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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 10.06.2015, Az.: V B 136/14
Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde betreffend die Rückforderung einem Ausländer im Hinblick auf einen unzureichenden Aufenthaltstitel fehlerhaft gewährten Kindergeldes mangels grundsätzlicher Bedeutung
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.06.2015
Referenz: JurionRS 2015, 19452
Aktenzeichen: V B 136/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

Hessisches Finanzgericht - 25.09.2014 - AZ: 12 K 920/11

Fundstelle:

BFH/NV 2015, 1233

BFH, 10.06.2015 - V B 136/14

Redaktioneller Leitsatz:

Bei der Angabe der Art der Aufenthaltsberechtigung in einem ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel handelt es sich nicht um einen den Vertrauensschutz verdrängenden Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO. Die Familienkasse ist daher aus rechtlichen Gründen gehindert, irrtümlich gewährtes Kindergeld zurück zu fordern, weil kein ausreichender Aufenthaltstitel gegeben war.

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 25. September 2014 12 K 920/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Gründe

1

I. Streitig ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Berechtigung der Familienkasse, zu Unrecht ausgezahltes Kindergeld nach § 175 der Abgabenordnung (AO) rückwirkend zurückzufordern. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist Ausländer, der zum Zwecke der Fortbildung zum Facharzt im Inland zunächst eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 16 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) für ein Studium und später nach § 17 AufenthG für die Fortbildung erhalten hatte. Auf Antrag des Klägers bewilligte der Beklagte und Beschwerdeführer (die Familienkasse —FamK—) entgegen § 62 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Kindergeld. Nachdem nach Zuständigkeitswechsel die neu zuständig gewordene FamK den Fehler bemerkt hatte, forderte sie das Kindergeld unter Berufung auf § 175 AO zurück. Die hiergegen eingelegte Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Zur Begründung führte das FG aus, dass § 175 AO nicht einschlägig sei, weil es sich bei der ausländerrechtlichen Aufenthaltsberechtigung nicht um einen nach § 175 AO zu berücksichtigenden Grundlagenbescheid handele und im Übrigen die Änderung von § 16 zu § 17 AufenthG nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG ohne kindergeldrechtliche Auswirkung sei. Hiergegen wendet sich die FamK mit der auf grundsätzliche Bedeutung sowie Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.

2

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

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1. Die von der FamK bezeichnete Rechtsfrage, ob es sich bei einem Aufenthaltstitel nach dem AufenthG um einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO handelt, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

4

a) Es ist jedoch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits geklärt, dass es bei einem ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel bei Angabe der Art der Aufenthaltsberechtigung nicht um einen den Vertrauensschutz verdrängenden Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO handelt. Die ausländerrechtliche Festsetzung erzeugt lediglich Tatbestandswirkung und hindert eine eigenständige Überprüfung des ausländerrechtlichen Status durch die Kindergeldstelle (BFH-Beschluss vom 20. Februar 1998 VI B 205/97, BFH/NV 1998, 963; BFH-Urteil vom 25. Juli 2007 III R 55/02, BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758 [BFH 25.07.2007 - III R 55/02] unter Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 2. Oktober 1997 14 REg 1/97, SozR 3-1200 § 14 Nr. 24). Denn es ist nicht Zweck eines ausländerrechtlichen Statusbescheides, der Auswertung in einem kindergeldrechtlichen Folgebescheid zu dienen. Grundlagenbescheide, die bezwecken, in verfahrensrechtlich gestufter und abschichtender Weise die notwendigen Entscheidungen verbindlich vorzugeben, um auf dieser Grundlage die Folgebescheide erlassen zu können ohne Rücksicht auf einen Vertrauensschutz, liegen nur vor, wenn die Bindungs-wirkung durch das Gesetz selbst ausdrücklich angeordnet wird (Beschluss des Großen Senates des BFH vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, [BFH 11.04.2005 - GrS 2/02] Rz 37).

5

b) Im Übrigen hat der BFH auch für den Fall, in dem Kindergeld in der irrigen Annahme eines unzureichenden Aufenthaltstitels versagt worden ist, lediglich eine Anpassung an die materielle Richtigkeit für die Zukunft für möglich gehalten (BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2009 III B 175/08, BFH/NV 2010, 600). In dem vorliegenden umgekehrten Fall, in dem die Familienkasse irrtümlich von einem ausreichenden Aufenthaltstitel ausgegangen ist und Kindergeld zu Unrecht gewährt wurde, kann nichts anderes gelten.

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2. Da sonst geklärt ist, dass es sich bei dem Aufenthaltstitel nach dem AufenthG nicht um einen Grundlagenbescheid handelt, der zu einer Korrektur nach § 175 AO berechtigt, kommt es auf die weitere Frage, ob das FG bei den Rechtsfolgen des —hier nicht vorliegenden— Grundlagenbescheides von der Rechtsprechung des BFH abgewichen ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29. Juni 2005 X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749), nicht an.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung.

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