Urt. v. 28.01.2016, Az.: I R 15/15
Verfahrensgang:
vorgehend:
FG Sachsen - 29.01.2015 - AZ: 4 K 1292/10
Rechtsgrundlage:
GewStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008 § 8 Nr. 1
Fundstellen:
BFHE 253, 179 - 181
BB 2016, 1243
BBK 2016, 576
BFH/NV 2016, 1110-1111
BFH/PR 2016, 243
BStBl II 2017, 62-63
DB 2016, 1173-1174
DB 2016, 6
DStR 2016, 1158-1159
DStRE 2016, 699
DStZ 2016, 509
EStB 2016, 209-210
FR 2016, 1110-1111
GmbHR 2016, 717-718
GmbH-StB 2016, 189-190
GmbH-Stpr. 2016, 310-311
HFR 2016, 805-806
KÖSDI 2016, 19831-19832
KSR direkt 2016, 8
NWB 2016, 1556
NWB direkt 2016, 585
NZG 2016, 755
StB 2016, 163
SteuK 2016, 327
StuB 2016, 438
StX 2016, 332-333
Ubg 2016, 372
BFH, 28.01.2016 - I R 15/15
Amtlicher Leitsatz:
Die Betragsgrenze für die Hinzurechnung (§ 8 Nr. 1 GewStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008) von 100.000 € ist im Fall einer negativen Summe der hinzuzurechnenden Finanzierungsanteile nicht spiegelbildlich anzuwenden. Lautet daher die Summe der Einzelhinzurechnungsbeträge auf einen Betrag zwischen ./. 1 € und ./. 100.000 €, dann ist ein Viertel dieser Summe dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (negativ) hinzuzurechnen.
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 29. Januar 2015 4 K 1292/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, streitet mit dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) über die Nichtberücksichtigung sog. negativer Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes (UntStRefG) 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) —GewStG 2002 n.F.— in Bezug auf Verlustanteile eines typisch stillen Gesellschafters.
Die Klägerin erklärte für das Streitjahr 2008 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 466 €. Des Weiteren gab sie Finanzierungskosten nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. in Höhe von ./. 3.217 € an. Der negative Hinzurechnungsbetrag von ./. 3.217 € ergab sich aus einer Saldierung von Schuldzinsen (+ 1.589 €), Mietzinsen (13/20 von + 2.640 € = + 1.716 €) und dem Verlustanteil des typisch stillen Gesellschafters (./. 6.522 €). Davon machte die Klägerin ein Viertel, also ./. 804 €, als sog. negative Hinzurechnungen geltend. Das FA folgte dem nicht. Es ermittelte bezüglich der Finanzierungskosten nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. einen Saldo von ./. 3.217 €. Davon berücksichtigte es 0 €.
Das nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren angerufene Sächsische Finanzgericht (FG) war demgegenüber der Auffassung, dass in Höhe von ./. 804 € Hinzurechnungen, also negative Hinzurechnungen, gewerbesteuerrechtlich anzusetzen sind (Urteil vom 29. Januar 2015 4 K 1292/10, nicht veröffentlicht).
Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Seines Erachtens folgt aus der Geltung der Betragsgrenze von 100.000 €, dass der Gesetzgeber den Begriff des Hinzurechnens auf positive Beträge beschränkt wissen wollte. Selbst wenn negative Hinzurechnungen als zulässig erachtet würden, müsse jedenfalls die 100.000 €-Grenze spiegelbildlich mit der Folge angewendet werden, dass negative —wie positive— Bagatellbeträge nicht zu berücksichtigen seien.
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass im Fall der Verlustbeteiligung eines stillen Gesellschafters auch negative Hinzurechnungsbeträge bei der Ermittlung des Gewerbeertrags anzusetzen sind. Dabei setzt die Berücksichtigung solcher Beträge nicht zusätzlich voraus, dass eine Betragsgrenze von ./. 100.000 € überschritten werden muss. Auch geringfügige negative Hinzurechnungsbeträge von ./. 1 € bis ./. 100.000 € sind mithin berücksichtigungsfähig.
1. Soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind, unterliegen u.a. die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters der Hinzurechnung (§ 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG 2002 n.F.). Sind daneben weitere gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, b und d bis f GewStG 2002 n.F. hinzuzurechnende Beträge zu berücksichtigen, dann ist aus den Einzelbeträgen eine Summe zu bilden und ein Viertel dieser Summe wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet, soweit die Summe den Betrag von 100.000 € übersteigt.
2. Erzielt der Inhaber des Handelsgewerbes einen Verlust und hat sich der stille Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag —entsprechend der dispositiven gesetzlichen Regelung in § 231 des Handelsgesetzbuchs— zur anteiligen Verlusttragung verpflichtet, dann ist dieser Verlustanteil in Form eines Betrages mit negativem Vorzeichen bei der Hinzurechnung zu berücksichtigen (sog. negative Hinzurechnung), was dazu führen kann, dass der nach einkommen- oder körperschaftsteuerrechtlichen Vorschriften zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb zu erhöhen (vgl. Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 192 mit einem Beispiel für eine solche Konstellation) oder, was häufiger vorkommen dürfte, ein ertragsteuerlich ausgewiesener Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe der vom stillen Gesellschafter getragenen Verluste für gewerbesteuerrechtliche Zwecke zu erhöhen ist. Eine solche negative Hinzurechnung ist auch dann geboten, wenn wegen eines hohen Verlustanteils des stillen Gesellschafters die in § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. in einer Zwischenrechnung auszuwerfende Summe der Einzelhinzurechnungsbeträge insgesamt negativ ist (a.A. R 8.1 Abs. 3 Satz 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009). Letzteres hat der Senat mit eingehender Begründung bereits entschieden (Senatsurteil vom 1. Oktober 2015 I R 4/14, BFHE 251, 73, BFH/NV 2016, 145 [BFH 01.10.2015 - I R 4/14]).
3. Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall eine negative Hinzurechnung in Höhe von ./. 804 € zu berücksichtigen. Denn die 100.000 €-Grenze ist in einem solchen Fall nicht spiegelbildlich anzuwenden.
Bei der 100.000 €-Grenze handelt es sich ausweislich der Gesetzesbegründung um einen "Freibetrag", der "zur Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen dienen" soll (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 80). Als Freibetrag setzt die Regelung aber einen positiven —freizustellenden— Betrag voraus. Zudem verkehrt sich der Entlastungszweck in sein Gegenteil, wenn die 100.000 €-Grenze spiegelbildlich zu Lasten des Steuerpflichtigen angewendet würde. Angesichts dieser, den Steuerpflichtigen (einseitig) begünstigenden Regelungsabsicht kann der Senat der Ansicht des FA, Bagatellbeträge müssten um der Gleichmäßigkeit der Besteuerung willen sowohl bei positivem wie bei negativem Vorzeichen steuerlich unberücksichtigt bleiben, nicht folgen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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