Verkehrsunfall - Ausland - Ausländer
AuslPflVG
RL 2021/2118
1 Verkehrsunfall im Inland mit einem ausländischen Unfallgegner
Sofern der Unfall sich in Deutschland ereignet hat, gilt nach dem Tatortgrundsatz (Art. 40 Abs. 1 EGBGB) für Grund und Höhe des Schadensersatzanspruches deutsches Recht. Allerdings kann das deutsche Recht des Unfallorts gemäß Art. 41 Abs. 1 EGBGB durch eine andere Anknüpfung verdrängt werden, wenn eine wesentlich engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates besteht (OLG Düsseldorf 05.11.2007 – 1 U 64/07).
Aber: Wer als Ausländer sein Fahrzeug nach einem Unfall in Deutschland unrepariert in sein Heimatland zurückbringt, kann sich unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gefallen lassen müssen, dass bei einer Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten auf die günstigeren Preise seines Heimatlandes abgestellt wird. Anders liegt der Fall, wenn der Ausländer für längere Zeit in Deutschland lebt und ihm das im Ausland zugelassene Kfz zur Verfügung gestellt wurde (OLG Düsseldorf 05.11.2007 – 1 U 64/07).
Eine Besonderheit ist, dass der deutsche Unfallbeteiligte seine Ansprüche nicht nur gegen den Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung richten kann, sondern auch an das Deutsche Büro Grüne Karte (Hamburg) bzw. die Gemeinschaft der Grenzversicherer (Hamburg).
Sowohl das Deutsche Büro Grüne Karte als auch die Gemeinschaft der Grenzversicherer sind in einem Prozess allein passivlegitimiert.
2 Verkehrsunfall im Ausland
2.1 Anwendbares Schadensersatzrecht
Rechtsgrundlage ist die VO 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-Verordnung).
Anwendbar ist gemäß Art. 4 Absatz 1 VO 864/2007 grundsätzlich das Schadensersatzrecht des jeweiligen Unfalllandes.
Haben die Unfallbeteiligten zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so ist gemäß Art. 4 Absatz 2 VO 864/2007 das deutsche Schadensrecht, aber das Straßenverkehrsrecht des Unfallortes anwendbar.
Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen besteht bei Vorliegen der in Art. 4 Absatz 3 VO 864/2007 genannten Voraussetzungen.
Der in Deutschland ansässig Geschädigte kann vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates hat. Nicht zulässig ist jedoch die Klage gegen den Versicherten oder Versicherungsnehmer, wenn dieser seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem des Klägers hat. Ist insofern eine Klage gegen mehrere einfache Streitgenossen erhoben worden und fehlt es bezüglich eines von ihnen an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, kann er durch Teilurteil aus dem Prozess entlassen werden (BGH 24.02.2015 – VI ZR 279/14).
Nach der RL 2021/2118 ist jeder EU-Mitgliedstaat verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit die Fahrzeuge in dem jeweiligen Land in einer Haftpflichtversicherung versichert sind. Vorgegeben wird zudem eine Mindestversicherungssumme sowie ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung. Auch müssen die EU-Länder Entschädigungsstellen einrichten, die für Personen- und Sachschäden Ersatz leisten, wenn das Fahrzeug nicht ermittelt oder nicht versichert war. Der Inhalt der RL 2021/2118 ist in das deutsche Recht eingearbeitet, u.a. in das »(Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (Auslandsfahrzeug-Pflichtversicherungsgesetz - AuslPflVG)«.
Die Frage, ob der Verletzte seinen Ersatzanspruch unmittelbar gegen einen Versicherer des Ersatzpflichtigen geltend machen kann, richtet sich gemäß Art. 40 Abs. 4 EGBGB alternativ nach dem auf die unerlaubte Handlung oder dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht. Die Bestimmung sieht eine echte Alternativanknüpfung vor; der Direktanspruch ist nicht nur subsidiär aus dem Versicherungsvertragsstatut herzuleiten.
Führen die beiden Anknüpfungsalternativen zu unterschiedlichen Rechtsordnungen, ist das für den Geschädigten im konkreten Einzelfall günstigere Recht anzuwenden. Der Verletzte muss sich nicht auf eine der in Betracht kommenden Rechtsordnungen berufen; vielmehr hat das Gericht von Amts wegen das dem Geschädigten günstigere Recht zu ermitteln (BGH 01.03.2016 – VI ZR 437/14).
Rechtsprechung:
»Für den Ausgleichsanspruch zwischen deutschen Versicherern von Zugmaschine und Anhänger bei einem Unfall im Ausland (hier: Schweiz) ist auf das Deliktstatut des Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO abzustellen bzw. der Art. 3 HStVÜbk, weil es sachgerecht ist, für ein- und dasselbe Geschehen stets dasselbe Recht anzuwenden« (OLG Celle 05.02.2020 – 14 U 163/19).
2.2 Rechtschutzdeckung
Die Rechtsschutzversicherung des Geschädigten übernimmt dabei alternativ gemäß Abschnitt 5 ARB 2012/§ 5 Abs. 1b ARB 2008/2000/94 folgende Kosten:
Die Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen ausländischen Rechtsanwalts.
oder
Die Vergütung eines im Inland zugelassenen Rechtsanwalts.
Daneben beinhaltet der Versicherungsschutz:
Die Übernahme der Kosten für einen ausländischen Sachverständigen.
Die Übernahme der Reisekosten, wenn das ausländische Gericht das Erscheinen des Versicherungsnehmers angeordnet hat. Die Kostenübernahme ist begrenzt auf die Höhe der für deutsche Rechtsanwälte geltenden Geschäftsreisekosten.
Die Kosten einer Übersetzung.
2.3 Entschädigungsstelle und Schadenregulierungsbeauftragte
Art. 10 ff. der RL 2009/103 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht verpflichten die EU-Mitgliedstaaten zur Einrichtung einer Entschädigungsstelle sowie zur Bestimmung eines Schadensregulierungsbeauftragten.
Aufgabe der Entschädigungsstelle ist es, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Unfallschadenregulierung im Wohnsitzmitgliedstaat des Geschädigten zu übernehmen. Die Aufgaben der Entschädigungsstelle sind in Deutschland dem »Verkehrsopferhilfe eingetragener Verein« (http://www.verkehrsopferhilfe.de) in Hamburg übertragen worden.
Jeder Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer ist daneben verpflichtet, in jedem Mitgliedstaat der EU einen Schadenregulierungsbeauftragten zu benennen. Die Vorgaben der Richtlinie sind in Deutschland in § 163 VAG umgesetzt.
Aufgabe des Schadenregulierungsbeauftragten ist es, im Auftrag des Versicherungsunternehmens Ansprüche auf den Ersatz von Personen- und/oder Sachschäden zu bearbeiten und zu regulieren. Voraussetzung ist ein Unfall, der sich in einem anderen EU-Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedsstaat des Geschädigten ereignet hat, und dass der Unfall mit einem Fahrzeug verursacht wurde, das in einem EU-Mitgliedstaat versichert ist und dort seinen gewöhnlichen Standort hat.
Der Schadenregulierungsbeauftragte muss dabei in dem Mitgliedstaat ansässig oder niedergelassen sein, für den er benannt ist.