Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 17.05.1968, Az.: 3 AZR 143/67
Unrichtige Streitwertfestsetzung; Statthaftigkeit einer Streitwertrevision; Revisionsgrenze; Berichtigung einer Streitwertfestsetzung; Neufestsetzung des Streitwertes; Anrechnung bestimmter Vordienstzeiten; Besondere Kenntnisse; Notwendige Voraussetzungen; Generelle Versorgungsregelung; Anrechnungsrecht; Bestimmungsrecht
Bibliographie
- Gericht
- BAG
- Datum
- 17.05.1968
- Aktenzeichen
- 3 AZR 143/67
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1968, 10080
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LAG Berlin 17.02.1967 - 3 Sa 97/66
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BAGE 21, 22 - 37
- DB 1968, 1720 (Volltext)
- DB 1968, 1864 (Volltext)
- MDR 1968, 957 (amtl. Leitsatz)
- NJW 1968, 2028 (amtl. Leitsatz) "Gleichbehandlung"
- SAE 1968, 214
Amtlicher Leitsatz
1. Hat das Arbeitsgericht einen offenkundig und auf den ersten Blick falschen, nach keinen rechtlichen oder sonst vernünftigen Erwägungen zu rechtfertigenden Streitwert festgesetzt, so ist diese Streitwertfestsetzung für die Statthaftigkeit einer Streitwertrevision nicht verbindlich. Die Statthaftigkeit der Revision hängt dann davon ab, ob der richtige Streitwert offenkundig und auf den ersten Blick erkennbar die Revisionsgrenze überschreitet (Bestätigung von BAG 15.10.1965 3 AZR 12/65 = AP Nr. 18 zu § 72 ArbGG 1953 Streitwertrevision).
2. In einem solchen Fall ist das Landesarbeitsgericht berechtigt, die arbeitsgerichtliche Streitwertfestsetzung auch dann zu berichtigen, wenn der Wert des Streitgegenstandes sich nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils nicht geändert hat.
3. Das Landesarbeitsgericht muß seine Berichtigung des Streitwertes eingehend begründen.
4. Für das Revisionsgericht ist dann die zweitinstanzliche Streitwertfestsetzung maßgeblich. Nur wenn das Landesarbeitsgericht seinerseits offensichtlich unrichtig und willkürlich den arbeitsgerichtlichen Streitwert nicht für bindend erachtet oder wenn es seinerseits einen offensichtlich willkürlichen Streitwert festgesetzt hat, ist die Neufestsetzung durch das Landesarbeitsgericht unverbindlich.
5. Hängt nach einer Versorgungsordnung die Anrechnung bestimmter Vordienstzeiten davon ab, daß der Arbeitnehmer in diesen Zeiten auf wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Gebiet besondere Kenntnisse erworben hat, die die notwendige Voraussetzung für die Erfüllung der ihm arbeitsvertraglich obliegenden Arbeiten bilden, so gilt folgendes:
a. "Besondere Kenntnisse" sind solche Kenntnisse, die der Arbeitnehmer in seinem beruflichen Bereich über diejenigen Kenntnisse hinaus erworben hat, die schon nach den Tätigkeitsmerkmalen seiner Vergütungsgruppe vorausgesetzt werden.
b. Unter "notwendigen Voraussetzungen" im Sinne dieser Regelung müssen solche Voraussetzungen verstanden werden, die entweder nach der Natur der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung unerlässlich sind oder die der Arbeitgeber tatsächlich verlangt hat.
6. Sieht eine generelle Versorgungsregelung vor, daß der Arbeitgeber Vordienstzeiten unter bestimmten Voraussetzungen anrechnen kann, so unterliegt die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, in vollem Umfange der Nachprüfung durch das Gericht.
7. Sind die Voraussetzungen gegeben, so hat der Arbeitgeber nach billigem Ermessen (BGB §§ 315 ff.) darüber zu bestimmen, ob und in welchem Umfange er von seinem Anrechnungsrecht Gebrauch macht. Dabei darf er nur nach einheitlichen Maßstäben verfahren.
8. Hat der Arbeitgeber von seinem Bestimmungsrecht keinen Gebrauch gemacht, weil er irrtümlich angenommen hat, die tatbestandlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben, so wird die Bestimmung durch das Gericht getroffen.
9. Das Gericht ist gehalten, bei seiner Entscheidung alle Umstände des Falles mit zu berücksichtigen, insbesondere auch die praktische Handhabung des Arbeitgebers, soweit diese Praxis mit der Versorgungsordnung im Einklang steht.