Rechtswörterbuch

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach Themen im Rechtswörtebuch zu suchen!

Verhaltensbedingte Kündigung - Einzelfälle

 Normen 

§ 1 Abs. 2 KSchG

 Information 

1. Alkohol am Arbeitsplatz

Ein gesetzlich geregeltes Verbot von Alkohol am Arbeitsplatz besteht grundsätzlich nicht. In vielen Betrieben ist es üblich, dass zu bestimmten Anlässen ein Glas Sekt getrunken wird.

Die Anordnung eines gänzlichen Alkoholverbots unterliegt grundsätzlich dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. In Betrieben mit einem Betriebsrat ist die Anordnung jedoch mitbestimmungspflichtig.

Konsumiert der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz regelmäßig Alkohol oder erscheint alkoholisiert zur Arbeit, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nicht alkoholabhängig ist. Alkoholabhängigkeit stellt eine Krankheit dar, die auch arbeitsrechtlich nicht anders beurteilt wird. Eine Kündigung richtet sich nach den Voraussetzungen der personenbedingten Kündigung.

Beruht der Alkoholkonsum des Mitarbeiters (noch) nicht auf einer Alkoholabhängigkeit, kann ihm nach dem erfolglosen Ausspruch einer Abmahnung gekündigt werden. In diesen Fällen ist das Verhalten des Arbeitnehmers von diesem noch steuerbar und könnte sich nach einer Abmahnung ändern.

2. Verdacht einer Straftat

Siehe insofern den Beitrag "Verdachtskündigung".

3. Außerdienstlich begangene Straftat

Strafbares außerdienstliches Verhalten kann Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beschäftigten begründen. Der Vorwurf kann dazu führen, dass es dem Arbeitnehmer - abhängig von seiner Funktion - an der Eignung für die künftige Erledigung seiner Aufgaben mangelt. Ob daraus ein personenbedingter Kündigungsgrund folgt, hängt von der Art des Delikts, den konkreten Arbeitspflichten des Arbeitnehmers und seiner Stellung im Betrieb ab. Außerdienstlich begangene Straftaten eines im öffentlichen Dienst mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers können auch dann zu einem Eignungsmangel führen, wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt (BAG 20.06.2013 - 2 AZR 583/12).

4. Tätlichkeiten auf einer Betriebsfeier

Tätlichkeiten auf einer Betriebsfeier gegenüber einem Kollegen rechtfertigen auch bei einem langjährigen und bis dahin unauffälligen Arbeitnehmer die außerordentliche Kündigung (LAG Düsseldorf 22.12.2015 - 13 Sa 957/15).

5. Gehaltspfändungen

Mehrfache Gehaltspfändungen des Arbeitnehmers, die über das übliche Maß hinausgehen und einen erheblichen Arbeitsaufwand erfordern, können nach einer Abmahnung einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen.

6. Minderleistung / Schlechtleistung

6.1 Abgrenzung verhaltensbedingter / Personenbedingter Kündigungsgrund

Nach der Rechtsprechung kann die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer wegen Minderleistung als verhaltensbedingte oder als personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein (BAG 03.06.2004 - 2 AZR 386/03):

  • Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Eine längerfristige deutliche Unterschreitung der durchschnittlichen Arbeitsleistung kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer weniger arbeitet, als er könnte.

  • Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn bei einem über längere Zeit erheblich leistungsschwachen Arbeitnehmer auch für die Zukunft mit einer schweren Störung des Vertragsgleichgewichts zu rechnen ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung BAG 17.01.2008 - 2 AZR 536/06 folgende Grundsätze zur Kündigung wegen Schlechtleistung aufgestellt:

Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag, wie meistens, der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen.

Der Arbeitnehmer muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Ob er dieser Verpflichtung nachkommt, ist für den Arbeitgeber anhand objektivierbarer Kriterien nicht immer erkennbar. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft.

In einer Vergleichsgruppe ist stets ein Angehöriger der Gruppe das "Schlusslicht". Andererseits ist das deutliche und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichbaren Mittelwerts oft der einzige für den Arbeitgeber erkennbare Hinweis darauf, dass der schwache Ergebnisse erzielende Arbeitnehmer Reserven nicht ausschöpft.

Es besteht eine abgestufte Darlegungslast:

  1. a)

    Zunächst muss der Arbeitgeber zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Kennt er lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten.

  2. b)

    Anschließend muss der Arbeitnehmer darlegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Hier können altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch Krankheit, aber auch betriebliche Umstände eine Rolle spielen.

    Kann der Arbeitnehmer darlegen, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft, kommt nur eine personenbedingte Kündigung in Betracht.

6.2 Minderleistung als verhaltensbedingter Kündigungsgrund

Der Arbeitgeber sollte zur Vorbereitung einer auf einer willentlichen Minderleistung gestützten verhaltensbedingten Kündigung die Minderleistungen des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum dokumentieren.

Vor dem Ausspruch der Kündigung ist der Arbeitnehmerabzumahnen. Danach ist ihm ein den Umständen des Einzelfalls angemessener Zeitraum einzuräumen, die Minderleistung abzulegen.

7. Eigenmächtige Urlaubsnahme

Bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch den Arbeitnehmer für den Fall, dass der Arbeitgeber einem unberechtigten Verlangen auf Gewährung zusätzlichen bezahlten oder unbezahlten Urlaubs nicht entsprechen sollte, ist ohne Rücksicht auf eine später tatsächlich auftretende Krankheit an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu geben (BAG 17.06.2003 - 2 AZR 123/02).

8. Unpünktlichkeit

Dauernder, verspäteter Arbeitsbeginn des Arbeitnehmers kann nach einer Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Wiederholte Unpünktlichkeiten eines Arbeitnehmers sind dann an sich geeignet, auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verweigerung der Arbeitspflicht erreicht haben. In diesem Falle ist es nicht für die Eignung als wichtiger Grund, sondern nur für die Interessenabwägung erheblich, ob es neben einer Störung im Leistungsbereich auch noch zu nachteiligen Auswirkungen im Bereich der betrieblichen Verbundenheit (Betriebsordnung, Betriebsfrieden) gekommen ist. Auch in diesem Bereich liegt eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses nicht schon dann vor, wenn der Arbeitsablauf oder der Betriebsfrieden "abstrakt" oder "konkret gefährdet" ist, sondern nur dann, wenn insoweit eine konkrete Störung eingetreten ist (BAG 17.03.1988 - 2 AZR 576/87, LAG Rheinland-Pfalz 23.04.2009 - 10 Sa 52/09).

9. Zeiterfassungsmanipulation

Jede Manipulation oder falsche Eingabe der Arbeitszeit in ein Zeiterfassungssystem bedeutet einen schweren Vertrauensbruch und kann mit einer außerordentlichen Kündigung geahndet werden (so u.a. BAG 24.11.2005 - 2 AZR 39/05).

10. Telefon / Internet

Siehe insofern den Beitrag "Internetnutzung - Arbeitnehmer".

11. Whistleblowing / Stellung eines Strafantrags

Siehe insofern den Beitrag"Whistleblowing".

12. Coronatest während der Arbeitszeit

Das Arbeitsgericht Köln (ArbG Köln 26.10.2022 - 7 Ca 984/22) hat einen ordentlichen und außerordentlichen Kündigungsgrund abgelehnt in einem Fall, in dem ein kommunaler Angestellter trotz entgegenstehender Dienstanweisung während der Arbeitszeit bei sich einen Corona-Test durchführen ließ, nachdem seine Lebensgefährtin ihn über ihren positiven Test informierte hatte, er einen Außendienst wahrnehmen musste und er seine Vorgesetzte nicht erreichen konnte, dies aber nachweislich versucht hatte.

Nach der Ansicht des Gerichts war ohne das Vorliegen einer entsprechenden Täuschungsabsicht der Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Pflicht, Coronatests außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen, ohne den vorherigen Ausspruch einer Abmahnung nicht geeignet, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen.

 Siehe auch 

Arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer

Betriebsbedingte Kündigung

Kündigung

Kündigungsfrist - Arbeitsrecht

Kündigungsschutz

Personenbedingte Kündigung

Sexuelle Belästigung

Verhaltensbedingte Kündigung

Bengelsdorf: Die verhaltensbedingte Kündigung des süchtigen Arbeitnehmers; Fachanwalt Arbeitsrecht - 2013, 322

Eickmann: Verhaltensbedingte Kündigung: Rechtsprechungsübersicht: Private Internetnutzung am Arbeitsplatz; Arbeit und Arbeitsrecht - AA 2010, 114

Glanz: Kündigung von leistungsschwachen Mitarbeitern; NJW-Spezial 2008, 82

Gottwald: Verhaltensbedingte Kündigung bei krankhaftem Alkoholismus; Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht - NZA 1999, 180

Korinth: Die verhaltensbedingte Kündigung. Mit einem ABC der Kündigungsgründe und Praxishinweisen; Neue Wirtschafts-Briefe - NWB 2006, 2871

Lansnicker: Außerdienstliches fremdenfeindliches Verhalten des Arbeitnehmers als Kündigungsgrund? Der Betrieb - DB 2001, 865