Rechtswörterbuch

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach Themen im Rechtswörtebuch zu suchen!

Rechtsbeugung

 Normen 

§ 339 StGB

 Information 

1. Allgemein

Gemäß § 339 StGB wird ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Nach der Rechtsprechung kann eine Rechtsbeugung grundsätzlich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden (BGH 07.07.2010 - 5 StR 555/09): "In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss" (BGH 14.09.2017 - 4 StR 274/16).

2. Richter

Die einschränkende Auslegung des § 339 StGB, nach der sich ein Richter einer Rechtsbeugung nur schuldig mache, wenn er sich "bewusst in schwer wiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt" (vgl. BGH 22.01.2014 - 2 StR 479/13), wahrt die Unabhängigkeit des Richters. Weil dem Richter die besondere Bedeutung der verletzten Norm für die Verwirklichung von Recht und Gesetz im Tatzeitpunkt bewusst gewesen sein muss, ist sichergestellt, dass eine Verurteilung nicht schon wegen einer - sei es auch bedingt vorsätzlichen - Rechtsverletzung erfolgt, sondern erst dann, wenn der Richter sich bei seiner Entscheidung nicht allein an Gesetz und Recht orientiert.

Der Rechtsbeugungstatbestand stellt sich als Gegenstück zur richterlichen Unabhängigkeit dar; die Vorschrift zielt auf die Sicherung und Wahrung der Verantwortlichkeit des Richters und die Achtung von Recht und Gesetz auch durch den Richter selbst. Die Verwirklichung dieser Zielsetzung setzt jedoch voraus, dass dem zur Entscheidung berufenen Richter ausreichend Zeit zu einer allein an Recht und Gesetz orientierten Bearbeitung des Falles zur Verfügung steht. Nur wenn dies gewährleistet ist, kann der Richter seiner persönlichen Verantwortung gerecht werden. Dabei wird stets die konkrete, subjektive Belastungssituation des Richters in den Blick zu nehmen sein. Eine Orientierung allein an vermeintlich objektiven, durchschnittlichen Bearbeitungszeiten genügt dem nicht (BVerfG 14.07.2016 - 2 BvR 661/16).

3. Staatsanwaltschaft

Ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung sein, "wenn er wie ein Richter in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt. Diese Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof sowohl für staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügungen als auch für Anklageerhebungen bereits bejaht (...). Für die Entscheidung, die Erhebung der öffentlichen Klage durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu bewirken (§ 407 Abs. 1 Satz 4 StPO), kann nichts anderes gelten" (BGH 14.09.2017 - 4 StR 274/16).

 Siehe auch 

Auslegung

Judikative

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

Richterrecht

Treu und Glauben

Verfassungskonforme Auslegung

Verhältnismäßigkeit

Heuchemer: Die Bedeutung der Rechtsbeugung in der Strafverfolgungspraxis. Eine empirische Untersuchung zur Rechtsanwendungsungleichheit als Kriterium der Rechtsbeugung mit besonderem Schwerpunkt auf dem Recht der Einziehung (§ 73 ff. StGB); Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht - NZWiSt 2018, 131