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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 25.07.2011, Az.: I B 37/11
Berücksichtigung der Einkünfte des Welteinkommens bzgl. einer Rente aus der italienischen Sozialversicherung bei einem in Deutschland lebenden italienischen Staatsangehörigen
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 25.07.2011
Referenz: JurionRS 2011, 24958
Aktenzeichen: I B 37/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Hessen - 03.03.2011 - AZ: 10 V 204/11

Rechtsgrundlage:

§ 22 Abs. 1 Nr. 1 S. 3a EStG 2009

Fundstellen:

BFH/NV 2011, 1879-1880

IWB 2011, 794

BFH, 25.07.2011 - I B 37/11

Gründe

1

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist italienischer Staatsangehöriger mit ständigem Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in Deutschland. Seit dem 1. März 1991 ist er Rentenempfänger. Er bezieht für eine frühere nichtselbständig erbrachte Arbeit eine Firmenrente seines ehemaligen italienischen Arbeitgebers in Italien und eine Rente aus der italienischen Sozialversicherung des Rententrägers Istituto Nazionale della Previdenza Sociale (INPS). Die Rente des INPS wird in Italien nicht besteuert.

2

Für das Streitjahr 2009 erklärte der Antragsteller in seiner Einkommensteuererklärung beide Renten, die Firmenrente mit 16.002 € und die Rente des INPS mit 60.052 €. Für die Rente des INPS machte er Steuerfreiheit nach Art. 19 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 18. Oktober 1989 (BGBl II 1990, 743) --DBA-Italien 1989-- ohne Progressionsvorbehalt geltend. Abweichend von den Vorjahren behandelte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Rente des INPS als in Deutschland zu versteuernde Rente und setzte 50 v.H. als gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) steuerpflichtigen Teil der Rente bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte an. Der entsprechende Einkommensteuerbescheid erging am 14. Oktober 2010.

3

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein, der bisher noch nicht beschieden wurde. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA am 12. November 2010 ab. Am 23. November 2010 zahlte der Antragsteller die offenen Steuerbeträge auf den Einkommensteuerbescheid.

4

Sodann begehrte der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Auch dieser Antrag blieb erfolglos; das Hessische Finanzgericht (FG) lehnte ihn mit Beschluss vom 3. März 2011 10 V 204/11 ab.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde beantragt der Antragsteller,

den FG-Beschluss aufzuheben und die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2009 insoweit anzuordnen, als bei der Veranlagung die italienische Sozialversicherungsrente des INPS in Höhe von 60.052 € vom Antragsgegner berücksichtigt wurde.

6

Das FA beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

7

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II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

8

1.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aufheben. Die Aufhebung soll --u.a. und soweit hier einschlägig-- erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).

9

2.

Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids bestehen im Streitfall nach dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzuwendenden summarischen Prüfungsmaßstab nicht.

10

a)

Der Antragsteller wohnte im Streitjahr in Deutschland und war hier unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG 2009). Zu den hiernach zu erfassenden Einkünften seines Welteinkommens gehören auch die Renten der italienischen Sozialversicherung. Diese Renten werden in Deutschland nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG 2009 besteuert. Darüber besteht unter den Beteiligten im Grundsatz kein Streit.

11

b)

Das Besteuerungsrecht für die Renten gebührt nach summarischer Prüfung Deutschland, nicht aber Italien.

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aa)

Denn entweder handelt es sich hierbei um Ruhegehälter oder ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, und die nach Art. 18 DBA-Italien 1989 nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können (s. dazu z.B. Ismer in Vogel/ Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 18 Rz 29, 29a). Dass diese Besteuerungszuordnung unter dem Vorbehalt u.a. des Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 (i.V.m. Abschn. 14 Buchst. e des dazu ergangenen Protokolls vom 18. Oktober 1989) steht, ist insoweit unbeachtlich. Zwar können danach Ruhegehälter und alle anderen wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung eines Vertragsstaats von diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer ihrer juristischen Personen des öffentlichen Rechts gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, wenn der Empfänger Staatsangehöriger dieses Staates ist, ohne Staatsangehöriger des anderen Vertragsstaats zu sein. Letzteres --die alleinige italienische Staatsangehörigkeit-- trifft auf den Antragsteller zu, ersteres --die Besteuerungszuordnung infolge des sog. Kassenstaatsprinzips für Sozialversicherungsrenten-- nach vorläufiger rechtlicher Einschätzung jedoch nicht. Denn die in Rede stehenden Renten werden nicht auf Grund der italienischen Sozialversicherungsgesetzgebung "von" Italien gezahlt, sondern allenfalls "durch" Italien oder einer dessen öffentlichen Institutionen. Der präpositionelle Terminus "von" verdeutlicht in hinlänglicher Weise, dass die betreffenden Leistungen wirtschaftlich von dem jeweiligen Zahlenden herrühren müssen; ausschlaggebend sind danach nicht (nur) der bloße Zahlungsvorgang und die Zahlstelle, sondern der wirtschaftliche Zahlungsgrund. Sozialversicherungsrenten wie hier jene der INPS werden aber wirtschaftlich aus geleisteten Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber während der Zeit der aktiven Arbeitsleistung --also nicht als staatliche Leistungen-- aufgebracht, und so gesehen unterwirft die italienische Finanzverwaltung Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 zutreffend lediglich Staatspensionen und Kriegsrenten der Besteuerung, nicht aber allgemeine Sozialversicherungsrenten. In Einklang mit dem Abkommenstext ergibt sich auf diese Weise normspezifisch ein entscheidungsharmonisches Abkommensverständnis (s. dazu z.B. Senatsurteile vom 28. April 2010 I R 81/09, BFHE 229, 252, unter II.2. der Entscheidungsgründe; vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387, unter II.2. der Entscheidungsgründe; anders wohl Krabbe in Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 19 Italien Rz 27; s. aber auch Lobis, daselbst, Exkurs zu Art. 19 Italien Rz 132 ff.).

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bb)

Oder aber man vertritt die Auffassung, Sozialversicherungsrenten der vorgenannten Art werden auch nicht i.S. von Art. 18 DBA-Italien 1989 "für" frühere unselbständige Arbeit gezahlt. Dann unterfallen die Renten gleichwohl als andere Einkünfte gemäß Art. 22 Abs. 1 DBA-Italien 1989 dem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats und damit hier Deutschlands (vgl. z.B. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 18 Rz 11; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 18 MA Rz 18; Toifl in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, S. 287, 298 ff., Gassner/Konezny, daselbst, S. 311; Haase, AStG/DBA Art. 18 MA Rz 16). Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 könnte an dieser Besteuerungszuordnung aus den erwähnten Gründen abermals nichts ändern.

14

3.

Des Rückgriffs auf die sog. Rückfallklausel in Abschn. 16 Buchst. d des Protokolls vom 18. Oktober 1989 zu Art. 24 DBA-Italien 1989 bedarf es damit im Ergebnis ebenso wenig wie auf den in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2009 unilateral und abkommensübersteigend angeordneten Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland.

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