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Sachverständigenbeweis

 Normen 

§§ 402 ff. ZPO

§§ 72 - 93 StPO

JVEG

§ 98 VwGO

§ 81 FGO

§ 118 SGG

§ 29 FamFG

 Information 

1. Allgemein

Das Gutachten und die Aussage eines Sachverständigen sind Beweismittel, sofern das Gericht den Sachverständigen bestellt hat. Das Gericht ist nicht an die Schlussfolgerungen des Sachverständigen gebunden, sondern würdigt dessen Aussagen frei.

Gemäß § 411a ZPO kann ein bereits in einem anderen Verfahren erstelltes Sachverständigengutachten als Sachverständigengutachten (und nicht mehr nur als Urkundenbeweis) des laufenden Prozesses verwertet werden.

Grundsätzlich steht es im Ermessen des Gerichts, ob der Sachverständige das Gutachten als schriftliches Gutachten einreicht oder mündlich in der Verhandlung erläutert.

Die direkte Befragung des in der mündlichen Verhandlung aussagenden Sachverständigen erfordert gemäß §§ 402, 397 ZPO einen Antrag der Partei.

Die Einwendungen einer Partei gegen die Ergebnisse bzw. das Verfahren eines Sachverständigengutachtens können gemäß § 411 Abs. 4 ZPO innerhalb eines angemessenen Zeitraums mitgeteilt werden.

Der Sachverständige ist vom sachverständigen Zeugen abzugrenzen.

Zum Sachverständigenbeweis in Kindschaftssachen siehe den Beitrag "Kindschaftssachen.

2. Auswahl des Sachverständigen

Bei der Ernennung von Sachverständigen durch ein Gericht geschieht dies nicht generell, sondern immer nur für den jeweiligen Prozess. Bei der Auswahl des Sachverständigen ist der Richter nicht an den Antrag einer der Prozessparteien gebunden, einen bestimmten Sachverständigen zu benennen.

Mit § 404 Abs. 2 ZPO wurden die Beteiligungsrechte der Parteien bei der Auswahl eines Sachverständigen gestärkt: Danach können die Parteien vor der Ernennung zur Person des Sachverständigen gehört werden.

Dabei steht es den Gerichten frei, den Zeitpunkt der Anhörung zu wählen, solange sie so rechtzeitig erfolgt, dass die Parteien bzw. die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme haben. So kann die Anhörung bereits bei der Zustellung der Klageschrift oder Klageerwiderung, im Rahmen eines frühen Termins oder erst im Rahmen der Bestimmung des Termins, in dem der Sachverständige ernannt werden soll, erfolgen. Im sozialgerichtlichen Verfahren kann die Anhörung je nach den Umständen des Einzelfalls z.B. auch im Rahmen vorbereitender verfahrensleitender Maßnahmen oder in einem Erörterungstermin erfolgen. Das Gericht kann die Parteien bzw. Beteiligten auch vor der Ernennung zu mehreren Sachverständigen anhören, unter denen es sodann im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens seine Auswahl trifft. Wird später die Ernennung neuer oder weiterer Sachverständiger erforderlich, ist eine erneute Anhörung zu den bereits früher vom Gericht oder den Parteien bzw. Beteiligten vorgeschlagenen Sachverständigen entbehrlich. Werden Sachverständige nach Aufforderung des Gerichts oder eigeninitiativ von einer Partei bzw. einem Beteiligten vorgeschlagen, ist es ausreichend, die andere Partei bzw. den anderen Beteiligten zu dem Vorschlag anzuhören.

Das Gericht kann nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/6985) von der Anhörung der Parteien bzw. der Beteiligten absehen, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles und unter Berücksichtigung der jeweiligen Verfahrensart geboten ist. Dies kann insbesondere bei Eilverfahren geboten sein oder wenn in Verfahren mit besonderem Beschleunigungsbedürfnis, wie etwa in Kindschaftssachen oder teilweise im Insolvenzrecht, durch die Anhörung eine erhebliche Verfahrensverzögerung eintreten würde. Zudem kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn diese aufgrund der Vielzahl der am Verfahren beteiligten und anzuhörenden Personen einen unzumutbaren Aufwand oder eine übermäßige Verfahrensverzögerung zur Folge hätte. Entbehrlich kann eine Anhörung auch sein, wenn die Parteien bzw. die Beteiligten sich bereits zur Person des zu ernennenden Sachverständigen geäußert haben und die (erneute) Anhörung eine reine Förmlichkeit wäre oder wenn nur sehr wenige Gutachter zur Verfügung stehen.

Bei der Entscheidung der Sozialgerichte über die Anhörung der Beteiligten kann den Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens Rechnung getragen werden. Insbesondere kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn diese eine übermäßige Verfahrensverzögerung verursachen würde. Das Gericht ist an das Votum der Parteien bzw. der Beteiligten nicht gebunden. Insbesondere kann es einen Sachverständigen benennen, den eine Partei für ungeeignet hält. An der Unanfechtbarkeit des Beweisbeschlusses ändert das künftig regelmäßig bestehende Anhörungsrecht der Parteien nichts.

Der Richter ist grundsätzlich in seiner Auswahl frei. Davon bestehen zwei Ausnahmen:

  • Besteht für die Fachrichtung ein öffentlich bestellter Sachverständiger, so soll dieser gemäß § 404 Abs. 3 ZPO bestellt werden bzw. es ist aus dem Kreis der infrage kommenden öffentlich bestellten Sachverständigen einer auszuwählen. Etwas anderes gilt nur, wenn besondere Umstände die Ernennung eines anderen, nicht öffentlich bestellten Sachverständigen rechtfertigen.

  • Einigen sich die Parteien auf eine bestimmte Person als Sachverständigen, so ist der Richter gemäß § 404 Abs. 5 ZPO an diese Wahl grundsätzlich gebunden.

§ 280 FamFG soll der in einem Betreuungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Ergibt sich die Qualifikation nicht ohne Weiteres aus der Fachbezeichnung des Arztes, ist nach der Entscheidung BGH 07.08.2013 - XII ZB 188/13 seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen.

3. Fristsetzung zur Erledigung

3.1 Mitteilungspflicht bei drohender Fristüberschreitung

Im Interesse der Beschleunigung des Sachverständigenbeweises wurde in § 407a Abs. 1 ZPO die Pflicht aufgenommen, dass der Sachverständige unverzüglich anzeigen muss, wenn er den Auftrag voraussichtlich nicht in der vom Gericht gesetzten Frist erledigen kann.

Die Prüfungs- und Mitteilungspflicht in Absatz 1 dient dazu, dass der Sachverständige eine Überlastungssituation frühzeitig erkennt und anzeigt. Damit der Gutachter die gerichtlichen Zeitvorstellungen kennt und mit seiner Auslastung abgleicht, ist der Gutachtenauftrag des Gerichts zwingend zu befristen. Diese Erweiterung der Pflichten auf beiden Seiten führt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/6985) zu einem besseren Zeitmanagement und vermeidet überlange Verfahren infolge der überlangen Dauer der Begutachtung. Das Gericht kann, wenn der Sachverständige ihm anzeigt, dass eine fristgemäße Erledigung des Auftrags nicht möglich ist, nach Anhörung der Parteien bzw. Beteiligten entscheiden, ob es eine längere Frist setzt oder den Sachverständigen gemäß § 408 Absatz 1 Satz 2 ZPO entpflichtet. Sind der Partei bzw. dem Beteiligten durch eigene Recherchen Umstände bekannt, die gegen eine fristgerechte Erstattung des Sachverständigengutachtens sprechen, kann sie /er von sich aus anregen, den Sachverständigen von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens zu entbinden.

Teilt der Sachverständige Umstände nicht mit, die die fristgerechte Erstellung des Gutachtens infrage stellen, erhält er gemäß § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist.

3.2 Schriftliches Gutachten

Die Beauftragung eines Sachverständigen führt nicht selten zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens. Zur Vermeidung eines überlangen Zeitraums zur Erstellung des Gutachtens ist in § 411 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass bei schriftlichen Gutachten dem Gutachter zwingend eine Frist zu setzen ist, innerhalb derer er das Gutachten zu erstellen hat.

Das Gericht muss spätestens bei Bestellung des Sachverständigen über den zur Erstattung des Gutachtens erforderlichen Zeitaufwand entscheiden. Bei der Bemessung der Frist hat das Gericht neben dem Gebot der beschleunigten Verfahrensführung den voraussichtlichen Zeitaufwand einer fachgerechten Begutachtung einschließlich des Umfangs der Beweisfragen und Akten sowie der erforderlichen Tatsachenfeststellungen und der fachlichen und tatsächlichen Komplexität des zu begutachtenden Sachverhalts zu beachten. Eine Überlastung des Sachverständigen muss bei der Bemessung der Frist außer Betracht bleiben; sie ist allein im Rahmen der Prüfung der Entpflichtung nach § 408 Abs. 1 S. 2 ZPO zu berücksichtigen. Die Frist ist dem Sachverständigen spätestens bei der Bestellung mitzuteilen, damit dieser unverzüglich prüfen kann, ob er unter Berücksichtigung der derzeit bekannten Umstände, insbesondere seiner Arbeitsbelastung, in der Lage ist, dass Gutachten fristgerecht zu erstellen. Es bleibt dem Gericht unbenommen, auf begründeten Antrag des Sachverständigen eine Fristverlängerung zur Erstattung des schriftlichen Sachverständigengutachtens zu gewähren, insbesondere wenn sich nach erfolgter Fristsetzung ein erhöhter Aufwand oder Umfang der Begutachtung, eine erhöhte Komplexität der Beweisfragen oder eine unvorhersehbare Verzögerung bei der Erstellung des Gutachtens zeigen.

4. Vergütung

Siehe den Beitrag "Sachverständige".

5. Neutralität des Gutachters

5.1 Eigene Mitteilungspflicht bei Zweifeln an der Unabhängigkeit

§ 407a Abs. 2 ZPO enthält zur Gewährleistung der Neutralität des Sachverständigen die Verpflichtung, von sich aus Gründe mitzuteilen, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit rechtfertigen könnten.

Die Mitteilungspflicht des Sachverständigen im Absatz 2 veranlasst ihn, sich in einem frühen Stadium der Ernennung seiner Unparteilichkeit zu vergewissern oder aber diesbezügliche Probleme dem Gericht und den Parteien bzw. den Beteiligten anzuzeigen. Eine Überprüfung, ob es Interessenkonflikte gibt, die den Beweiswert eines gerichtlichen Gutachtens mindern oder ausschließen, obliegt im Zivilprozess nicht nur dem Gericht, sondern nach dem Beibringungsgrundsatz auch den Parteien selbst. Hat eine Partei bzw. ein Beteiligter im Laufe eines Prozesses Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Sachverständigen, so kann sie einen Sachverständigen nach § 406 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Über das Gesuch entscheidet das Gericht. Wenn die Parteien bzw. die Beteiligten die Umstände, die eine mögliche Befangenheit begründen könnten, allerdings nicht kennen und auch nicht kennen können, da Vorbefassungen des Sachverständigen nicht immer publik gemacht werden, können sie dies dem Gericht nicht mitteilen. Das Ablehnungsrecht geht ins Leere.

Ein gerichtlicher Sachverständiger, der einen möglichen Interessenkonflikt durch eine Ernennung befürchtet, hat dies dem Gericht aus eigener Veranlassung und unverzüglich mitzuteilen. Das Gericht hat die dargelegten Gründe zu prüfen und gegebenenfalls einen anderen Sachverständigen zu ernennen. Dies ergibt sich jedoch nicht ausdrücklich aus dem Gesetz. Die Pflicht des Sachverständigen, sonstige Gründe mitzuteilen, die zu einer Entpflichtung von seiner Gutachtenserstattungspflicht führen können, wird von der Vorschrift des § 408 ZPO vorausgesetzt. Verstößt der Sachverständige gegen die Pflicht zur Mitteilung von Interessenkonflikten, entfällt sein Vergütungsanspruch, es sei denn, er hat die Unterlassung nicht zu vertreten. Auch wenn im Laufe der Begutachtung Umstände eintreten, die Zweifel an der Unabhängigkeit - und sei es im Rahmen der gesetzten Nachfrist - begründen, hat der Sachverständige diese unverzüglich mitzuteilen.

5.2 Ablehnung wegen Befangenheit

Rechtsgrundlage der Voraussetzungen und des Verfahrens der Ablehnung ist § 406 ZPO.

Danach kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Dies beinhaltet sowohl die zwingenden Ausschlussgründe des § 41 ZPO (Ausschluss von beteiligten im Prozessrecht) als auch die Ablehnung wegen Befangenheit.

Dabei können sich die Gründe für die Befangenheit aus dem Verhalten des Sachverständigen sowie seiner familiären, wirtschaftllichen oder sonstigen Nähe zu einer Partei ergeben.

Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden. Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss. Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

 Siehe auch 

Beweismittel

Obergutachten

Sachverständige

Sachverständige - Arten

Sachverständige - Haftung

Sachverständiger Zeuge

Zweitgutachten

BGH 05.09.2006 - VI ZR 176/05 (Anspruch auf mündliche Erläuterung des Gutachtens)

BGH 27.01.2004 - VI ZR 150/02 (Pflicht zur Anhörung des Sachverständigen)

Breloer: Nachbarrecht für Baumsachverständige, Teil 1: Herüberragende Zweige und eindringende Wurzeln; Der Sachverständige - DS 2005, 328

Breloer: Nachbarrecht für Baumsachverständige, Teil 2: Laubfall / Samenflug, Straßen und Anlieger, der Grenzbaum; Der Sachverständige - DS 2005, 371

Cramer: Anwaltliche Strategien im Sachverständigenbeweis aus Sicht des Arztanwalts; Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht - ZMGR 2014, 159 und 171

Haußleiter: Der Sachverständigenbeweis im Sorgerechtsverfahren; NJW-Spezial 11/2006, 487

Heß/Burmann: Der Sachverständigenbeweis bei Haftpflichtprozessen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 492

Koenen: Der Sachverständigenbeweis im Bauprozess; 1. Auflage 2012

Lüblinghoff: Das Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2016, 3329

Milde: Die Ablehnung des Sachverständigen im Zivilprozess; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2018, 1149

Müller: Arzthaftung und Sachverständigenbeweis; Medizinrecht - MedR 2001, 487

Ulrich/Ulrich: Die Sachverständigen und ihr Honorar; 1. Auflage 2018

Werner/Pastor: Der Bauprozess; 16. Auflage 2018

Voit/Manteufel: Handbuch des Bauverfahrensrechts; 1. Auflage 2018