Weiterbeschäftigungsanspruch
1 Einführung
Die hier dargestellten Inhalte erstrecken sich auf den Anspruch des Arbeitnehmers auf Ausübung seiner bisherigen Arbeitstätigkeit zwischen der Kündigung und dem Ende des Kündigungsschutzprozesses.
Daneben bestehen folgende andere Weiterbeschäftigungsansprüche, die in den folgenden Beiträgen ausgeführt werden:
die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung
der Weiterbeschäftigungsanspruch der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach der Beendigung der Ausbildung (siehe hierzu in dem Beitrag "Jugend- und Auszubildendenvertretung" den Gliederungspunkt "Kündigungsschutz")
der Wiedereinstellungsanspruch nach Kündigung oder Auflösungsvertrag
der Anspruch des Arbeitnehmers auf Beschäftigung im laufenden Arbeitsverhältnis
2 Allgemein
Der Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers regelt, ob ein Arbeitnehmer, der innerhalb der 3-Wochen- Frist Kündigungsschutzklage eingereicht hat, nach Ablauf der Kündigungsfrist oder, bei einer fristlosen Kündigung nach deren Zugang, vom Arbeitgeber bis zum Ende des Kündigungsschutzprozesses die weitere Beschäftigung verlangen kann.
Hinweis:
Es besteht keine rechtliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Weiterbeschäftigung! Durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage hat er seinen Willen zur Weiterarbeit ausreichend erklärt.
Jedoch kann die Beantragung der Weiterbeschäftigung ggf. Auswirkungen auf die Notwendigkeit der Erhebung einer zweiten Kündigungsschutzklage gegen eine weitere Kündigung haben.
Ohne einen Weiterbeschäftigungsantrag gilt folgende Rechtslage:
Obsiegt der Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage, muss der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fortsetzen. Durch Erhebung der Kündigungsschutzklage bringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsbereitschaft zum Ausdruck, die der Arbeitgeber durch das Festhalten an der Kündigung ablehnt. Dadurch gerät der Arbeitgeber rechtlich in Annahmeverzug.
Unterliegt der Arbeitgeber, muss er das Gehalt, den der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit erhalten hätte, nachzahlen. Der Arbeitnehmer muss sich jedoch das Gehalt aus einem ggf. in der Zwischenzeit eingegangenem neuem Arbeitsverhältnis anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer die Arbeit auch hätte tatsächlich erbringen können, d.h. nicht krank war und seinen Arbeitswillen auch erklärt hat.
Die gesetzlichen Regelungen zur Weiterbeschäftigung bzw. die Rechtsprechung sind dabei eindeutig und unterscheiden danach, ob in dem entsprechenden Betrieb ein Betriebsrat existiert.
3 Inhalt des Weiterbeschäftigungsanspruchs
3.1 Bei Widerspruch des Betriebsrates
Wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber widersprochen hat, der ArbeitnehmerKündigungsschutzklage eingereicht hat und er ausdrücklich eine Weiterbeschäftigung fordert, muss der Arbeitgeber gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG das bisherige Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortsetzen.
Der Anspruch entsteht unmittelbar mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Das Recht besteht nicht bei einer außerordentlichen Kündigung.
In dem Urteil BAG 09.07.2003 - 5 AZR 305/02 hat das Bundesarbeitsgericht den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers abgelehnt, da der Widerspruch des Betriebsrats gegen die Kündigung zwar fristgemäß erfolgt sei, aber nicht ordnungsgemäß. Das Gericht bemängelte, dass sich der Widerspruch auf den in § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG genannten Grund bezog (Arbeitgeber hat bei der Auswahl soziale Gesichtspunkte nicht berücksichtigt), jedoch nicht die inhaltlichen Anforderungen eines derartigen Widerspruchs erfüllte. Ein ordnungsgemäßer Widerspruch setzt voraus, dass der Betriebsrat in dem Widerspruch darlegt, warum die getroffene soziale Auswahl fehlerhaft ist, d.h. welcher Arbeitnehmer weniger schutzbedürftig ist.
Der Weiterbeschäftigungsanspruch besteht zudem nicht, wenn
die Klage des Arbeitnehmers erfolglos erscheint,
die Weiterbeschäftigung zu einer unzumutbaren Belastung für den Arbeitgeber führen würde,
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.
3.2 Bei Betrieben ohne Betriebsrat / Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung
Bis zu einem Urteil in der 1. Instanz hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Es gibt aber von diesem Grundsatz zwei Ausnahmen:
Es liegt eine offensichtlich unbegründete Kündigung vor.
Es besteht ein besonderes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers.
Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn die berufliche Qualifikation des Arbeitnehmers unter der Pause schwer leiden würde oder er z.B. an einer für ihn wichtigen Fortbildung gehindert würde.
Obsiegt der Arbeitnehmer in der 1. Instanz (und legt der Arbeitgeber ein Rechtsmittel ein), kehrt sich die Rechtslage um: Jetzt hat der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf eine Weiterbeschäftigung bis zum Ende des Kündigungsschutzprozesses, es sei denn die Weiterbeschäftigung ist für den Arbeitgeber unzumutbar, etwa wegen des Verdachts des Verrats von Geschäftsgeheimnissen oder wenn dem Arbeitnehmer Unredlichkeiten nachgewiesen werden konnten.
Dabei hat der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf seinen konkreten früheren Arbeitsplatz, im Rahmen der Grenzen des Direktionsrechts ist es ausreichend, wenn der Arbeitgeber "den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit erfüllt" (BAG 21.03.2018 - 10 AZR 560/16).
3.3 Öffentlicher Dienst
Im öffentlichen Dienst hat der Arbeitnehmer bei Einwendungen des Personalrats gegen die Kündigung gemäß § 85 Abs. 2 BPersVG (bzw. den Personalvertretungsgesetzen der Länder) einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Im Übrigen sind die oben dargelegten allgemeinen Grundsätze auch auf das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst übertragbar.
4 Verfahren
Vereinbaren die Parteien eine befristete Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Ende des Kündigungsschutzprozesses, so bedarf diese zu ihrer Wirksamkeit nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22.10.2003 - 7 AZR 113/03) gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG der Schriftform.
Rechtlich kann die Weiterbeschäftigung mit einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden.
Obsiegt der Arbeitgeber und war die Kündigung wirksam, endet das Arbeitsverhältnis automatisch. Der Weiterbeschäftigungsanspruch war rechtsgrundlos, der Arbeitgeber ist aber durch den Wert der Arbeitsleistung bereichert und muss dem Arbeitnehmer den angemessenen Lohn zahlen.