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Zugewinngemeinschaft

 Normen 

§§ 1363 ff. BGB

 Information 

1. Inhalt der Zugewinngemeinschaft

Die Zugewinngemeinschaft ist ein ehelicher Güterstand, sie ist der gesetzliche Güterstand. Wenn die Zugewinngemeinschaft z.B. durch Scheidung endet, findet ein Zugewinnausgleich statt.

Die Vermögen von Frau und Mann (eingebrachtes und später erworbenes) bleiben während der Ehe grundsätzlich getrennt. Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen selbstständig, unterliegt jedoch Verfügungsbeschränkungen:

  • Ein Ehegatte kann über ihm gehörende Gegenstände des ehelichen Haushalts nur verfügen und sich zu einer solchen Verfügung auch nur verpflichten, wenn der andere Ehegatte einwilligt (§ 1369 BGB).

  • Ein Ehegatte kann sich nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen (§§ 1365 BGB):

    Begriffsbestimmung Vermögen im Ganzen:

    Nach der Rechtsprechung ist die Handlungsfreiheit eines Ehegatten durch die Zustimmungsbedürftigkeit nicht nur eingeschränkt, wenn sich das Geschäft nach den vertraglichen Erklärungen explizit auf sein ganzes Vermögen bezieht, sondern auch dann, wenn er über einzelne ihm gehörende Gegenstände verfügt, die jedoch wirtschaftlich im Wesentlichen oder nahezu sein gesamtes Vermögen ausmachen. Jedenfalls bei größeren Vermögen wie hier ist die Grenze bei 90 % zu ziehen (OLG München 15.09.2022 - 34 Wx 114/22).

    "Mehrere Rechtsgeschäfte, die in ihrer Gesamtheit den Tatbestand des Gesamtvermögensgeschäfts erfüllen, je für sich betrachtet jedoch unbedenklich sind, bleiben zustimmungsfrei auch dann, wenn sie in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen. Alle Geschäfte sind dagegen gebunden, wenn sie nicht nur in zeitlichem, sondern zugleich auch in sachlichem Zusammenhang stehen und wirtschaftlich einen einheitlichen Lebensvorgang bilden"  (OLG München 15.09.2022 - 34 Wx 114/22).

    Subjektive Voraussetzng:

    "Denn zur Anwendung des § 1365 BGB ist weiter erforderlich, dass der Erwerber positiv weiß, dass es sich bei dem Geschäftsobjekt um das gesamte Vermögen seines Gegenübers handelt, oder dass er zumindest die Umstände kennt, aus denen sich dies ergibt. (...) Bei engen Verwandten liegt, sofern sie in Kontakt miteinander stehen, eine entsprechende Kenntnis nahe"  (OLG München 15.09.2022 - 34 Wx 114/22).

    Vollstreckungsunterwerfung:

    Diese Beschränkung erfasst nicht eine Vollstreckungsunterwerfung (BGH 29.05.2008 - V ZB 6/08).

    Belastung eines Grundstücks:

    Bei der Belastung eines Grundstücks, dass das alleinige oder wesentliche Vermögen des verfügenden Ehegatten ausmacht, ist entscheidend, inwieweit die Belastung den Wert des Grundstücks als Zugriffsobjekt für potenzielle Gläubiger, und damit auch für den Ehegatten des Verfügenden als möglichen Gläubiger eines Anspruchs auf Zugewinn, absinken lässt (BGH 07.10.2011 - V ZR 78/11).

    Wohnrecht:

    Der BGH hat entschieden, dass bei der Veräußerung eines Grundstücks ein dem Veräußerer im Zuge der Eigentumsübertragung eingeräumtes Wohnungsrecht als diesem verbliebener Vermögenswert zu berücksichtigen ist und eine Verfügung über das gesamte Vermögen ausschließt. Begründet wird dies mit der Vermögensqualität des Wohnungsrechts (BGH 16.01.2013 - XII ZR 141/10).

    Grundbuchamt:

    Das Grundbuchamt ist nur dann zu einer Beanstandung berechtigt und verpflichtet, wenn es von dem Vorliegen der Voraussetzungen des §§ 1365 Kenntnis hat oder wenn aus den Eintragungsunterlagen oder aufgrund bekannter bzw. nach der Lebenserfahrung naheliegender Umstände begründeter Anlass zu einer solchen Annahme besteht. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte sowohl für das Vorliegen des objektiven als auch für das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes des §§ 1365 gegeben sind, darf das Grundbuchamt die Zustimmung des anderen Ehegatten oder den Nachweis weiteren Vermögens verlangen (BGH 21.02.2013 - V ZB 15/12).

2. Modifizierung der Zugewinngemeinschaft

Durch Vereinbarungen in einem Ehevertrag kann die Zugewinngemeinschaft modifiziert werden:

Beispiel:

Zulässig ist es, das Betriebsvermögen aus dem Zugewinnausgleich herauszunehmen. Dabei wurde von der Rechtsprechung auch eine Klausel anerkannt, in der das gewillkürte Betriebsvermögen ausgenommen war. "Steuerrechtlich ist die Zuordnung eines gemischt genutzten Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen zulässig, wenn das Wirtschaftsgut zu mindestens 10 % betrieblich genutzt wird" (OLG Frankfurt am Main 13.01.2020 - 8 UF 115/19).

3. Vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft

Der Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten vor Vermögensminderungen des anderen Ehegatten vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags wird durch die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft erreicht.

Rechtsgrundlagen sind die §§ 1385 - 1388 BGB.

Gemäß § 1386 BGB kann jeder Ehegatte die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte hat nunmehr zwei Möglichkeiten:

  1. a)

    Er kann seinen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns zusammen mit der Aufhebung der Zugewinngemeinschaft direkt einklagen.

    oder

  2. b)

    Er kann nur auf Aufhebung der Zugewinngemeinschaft klagen.

Ein berechtigtes Interesse ist nicht erforderlich:

"Das Verlangen nach vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft knüpft im Fall der §§ 1386, 1385 Nr.1 BGB allein an die Trennung und den Ablauf einer mindestens dreijährigen Trennungszeit an; weder der mit der Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verbundene Wegfall des Schutzes vor Gesamtvermögensgeschäften (§1365 BGB) noch die gleichzeitige Anhängigkeit einer güterrechtlichen Folgesache im Scheidungsverbund gebieten die darüber hinausgehende Darlegung eines berechtigten Interesses an der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft" (BGH 20.03.2019 - XII ZR 544/18).

Der vorzeitige Ausgleich des Zugewinns oder die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft können nicht wegen der Nichterfüllung der Auskunftspflicht verlangt werden (BGH 17.09.2014 - XII ZB 604/13).

Der BGH hat diese Rechtsprechung wie folgt weitergeführt:

Der Anspruch endet aber mit dem Scheitern der Ehe: "Ob die Ehe im Sinne der §§ 1353 Abs. 2, 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB gescheitert ist, muss - wenn nicht die gesetzlichen Zerrüttungsvermutungen des § 1566 BGB eingreifen - als tatrichterliche Prognose unter Würdigung aller Umstände entschieden werden. Leben die Ehegatten getrennt, rechtfertigt der Nichtablauf des Trennungsjahres für sich genommen noch nicht den Schluss, dass die Ehe noch nicht endgültig gescheitert sei und der Unterrichtungsanspruch weiterhin geltend gemacht werden könne" (BGH 24.11.2021 - XII ZB 253/20).

Der Anspruch kann zumindest in den Fällen des § 1385 Nrn. 2 - 4 BGB durch einen Arrest gesichert werden (OLG Brandenburg 26.01.2015 - 9 UF 17/15).

4. Ausschluss des Zugewinnausgleichs

Der ehevertragliche Ausschluss des Zugewinnausgleichs ist nicht allein deswegen unwirksam, weil die Ehefrau im Zeitpunkt des Abschlusses schwanger war bzw. der Ehemann während der Ehe keine auszugleichenden Versorgungsanwartschaften erworben hat (BGH 17.10.2007 - XII ZR 96/05).

Hinweis:

Die Wahl-Zugewinngemeinschaft ein Güterstand, der bei binationalen Ehen möglich ist.

 Siehe auch 

Direktversicherung - Allgemein

Ehevertrag

Güterstand

Scheidung - Gemeinsame Schulden

Scheidung - Miteigentum

Unbenannte Zuwendungen

Zugewinnausgleich

Zugewinnausgleich - Berücksichtigung einzelner Vermögenswerte

Brüggemann: Vermögensnachfolge: Rückwirkend vereinbarte Zugewinngemeinschaft; Erbfolgebesteuerung - ErbBstg 2008, 182

Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht; 11. Auflage 2018

Götz: Lebzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft als Gestaltungsmittel zur Erlangung rückwirkender Steuer- und Straffreiheit bei unbenannten Zuwendungen; Deutsches Steuerrecht - DStR 2001, 417

Heinemann: Hinweis zur Vertragsgestaltung: Die Wahl-Zugewinngemeinschaft als neuer Güterstand; Der Familien-Rechts-Berater - FamRB 2012, 129

Kuckenburg / Perleberg-Kölbel: Unternehmen im Familienrecht; 2. Auflage 2022

Limmer: Die modifizierte Zugewinngemeinschaft - ein sachgerechter Güterstand bei Unternehmerehen; Zeitschrift für Familien- und Erbrecht - ZFE 2006, 340

Münch: Die Scheidungsimmobilie; 3. Auflage 2019

Münch: Ehebezogene Rechtsgeschäfte; 5. Auflage 2020