Rechtswörterbuch

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Rügepflicht

 Normen 

§ 377 HGB

 Information 

1. Allgemein

Kaufvertragliche Obliegenheit.

Handelt es sich bei dem Kaufvertrag für beide Vertragsparteien um ein beiderseitiges Handelsgeschäft, so hat der Käufer zur Sicherung seiner kaufvertraglichen Gewährleistungsrechte im Falle der Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes die Vorgaben der handelsrechtlichen Rügepflicht zu beachten. Rechtsgrundlage ist § 377 HGB:

Mangel im Sinne des § 377 HGB ist

  • ein Sachmangel der Ware,

  • die Lieferung anderer als der bestellten Ware (Aliud)

    oder

  • die Lieferung einer anderen als der bestellten Menge.

Aber die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich des § 377 HGB auch auf Nicht-Handelsgeschäfte ausgeweitet.

2. Inhalt der Rügepflicht

Durch die Rügepflicht ist der Kaufmann verpflichtet, die gelieferte Ware unverzüglich nach dem Erhalt zu untersuchen und vorhandene Mängel unverzüglich dem Verkäufer zu melden.

Unterlässt der Käufer die Untersuchung, verliert er seine Gewährleistungsrechte, die Lieferung gilt als genehmigt bzw. mangelfrei, es sei denn, dass der Mangel erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennbar ist. In diesen Fällen ist gemäß § 377 Abs. 3 HGB der Verkäufer unverzüglich nach der Entdeckung des Mangels zu informieren.

Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Die Frist beginnt, wenn die Ware derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass sie von dem Käufer untersucht werden kann.

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH 113.03.1996 - VIII ZR 333/94) ist der Kunde, der mit seinem Lieferanten eine langjährige Geschäftsbeziehung unterhält, dann nicht zur unverzüglichen Untersuchung der Ware nach der Anlieferung verpflichtet, wenn er langjährig eine gleichartige, mangelfreie Ware bezog und der Lieferant die Beschaffenheit der Ware ohne Information des Kunden geändert hat. In diesen Fällen entsteht die Rügepflicht erst mit der Entdeckung des Mangels gemäß § 377 Abs. 3 HGB.

Inhaltlich hat der Käufer den Mangel substantiiert zu beschreiben, die schlichte Meldung eines Mangels genügt zur Erfüllung der Pflicht nicht. Der Verkäufer muss sich den Mangel anhand der Beschreibung vorstellen können.

Die Anforderungen an die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit eines Käufers im Rahmen eines beiderseitigen Handelsgeschäfts sind letztlich durch eine Abwägung der Interessen des Verkäufers und des Käufers zu ermitteln. Dabei ist einerseits das Interesse des Verkäufers zu berücksichtigen, sich nicht längere Zeit nach der Ablieferung der Sache dann nur schwer feststellbaren Gewährleistungsrechten ausgesetzt zu sehen. Andererseits dürfen die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung nicht überspannt werden (BGH 24.02.2016 - VIII ZR 38/15).

Kommt es zu einer Nachbesserung durch den Verkäufer, so ist der Käufer mit der erneuten Erhalt der Sache wiederum zur Untersuchung des Kaufgegenstandes verpflichtet.

3. Geltendmachung anderer Ansprüche

Erfüllt der Käufer seine Rügepflichten trotz Erkennbarkeit des Mangels nicht oder nicht ausreichend, so gilt die Ware gemäß § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt mit der Folge, dass der Käufer mit der Geltendmachung aller vertraglichen Rechte ausgeschlossen ist.

Von der fingierten Genehmigung werden auch die Rechte aus der Anfechtung sowie von Mangelfolgeschäden erfasst.

Weiterhin möglich sind Schadensersatzrechte nach § 823 BGB.

4. Käufer als Zwischenhändler

Die direkte Auslieferung der Ware an einen Vertragspartner des Käufers befreit den Käufer nicht von seiner Untersuchungspflicht. Er hat dafür zu sorgen, dass die Ware unmittelbar nach der Anlieferung untersucht wird, andernfalls verliert er seine Gewährleistungsrechte.

5. Abänderbarkeit

Die Kaufvertragsparteien können die gesetzlichen Vorgaben der Rügepflicht einzelvertraglich oder durch Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ändern. Bei einer Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist zu beachten, dass gemäß § 309 Nr. 8b) ee) BGB für versteckte Mängel nicht eine Frist vereinbart werden kann, die die in § 309 Nr. 8b) ff) BGB gesetzte Mindestverjährungsfrist unterschreitet. Aber: Gemäß § 310 BGB ist § 309 BGB nicht zu beachten bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden.

6. Rügeobliegenheit bei einem Nicht-Handelsgeschäft

"Die Nichtanwendbarkeit des § 377 HGB schließt es jedoch grundsätzlich nicht aus, dass im Einzelfall auch bei der Vertragsbeteiligung eines Nichtkaufmanns, insbesondere wenn es sich bei diesem - wie hier - nicht um den Käufer, sondern um den Verkäufer handelt, besondere Umstände vorliegen können, die es angezeigt erscheinen lassen, zu Rechtsfolgen zu gelangen, die denen des § 377 HGB entsprechen oder ähneln. Dies kann etwa über Vereinbarungen, Handelsbräuche und sonstige Verkehrssitten eintreten, darüber hinaus ausnahmsweise aber auch von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gefordert sein, wenn besondere Umstände wie etwa die Besonderheiten der Ware oder ein besonderer Zuschnitt des Geschäfts eine rasche Mängelbehandlung gebieten und die Gegenseite begründeten Anlass hat, auf eine alsbaldige Anzeige etwaiger Mängel vertrauen zu können" (BGH 02.07.2019 - VIII ZR 74/18).

 Siehe auch 

Handelsbrauch

Handelsrecht

Kaufmann

BGH 09.10.2001 - X ZR 58/00 (Rügepflicht bei PC-Software)

BGH 16.09.1987 - VIII ZR 334/86

BGH 27.03.1985 - VIII ZR 75/84

Mankowski: Das Zusammenspiel der Nacherfüllung mit den kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2006, 865

Schmidt: Handelsrecht; 6. Auflage 2014