Prozessfinanzierer
Gesetzlich nicht geregelt.
1 Allgemein
Gewerbsmäßige Übernahme der Prozesskosten durch eine Investmentgesellschaft.
Seit 1998 gibt es in Deutschland die Möglichkeit, einen Prozess alternativ zu den Rechtsschutzversicherungen oder der Prozesskostenhilfe fremdfinanzieren zu lassen. Der Ursprung dieser Vertragsart liegt in den Vereinigten Staaten.
Im Unterschied zur Rechtsschutzversicherung übernimmt der Prozessfinanzierer dabei nur die Kosten des einen Rechtsstreits. Der Vertragsverhältnis ist grundsätzlich immer auf einen Fall beschränkt. Im Falle der Insolvenz des Prozessfinanzierers bleibt der Kläger kostenpflichtig.
Ist der Mandant nicht rechtsschutzversichert und zögert er daher mit seiner Zustimmung zur Klageerhebung, wird ihn der Rechtsanwalt über die Möglichkeit der gewerblichen Prozessfinanzierung informieren bzw. er muss dies tun:
Das OLG Köln hat festgestellt, dass ein Rechtsanwalt seinen Mandanten grundsätzlich auf die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung hinweisen muss. Nicht gefordert ist dabei jedoch der Hinweis auf einen bestimmten Prozessfinanzierer (OLG Köln 05.11.2018 – 5 U 33/18).
Prozesskostenfinanzierer unterliegen nicht der Versicherungsaufsicht. Die auf dem deutschen Markt vertretenen Anbieter haben sich oftmals auf verschiedene Rechtsgebiete spezialisiert. Die von den Prozessfinanzierern am häufigsten angenommenen Anfragen entstammen dem Architekten- und Ingenieurhonorarrecht, dem Kapitalanlagenrecht, dem Arzthaftungsrecht sowie dem Erbrecht.
»Die Gewinnabschöpfungsklage eines Verbraucherverbands, die von einem gewerblichen Prozessfinanzierer finanziert wird, dem eine Vergütung in Form eines Anteils am abgeschöpften Gewinn zugesagt wird, widerspricht dem Verbot unzulässiger Rechtsausübung aus § 242 BGB und ist unzulässig« (BGH 13.09.2018 – I ZR 26/17).
EU-weite Regulierung der Prozessfinanzierung:
Das Europäische Parlament hat 2022 mit einer Entschließung und Empfehlung an die EU-Kommission die Einführung einer Offenlegungspflicht für prozessfinanzierte Rechtsstreitigkeiten sowie die Schaffung gewisser Mindeststandards (z.B. Höchstgrenze für die Vereinbarung des Erfolgshonorars von 40 %) gefordert. Derzeit (November 2024) besteht keine Rechtsgrundlage im Gesetzgebungsverfahren.
2 Vertragsdurchführung
Der Prozessfinanzierer prüft insbesondere die Erfolgsaussichten des Prozesses sowie die Bonität des Anspruchsgegners. Kommt er dabei zu einem positiven Ergebnis, übernimmt er die gesamten Kosten des Rechtsstreits (Übernahme des Prozessrisikos), d.h. er zahlt bereits die an das Gericht zu leistenden Vorschüsse einschließlich etwaiger Sachverständigenkosten. Im Gegenzug dazu erhält er im Falle des Obsiegens ca. 20 – 50 % des eingeklagten Anspruchs bzw. des Wertes des Anspruchs. Der Gewinnanteil hängt ggf. von der Höhe des Streitwerts ab. Seitdem sich das Institut der Prozessfinanzierung am Markt etabliert hat und die Anbieter gestiegen sind, sind auch die Beteiligungsquoten der Prozessfinanzierer gesunken. Es lohnt sich daher verschiedene Angebote einzuholen.
Die Verträge enthalten vielfach folgende Klauseln:
Der Mandant ist verpflichtet, seine Forderungen gegen die andere Partei an den Prozessfinanzierer abzutreten. Die Abtretung wird im Prozess aber nicht offen gelegt.
Der Prozessfinanzierer behält sich das Recht vor, den Vertrag zu kündigen, wenn
aufgrund neuer Tatsachen,
einer geänderten Rechtsprechung,
des Wegfalls von Beweismitteln oder
des Vermögensverfalls des Prozessgegners
die weitere Prozessführung nicht mehr gewünscht wird.
Sofern aufgrund des Prozessverlaufs und der Erfolgsaussichten ein Vergleich sinnvoll erscheint und ein angemessener Vergleich vorgeschlagen wird, ist der Prozessfinanzierer berechtigt, den Abschluss des Vergleichs zu verlangen.
Im Gegenzug wird der Mandant von allen Verfahrenskosten freigestellt.
3 Verhältnis Prozessfinanzierer – Mandant
Der Vertragsschluss erfolgt allein zwischen dem Prozessfinanzierer und dem Mandanten. Dem Rechtsanwalt kommt lediglich Beratungsfunktion zu.
Andererseits enthalten die meisten Finanzierungsverträge eine Klausel, nach der der Mandant seinen möglichen Regressanspruch gegen den Rechtsanwalt an den Prozessfinanzierer abtreten muss.
Wird während des Prozesses von dem Gericht ein Vergleich vorgeschlagen, so sind nach dem Vertrag sowohl der Mandant als auch der Prozessfinanzierer berechtigt, den Vergleich anzunehmen. Möchte eine Partei den Vergleich nicht annehmen (und den Prozess bis zu einem Urteil weiterführen), so hat sie die jeweils andere auf der Grundlage des Vergleichs auszuzahlen.
Beispiel:
Streitwert 150.000,00 EUR, das Gericht schlägt als Vergleich die Zahlung von 100.000,00 EUR vor. Der Prozessfinanzierer möchte den Vergleich annehmen, der Mandant den Prozess weiterführen. Dann hat er dem Prozessfinanzierer z.B. bei einer Erfolgsbeteiligung von 30 % 30.000,00 EUR auszuzahlen und kann den Prozess weiterführen. Die Prozesskosten werden ebenfalls bis zum Vergleichsschluss von dem Prozessfinanzierer übernommen.
»Die Gewinnabschöpfungsklage eines Verbraucherverbands, die von einem gewerblichen Prozessfinanzierer finanziert wird, dem im Fall des Obsiegens eine Vergütung in Form eines Anteils am abgeschöpften Gewinn zugesagt wird, widerspricht dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 10 UWG und damit dem Verbot unzulässiger Rechtsausübung aus § 242 BGB und ist unzulässig« (BGH 09.05.2019 – I ZR 205/17).
4 Verhältnis Prozessfinanzierer – Rechtsanwalt
Grundsätzlich bestehen zwischen dem den Prozess führenden Rechtsanwalt und dem Prozessfinanzierer keine Rechtsbeziehungen.
Der Rechtsanwalt ist aber verpflichtet, während des gesamten Verfahrens den Prozessfinanzierer umfassend zu informieren und evtl. Entscheidungen mit ihm abzusprechen. Daher vergüten die meisten Prozessfinanzierer diese zusätzliche Mehrarbeit mit einer 1,0 Gebühr.
5 Vergleich mit den Leistungen einer Rechtsschutzversicherung
Im Folgenden eine Gegenüberstellung der Voraussetzungen/Leistungen von Rechtsschutzversicherern und Prozessfinanzierern:
Prozessfinanzierer | Rechtsschutzversicherung |
---|---|
Vertragsschluss nach dem Eintritt des Schadenereignisses | auf den Rechtsschutzfall bezogene, vorsorgende Schadenversicherung |
keine Pflicht zur Übernahme des Falles | Verpflichtung zur Tragung der Kosten bei Vorliegen der Voraussetzungen |
nur gerichtliche Streitigkeiten und dabei nur Zahlungsklagen | auch außergerichtliche Streitigkeiten und andere als Zahlungsklagen |
Übernahme nur bei Bonität des Gegners | Übernahme unabhängig von der Bonität des Gegners |
finanzielle Beteilung am Prozesserfolg | keine Beteiligung am Prozesserfolg |