Rücktritt - zivilrechtlicher
1 Allgemein
Zivilrechtliches Gestaltungsrecht.
Es bestehen folgende Rücktrittsrechte:
- a)
Bei der Verletzung einer Hauptleistungspflicht:
Gemäß § 323 BGB kann der Gläubiger einer Leistung nach der erfolglosen Bestimmung einer Frist zur Leistung oder Nacherfüllung von dem Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner die Leistung nach Fälligkeit nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht hat.
Dabei kann die Nachfrist erst gesetzt werden, wenn die Leistung fällig ist, ansonsten ist die Fristsetzung unbeachtlich (BGH 14.06.2012 - VII ZR 148/10).
Für eine Fristsetzung genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht (BGH 18.03.2015 - VIII ZR 176/14).
Die Nichtleistung i.S.d. § 323 BGB ist allein die Verzögerung der Leistung, die nicht vertragsgemäße Leistung ist die mangelhafte Vertragsleistung, wobei diese sowohl auf der Verletzung einer Hauptleistungspflicht als auch auf der Verletzung einer leistungsbezogenen Nebenpflicht beruhen kann (der Rücktritt bei der Verletzung einer nichtleistungsbezogenen Nebenpflicht beurteilt sich nach § 324 BGB).
Zum Rücktrittsrecht im Kaufvertragsrecht siehe den Beitrag "Kaufvertrag - Gewährleistung".
- b)
Bei der Verletzung einer Nebenpflicht:
Gemäß § 324 BGB kann der Gläubiger von dem Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht verletzt und dem Gläubiger ein weiteres Festhalten an dem Vertrag nicht zuzumuten ist.
Ein Verschulden des Schuldners ist zur Ausübung des Rücktrittsrechts nicht erforderlich.
Das Rücktrittsrecht ist gemäß § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen, wenn der Gläubiger den zum Rücktritt berechtigenden Umstand allein oder überwiegend zu vertreten hat oder der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem sich der Gläubiger im Annahmeverzug befindet.
2 Entbehrlichkeit der Fristsetzung
Die Fristsetzung ist gemäß §§ 323 Abs. 2 BGB in den folgenden Fällen entbehrlich, d.h. der Gläubiger kann bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne Fristsetzung zurücktreten:
Der Schuldner hat die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert.
Allein die Erklärung des Schuldners, er werde zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten können, begründet keine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung (BGH 14.06.2012 - VII ZR 148/10).
Es liegt ein Fixgeschäft vor.
Es liegen besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
Hinweis:
Dabei hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit auf die Fälle der Schlechtleistung beschränkt ("im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung"). Die vollständige Nichtleistung ist nicht mehr erfasst.
Zusätzlich ist bei Vorliegen eines Kaufvertrages gemäß § 440 BGB die Fristsetzung in den folgenden Fällen entbehrlich:
Der Verkäufer verweigert beide Arten der Nacherfüllung.
Die Nacherfüllung ist fehlgeschlagen.
Nacherfüllung ist dem Verkäufer unzumutbar.
Der Gläubiger ist zudem bereits vor der Fälligkeit der Leistung gemäß § 323 Abs. 4 BGB berechtigt, von dem Vertrag zurückzutreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung als Voraussetzung für einen Rücktritt vom Kaufvertrag ist auch im Falle eines - unwirksamen - formularmäßigen Gewährleistungsausschlusses nicht entbehrlich (BGH 13.07.2011 - VIII ZR 215/10).
3 Rechtsfolgen
3.1 Allgemein
Die Rechtsfolgen des Rücktritts bestimmen sich nach den §§ 346 ff. BGB. Die Wirkungen gelten sowohl für das gesetzliche Rücktrittsrecht als auch für das vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht, es sei denn, die Parteien haben etwas anderes vereinbart. Danach gilt:
Beiderseitige Rückgewähr der erbrachten Leistungen. Wenn dies nicht mehr möglich ist: Wertersatz gemäß § 346 Abs. 2 BGB.
Die Berechnung des Wertersatzes richtet sich dabei nach der Höhe der im Vertrag bestimmten Gegenleistung (BGH 19.11.2008 - VIII ZR 311/07).
und
Herausgabe der gezogenen Nutzungen, d.h. Wertersatz wegen der Gebrauchsvorteile gemäß §§ 346 Abs. 1, 347 BGB (siehe unten; BGH 16.09.2009 - VIII ZR 243/08).
und
Schadensersatz statt der Leistung (siehe § 325 BGB).
Hinweis:
Nach dem Rücktritt vom Kaufvertrag kann der Verkäufer den noch ausstehenden Kaufpreisrest nicht als Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Bei der Schadensberechnung muss das mit dem Rücktritt verbundene Abwicklungsverhältnis und damit der dem Verkäufer zurück zu gewährende Kaufgegenstand Berücksichtigung finden (OLG Naumburg 24.08.2015 - 1 U 37/15).
3.2 Herausgabe der gezogenen Nutzungen / Wertersatz wegen der Gebrauchsvorteile
Kfz-Kaufverträge:
Bei der Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs ist der Wertersatz für herauszugebende Nutzungen auf der Grundlage des Bruttokaufpreises zu schätzen. Der so ermittelte Nutzungswertersatz ist nicht um die Umsatzsteuer zu erhöhen (BGH 09.04.2014 - VIII ZR 215/13).
Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte berechnet den Nutzungsersatz auf der Basis der Laufleistung (so u.a. OLG Düsseldorf 18.08.2016 - I-3 U 20/15).
Immobilien:
Bei der Rückabwicklung des Kaufs einer Eigentumswohnung ist der Nutzungsvorteil des Käufers abzuziehen, der nach dem Urteil BGH 06.10.2005 - VII ZR 325/03 zeitanteilig linear aus dem Erwerbspreis zu ermitteln ist. Im Falle der Mangelhaftigkeit der Wohnung ist der Nutzungsvorteil gemäß des Mangels zu mindern. Bei einer selbst genutzten Wohnung kann jedoch nicht als Nutzungsvorteil eine vergleichbare ortsübliche Miete berechnet werden.
In dem obigen Urteil bestimmten die Richter darüber hinaus, dass sich die Sachmängelhaftung bei einem Altbau bzw. einer Altbauwohnung nach dem Gewährleistungsrecht des Werkvertrages richtet, wenn der Verkäufer
vertraglich Bauleistungen übernommen hat, die nach dem Umfang und der Bedeutung mit Neubauarbeiten vergleichbar sind
oder
die Herstellungspflicht verletzt ist.
Bei der Frage der Ersatzpflichtigkeit der Eigennutzung des Grundstücks im Rahmen der Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages ist nach dem Urteil BGH 31.03.2006 - V ZR 51/05 wie folgt zu unterscheiden:
Verlangt der Käufer auch seine Kosten der Finanzierung bzw. der Unterhaltung des Grundstücks, so muss er sich im Gegenzug eine Eigennutzung in Höhe des üblichen Miet- oder Pachtzinses anrechnen lassen.
Beschränkt sich der Käufer auf die Rückabwicklung des Vertrages und den Ersatz der Vertragskosten, kommt es nur zur Anrechnung der abnutzungsbedingten, zeitanteilig linear zu berechnenden Wertminderung der Immobilie.