Rechtswörterbuch

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Tatbestandsirrtum

 Normen 

§ 16 StGB

 Information 

Vorsatz ist das Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Tatbestandsmerkmale. Wer bei Begehung einer Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich.

Beispiel:

Der Täter glaubt, dass die Sache, die er wegnimmt, nicht fremd ist, sondern ihm gehört. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Diebstahls sind somit nicht erfüllt.

Möglich ist weiterhin eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung des Delikts, sofern die fahrlässige Strafbarkeit gesetzlich vorgesehen ist.

Der Tatbestandsirrtum kann sich auf alle Merkmale beziehen, auf die sich der Vorsatz erstrecken muss.

§ 16 Abs. 2 StGB enthält eine privilegierende Vorschrift für Täter in einer speziellen Irrtumskonstellation:

"Wer bei der Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden."

Der BGH hat sich nun damit auseinandergesetzt, was als milderes Gesetz anzusehen ist (BGH 19.10.2022 - 4 StR 168/21):

"Ein milderes Gesetz (...) ist allein eine privilegierende lex specialis. (...) Eine solche Konstellation liegt vor, wenn es sich bei dem Tatbestand des "milderen Gesetzes" um die Privilegierung eines mit höherer Strafe bedrohten Grunddeliktes handelt (...). Sie ist nicht gegeben, wenn die beiden in Rede stehenden Delikte zueinander im Verhältnis der Alternativität stehen (vgl. dazu Puppe, JR 1984, 229, 232) und der festgestellte Sachverhalt in objektiver Hinsicht das schwerere Delikt verwirklicht, während der Täter irrig von Umständen ausgeht, die - lägen sie vor - den Tatbestand des anderen, "milderen" Delikts erfüllen würden."

Beispiel:

Diese Voraussetzung erfüllt § 184c Abs. 1 StGB im Verhältnis zu § 184b Abs. 1 StGB nicht (siehe die Ausführungen in dem obigen Urteil).

 Siehe auch 

Irrtümer im Strafrecht

Verbotsirrtum

BGH 16.07.2003 - 2 StR 209/03 (Tatbestandsirrtum bei sexueller Nötigung)

Flore/Tsambikakis: Steuerstrafrecht; 3. Auflage 2024

Satzger/Schluckebier/Werner: StGB. Kommentar; 6. Auflage 2024

Herzberg/Hardtung: Grundfälle zur Abgrenzung von Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum; Juristische Schulung - JuS  1999, 1073