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Rechtsanwaltsvergütung - Gerichtliche Tätigkeit

 Normen 

Nrn. 3100 ff. Vergütungsverzeichnis zum RVG

 Information 

1. Allgemein

Die Vergütung für die gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts unterteilt sich in allen Instanzen in

  • die Verfahrensgebühr

    und

  • die Terminsgebühr.

2. In der ersten Instanz

2.1 Verfahrensgebühr

Die Verfahrensgebühr besteht in der ersten Instanz gemäß Nr. 3100 ff Vergütungsverzeichnis zum RVG in einer Höhe von 1,3. Die Verfahrensgebühr deckt auch die Tätigkeit in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ab.

Die Verfahrensgebühr entsteht mit der Beauftragung des Rechtsanwalts zur Führung des Prozesses. Endet das Mandat vorzeitig, so hat dies gemäß § 15 Abs. 4 RVG grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Höhe der Verfahrensgebühr. Etwas anderes gilt nur in den in Nr. 3101 Vergütungsverzeichnis zum RVG aufgeführten Fällen, in denen sich die Verfahrensgebühr auf 0,8 ermäßigt.

2.2 Terminsgebühr

Die Terminsgebühr beträgt 1,2 und entsteht gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV für

  • Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen

    Hinweis:

    Die Vertretung in einem Verhandlungs-, Anhörungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin.

    Danach entsteht eine Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts.

    Dabei entsteht die Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete außergerichtliche Besprechungen unabhängig davon, ob für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, d.h. auch wenn die gerichtliche Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergeht.

    Zur Frage der in der Praxis oftmals vorkommenden Berechnung der Terminsgebühr, wenn der Vergleich auch bisher nicht rechtshängige Ansprüche umfasst:

    "Schließen die Parteien in einem Termin zur mündlichen Verhandlung einen umfassenden Vergleich, der bisher nicht rechtshängige Ansprüche einbezieht, ist eine Kostenregelung, wonach eine Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden, regelmäßig dahin auszulegen, dass die nur durch die Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in den Vergleich entstehenden Teile der Terminsgebühr zu den Kosten des Vergleichs gehören" (BGH 14.06.2017 -I ZB 1/17).

    und

  • die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen in den folgenden Fällen:

    • Die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins.

    • Die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.

      Nach der Entscheidung BGH 01.07.2010 - IX ZR 198/09 sind die Voraussetzungen für die Terminsgebühr auch dann erfüllt, "wenn der Anwalt nach Erteilung des Klageauftrags an einer auf die Vermeidung des Verfahrens gerichteten Besprechung mitwirkt". Die Klage selbst braucht dabei nicht eingereicht zu werden.

      Nicht ausreichend ist ein allgemeines Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft einer außergerichtlichen Erledigung oder ein Gespräch zu Verfahrensfragen (OVG Niedersachsen 24.01.2011 8 OA 2/11).

      Die Frage, ob die Terminsgebühr nur bei Besprechungen in Verfahren geltend gemacht werden kann, für die eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist, war innerhalb der Senate des BGH umstritten. Seit dem 01.08.2013 wurde durch eine Änderung der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV klargestellt, dass für die Geltendmachung der Terminsgebühr kein Verfahren mit zwingender mündlicher Verhandlung erforderlich ist.

      Hat eine Besprechung zwischen den Prozessbeteiligten nicht stattgefunden, sondern lediglich zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten und dem Gericht, wird die Terminsgebühr nicht ausgelöst (OVG Nordrhein-Westfalen 03.02.2014 - 6 E 1209/12).

Nach dem Beschluss BGH 27.10.2005 - III ZB 42/05 entsteht die Terminsgebühr in Höhe des 1,2-fachen Gebührensatzes auch dann, wenn die Parteien einen Prozessvergleich auf der Grundlage des § 278 Abs. 6 ZPO schließen, d.h. die Parteien einen von dem Gericht schriftlich vorgeschlagenen Vergleichsvorschlag durch Schriftsatz annehmen.

Die 0,5-Gebühr nach Nr. 3105 Abs. 1 Nr. 2 VV entsteht auch dann, wenn die Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO ohne einen entsprechenden (Prozess - )Antrag des Klägers ergeht, d.h. sie fällt unabhängig davon an, ob das Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO auf einem entsprechenden Antrag des Klägers beruht (BGH 24.01.2017 - VI ZB 21/16).

2.3 Fiktive Terminsgebühr

Durch die zum 01.01.2021 in Kraft getretene Änderung der Nr. 3104 VV zum RVG soll klargestellt werden, dass in allen Fällen, in denen dem Rechtsanwalt eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr zusteht, also auch bei einem privatschriftlichen Vergleich, die fiktive Terminsgebühr entsteht, wenn diese Einigung oder Erledigung in einem Verfahren erfolgt, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. In diesem Zusammenhang wurde der im RVG nicht mehr verwendete Begriff "Vergleich" gestrichen und durch die Bezugnahme auf einen Vertrag nach Nummer 1000 VV RVG ersetzt. Durch diese Regelung ist gewährleistet, dass nur eine solche Einigung eine fiktive Terminsgebühr auslöst, die auch den Gebührentatbestand der Nummer 1000 VV RVG erfüllt.

3. Berufung

In dem Berufungsverfahren entstehen folgende Gebühren:

  • 1,6 Verfahrensgebühr

    Die Gebühr entsteht auch, wenn die Berufung z.B. nur zur Fristwahrung eingelegt wurde - siehe unten.

  • 1,2 Terminsgebühr

  • Ggf. 1,3 Einigungsgebühr

4. Versäumnisurteil

Sofern der Prozessbevollmächtigte auch das zweite Versäumnisurteil erwirkt, hat er Anspruch auf die 1,2-fache Terminsgebühr (BGH 18.07.2006 - XI ZB 41/05).

5. Anrechnung

Siehe insofern den Beitrag "Rechtsanwaltsvergütung - Anrechnung".

6. Vergütung bei Kündigung des Mandats nach der Einlegung eines Rechtsmittels

Der BGH hat in den folgenden Fällen entschieden, dass der Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch bei einer Mandatskündigung nach der Einlegung des Rechtsmittels auch ohne die Begründung des Rechtsmittels behält:

  • Lehnt der Rechtsanwalt aufgrund der von ihm auftragsgemäß vorzunehmenden Rechtsprüfung aufgrund der mangelnden Erfolglosigkeit die Begründung einer bereits eingelegten Berufung ab, verliert er nicht seinen bis dahin erworbenen Vergütungsanspruch. Dies gilt auch dann, wenn die Berufungsbegründung nach Kündigung des Mandats durch den Mandanten von einem anderen Anwalt vorgenommen wird (BGH 26.09.2013 - IX ZR 51/13).

  • Kündigt der Revisionsanwalt nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde das Mandat, weil er dem Rechtsmittel aufgrund einer inhaltlich zutreffenden Begutachtung keine Erfolgsaussichten beimisst und darum die von dem Mandanten gewünschte Begründung und Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde ablehnt, verliert er seinen Vergütungsanspruch gegen den Mandanten nicht (BGH 16.02.2017 - IX ZR 165/16).

 Siehe auch 

Rechtsanwaltsvergütung

Rechtsanwaltsvergütung - Anrechnung

Rechtsanwaltsvergütung - außergerichtlich

Rechtsanwaltsvergütung - Beratung

Rechtsanwaltsvergütung - einfache Schreiben

Rechtsanwaltsvergütung - Einigungsgebühr

BGH 10.08.2010 - VIII ZB 15/10 (Keine Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr)

BGH 02.10.2008 - I ZB 111/07 (Anwaltsvergütung bei Antrag auf Zurückweisung der Berufung)

BGH 22.01.2008 - VIII ZB 57/07 (Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren)

OLG Oldenburg 07.05.2008 - 10 W 9/08 (Terminsgebühr in den Verfahren in Landwirtschaftssachen)

Bestelmeyer/Rehberg/Jungbauer/Vogt u.a.: RVG - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz; Kommentar; 8. Auflage 2021

Burhoff: Die Verfahrensgebühr in Straf- bzw. Bußgeldverfahren; RVGreport 2009, 443

Reckin: Die fiktive Terminsgebühr; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2021, 3642

Schneider: Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2018, 523

Schneider: Der BGH und die Terminsgebühr - Eine komische Tragödie in fünf Akten; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, 2711