etwa um einen der Ausnahmefälle, in denen die Ausführung der die Gebühren zum Entstehen bringenden Tätigkeit von der Nachzahlung der zu wenig erhobenen Gebühren abhängig gemacht wird (§26 I 5 TO; §26 VIII 2 TO). Die Gebührennacherhebung beim Absender, die nicht in Verbindung mit der sie veranlassenden Tätigkeit der Post erfolgt, ist dementsprechend auch gesondert geregelt. Nach §8 Abs. 2 TO sind die Gebühren in der Regel bei der Aufgabe der Telegramme ... zu entrichten. "Bei der Aufgabe zu wenig berechnete Gebühren werden nacherhoben. In besonderen durch die Telegrafenordnung bestimmten Fällen können Gebühren auch nachträglich und beim Empfänger eingezogen werden". Nach §12 des Fernsprechgebührengesetzes vom 17. August 1923 (RGBl 1923 I, 802) findet auf die Einziehung der Telegrammgebühren einschliesslich der Fernsprechgebühren §25 des Postgesetzes vom 28. Oktober 1871 (RGBl 1871, 347) Anwendung. Ähnlich ist auch die Regelung in §51 der Postordnung vom 30. Januar 1929 (RGBl I, 33) für die Erhebung der Gebühren bei der Beförderung von Briefen, Paketen und Postanweisungen in Verbindung mit §25 Postgesetz.

24

Aus dieser Regelung der nachträglichen Einziehung von Postgebühren ergibt sich, dass es sich insoweit nicht um die Tätigkeit der Post handelt, für die im Postgesetz bezw. den Ordnungen für die einzelnen Sondergebiete ein Haftungsausschluss erfolgt ist. Es handelt sich sozusagen um Aufgaben, die zu den technischen Aufgaben der Post, wie Brief-, Paket- und Telegrammbeförderung, Vermittlung von Ferngesprächen usw., hinzutreten, durch diese Leistungen der Post zwar bedingt werden, die aber - jedenfalls in dem hier vorliegenden Regelfalle der Einziehung beim Absender - mit der typischen Leistung der Post, für welche die Haftung ausgeschlossen wird, hier mit dem Telegrafendienst, nichts zu tun haben. Insoweit handelt es sich also keinesfalls um eigentlichen Telegrafendienst, hinsichtlich dessen die Gewähr der Post durch §29 TO ausgeschlossen ist.

25

Entgegen den Ausführungen der Revision kann die Vorlage des Telegramms an den falschen Absender anlässlich der Gebührennacherhebung der "unrichtigen Zustellung an den Empfänger" nicht gleichgestellt und daraus auch nicht gefolgert werden, dass ebenso wie bei unrichtiger Zustellung an den Empfänger auch bei unrichtiger Vorlage an den Absender die Haftung nach §29 TO ausgeschlossen sei. Es handelt sich auch hier nicht um die Rückgabe der zur Beförderung aufgelieferten Sendung, sondern allein um die Nacherhebung von Gebühren; nur zum Nachweis für die Berechtigung dieser Nachforderung ist die Telegrammurschrift dem vermeintlichen Absender vorgelegt worden. Es handelt sich also entgegen der Ansicht der Revision nicht um lebensmässig gleichliegende Vorgänge, sondern um völlig andere Arten des Tätigwerdens der Post.

26

Deshalb geht das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Haftung der Beklagten nicht durch §29 TO ausgeschlossen ist.

27

Liegt aber ein Fall des Haftungsausschlusses nach §29 TO nicht vor, so hat das Berufungsgericht zutreffend auch davon abgesehen, zu prüfen, ob der Haftungsausschluss des §29 TO mit den Bestimmungen der Weimarer Verfassung und denen des Grundgesetzes vereinbar ist oder nicht.

28

3.

Zu Unrecht wendet die Revision sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Schalterbeamte habe bei Vorlage der Telegrammurschrift an die Sekretärin des Direktors Hoppe fahrlässig gehandelt. Sie meint, die Vorschrift des §26 Abs. 4 TO - gemeint ist wohl §26 VI 5 TO -, wonach Telegramme "ausser an den Empfänger auch an erwachsene Mitglieder seiner Familie, an seine Angestellten, an die Haus- oder Wirtsleute oder an den Pförtner des Hauses" ausgehändigt werden dürfen, sofern nicht der Empfänger dem Amt einen besonderen Beauftragten schriftlich bezeichnet hat, müsse auch auf die Vorlage des Telegrammes zwecks Nacherhebung zu wenig gezahlter Gebühren Anwendung finden. Diese Bestimmung kann jedoch - ganz abgesehen davon, dass es sich hier überhaupt nicht um eine Zustellung, sondern um eine Vorlage zu Beweiszwecken gehandelt hat - schon deshalb keine Anwendung finden, weil Telegramme nach §26 I 1 TO "verschlossen, wenn sie nicht mit dem Dienstvermerk = offen = versehen sind", zugestellt werden, ein Vermerk, der vom Kläger hier unbestritten nicht vorgeschrieben war. Trotzdem ist das Telegramm der angeblichen Angestellten des Klägers offen vorgelegt worden. Mit Recht weist das Berufungsgericht (Urteil S. 10/11) darauf hin, dass der Schalterbeamte, obwohl die Bestimmungen der §§25, 28 TO dem Beamten vorschreiben, er dürfe das Originaltelegramm im Falle der Zurückziehung, Berichtigung oder Abschriftnahme dem Absender nur nach "gehörigem Ausweis" vorlegen, hier das Telegramm einem Dritten zur Kenntnis gebracht hat, ohne dass eine ausreichende Beziehung zum Absender überhaupt erkennbar war. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Schalterbeamte das Telegramm des Klägers statt an der angegebenen Adresse des Klägers im Zirkus Ho., und zwar der ihm unbekannten Sekretärin des Direktors Ho. ausgehändigt, ohne sich zu vergewissern, ob diese zur Entgegennahme überhaupt befugt war. Er hat damit in der Tat nicht einmal ein Mindestmass an Sorgfalt und Vergewisserung erfüllt. Er hat damit die in seiner Dienststellung erforderliche Sorgfalt ausser acht gelassen und damit schuldhaft im Sinne des §276 BGB gehandelt.

29

4.

Ob die Beklagte für dieses schuldhafte Verhalten des Schalterbeamten nach Vertrag oder nach unerlaubter Handlung haftet, bedarf hier keiner Entscheidung, da die weiteren Voraussetzungen für beide Haftungsgrundlagen erfüllt sind, wie sich aus den angefochtenen Urteilen ergibt und im Revisionsrechtszug auch nicht angegriffen worden ist.

30

5.

Die Anschlussrevision bittet schliesslich zu prüfen, ob der eingetretene Schaden noch als adäquat angesehen werden könne. Der Eintritt des Schadens habe ausserhalb aller Wahrscheinlichkeit gelegen, da er nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmässigen Lauf der Dinge ausser Betracht zu lassenden Umständen habe eintreten, können.

31

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Im geschäftlichen Leben kann jederzeit mit Schäden gerechnet werden, wenn eine geschäftliche Mitteilung in die Hände Unbefugter gerät.

32

Die Anschlussrevision ist daher unbegründet.

33

III.

Die Revision rügt Verkennung des Begriffs des Mitverschuldens.

34

1.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe durch sein Telegramm an das Metropoltheater bei Direktor Ho. den Eindruck erweckt, er habe mit dem Metropoltheater "konspiriert". Er hätte sich auch sagen müssen, dass Direktor Ho. nach Kenntnisnahme des Telegrammes den Vertrag mit dem Kläger vorzeitig lösen würde. Der Kläger habe, da er sich zur Übermittlung seiner Nachricht eines offenen Telegrammes bedient habe, damit rechnen müssen, dass das Telegramm Direktor Ho. bekannt werden könnte, da bei der Post sich aus technischen oder sonstigen Gründen eine Rückfrage beim Absender als notwendig erweisen und daraus die Gefahr der Kenntniserlangung durch einen Dritten namentlich dann habe entstehen können, wenn - wie im vorliegenden Falleaus dem Inhalt des Telegrammes nicht ohne weiteres hervorgegangen sei, dass die Geheimhaltung für den Absender wichtig sei. Wenn der Kläger die Kenntnisnahme des Inhalts seiner Mitteilung durch einen Dritten hätte ausschliessen wollen, so hätte er einen verschlossenen Brief übersenden müssen. Unbefugte Öffnung eines Briefes wäre nicht wahrscheinlich gewesen. Der Kläger habe daher den Schaden fahrlässig mitverursacht.

35

Bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens geht das Berufungsgericht davon aus, der Kläger sei in beiden entscheidenden Gesichtspunkten, sowohl beim Ausmass des Verschuldens wie auch bei der Schadensverursachung, wesentlich stärker belastet als der Schalterbeamte. Der Kläger habe die Bedeutung des Inhalts des Telegrammes gekannt und habe daher mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass die Aufgabe eines offenen Telegrammes, wenn sein Inhalt bekannt würde, zu Schwierigkeiten mit seinem Vertragspartner führen müsse. Er habe weiter damit rechnen müssen, dass der Inhalt des Telegrammes seinem Vertragspartner bekannt werden könnte. Die Übermittlung eines so gefährlichen Inhalts in einem offenen Telegramm stelle deshalb ein erhebliches Verschulden dar. Der Postbeamte habe dagegen die Bedeutung des Telegramminhalts nicht erkennen können. Er habe kaum damit zu rechnen brauchen, dass die Offenbarung des Telegramminhalts nennenswerte Folgen haben werde. Der Kläger habe ausserdem die erste und die entscheidende Ursache für den eingetretenen Schaden durch Aufgabe des Telegrammes gesetzt.

36

Mit Recht weist die Revision demgegenüber darauf hin, dass es sich nicht um ein "offenes" Telegramm gehandelt hat; Telegramme sind nach §26 I 1 TO vielmehr verschlossen zuzustellen. Das Telegramm des Klägers musste also bei der Zustellung geradeso wie ein Brief behandelt werden. Jedenfalls konnte der Kläger mit einer derartigen Behandlung rechnen. Das Telegramm ist auch nicht bei der Zustellung etwa deshalb in falsche Hände gekommen, weil der Kläger nicht persönliche Aushändigung an den Empfänger vorgeschrieben hätte. Der Kläger hatte ferner sachgemäss seine private Absenderanschrift in Freiburg und nicht die des Zirkus Ho. angegeben. Der Kläger hat also bei der Aufgabe des Telegrammes sachgemäss gehandelt. Der Kläger brauchte auch in keiner Weise damit zu rechnen, dass die Post genötigt sein würde, zu wenig gezahlte Gebühren einzufordern, da seine Sekretärin die von ihr geforderten Gebühren am Schalter bezahlt und nicht etwa ein unzureichend freigemachtes Telegramm der Post zur Beförderung zugeleitet hatte. Noch weniger konnte er damit rechnen, dass der Beamte bei Einziehung dieser Gebühren die Urschrift des Telegrammes einer ihm fremden Person ohne irgendeine Prüfung, ob es sich um eine Angestellte des Klägers handelte, offen vorlegen würde.

37

Unverständlich ist es, wie das Berufungsgericht von einem Überwiegen der Verursachung und der Schuld auf Seiten des Klägers sprechen kann. Selbst wenn man nicht jegliches Mitverschulden des Klägers als ausgeschlossen ansehen wollte, so würde die Verursachung auf Seiten der Beklagten völlig überwiegen, da die Amtspflichtverletzung des Postbeamten erst den Schaden herbeigeführt hat und der Kläger durch die Aufgabe des Telegrammes nur die Möglichkeit geschaffen hat, dass der Postbeamte diese allerdings nicht zu erwartenden und vom regelmässigen Verlauf der Dinge im stärksten Masse abweichenden Amtspflichtverletzungen begehen konnte.

38

Aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen lässt sich daher ein Mitverschulden des Klägers nicht herleiten.

39

2.

Im ersten Rechtszug war von der Beklagten vorgetragen worden, der Kläger habe mit dem Metropoltheater in vertragswidriger Weise gegen Direktor Ho. "konspiriert". Es sei deshalb unsittlich, dass er für den durch das Bekanntwerden seines vertragswidrigen Verhaltens entstandenen Schaden die Beklagte haftbar machen wolle. Das Berufungsgericht meint, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich mit dem Metropoltheater "konspiriert" habe, denn bereits der vom Kläger hervorgerufene Anschein eines solchen "Konspirierens" enthalte in Verbindung mit dem übrigen Verhalten des Klägers bei Aufgabe des Telegramms ein Mitverschulden. Das Berufungsgericht hat deshalb davon abgesehen, tatsächliche Feststellungen darüber zu treffen, ob der Kläger mit dem Metropoltheater "konspiriert" hat.

40

Aus der Begründung ergibt sich nicht mit Sicherheit, ob das Berufungsgericht ein tatsächlich erfolgtes "Konspirieren" rechtlich als Mitverschulden würdigt. Ob die rechtliche Würdigung des Konspirierens als Mitverschulden zutreffend ist, oder ob, wie das Landgericht (S. 10 seines Urteils) ausgeführt hat, die trotz "Konspirierens" erfolgende Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte "als missbräuchliche Rechtsausübung" gegen §242 BGB verstösst, bedarf zur Zeit noch keiner Entscheidung. Gleichgültig, ob beim Vorliegen eines "Konspirierens" der Schadenersatzanspruch wegen missbräuchlicher Rechtsausübung voll oder wegen Mitverschuldens zum Teil entfallen würde, auf jeden Fall bedarf es der tatsächlichen Feststellung, ob der Kläger mit dem Metropoltheater gegen Direktor Ho. konspiriert hat. Darüber fehlen aber tatsächliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat nicht etwa auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts (S. 10 jenes Urteils zu Ziff 4), der Kläger habe nicht "konspiriert", Bezug genommen, sondern hat diese Frage ausdrücklich dahingestellt gelassen (S. 19 des Urteils). Bei dieser Rechts- und Sachlage erschien es zweckmässig, dass das Berufungsgericht über die auf jeden Fall aufklärungsbedürftige Behauptung der Beklagten, der Kläger habe gegen Direktor Ho. konspiriert, zunächst tatsächliche Feststellungen trifft, ehe auf die Rechtsfrage weiter eingegangen wird, weil es je nach dem Ergebnis der tatsächlichen Prüfung möglicherweise einer Beantwortung der Rechtsfrage überhaupt nicht mehr bedarf.

41

Das Urteil musste daher aus den zu Ziff I und III erörterten Gründen auf die Revision und die Anschlussrevision aufgehoben werden. Die Sache war zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die notwendigen Feststellungen darüber trifft, ob die Voraussetzungen einer Feststellungsklage vorliegen (vgl. Ziff I) und ob der Kläger mit dem Metropoltheater gegen Direktor Ko. "konspiriert" hat (vgl. Ziff III).

42

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrechtszuges bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.

Dr. Riese Dr. Pagendarm Dr. Kleinewefers Dr. Bock Rietschel