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Bundesfinanzhof
Urt. v. 27.02.2014, Az.: V R 18/11
Umsatzsteuerliche Behandlung der Provisionen eines Vermittlers von Reiseleistungen bei Gewährung von Nachlässen auf die Preise der vermittelten Leistungen
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 27.02.2014
Referenz: JurionRS 2014, 16200
Aktenzeichen: V R 18/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Düsseldorf - 23.03.2011 - AZ: 5 K 3298/08 U (EFG 2011, 2022)

Rechtsgrundlagen:

§ 17 Abs. 1 S. 1 UStG

Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 RL 77/388/EWG

Fundstellen:

ASR 2014, 1

BB 2014, 1493

BFH/NV 2014, 1166-1168

BFH/PR 2014, 277-278

BStBl II 2015, 306-307

DB 2014, 1348-1350

DB 2014, 1519

DStRE 2014, 889

HFR 2014, 736

KÖSDI 2014, 18918

NWB 2014, 1854

NWB direkt 2014, 652

StB 2014, 218

StBW 2014, 485

StBW 2014, 699

StuB 2014, 505

StuB 2014, 737-738

StX 2014, 394-395

UR 2014, 667-668

UStB 2014, 222-223

UVR 2014, 226

WPg 2014, 919-920

BFH, 27.02.2014 - V R 18/11

Amtlicher Leitsatz:

Aufgrund des EuGH-Urteils vom 16. Januar 2014 C-300/12 Ibero Tours (DStR 2014, 139) hält der Senat nicht daran fest, dass ein Vermittler das Entgelt für seine Vermittlungsleistung mindern kann, wenn er dem Kunden der von ihm vermittelten Leistung einen Preisnachlass gewährt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) vermittelte für Reiseveranstalter Reiseleistungen, die die Reiseveranstalter durch Provisionen vergüteten. Sie gewährte dabei den Reisekunden Preisnachlässe auf den Reisepreis, die sie selbst finanzierte, so dass der Reiseveranstalter trotz des Preisnachlasses den vollen Reisepreis erhielt. Die Reiseveranstalter versteuerten ihre Reiseleistungen nach § 25 des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (UStG), einer Regelung, die für die von der Klägerin erbrachten Vermittlungsleistungen nicht anzuwenden war.

2

Die Klägerin versteuerte die gegenüber den Reiseveranstaltern erbrachten Vermittlungsleistungen zunächst im Umfang der von den Reiseveranstaltern geschuldeten Provisionszahlungen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beantragte sie mit Schreiben vom 30. August 2007, die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre 2002 bis 2005 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung zu ändern, da die Gewährung der Preisnachlässe an die Reisekunden gemäß § 17 UStG zu einer Minderung der an die Reiseveranstalter steuerpflichtig erbrachten Vermittlungsleistungen geführt habe.

3

Dem schloss sich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch Erlass geänderter Steuerbescheide für die Streitjahre nur insoweit an, als die von den Reiseveranstaltern erbrachten Reiseleistungen steuerpflichtig waren. Soweit die durch die Reiseveranstalter erbrachten --und durch die Klägerin steuerpflichtig vermittelten-- Reiseleistungen gemäß § 25 Abs. 2 UStG steuerfrei waren, lehnte das FA die Änderung ab.

4

Hiergegen legte die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage ein, der das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2022 veröffentlichten Gründen stattgab. Danach mindern Preisnachlässe eines Vermittlers, soweit sie auf steuerpflichtige Vermittlungsleistungen entfallen, die Bemessungsgrundlage der an die Veranstalter erbrachten Vermittlungsleistungen auch dann, wenn die vermittelte Reiseleistung gemäß § 25 Abs. 2 UStG steuerfrei ist.

5

Gegen das Urteil des FG wendet sich das FA mit seiner Revision, die es auf Verletzung materiellen Rechts (§ 10 Abs. 1, § 17 Abs. 1 UStG) stützt.

6

Im Revisionsverfahren hat der Senat mit Beschluss vom 26. April 2012 V R 18/11 (BFHE 237, 512, BFH/NV 2012, 1393 [BFH 26.04.2012 - V R 18/11]) das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) zur Vorabentscheidung vorgelegt:

7

"1. Kommt es nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils vom 24. Oktober 1996 C-317/94, Elida Gibbs (Slg. 1996, I-5339) auch dann zu einer Minderung der Besteuerungsgrundlage im Rahmen einer Vertriebskette, wenn ein Vermittler (hier: Reisebüro) dem Empfänger (hier: Reisekunde) des von ihm vermittelten Umsatzes (hier: Leistung des Reiseveranstalters an den Reisekunden) einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet?

8

2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Sind die Grundsätze des EuGH-Urteils Elida Gibbs in Slg. 1996, I-5339 auch dann anzuwenden, wenn nur der vermittelte Umsatz des Reiseveranstalters, nicht aber auch die Vermittlungsleistung des Reisebüros der Sonderregelung nach Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG unterliegt?

9

3. Falls auch die zweite Frage zu bejahen ist: Ist ein Mitgliedstaat, der Art. 11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zutreffend umgesetzt hat, im Fall der Steuerfreiheit der vermittelten Leistung nur dann berechtigt, eine Minderung der Besteuerungsgrundlage zu versagen, wenn er in Ausübung der in dieser Bestimmung enthaltenen Ermächtigung zusätzliche Bedingungen zur Versagung der Minderung geschaffen hat?"

10

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 16. Januar 2014 C-300/12, Ibero Tours (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 139) wie folgt geantwortet:

11

"Die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG ... sind dahin auszulegen, dass die Grundsätze, die der Gerichtshof im Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94), zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer aufgestellt hat, nicht anzuwenden sind, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird."

12

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

14

Das FG habe zutreffend entschieden. Auf die Steuerpflicht der vermittelten Leistung komme es nicht an.

II.

15

Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die Klägerin ist nicht nach § 17 UStG berechtigt, das Entgelt für die an die Reiseveranstalter erbrachten Vermittlungsleistungen um Preisnachlässe zu vermindern, die sie den Kunden der Reiseveranstalter gewährt hat.

16

1. Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt hat, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Bei der Bemessungsgrundlage, deren Änderung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zur Berichtigung führt, handelt es sich um das Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 UStG (BFH-Urteile vom 28. Mai 2009 V R 2/08, BFHE 226, 166, BStBl II 2009, 870, unter II.3.a; vom 17. Dezember 2009 V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869, unter II.1., und vom 11. Februar 2010 V R 2/09, BFHE 228, 467, BStBl II 2010, 765 [BFH 11.02.2010 - V R 2/09], unter II.1.). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).

17

Unionsrechtliche Grundlage für § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG ist in den Streitjahren (2002 bis 2005) Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (entspricht Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG --MwStSystRL--). Danach wird im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes die Besteuerungsgrundlage (Steuerbemessungsgrundlage) unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert. § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 73 MwStSystRL). Danach umfasst die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer (Erwerber) oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

18

2. Der erkennende Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Entgeltminderung bejaht.

19

3. Der EuGH hat mit Urteil Ibero Tours in DStR 2014, 139 [EuGH 16.01.2014 - Rs. C-300/12], Leitsatz entschieden, dass sich aus dem EuGH-Urteil Elida Gibbs in Slg. 1996, I-5339 keine Entgeltminderung für den Fall ergibt, dass "ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird."

20

Danach wirkt sich der Preisnachlass nicht auf das Entgelt der vom Vermittler an den Reiseveranstalter erbrachten Dienstleistungen aus, da der Vermittler keinen Nachlass für die im Rahmen der Vermittlungstätigkeit an den Reiseveranstalter erbrachten Dienstleistungen gewährt (EuGH-Urteil Ibero Tours in DStR 2014, 139 [EuGH 16.01.2014 - Rs. C-300/12], Rdnr. 27). Aufgrund dieses Urteils hält der Senat nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 12. Januar 2006 V R 3/04, BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479, unter II.2. mit Berechnungsbeispiel; vom 13. Juli 2006 V R 46/05, BFHE 214, 463, BStBl II 2007, 186) fest, dass ein Vermittler das Entgelt für seine Vermittlungsleistung mindern kann, wenn er dem Kunden der von ihm vermittelten Leistung einen Preisnachlass gewährt.

21

4. Danach ist das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die durch die Klägerin als Vermittler gewährten Preisnachlässe für die von ihr vermittelten Leistungen führen nicht zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG, so dass es auf die zwischen den Beteiligten bislang streitige Frage der Steuerfreiheit oder Steuerpflicht der vermittelten Leistung nicht ankommt.

22

Der erkennende Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Denn das BFH-Urteil vom 15. Februar 2012 XI R 24/09 (BFHE 236, 267, BStBl II 2013, 712) betrifft eine anders gelagerte Fallgestaltung, bei der dem EuGH-Urteil Elida Gibbs in Slg. 1996, I-5339 entsprechend eine Lieferkette über einen Zwischenhändler vorliegt.

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