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Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.10.1951, Az.: I ZR 58/51

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
30.10.1951
Aktenzeichen
I ZR 58/51
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1951, 11154
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hamburg
OLG Hamburg - 27.02.1951

Fundstellen

  • BGHZ 3, 316 - 321
  • DB 1952, 57 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1952, 99-100 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 1952, 118 (amtl. Leitsatz)
  • MDR 1952, 161-162 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1952, 258-259 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

der S.-GmbH, vertreten durch den Abwickler, Herrn P. in H., F.str. ...,

Prozessgegner

die H.-A. Paketfahrt Aktiengesellschaft, H.-A.-Linie, vertreten durch ihren Vorstand in H., F.str. ...

Amtlicher Leitsatz

Der unmittelbare Besitz des Deiches, der nach §14 Ziffer 5 UmstG Voraussetzung für die Eigenschaft einer Gesellschaft als Kriegsgesellschaft ist, setzt nicht in allen Fällen eine Kapitalbeteiligung des Reiches voraus. Er kann auch vorliegen, wenn das Reich sich auf anderem Wege einen beherrschenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft und einen Anteil am Gesellschaftsertrage verschafft hat.

hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 1951 unter Mitwirkung der Bundesrichter Prof. Dr. Lindenmaier, Dr. Heidenhain, Dr. Birnbach, Wilde und Dr. Krüger-Nieland

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 27. Februar 1951 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Die Klägerin verlangt mit der Klage von der Beklagten in Höhe von 6.100 DM Teilzahlung eines Guthabens das vor dem Kriegsende aus laufender Geschäftsverbindung in Höhe von 272.621,27 RM entstanden ist. Die Beklagte bestreitet die Höhe ihrer Schuld nicht, wendet aber Aufrechnung mit einer höheren Forderung an die N.-Reederei-GmbH ein, die - ebenso wie die Klägerin - als Treuhänderin des Deutschen Reiches im Kriege den Heeresnachschub über See betrieben habe und praktisch, wie die Klägerin selbst, nur als ausführendes Organ des Reiches mit ihr in Verbindung getreten sei. Die Aufrechnung sei mit Schreiben vom 17.6.1948 erklärt. Vorsorglich stellt die Beklagte noch drei weitere Forderungen gegen das Deutsche Reich zur Aufrechnung und macht hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht geltend.

2

Die Klägerin wurde während des Krieges von der Beklagten, dem N. L., der Reederei H.C. Ho. und den Reichswerken für Binnenschiffahrt Hermann Göring gegründet, nachdem die Seekriegsleitung sich entschlossen hatte, den bis dahin von der Kriegsmarine durchgeführten Nachschubtransport der Wehrmacht der über See privaten Firmen zu übertragen. Neben der Klägerin wurden für die verschiedenen Fahrtgebie von anderen Gesellschaften weitere drei Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht gegründet, darunter die bereits erwähnte Schuldnerin der Beklagten, die N. Reederei-GmbH. Die Klägerin nahm ihren Sitz in Nikolajew. Ihr Gesellschaftskapital von 200.000 RM wurde von den vier beteiligten Gesellschaftern zu gleichen Teilen aufgebracht. Die Klägerin erhielt zunächst von der Kriegsmarine unter dem 31. Mai 1943 einen Bereederungsauftrag für alle im Schwarzen- und Asow'schen Meere in der Nachschubschiffahrt eingesetzter in- und ausländischen Schiffe und übernahm die Erfüllung aller von der Marine eingegangenen Verträge und Verbindlichkeiten privatrechtlicher, öffentlichrechtlicher und staatsrechtlicher Art, die sie nur im Einvernehmen mit der Marine abändern oder aufheben durfte. Das Verhältnis der Klägerin zum Reich wurde dann durch Erlaß des dem Reichsverkehrsministerium angegliederten Reichskommissars für die Seeschiffahrt - Seeschiffahrtsamt - vom 22. Juni 1943 grundsätzlich geregelt. Das Unternehmen der Klägerin sollte ausschließlich dem Seeschiffahrtsamt zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben zur Verfügung stehen. Die Aufgabe bestand darin, Schiffsraum, der im Schwarzen Meer für deutsche Zwecke erfasst werde, zu übernehmen, fertig zu bauen, fahrbereit zu machen und zu bereedern. Der Erwerb des Eigentums an den Schiffen, Ausrüstungsgegenständen und Betriebsmitteln sowie jeder Privatgewinn und jedes Privatrisiko sollte grundsätzlich ausgeschlossen sein. Das Eigentum an Schiffen, Ausrüstungsgegenständen und Betriebsmitteln, sowie alle Verbindlichkeiten und Forderungen aus der Übernahme von Schiffen und aus dem laufenden Geschäftsbetrieb sollten im Verhältnis der Klägerin zum Reich als Eigentum des Reiches und als Verbindlichkeiten und Forderungen des Reiches gelten, als dessen Treuhänderin die Klägerin tätig sein sollte. Die im Betriebe der Klägerin anfallenden Gewinne und Verluste sollten auf Rechnung des Reiches gehen, das Gesellschaftskapital sollte mit 4 % verzinst werden. Für den Betrieb stellte das Seeschiffahrtsamt Vorschüsse zur Verfügung. Über Einnahmen und Ausgaben war am Ende des Geschäftsjahres Rechnung zu legen. Die Vergütung für den Geschäftsführer setzte das Seeschiffahrtsamt fest. Die Bezüge der leitenden Angestellten bedurften der Genehmigung des Seeschiffahrtsamtes, das schließlich auch die Aufnahme eines eigenen Vertreters in den Verwaltungsrat der Klägerin erwirkte. Der Betrieb sollte, soweit unter den besonderen kriegsmäßigen Bedingungen möglich, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten unter alleiniger Verantwortung der Klägerin geführt werden. Die Klägerin hatte dabei für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen.

3

Die Beklagte hat behauptet, daß die vier für die Nachschubschiffahrt eingesetzten Gesellschaften, insbesondere die N.-Reederei GmbH, auf der gleichen Grundlage gearbeitet und fast wörtlich die gleichen Anweisungen erhalten hätten. Nach dem Zusammenbruch sind die vier Gesellschaften aufgelöst worden. Sie werden sämtlich durch den Abwickler der Klägerin abgewickelt. Dabei hat sowohl die Klägerin wie die N.-Reederei sich ihren Gläubigern gegenüber darauf berufen, daß sie Kriegsgesellschaften im Sinne des §14 Ziff. 5 UmstG seien, die im mittelbaren Besitz des Reiches stünden, und deren Verbindlichkeiten nicht umgestellt worden seien. Die Beklagte hat unter dem 17. Juni 1948 an den Liquidator der Klägerin, der Nord-Reederei und der beiden anderen von ihm abzuwickeln den Schiffahrtsgesellschaften ein Schreiben gerichtet, worin sie unter Bezugnahme auf das Treuhandverhältnis der Gesellschaften gegenüber dem Reich ihre Forderung gegen die N.-Reederei in Höhe von 266.818,53 RM der Klägerin gutbringt und deren damals gleich hohe Forderung ausgleicht. Das Schreiben wurde auch der Hauptverwaltung für den Seeverkehr mitgeteilt. Die Klägerin hat diesem Ausgleich widersprochen.

4

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es verneint eine Aufrechnungsmöglichkeit sowohl wie ein Leistungsverweigerungsrecht mangels Gegenseitigkeit der Forderungen und führt aus, es könne nicht festgestellt werden, daß die Klägerin und die N.-Reederei Kriegsgesellschaften seien. Selbst wenn dies aber angenommen werden sollte, so seien beide doch als Privatpersonen mit dem Deutschen Reich nicht zu identifizieren, da das Treuhandverhältnis nur im Innenverhältnis der Gesellschaften zum Reich, nicht aber nach aussen gegenüber dritten Gläubigern und Schuldnern bestehe.

5

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hält die Klägerin für eine Kriegsgesellschaft, die im mittelbaren Besitz des Reiches stehe, glaubt aber, die gleiche Feststellung für die N-Reederei nicht ohne weiteres treffen zu können. Aus diesem Grunde versagt es der Aufrechnung gegenüber der N.-Reederei die rechtliche Anerkennung mangels Gegenseitigkeit. Hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen gegen das Reich führt es aus, daß die Beklagte die Klägerin zwar nicht mit dem Reich identifizieren, aber nach Treu und glauben infolge Kenntnis des Innenverhältnisses das Reich als ihren eigentlichen Gläubiger betrachten dürfe. Hier sei also die Gegenseitigkeit gegeben. Die Aufrechnung versage aber auch hier, weil die Aufrechnung erst nach der Währungsumstellung erklärt worden sei, als die Forderungen gegen das Reich nicht umgestellt und infolgedessen nicht mehr gleichartig gewesen seien. Es könne gleichwohl der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht nach §242 BGB nicht versagt werden, weil es in hohem Maße unbillig sei, der Klägerin eine verhältnismäßig geringe Forderung zuzusprechen, solange die dem Gericht bekannten Kriegsschädenforderungen der Beklagten von mehreren Millionen Reichsmark noch nicht geregelt seien, die demselben einheitlichen Lebensverhältnis wie die Klageforderung entstammten.

6

Mit der Revision verfolgt die Klägerin Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

7

Der Revision ist zuzugeben, daß die vom Berufungsgericht ausgesprochene Klageabweisung sich mit der gegebenen Begründung nicht halten lässt. Das vom Berufungsgericht angenommene Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten kann vor allem nicht auf ihre Kriegsschädenforderungen wegen Verlustes ihrer Flotte gestützt werden. Diese Forderungen sind von der Beklagten weder substantiiert noch zur Grundlage ihrer Leistungsverweigerung gemacht worden. Sie hat diese Verluste zwar beiläufig zweimal erwähnt und als gerichtsbekannt vorausgesetzt, stützt aber ihre Aufrechnung, und Leistungsverweigerung neben der unstreitigen Forderung gegen die N.-Reederei ausschließlich auf drei konkrete Gegenforderungen gegen das Reich, die von der Klägerin bestritten werden. Das Berufungsgericht behandelt diese Forderungen nur unter dem Gesichtspunkt der Aufrechnung und läßt sie ungeprüft, weil die Aufrechnung im Falle der N.-Reederei mangels Gegenseitigkeit, im Falle der Forderungen gegen das Reich mangels Gleichartigkeit zur Zeit der Aufrechnungserklärung versage. Das Urteil mußte also schon aus diesem Grunde aufgehoben werden.

8

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht den in erster Linie vorgebrachten Einwand der Aufrechnung nochmals überprüfen müssen, weil das von ihm angenommene Leistungsverweigerungsrecht begrifflich den Fortbestand der Klageforderung voraussetzt und gegenstandslos sein würde, wenn die Aufrechnungserklärung der Beklagten die Klageforderung getilgt haben sollte. Eine Aufrechnung der Beklagten mit Förderungen gegen das Reich oder einen ihm gleichzustellenden Schuldner wäre möglich, wenn der Vortrag der Beklagten sich als richtig erweisen sollte, daß die Klägerin lediglich eine juristisch verselbständigte Erscheinungsform des Reiches gewesen sei ohne eigene Willensbildung und ohne eine eigene Vermögenssubstanz, die ihr über die Errichtung ihrer juristischen Erscheinungsform hinaus die Wahrnehmung der umfangreichen Aufgaben habe ermöglichen können, die ihr anvertraut gewesen seien.

9

In dieser Richtung ist bereits die Annahme des Berufungsgerichts von Bedeutung, daß die Klägerin eine Kriegsgesellschaft im Sinne des §14 Ziff. 5 UmstG gewesen sei. Diese Annahme wird von der Revision zu Unrecht bekämpft.

10

Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsirrtum aus dem Inhalt des Gründungsvertrages der Klägerin und der Gesamtlage geschlossen, daß die Gründung der Klägerin Ende 1942 bereits mit der Zweckbestimmung erfolgt sei, der Kriegsführung, nämlich der Nachschubschiffahrt, zu dienen, wenn ihr auch die Aufgaben im einzelnen erst Mitte 1943 übertragen worden seien. Es konnte dabei auf der unstreitigen Tatsache fußen, daß die Klägerin von vornherein den russischen Hafen Nikolajew als ihren Sitz bestimmt hatte und vor der Übertragung ihrer endgültigen Aufgaben keinerlei eigene Geschäfte getätigt hat. Ohne Bedeutung ist hier der Streit der Parteien darüber, ob die Gründung der Klägerin nach der Darstellung der Beklagten auf einen Befehl des Seeschiffahrtsamtes zurückzuführen ist, oder nur auf eine Anregung, wie dies die Klägerin darstellt. Das ist mehr oder minder ein Streit um Worte, denen unter der damaligen autoritären Staatsführung eine maßgebliche und unterscheidende Bedeutung nicht zukommt. Die von Anfang an bestehende Zweckbestimmung der Klägerin wird dadurch nicht berührt. Sie allein ist für ihre Eigenschaft als Kriegsgesellschaft ausschlaggebend.

11

Auch das zweite Kriterium einer Kriegsgesellschaft im Sinne des §14 Ziff. 5 UmstG hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum bejaht, wenn es annimmt, daß die Klägerin im mittelbaren Besitz des Reiches gestanden habe. Es ist zwar richtig, daß die angezogene Bestimmung des Umstellungsgesetzes nur von mittelbarem Besitz des Reiches spricht und damit von dem Wortlaut des Militärregierungsgesetzes Nr. 52 (§2) abweicht, der für die dort angeordnete Vermögenssperre schon eine Kontrolle des Reiches über ein Unternehmen ausreichend sein läßt. Es muß also mehr vorliegen als eine bloße Kontrolle über ein Unternehmen, das Reich muß eine wenigstens mittelbare Beziehung zur Vermögenssubstanz und zur Gesamtheit des Unternehmens haben, wenn die Voraussetzung des §14 Ziff. 5 UmstG erfüllt sein soll. Daß diese Beziehung eine ausschließliche oder beherrschende sein müsse, ist nicht gesagt, und ebensowenig liegt ein Anhalt dafür vor, daß sie nur durch eine Beteiligung des Reiches am Gesellschaftskapital hergestellt werden könne. Die Kapitalbeteiligung ist nur eine der Formen, in denen, sich das Reich einen Einfluss auf die Willensbildung und einen Anteil am Gesellschaftsertrage verschaffen konnte, und sie wird in der Regel für die Annahme des mittelbaren Besitzes ausreichen. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob nicht auch eine unter der Majorität liegende Beteiligung dieses Erfordernis erfüllen kann und ob deshalb ein Anlaß zur Prüfung bestanden hätte, ob nicht im vorliegenden Falle der Viertelanteil der Reichswerke Hermann Göring am Gesellschaftskapital allein schon eine wenigstens mittelbare Vermögensbeziehung des Reiches zur Klägerin darstellt. Denn das Reich hat sich im vorliegenden Fall auf anderem Wege eine so weitgehende Herrschaft über das Vermögen und das Unternehmen der Klägerin verschafft, daß von ihrer gesellschaftlichen Eigenpersönlichkeit kaum etwas übrig blieb.

12

Schon die Form, vor allem aber der Inhalt der an die Klägerin erteilten Weisungen, ergeben die Unterwerfung des gesamten Unternehmens der Klägerin unter die Befehlsgewalt des Reiches.

13

Die Durchführungsbestimmungen des zunächst von der Kriegsmarine erteilten Bereederungsauftrages vom 30. Mai 1943 tragen zwar neben der Unterschrift der Seekriegsleitung noch die Unterschrift der Klägerin. Ihre Abänderung vom 22. September 1943 erfolgte aber bereits durch "Befehl" des Oberkommandos der Marine und ebenso wurde die grundsätzliche Gestaltung des Verhältnisses der Klägerin zum Reich durch einseitigen "Erlaß" des Reichskommissars für die Seeschiffahrt vom 22. Juni 1943 formuliert. Durch den Bereederungsauftrag (Ziff. 6) hatte die Klägerin nicht nur in alle von der Marine eingegangenen privatrechtlichen Verträge und Verbindlichkeiten einzutreten, sondern auch in die öffentlichrechtlichen und staatsrechtlichen, die durch Privatrechtsgeschäft nicht übernommen werden können. Ihr gesamtes Personal mit Ausnahme des leitenden Geschäftsführers und seiner Bevollmächtigten wurde Wehrmachtsgefolge und unterstand der Disziplinargewalt des Leiters der Seetransportstelle (Ziff. 16).

14

Entscheidend für die Gestaltung des Verhältnisses der Klägerin zum Reich sind aber vor allem die Grundsätze, die in dem Erlaß des Reichskommissars für die Seeschiffahrt (Seeschiffahrtsamt) vom 22. Juni 1943 niedergelegt sind. Der Klägerin wurde jede Geschäftsführung für eigene Rechnung verboten, sie mußte sich vielmehr ausschließlich auf die Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben beschränken. Erwerb von Eigentum, Forderungen und Gewinn war ihr nur im Rahmen des Treuhandverhältnisses, d.h. für Rechnung des Reiches gestattet, das auf der anderen Seite für alle Verbindlichkeiten und jedes Risiko mittelbar eintrat. Auf diese Weise entfiel jede Betätigungsmöglichkeit für das Gesellschaftskapital bis auf die übertragen und der unmittelbaren Kriegführung dienenden Aufgaben. Das Gesellschaftskapital bildete nicht mehr die Grundlage für den Betrieb und den Erwerb von gesellschaftlichem Vermögen, sondern sank zu einer ziffernmäßig begrenzten Geldschuld herab, die vom Reich mit 4 % verzinst und wie alle anderen Verbindlichkeiten zur Rückzahlung geschuldet wurde.

15

Der Annahme einer so gestalteten Beherrschung der Klägerin durch das Reich steht nicht im Wege, daß der Klägerin die alleinige Verantwortung für die Führung des Reedereibetriebes nach möglichst wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns auferlegt wurde. Diese Bestimmung dient angesichts der Ausschließlichkeit der übertragenen Aufgaben nicht der Wahrung einer begrenzten Eigenpersönlichkeit der Klägerin, sondern sollte lediglich ihre wirtschaftliche Erfahrung und ihr Personal für die Nachschubschiffahrt nutzbar machen. Das Berufungsgericht nimmt hiernach mit Recht an, daß die Klägerin eine im mittelbaren Besitz des Reiches stehende Kriegsgesellschaft ist.

16

Daran vermag auch die von der Revision hervorgehobene Tatsache nichts zu ändern, daß die Bankguthaben der Klägerin von der Norddeutschen Bank im Widerspruch zu der Bestimmung des §1 Abs. 1 c, gg UmstG in Deutsche Mark umgestellt worden sind. Wenn das geschehen sein sollte, so mag es auf Unkenntnis der wahren Beziehungen der Klägerin zum Reich oder auf eine unrichtige Beurteilung ihrer Bedeutung zurückzuführen sein, die das Gericht nicht bindet. Der Beklagten waren als Gesellschafterin der Klägerin alle diese Umstände bekannt, die für das Verhältnis der Klägerin zum Reich wesentlich sind. Es wird zu prüfen sein, ob die zwischen den Parteien getätigten Geschäfte, deren Einzelheiten bis auf den endgültigen Schuldbetrag bisher nicht erörtert worden sind, auf der Grundlage der Unselbständigkeit der Klägerin und ihrer ausschließlichen Bindung an das Reich getätigt worden sind und ob aus diesem Grunde die Beklagte berechtigt ist, das Reich als seinen eigentlichen Gläubiger anzusehen.

17

Sollten die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen dies ergeben, so steht nach der Entscheidung des Grossen Zivilsenats vom 20. Juni 1951 - GZS 1/51 -, der sich der Senat auch in diesem Falle anschließt -, der Aufrechnung der Beklagten mit Forderungen gegen das Reich weder die Nichtumstellung der Reichsschulden noch die Tatsache im Wege, daß Klageforderung und Aufrechnungsforderungen über verschiedene Kassen des Reichs abzurechnen waren. Es wäre also zu prüfen, ob die Gegenforderungen der Beklagten begründet und beschlagnahmefrei sind.

18

Auch die Forderung der Beklagten gegen die N.-Reederei-GmbH, die an sich unstreitig ist, könnte als Aufrechnungsforderung in Frage kommen, wenn die tatsächliche Prüfung ergeben sollte, daß auch diese Gesellschaft ein ebenso unselbständiges Werkzeug des Reiches gewesen ist, wie dies für die Klägerin behauptet worden ist. Nach der Behauptung der Beklagten soll die N.-Reederei auf der identischen Grundlage und unter der identischen Bindung an das Reich gearbeitet haben, wie die Klägerin. Bisher ist das nicht bestritten worden. Da dem Abwickler der Klägerin in der gleichen Eigenschaft auch die Unterlagen der Nord-Reederei zur Verfügung stehen, dürfte eine Aufklärung dieses Verhältnisses möglich sein. Sollte die Aufrechnung der Beklagten aus irgendeinem Grunde scheitern, so bliebe für das hilfsweise geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht nur ein geringer Raum. Denn auch dieses Recht setzt die vorstehend erörterte Gleichstellung der Klägerin mit dem Reich voraus. Ein Leistungsverweigerungsrecht könnte also allenfalls in Frage kommen, wenn Gegenforderungen der Beklagten zwar bestehen, aber etwa mangels Fälligkeit oder wegen Behaftung mit einer Einrede zur Aufrechnung nicht geeignet sein sollten. Auch der von der Beklagten vorgetragene Gesichtspunkt, daß alle mit der Klägerin getätigten Geschäfte in den größeren Rahmen der von der Beklagten übernommenen Zentralheuerabrechnung für alle deutschen Schiffe fielen, könnte in diesem Zusammenhange von Bedeutung sein.

Lindenmaier Heidenhain Birnbach Wilde Krüger-Nieland