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Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung

Normen

§ 371 AO

Information

1 Einführung

Das Recht der in § 371 AO geregelten Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung wurde zum 1. Januar 2015 reformiert. Die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige sowie für ein Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen wurden deutlich verschärft.

2 Voraussetzungen der Straffreiheit

Die Neufassung des § 371 Abs. 1 AO sieht weiterhin vor, dass Angaben zu allen strafrechtlich unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang zu berichtigen sind, allerdings mindestens zu allen Steuerstraftaten innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre. Die Einführung dieser festen fiktiven Frist von zehn Jahren ist aus Gründen der Rechtsklarheit im Strafrecht erforderlich. Für die Selbstanzeige bedeutet die Verlängerung der Berichtigungspflicht auf mindestens zehn Kalenderjahre für alle Fälle der Steuerhinterziehung, dass auch in Fällen der einfachen Steuerhinterziehung für zehn Jahre rückwirkend die hinterzogenen Steuern nacherklärt werden müssen, unabhängig davon, ob bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Finanzbehörde erhält damit zukünftig die Angaben des Steuerpflichtigen auch für die Jahre, die sie bislang schätzen musste. Ausgangspunkt für die Berechnung der fiktiven Frist von zehn Jahren ist die Abgabe der Selbstanzeige. Die Berichtigungspflicht besteht für alle Steuerstraftaten einer Steuerart für die zurückliegenden zehn Kalenderjahre.

3 Ausschluss der Straffreiheit

Durch das zum 01.01.2015 erfolgte Ersetzen des bisherigen Begriffs des "Täters" durch den Begriff des "an der Tat Beteiligten" erstreckt sich die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 AO auch auf Anstifter und Gehilfen (Beihilfe). Wenn z.B. einem Täter einer Steuerhinterziehung die Prüfungsanordnung nach § 196 AO für eine steuerliche Außenprüfung bekannt gegeben worden ist, kann der Anstifter zu der Steuerhinterziehung nicht mehr eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung abgeben. Vielmehr ist auch für ihn die Selbstanzeige gesperrt.

Die Ausschlussgründe im Einzelnen: Bei Vorliegen der in § 371 Abs. 2 AO aufgeführten Sachverhalte tritt die Straffreiheit nicht ein:

  1. a)

    Straffreiheit wird nicht gewährt, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung

    1. aa)

      dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben worden ist,

      Mit der Aufnahme des Begriffs des "Begünstigten" im Sinne des § 196 AO wurde eine Regelungslücke geschlossen. In der Vergangenheit waren in der Praxis Fälle aufgetreten, in denen ein Mitarbeiter zugunsten des Unternehmens eine Steuerhinterziehung begangen hat. Der Mitarbeiter ist damit ein an der Tat Beteiligter. Nachdem der Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, wird dem Unternehmen eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben. Zuvor hatte die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an das Unternehmen keine Auswirkungen auf die Möglichkeit der Abgabe einer Selbstanzeige durch den ehemaligen Mitarbeiter. Dieser konnte eine Selbstanzeige abgeben, obwohl er ein an der Tat Beteiligter war und dem Unternehmen bereits die Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde. Nunmehr wurde gesetzlich festgelegt, dass die Sperrwirkung auch für den an der Tat Beteiligten, also auch für den Mitarbeiter gilt, der nicht selbst Adressat der Prüfungsanordnung ist. Es ist nicht notwendig, dass der an der Tat Beteiligte von der Prüfungsanordnung Kenntnis erhalten muss.

      Die Änderung des § 371 Abs. 2 S. Nr. 1 Buchstabe a AO sieht des Weiteren eine Einschränkung der bislang umfassenden Sperrwirkung einer Prüfungsanordnung auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung vor. Durch diese Änderung wird gewährleistet, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige für Zeiträume, die nicht von der angekündigten Außenprüfung umfasst sind, grundsätzlich möglich bleibt.

    2. bb)

      dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder

      Nach der Änderung des Wortlauts kann ein Gehilfe der Steuerhinterziehung keine Selbstanzeige mehr abgeben, wenn die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens dem Täter bekannt gegeben worden ist.

    3. cc)

      ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung,

      Mit dieser Änderung des Wortlauts wird der Umfang der Sperrwirkung des Erscheinens eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung beschränkt. Zusammen mit der Einführung des neuen § 371 Abs. 2 S. 2 AO wird durch diese Änderung gewährleistet, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige für Zeiträume grundsätzlich möglich bleibt, die nicht von der Außenprüfung umfasst sind.

    4. dd)

      ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist,

      Der Sperrgrund des Erscheinens eines Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Ordnungswidrigkeit wurde in den neuen § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchstabe d AO verschoben.

    5. ee)

      ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau, einer Lohnsteuer-Nachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat.

      Die Sperrgründe wurden um einen neuen Buchstaben e erweitert. Es wurde gesetzlich festgelegt, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige in der Zeit nicht möglich ist, in der ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Umsatzsteuer-Nachschau, Lohnsteuer-Nachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist. Dieser Sperrgrund greift jedoch nur ein, wenn der Amtsträger der Finanzbehörde sich auch als solcher ausgewiesen hat, da andernfalls der betroffene Steuerpflichtige nicht wissen könnte, ob eine Nachschau stattfindet oder nicht.

      Führt die Nachschau zu keinen Ergebnissen, entfällt nach der Gesetzesbegründung der Sperrgrund sobald die Nachschau beendet ist (z.B. Verlassen des Ladenlokals oder der Geschäftsräume). Sofern die Nachschau jedoch zu Erkenntnissen oder Ergebnissen führt, die Anlass zu weiteren Maßnahmen bieten, dürfte im Regelfall ein anderer Sperrgrund greifen (z.B. bei Tatentdeckung oder bei Übergang zur Außenprüfung).

  2. b)

    Straffreiheit soll auch dann nicht gewährt werden, wenn die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

  3. c)

    Gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO wird die Straffreiheit nicht gewährt, wenn die Steuerverkürzung oder der sonstige Steuervorteil einen Betrag von 25.000,00 EUR je Tat überschreitet.

  4. d)

    ein in § 370 Abs. 3 S. 2 Nrn. 2 - 5 AO genannter besonders schwerer Fall vorliegt.

    Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung liegt z.B. vor, wenn der Täter seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Steuerhinterziehungen verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt.

  5. e)

    Einfügung des § 371 Abs. 2 S. 2 AO:

    Durch die Einführung dieser Ergänzung wird ermöglicht, dass trotz Bekanntgabe der Prüfungsanordnung oder des Erscheinens des Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung eine strafbefreiende Selbstanzeige für Zeiträume abgegeben werden kann, die nicht der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchstabe a und c AO unterliegen.

  6. f)

    Einfügung des § 371 Abs. 2a AO: Umsatzsteuervoranmeldung:

    Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Dies gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

4 Absehen von der Strafverfolgung

Sofern die Straffreiheit nur deshalb nicht eintritt, weil der Betrag von 25.000,00 EUR überschritten wurde, wird von der Strafverfolgung gemäß § 398a AO abgesehen, wenn

  • die Steuern und Zinsen innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist nachgezahlt werden

    Neben dem Erfordernis, die hinterzogenen Steuern innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist zu entrichten, müssen nunmehr auch die Zinsen innerhalb dieser Frist entrichtet werden (Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und Zinsen nach § 233a AO, soweit sie nach § 235 Abs. 4 AO auf die festgesetzten Hinterziehungszinsen angerechnet werden). Nur wenn auch diese Zinsen fristgemäß entrichtet werden, wird bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen.

    Hinweis:

    Das Bundesverfassungsgericht hat die in § 233a AO festgelegte Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen für verfassungswidrig erklärt (BVerfG 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14). Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31.07.2022 eine verfassungsmäßige Neuregelung zu treffen.

  • und der Täter einen Geldbetrag in der in § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO aufgeführten Höhe an die Staatskasse zahlt.

    Die nunmehr in Kraft getretene Änderung sieht eine deutliche Anhebung des Geldbetrages vor, der zugunsten der Staatskasse zusätzlich zu entrichten ist, um von strafrechtlicher Verfolgung frei zu werden. Der Geldbetrag bezieht sich auf die jeweilige noch nicht verjährte Straftat (Steuerart und Besteuerungszeitraum).

5 EU-weiter Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen

Zu den Informationspflichten der Finanzinstitute zur Ermöglichung des EU-weiten Austauschs von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen siehe den Beitrag "Steuergeheimnis".

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