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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 13.05.2013, Az.: VII B 146/12
Nichtzulassungsbeschwerde betreffend die zolltarifliche Einreihung eines aus den USA eingeführten Kfz des Baujahrs 1948 als Sammlungsstück mangels eines Verfahrensfehlers
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.05.2013
Referenz: JurionRS 2013, 41238
Aktenzeichen: VII B 146/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Bremen - 16.02.2012 - AZ: 4 K 19/10 (2)

Rechtsgrundlage:

§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO

BFH, 13.05.2013 - VII B 146/12

Redaktioneller Leitsatz:

Die Verwertung fremdsprachiger Internetseiten im finanzgerichtlichen Verfahren führt nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Auslegung seitens des Finanzgerichts durch Übersetzungsfehler beeinflusst ist.

Gründe

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) führte im Jahr 2008 ein Kraftfahrzeug des Typs Chevrolet Pick-up des Baujahrs 1948 in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ein. In seiner Zollanmeldung bezeichnete er das Fahrzeug als Sammlungsstück mit geschichtlichem Wert und beantragte die Einreihung in die Pos. 9705 der Kombinierten Nomenklatur (KN). Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) setzte die Einfuhrabgaben zunächst antragsgemäß, aber wegen Zweifeln an der Einreihung des Fahrzeugs als Sammlungsstück nicht abschließend fest. In einem 2009 erstellten Gutachten reihte das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung das Fahrzeug --aufgrund der Angaben des amerikanischen Verkäufers auf dessen englischsprachiger Homepage im Internet über die von ihm an dem Wagen vorgenommenen Veränderungen-- als gebrauchten Lastkraftwagen in die Pos. 8704 KN ein. Daraufhin erließ das HZA den streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheid.

2

Einspruch und Klage, die der Kläger unter anderem damit begründet hat, der nachträgliche Austausch des ursprünglichen 216 ci-Motorblocks gegen einen originalen 235 ci-Motorblock des Baujahrs 1954 sei für die Klassifizierung des Fahrzeugs als Sammlungsstück unschädlich, da dadurch jedenfalls keine wesentliche Änderung gegenüber dem Originalzustand eingetreten sei, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) legte seiner Entscheidung die Internet-Berichte des amerikanischen Vorbesitzers über den Einbau des 235 ci-Motorblocks zugrunde, die der Kläger im Verlauf des Einspruchsverfahrens und des beginnenden Klageverfahrens nicht angezweifelt hatte. Es urteilte auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesfinanzhofs (BFH), das Fahrzeug habe sich bei der Einfuhr vor allem wegen des Austauschs des Motors nicht mehr im Originalzustand ohne wesentliche Änderungen an seinen wichtigsten Bestandteilen befunden und sei deshalb nicht als Gegenstand von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert i.S. der Pos. 9705 KN anzusehen.

3

Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begründet der Kläger mit Verfahrensfehlern des FG (Verletzung der Sachaufklärungspflicht) und mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bzw. dem Erfordernis einer BFH-Entscheidung zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Dem FG seien bei der Beurteilung der Umstände des Falles Fehler unterlaufen, deren Korrektur durch den BFH im Hinblick auf die davon betroffene große Anzahl von Importen historischer Fahrzeuge erforderlich sei. Wegen des gewandelten Verständnisses der grundsätzlichen Bedeutung sei die Revision auch im Interesse einer einheitlichen Anwendung einer Rechtsfrage von allgemeinem Interesse zuzulassen.

4

Das HZA tritt der Beschwerde entgegen. Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) seien nicht zu erkennen.

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend genannten Gründe für die Zulassung der Revision liegt vor.

6

1. Mit der Rüge, das FG habe seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, kann der Kläger in diesem Beschwerdeverfahren nicht gehört werden, da er sie nicht bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erhoben hat. Der Verfahrensfehler mangelhafter Sachaufklärung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist nur dann ordnungsgemäß dargelegt, wenn zusätzlich vorgetragen wird, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhalts und die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529, m.w.N.). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrages oder einer unterlassenen Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seiner Beweisanträge erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (Senatsbeschluss vom 28. März 2011 VII B 142/10, BFH/NV 2011, 1370, m.w.N.).

7

2. Einen weiteren Verfahrensmangel sieht der Kläger darin, dass das FG die in englischer Sprache abgefassten Internet-Auszüge verwertet hat, ohne sie zunächst übersetzen zu lassen.

8

Diese Rüge ist unbegründet. Die Verwertung der fremdsprachigen Internetseiten führt nicht von vornherein zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn das Urteil auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Das aber kommt nur dann in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Auslegung seitens des FG durch Übersetzungsfehler beeinflusst ist (BFH-Beschluss vom 8. Mai 2007 I B 12/06, BFH/NV 2007, 1679). Solche Anhaltspunkte sind der Beschwerde aber nicht zu entnehmen, sie sind auch nicht ersichtlich. Aus den vom FG im Urteil zitierten Internetberichten über die Veränderungen am Fahrzeug hat es seiner Entscheidung lediglich die Darstellungen zu dem im Zeitpunkt der Einfuhr eingebauten Motorblock zugrunde gelegt, indem es feststellt, das Fahrzeug habe sich nicht mehr im Originalzustand befunden, weil an einem seiner wichtigsten Bestandteile, dem Motorblock, eine wesentliche Änderung vorgenommen worden sei. Was es dazu den Berichten entnommen hat, ist im Urteil auf Deutsch zusammengefasst: "Hiernach ist das streitgegenständliche Fahrzeug jedenfalls 1948 mit einem 216 ci-Motorblock ausgeliefert worden, der von dem amerikanischen Vorbesitzer durch einen 235 ci-Motorblock aus dem Jahr 1954 ausgetauscht worden ist". Die Richtigkeit dieser Feststellungen zieht der Kläger nicht in Zweifel, sondern beanstandet, dass das FG den Einbau des 235 ci-Motorblocks als wesentliche Änderung gegenüber dem Originalzustand des Fahrzeugs gewertet hat. Das zeigt, dass die Entscheidung jedenfalls nicht durch Übersetzungsfehler beeinflusst war.

9

3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen. Die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte sind nicht geeignet, die Zulassung zu rechtfertigen. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage, deren Klärung durch den BFH erforderlich ist, hat der Kläger --entgegen den dazu in ständiger Rechtsprechung entwickelten Anforderungen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. November 2011 III B 8/11, BFH/NV 2012, 221, und vom 11. April 2012 X B 56/11, BFH/NV 2012, 1331; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.)-- nicht formuliert. Er macht vielmehr geltend, dem FG seien bei der Auslegung des Rechts Fehler unterlaufen, deren Korrektur wegen der Vielzahl der Oldtimer-Importe und unterschiedlicher Auffassungen zur Eingruppierung und Zollabfertigung historischer Fahrzeuge in Deutschland und der Europäischen Union im allgemeinen Interesse liege. Der Revisionsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfasse entgegen dem früher vorherrschenden Verständnis solche Fälle selbst dann, wenn sich der Fehler des FG nicht als schwerwiegend darstelle.

10

Wie der Kläger offensichtlich selbst erkennt, richtet sich seine Beschwerde gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Derartige Einwendungen können im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg führen. Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall --so sie denn vorliegen-- rechtfertigen für sich genommen nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. August 2010 X B 198/09, BFH/NV 2010, 2102; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34), und zwar auch dann nicht, wenn sich die vom FG vermeintlich falsch beantwortete Rechtsfrage in einer größeren Anzahl vergleichbarer Fälle ebenfalls stellen kann. Denn Rechtsanwendung ist Subsumtion des Sachverhalts unter die Rechtsnorm, die dem Tatrichter übertragene Würdigung der von ihm festgestellten Umstände des Einzelfalls (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).

11

Eine Ausnahme hiervon kommt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nur dann in Betracht, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG "objektiv willkürlich" erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist. Das ist im Streitfall nicht erkennbar und wird selbst vom Kläger nicht behauptet. Eine darüber hinausgehende Ausweitung der Zulassungsgründe ist der BFH-Rechtsprechung nicht zu entnehmen (z.B. Beschlüsse vom 14. Dezember 2011 X B 85/11, BFH/NV 2012, 749; vom 16. August 2011 III B 155/10, BFH/NV 2012, 48; vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35, m.w.N.).

12

4. Die Revisionszulassung kann der Kläger schließlich auch nicht mit dem Vorbringen erreichen, dass die Zollbehörden anderer EU-Staaten "mit den Bedingungen (für den Oldtimer-Import, Anm. des Senats) weitaus liberaler umgehen als die entsprechenden Behörden in Deutschland". Abgesehen davon, dass diese Rüge jegliche Konkretisierung vermissen lässt, ist damit eine Abweichung des FG-Urteils von Entscheidungen anderer Gerichte, die allein eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO begründen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Juli 2011 X B 117/10, BFH/NV 2011, 2075; vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 53, m.w.N.), nicht dargelegt. Divergierende Behördenentscheidungen --welchen EU-Landes auch immer-- erfordern keine höchstrichterliche Klärung.

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