Rückzahlungsklausel - Weiterbildungskosten
Gesetzlich nicht geregelt.
1 Allgemein
Vereinbarung zur Rückzahlung der vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung.
Wird die Weiterbildung/Fortbildung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber finanziert, möchte der Arbeitgeber durch die höhere Qualifikation des Arbeitnehmers nach der Beendigung der Weiterbildung/Fortbildung einen Nutzen aus seiner Finanzierung ziehen.
Dieses Ziel des Arbeitgebers kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden:
Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel bei Eintritt der in der Vereinbarung genannten Ereignisse.
Vereinbarung des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum.
Gewährung der Ausbildungskosten in voller oder teilweiser Höhe als Arbeitgeberdarlehen.
2 Anforderungen an eine Rückzahlungsklausel – Zulässige Bindungsdauer
Die Verpflichtung zur Rückzahlung der Kosten besteht nur bei einer entsprechenden Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien in dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung.
Zumeist handelt es sich bei den in einem Fortbildungsvertrag getroffenen Abreden um vorformulierte Vertragsklauseln, deren Wirksamkeit nach dem Recht der Allgemeine Geschäftsbedingungen zu überprüfen ist (BAG 01.03.2022 – 9 AZR 260/21). Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (BAG 22.10.2020 – 6 AZR 566/18).
Bei der Vereinbarung sind folgende Grundsätze zu beachten:
- a)
Keine pauschale Vereinbarung:
Nicht möglich ist die präventive Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel bei Abschluss des Arbeitsvertrages, d.h. ohne dass Ausbildungskosten entstanden sind.
- b)
Nutzbarkeit für den Arbeitnehmer:
Eine Rückzahlungsklausel ist nur möglich, wenn die Aus- und Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist, d.h. die erworbenen Kenntnisse auch anderweitig nutzbar sind (BAG 14.01.2009 – 3 AZR 900/07).
Nach dem LAG Thüringen besteht der geldwerte Vorteil entweder darin, dass der Arbeitnehmer bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen für eine höhere Vergütung erfüllt oder sich die erworbenen Kenntnisse anderweitig nutzbar machen lassen (LAG Thüringen 28.06.2023 – 1 Sa 163/22).
- c)
Anforderungen an die Formulierung der Vereinbarung:
Die Rückzahlungsvereinbarung muss – um dem Transparenzgebot zu genügen – die ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen angeben.
Zwar sind an die Angabe keine überhöhten Anforderungen zu stellen, aber nach der Rechtsprechung (BAG 21.08.2012 – AZR 698/10) sollen die einzelnen Positionen (z.B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten) enthalten sein, aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden (z.B. Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten).
Beispiel:
Die tatsächlich angefallenen Kosten der Bildungsmaßnahme betragen nach dem derzeitigen Stand bzw. einer Schätzung XY Euro und setzen sich wie folgt zusammen: (…) Die tatsächlich angefallenen, für die Regelungen der in Punkt XY relevanten Gesamtkosten der Maßnahme werden dem Arbeitnehmer nach dem Abschluss der Maßnahme sodann mitgeteilt.
- d)
Nicht für jede Kündigung vereinbar:
Das Rückzahlungsverlangen ist bei der arbeitgeberseitigen Kündigung unzulässig, wenn der Arbeitnehmer keinen Einfluss auf die Kündigung hatte, es sich also um eine betriebsbedingte Kündigung oder eine personenbedingte Kündigung aus Krankheitsgründen handelt. Zulässig ist es grundsätzlich bei einer außerordentlichen oder verhaltensbedingten Kündigung.
Die Rechtsprechung fordert, dass die Beschränkung der Rückzahlung auf derartige Kündigungen in der Rückzahlungsklausel zum Ausdruck kommt:
Unterscheidung nach dem Grund der Beendigung:
In den Urteilen BAG 28.05.2013 – 3 AZR 103/12 und BAG 11.04.2006 – 9 AZR 610/05 hat das Bundesarbeitsgericht eine arbeitsvertragliche Rückzahlungsklausel für unwirksam erklärt, da nicht nach dem Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterschieden wurde. Die Rückzahlung sollte für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten. Nach der Ansicht der Richter verstößt eine derartige Klausel gegen § 307 Abs. 1 BGB und ist unwirksam.
Nicht ausreichend ist es, wenn die Klausel »wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendigt wird« die Ergänzung enthält: »insbesondere, wenn der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen aus einem Grund gekündigt wird, den der Mitarbeiter zu vertreten hat«.
Eine mit »insbesondere« eingeleitete Auflistung von Einzelfällen stellt nach allgemeinem Sprachgebrauch keine abschließende Aufzählung dar (BAG 23.01.2007 – 9 AZR 482/06).
Es ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden, d.h. es müssen Kündigungen ausgenommen werden, die aus der Sphäre des Arbeitgebers kommen (BAG 18.03.2014 – 9 AZR 545/12).
Ausscheiden aus persönlichen Gründen:
»Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der Fortbildungskosten zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Bindungsfrist »aus persönlichen Gründen« aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, da davon auch solche Gründe erfasst werden, die von dem Arbeitnehmer nicht zu vertreten sind oder die auf Maßnahmen zurückgehen, die dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind« (LAG Mecklenburg-Vorpommern 03.05.2022 – 5 Sa 210/21).
Ausscheiden aufgrund unverschuldeter Leistungsunfähigkeit:
»Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend (…), wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. (…) Dem Arbeitgeber ist es ohne weiteres möglich, die Fälle von der Rückzahlungspflicht auszunehmen, in denen der Arbeitnehmer sich zur Eigenkündigung entschließt, weil er vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene oder aufrechterhaltene Qualifikation in dem mit dem Verwender der Klausel bestehenden Arbeitsverhältnis nicht (mehr) nutzen kann« (BAG 01.03.2022 – 9 AZR 260/21).
- e)
Grenzen der Bindungsdauer:
Bei der Formulierung der Vereinbarung der Rückzahlungspflicht der Fort- bzw. Weiterbildungskosten im Falle der arbeitnehmerseitigen Kündigung ist zu beachten, dass sich die Rückzahlungspflicht für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit mindern muss. Die Rechtsprechung hat zum Schutz der Arbeitnehmer (Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes) Grenzen zur Bindungsdauer entwickelt:
Die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Das ist in erster Linie nach der Dauer der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme, aber auch anhand der Qualität der erworbenen Qualifikationen zu beurteilen. Grundsätzlich bestehen nach der Entscheidung BAG 14.01.2009 – 3 AZR 900/07 dabei folgende Fristen:
Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge ist eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten zulässig.
Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten ist eine einjährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung zulässig.
Bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr darf keine längere Bindung als drei Jahre vereinbart werden.
Bei einer mehr als zweijährigen Dauer darf eine Bindung von höchstens fünf Jahren vereinbart werden.
Abweichungen davon sind jedoch möglich. Eine verhältnismäßig lange Bindung kann auch bei kürzerer Ausbildung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt. Bei den obigen Fristen handelt es sich um richterrechtlich entwickelte Regelwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind.
- f)
Verstoß gegen Treu und Glauben (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18):
»Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend (…), wenn dem Arbeitnehmer bei einer typisierenden, die rechtlich anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner berücksichtigenden Betrachtung die für den Fall der Eigenkündigung vor Ablauf der Bindungsdauer vorgesehene Erstattungspflicht aus anderen Gründen nach Treu und Glauben nicht zumutbar ist.«
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall sollte nach der Vereinbarung der Rückzahlungsfall auch eintreten, wenn der Arbeitnehmer bei dem dauerhaften Wegfalls seiner medizinischen Tauglichkeit nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
3 Anforderungen an eine Rückzahlungsklausel – Nichtablegen der Prüfung
Das BAG hat auch für die Formulierung einer Klausel zur Rückzahlungspflicht bei Nichtablegen der Prüfung hohe Anforderungen gestellt (BAG 25.04.2023 – 9 AZR 187/22):
»Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er die Fortbildung nicht beendet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen (vgl. BAG 01.03.2022 – 9 AZR 260/21 – Rn. 21).
Allerdings können Rückzahlungsverpflichtungen, die an ein wiederholtes Nichtablegen des angestrebten Examens anknüpfen, den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Da sie geeignet sind, auf den Arbeitnehmer einen Bleibedruck im bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken,
muss einerseits die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen
und
andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Insgesamt muss die Erstattungspflicht – auch dem Umfang nach - dem Arbeitnehmer nach den Geboten von Treu und Glauben zumutbar sein (vgl. BAG 01.03.2022 – 9 AZR 260/21 – Rn. 21; BAG 11.12.2018 - 9 AZR 383).
Es ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Entsprechend den Wertungen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Rückzahlungsklauseln aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers (BAG 01.032022 – 9 AZR 260/21 – Rn. 21; BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18) müssen jedenfalls praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.«
4 Folgen einer unwirksamen Vereinbarung
Sofern die Vereinbarung der Rückzahlung wegen des Verstoßes gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist und eine geltungserhaltende Reduktion ausgeschlossen ist, ist die Klausel insgesamt unwirksam, die Ausbildungskosten sind nicht zurückzuzahlen (BAG 28.05.2013 – 3 AZR 103/12, BAG 14.01.2009 – 3 AZR 900/07).
Dabei ist zu beachten, dass die Rückzahlung auch verweigert werden kann, wenn nur eine Klausel der Vereinbarung unwirksam ist, z.B. die Rückzahlung bei Nichtablegen der Prüfung, der Arbeitnehmer aber die Prüfung bestanden hat.
Diese Grundsätze sind nach einem Urteil des BAG (24.06.2004 – 6 AZR 383/03) auch bei einer Kündigung während der Probezeit zu beachten, bei der die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes nicht anwendbar sind. In diesen Fällen ist die Begründetheit des Rückzahlungsverlangens danach zu prüfen, ob ein verständiger Arbeitgeber die getätigte Bildungsinvestition vor dem Hintergrund des Verhaltens des Arbeitnehmers infrage stellen würde.
Gibt der Arbeitgeber eine zu lange Bindungsdauer vor, ist die daran geknüpfte Rückzahlungsklausel grundsätzlich insgesamt unwirksam.
5 Berufsausbildung
Vereinbarungen zur Rückzahlung von Ausbildungskosten eines Berufsausbildungsverhältnisses sind gemäß § 12 Abs. 2 BBiG nichtig.