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Privatgutachten

 Normen 

Gesetzlich nicht geregelt.

 Information 

1. Allgemein

Neben der Beantragung eines Sachverständigenbeweises ist die Partei berechtigt, ein Privatgutachten in den Prozess einzubringen. Privat beauftragte Sachverständige sind keine offiziellen Gutachter und lediglich dem Parteivorbringen zuzuordnen.

2. Widerspruch durch das Privatgutachten

In Arzthaftungsprozessen zum Beweis eines ärztlichen Behandlungsfehlers hat der Tatrichter die Pflicht, Widersprüchen zwischen Äußerungen in verschiedenen Sachverständigengutachten von Amts wegen nachzugehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, auch wenn es sich um Privatgutachten handelt. Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so darf der Tatrichter den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (BGH 11.11.2014 - VI ZR 76/13).

3. Kostenerstattung

Die Kosten der Erstellung eines Privatgutachtens können im Rahmen eines Rechtsstreits bei Vorliegen der von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen zu den erstattungspflichtigen Kosten gehören. Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen:

Nach der Rechtsprechung des BGH können die Kosten für ein vorprozessual erstattetes Privatgutachten nur ausnahmsweise als "Kosten des Rechtsstreits" im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden. Insoweit genügt es nicht, wenn das Gutachten irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet wird, sondern das Gutachten muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein. Deshalb sind diejenigen Aufwendungen, die veranlasst werden, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnet, regelmäßig nicht erstattungsfähig (BGH 04.03.2008 - VI ZB 72/06).

Aber: Nach der Entscheidung BGH 23.05.2006 - VI ZB 7/05 steht ein vorprozessual eingeholtes Sachverständigengutachten auch dann in unmittelbarer Beziehung zu dem Rechtsstreit, wenn der Sachverständige zwar schon vor Klageandrohung mit der Erstellung beauftragt wurde, das Gutachten jedoch erst nach Klageandrohung erstellt wurde.

Ist ein Privatgutachten im Einverständnis beider Parteien von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen verwertet und benutzt worden und hat dieser sogar entsprechende eigene Aufwendungen in diesem Umfang erspart, so handelt es sich auch dann um notwendige Kosten des Rechtsstreits (OLG Köln 20.01.2014 - 17 W 204/13).

Der BGH hat mit der Entscheidung BGH 01.02.2017 - VII ZB 18/14 die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens verneint, da der Kläger als Bauunternehmer "aufgrund seiner eigenen Sachkunde ohne weiteres in der Lage war, zu dem Inhalt der beklagtenseits eingeholten Gutachten, die die Beurteilung des kostenmäßigen Umfangs der noch ausstehenden Fertigstellungsarbeiten sowie der Mängelbehebung betrafen, vorzutragen. Spezialkenntnisse, die der Kläger als Bauunternehmer nicht hatte, waren hierfür nicht erforderlich." Die Erstattungsfähigkeit ist auch "nicht deshalb gegeben, weil einem solchen privaten Gutachten im Rahmen des Rechtsstreits ein höheres Gewicht zukäme als sonstigem Parteivortrag."

4. Verjährung von Schadensersatzansprüchen aufgrund einer fehlerhaften Erstellung des Gutachtens

Ber der Verjährung von Schadensersatzansprüchen aufgrund einer fehlerhaften Erstellung des Gutachtens ist wie folgt zu unterscheiden:

  • Gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB verjähren die in § 634 Nr. 1, 2 und 4 BGB bezeichneten Ansprüche bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht, in fünf Jahren. Die Frist beginnt mit der Abnahme der Werkleistung.

    § 634a Abs. 2 BGB: Diese Verjährungsfrist ist einschlägig, wenn "es sich bei dem streitbefangenen Gutachten (...) um eine Überwachungsleistung im Rahmen des in der Errichtung befindlichen Einfamilienhauses (...) gemäß § 634a Abs. Nr. 2 BGB handelt" (OLG Brandenburg 19.07.2019 - 7 U 164/18).

  • Davon zu unterscheiden ist ein "feststellendes Gutachten", auf das die Verjährungsfrist des § 634 a Abs. 1 Nr. 3 BGB und damit die Regelverjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB Anwendung finden.

  • Nach dem obigen Urteil kann "sich auch ein bautechnisches Gutachten als feststellendes Gutachten darstellen. Dies ist dann der Fall, wenn es zum Beispiel als Entscheidungsgrundlage für den Erwerb einer Immobilie oder die Bestimmung ihres Wertes erstellt".

 Siehe auch 

Beweismittel

Beweisverfahren - selbstständiges

Obergutachten

Sachverständige

Sachverständige - Arten

Sachverständige - Haftung

Sachverständiger Zeuge

Zweitgutachten

BGH 05.09.2006 - VI ZR 176/05 (Anspruch auf mündliche Erläuterung des Gutachtens)

BGH 27.01.2004 - VI ZR 150/02 (Pflicht zur Anhörung des Sachverständigen)

Breloer: Nachbarrecht für Baumsachverständige, Teil 1: Herüberragende Zweige und eindringende Wurzeln; Der Sachverständige - DS 2005, 328

Breloer: Nachbarrecht für Baumsachverständige, Teil 2: Laubfall / Samenflug, Straßen und Anlieger, der Grenzbaum; Der Sachverständige - DS 2005, 371

Cramer: Anwaltliche Strategien im Sachverständigenbeweis aus Sicht des Arztanwalts; Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht - ZMGR 2014, 159 und 171

Koenen: Der Sachverständigenbeweis im Bauprozess; 1. Auflage 2012

Lüblinghoff: Das Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2016, 3329

Müller: Arzthaftung und Sachverständigenbeweis; Medizinrecht - MedR 2001, 487

Werner/Pastor: Der Bauprozess; 17. Auflage 2020

Voit/Manteufel: Handbuch des Bauverfahrensrechts; 1. Auflage 2018