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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 19.11.2009, Az.: IV B 4/09
Begrenzung des Prognosezeitraums zur Ermittlung des Totalgewinns auf die Laufzeit des Nießbrauchrechts bei der Bestellung eines zeitlich begrenzten Vorbehaltsnießbrauchsrechts im Hinblick auf die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht des Nießbrauchsberechtigten
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.11.2009
Referenz: JurionRS 2009, 31406
Aktenzeichen: IV B 4/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Münster - 20.11.2008 - AZ: 2 K 3905/07 E

Fundstelle:

BFH/NV 2010, 657-658

BFH, 19.11.2009 - IV B 4/09

Gründe

1

Die Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

2

1.

Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfenen Rechtsfragen,- ob bei der Bestellung eines zeitlich begrenzten Vorbehaltsnießbrauchsrechts für die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht des Nießbrauchsberechtigten der Prognosezeitraum zur Ermittlung des Totalgewinns auf die Laufzeit des Nießbrauchsrechts begrenzt ist, wenn der Nießbrauchsgegenstand ein landwirtschaftlicher Betrieb ist, der im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich und zeitgleich mit der Bestellung des Nießbrauchs auf den Rechtsnachfolger übertragen wird;- ob bei unentgeltlicher Übertragung eines vermieteten Wohnobjektes i.S. des § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Bestellung eines zeitlich begrenzten Vorbehaltsnießbrauchsrechts der Prognosezeitraum zur Ermittlung des Totalüberschusses auf die Laufzeit des Nießbrauchsrechts zu begrenzen ist;haben grundsätzliche Bedeutung. Die Revision wäre danach grundsätzlich zuzulassen.

3

2.

Da dem FG aber ein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO unterlaufen ist, macht der Senat von der Möglichkeit gemäß § 116 Abs. 6 FGO Gebrauch.

4

a)

Das FG hat gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, da es das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2004 nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt hat, bis über die Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich entschieden worden ist (§ 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Abgabenordnung --AO--). Dieser Verfahrensfehler ist im Streitfall vom Senat zu berücksichtigen, ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger den Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens nicht gerügt hat.

5

b)

Nach den Feststellungen des FG haben der Kläger und seine verstorbene Ehefrau auf ihrer Hofstelle eine Pensionspferdehaltung betrieben. Diese Feststellungen werden auch durch den Inhalt des in Bezug genommenen notariellen Übergabevertrages vom 14. April 2000 bestätigt. Danach lebten der Kläger und seine verstorbene Ehefrau im Güterstand der Gütergemeinschaft. Landwirtsehegatten, die den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart haben, bilden auch ohne ausdrücklich vereinbarten Gesellschaftsvertrag eine Mitunternehmerschaft. Die zwischen ihnen bestehende Gütergemeinschaft stellt ein den in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Gesellschaftsverhältnissen vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis und damit eine taugliche Grundlage für die Begründung einer Mitunternehmerschaft i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 13 Abs. 5 EStG dar (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.b bb der Gründe; Senatsurteil vom 18. August 2005 IV R 37/04, BFHE 211, 155, BStBl II 2006, 165, m.w.N.). Daher sind die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich festzustellen.

6

Das Feststellungsverfahren ist grundsätzlich auch dann durchzuführen, wenn das für dieses Verfahren zuständige Finanzamt gleichzeitig auch für die Festsetzung der Einkommensteuer aller an den Einkünften beteiligten Steuerpflichtigen zuständig ist (BFH-Urteil vom 8. März 1994 IX R 37/90, BFH/NV 1994, 868). Da im Streitfall auch kein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, ist das Feststellungsverfahren auch nicht gemäß § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO entbehrlich (vgl. dazu im Fall einer Mitunternehmerschaft Senatsurteil vom 14. Februar 2008 IV R 44/05, BFH/NV 2008, 1156).

7

c)

Das Unterlassen der Verfahrensaussetzung gemäß § 74 FGO bis zur abschließenden Entscheidung über einen Grundlagenbescheid ist ein Verfahrensfehler, der im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist, ohne dass es eines entsprechenden Vorbringens der Verfahrensbeteiligten bedarf (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1156). Demgegenüber sind im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich auch Verstöße gegen die Grundordnung des Verfahrens oder die fehlerhafte Beurteilung von Sachentscheidungsvoraussetzungen geltend zu machen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), d.h. schlüssig zu rügen (BFH-Beschluss vom 21. Januar 2005 VIII B 326/03, BFH/NV 2005, 994; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 93). Der Senat hält es aus verfahrensökonomischen Gründen jedoch für geboten, in den Fällen, in denen die Revision gestützt auf andere Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO zuzulassen ist, das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Grundordnung des Verfahrens auch von Amts wegen zu berücksichtigen. Anderenfalls hätte die auf die anderen Zulassungsgründe gestützte Zulassung der Revision zur Konsequenz, dass das Beschwerdeverfahren gemäß § 116 Abs. 7 FGO als Revisionsverfahren fortgesetzt würde. Auf die Revision müsste der Senat die Vorentscheidung dann jedoch aus verfahrensrechtlichen Gründen aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen. Eine von den Beteiligten erstrebte abschließende Entscheidung in der Sache wäre dem BFH verwehrt. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ist die Vorentscheidung deshalb bereits im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

8

3.

Ob darüber hinaus auch die vom Kläger und seiner verstorbenen Ehefrau erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesondert und einheitlich festzustellen sind (§ 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO), ist zweifelhaft (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. März 2004 IX R 58/02, BFH/NV 2004, 1211). Darüber braucht der Senat jedoch im Streitfall nicht zu entscheiden, da eine Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung, wie ausgeführt, schon aus anderen Gründen zu erfolgen hat.

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