Videoverhandlung
Der die Videoverhandlung im Zivilrecht regelnde § 128a ZPO wurde zum 19.07.2024 neu gefasst:
Absatz 1 Satz 1 der Neuregelung stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung auch als Videoverhandlung durchgeführt werden kann. Die Videoverhandlung wird damit einer Verhandlung im Sitzungszimmer unter physischer Anwesenheit aller Beteiligten gleichgestellt. Sämtliche Verfahrenshandlungen einer mündlichen Verhandlung können folglich auch im Rahmen einer Videoverhandlung vorgenommen werden. Der vormaligen ausdrücklichen Erlaubnis zur Vornahme von Verfahrenshandlungen außerhalb des Sitzungszimmers bedarf es nicht mehr.
In Absatz 1 Satz 2 wird eine Definition der Videoverhandlung eingeführt: Eine Videoverhandlung liegt danach vor, wenn mindestens ein Verfahrensbeteiligter oder mindestens ein Mitglied des Gerichts an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung teilnimmt.
Jeder Verfahrensbeteiligte und das Gericht müssen die Möglichkeit haben, alle anderen Verfahrensbeteiligten und die Mitglieder des Gerichts zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung sowohl visuell als auch akustisch wahrzunehmen. Dies setzt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/8095) nicht voraus, dass alle Verfahrensbeteiligten und das Gericht ständig gleichzeitig auf einem Bildschirm zu sehen sind.
Besondere Anforderungen an die Aufenthaltsorte der Beteiligten werden nicht gestellt. Bei dem Aufenthaltsort kann es sich grundsätzlich um jeden beliebigen Ort handeln. Neben Kanzlei- oder Büroräumen kommen auch private Arbeitszimmer und ähnliche Räume in Betracht. Die Beteiligten müssen lediglich sicherstellen, dass sie auf die erforderliche technische Ausstattung zugreifen können und eine stabile, störungsfreie Übertragung am jeweiligen Ort gewährleistet ist.
Die Verpflichtung zum Tragen einer Amtstracht bei Richtern bzw. einer Berufstracht bei Rechtsanwälten bleibt bestehen.
Neu ist auch, dass dem Vorsitzenden zusätzlich die Möglichkeit gegeben werden, die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videoverhandlung anzuordnen.
Bei Anträgen aller Prozessbevollmächtigten auf Teilnahme an der Verhandlung per Bild- und Tonübertragung wird das Entscheidungsermessen des Vorsitzenden dahingehend eingeschränkt, dass eine Videoverhandlung in der Regel anzuordnen ist (»Soll«-Vorschrift).
Technische Störungen:
Das OLG Celle (OLG Celle 15.09.2022 – 24 W 3/22) hat Anhaltspunkte geliefert, wann eine technische Störung einen Anspruch auf eine Terminsverlegung begründet:
»Bei der Beurteilung, ob technische Störungen mit unklarer Ursache einer Partei als Verschulden zuzurechnen sind, ist der Normzweck des § 128a Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen, nach dem die Nutzung dieser Verfahrensweise nicht derart erschwert werden darf, dass sie für den Verfahrensbeteiligten, der im Wege der Bild- und Tonübertragung an der Verhandlung teilzunehmen beabsichtigt, riskanter ist als das persönliche Erscheinen im Gericht.«
»Das Gericht hat die Verhandlung nach § 337 Satz 1 ZPO zu vertagen, wenn eine Partei an der nach § 128a Abs. 1 ZPO im Wege der Bild- und Tonübertragung durchgeführten Verhandlung nicht teilnimmt, weil die Übertragung aus ihr nicht zuzurechnenden ungeklärten technischen Gründen nicht zustande kommt.«
D.h. nach der Ansicht der Richter ist vorbehaltlich der vorzunehmenden Würdigung des Einzelfalls (…) eine Partei daher regelmäßig ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert, wenn sie an der Verhandlung nicht teilnehmen kann, weil trotz Beobachtung der als erforderlich anzusehenden Sorgfalt (…) aufgrund nicht mehr aufklärbarer technischer Umstände eine Bild- und Tonübertragung nicht zustande kommt.