Rechtswörterbuch

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Nachtarbeit

 Normen 

§ 2 Abs. 3 ArbZG

§ 6 ArbZG

§ 7 f. TVöD

§ 7 f. TV-L

 Information 

1. Allgemein

Nachtarbeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer mehr als zwei Stunden während der gesetzlichen Nachtzeit arbeitet. Als Nachtzeit im arbeitsrechtlichen Sinne wird gemäß der gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 3 ArbZG die Zeit von 23.00 bis 6.00 Uhr angesehen, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr.

Nachtarbeit stellt für den betroffenen Arbeitnehmer eine erhebliche körperliche und soziale Belastung dar. Frauen war es bis 1992 verwehrt, Nachtarbeit zu leisten.

Allgemeine Rechtsgrundlage der Nachtarbeit ist § 6 ArbZG.

2. Arbeitnehmer, für die Nachtarbeit verboten ist

Für die folgenden Arbeitnehmer ist die Ausübung der Nachtarbeit verboten bzw. eingeschränkt:

Bei Vorliegen der in § 6 Abs. 4 ArbZG aufgeführten Voraussetzungen ist die Nachtarbeit zwar nicht verboten, aber der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen (siehe unten).

3. Pflichten und Recht der Arbeitsvertragsparteien

Der Arbeitnehmer hat bei der Leistung von Nachtarbeit u.a. folgende Rechte:

  • Er kann sich gemäß § 6 Abs. 3 ArbZG auf Kosten des Arbeitgeber mindestens alle drei Jahre arbeitsmedizinisch untersuchen lassen (Arbeitsmedizinische Vorsorge). Unterhält der Arbeitgeber einen Betriebsarzt o.Ä. ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die Untersuchung durch diesen durchführen zu lassen. Arbeitnehmer ab dem 50. Lebensjahr können sich jährlich untersuchen lassen.

  • Bei Vorliegen der folgenden Sachverhalte kann der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber verlangen, auf einen Tagesarbeitsplatz (soweit vorhanden) umgesetzt zu werden, sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen:

    • Nach einem arbeitsmedizinischen Gutachten führt die weitere Nachtarbeit zu einer Gesundheitsgefährdung des Arbeitnehmers.

    • Im Haushalt des Arbeitnehmers lebt ein schwer pflegebedürftiger Angehöriger, der nicht anderweitig betreut werden kann.

    • Im Haushalt des Arbeitnehmers lebt ein Kind, das nicht anderweitig betreut werden kann.

Der Arbeitgeber hat gegenüber dem nachtarbeitenden Arbeitnehmer u.a. folgende Pflichten zu erfüllen:

  • Bei der erstmaligen Einführung von Nachtarbeit bzw. der Ausweitung der Nachtarbeit hat der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG ein Informationsrecht und ein Beratungsrecht (Mitwirkungsrecht).

  • Er hat sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer den gleichen Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen u.ä. erhält wie andere Arbeitnehmer.

  • Gemäß § 87 BetrVG hat er das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Nachtarbeit zu beachten. Dieses besteht aber nur, soweit eine tarifliche oder gesetzliche Regelung des Bereichs der Nachtarbeit nicht besteht.

4. Vergütung / Ausgleichspflicht

4.1 Allgemein

Die Vergütung bzw. der Freizeitausgleich für Nachtarbeit ist zumeist in Tarifverträgen geregelt.

Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, ist gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG der Arbeitgeber verpflichtet, als Ausgleich für geleistete Nachtarbeit entweder eine angemessene Zahl bezahlter freier Arbeitstage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm zu gewährende Bruttoarbeitsentgelt zu zahlen.

Angemessenheit:

"Die Höhe des angemessenen Nachtarbeitszuschlags richtet sich nicht nach der Schwere der vertraglich geschuldeten Tätigkeit. Der Zuschlag knüpft an das dem Nachtarbeitnehmer für die Nachtarbeit "zustehende" Bruttoarbeitsentgelt an (BAG 25.04.2018 - 5 AZR 25/17). Die Höhe des Zuschlags richtet sich nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist" (vgl. BAG 15.07.2020 - 10 AZR 123/19).

Welcher Zuschlag dabei als angemessen anzusehen ist, wurde durch die Rechtsprechung des BAG wie folgt konkretisiert (u.a. BAG 10.11.2021 - 10 AZR 257/20; BAG 09.12.2015 - 10 AZR 423/14, BAG 27.05.2003 - 9 AZR 180/02):

  • Regelmäßig ist dabei ein Zuschlag in Höhe von 25 % des Bruttoarbeitsentgelts bzw. die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Nachtarbeitsstunden angemessen.

  • Von diesem Regelwert kann bei Vorliegen von dem Normalfalls nach oben und nach unten abgewichen werden:

  • Eine Reduzierung des Zuschlags kommt in Betracht,

    • "wenn die Nachtarbeit aus zwingenden technischen Gründen oder aus zwingend mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen bei wertender Betrachtung vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 6 Abs. 5 ArbZG unvermeidbar ist."

      Beispiel:

      " ... wenn überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls die Nachtarbeit zwingend erfordern, wie das etwa im Rettungswesen der Fall sein kann" (BAG 25.04.2018 - 5 AZR 25/17).

    • "wenn die Belastung durch die Nachtarbeit im Vergleich zu der üblichen Situation geringer ist. Das kann beispielsweise bei der nächtlichen Bereitschaftszeit gegeben sein."

  • Eine Erhöhung des Regelwerts auf 30 % kommt in Betracht, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit unter qualitativen (Art der Tätigkeit) oder quantitativen (Umfang der Nachtarbeit) Gesichtspunkten die gewöhnlich mit der Nachtarbeit verbundene Belastung übersteigt. Ein solcher Fall ist typischerweise bei einer Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit gegeben.

    Hinweis:

    Das BAG hat mit der Entscheidung BAG 10.11.2021 - 10 AZR 257/20 die Urteile der beiden Vorinstanzen bestätigt, nach denen die Vertriebsgesellschaft eines Zeitungsverlages an die Zeitungszusteller einen Zuschlag in Höhe von 30 % zu zahlen haben.

Ausgleich durch Freizeit oder Zuschlag:

Das BAG hat aber bestätigt, dass es den Arbeitsvertragsparteien überlassen bleibt, wie sie die Ausgleichsleistung regeln bzw. der Arbeitgeber ein Wahlrecht über die Ausgleichsleistung hat. Zulässig ist es danach auch, wenn neben der Freistellung und der Zahlung eines Zuschlags der Ausgleich für die Nachtarbeit durch die pauschale Erhöhung des Grundlohns vergütet wird. Voraussetzung ist aber, dass der Arbeitsvertrag konkrete Anhaltspunkte für die pauschale Abgeltung enthält, indem z.B. zwischen der Grundvergütung und dem pauschalen Nachtarbeitszuschlag unterschieden wird. Da der Arbeitnehmer nicht in Dauernachtschicht, sondern in Wechselschicht arbeitete, sei nach Ansicht des Gerichts die tarifliche Zuschlagshöhe eine Orientierungshilfe für die Angemessenheit.

Hinweis:

Der Rechtsanwalt, der die Nachtarbeitsvergütung bzw. die Freistellung bei dem Arbeitsgericht einklagt, muss daher den Klageantrag wahlweise auf Freistellung oder auf Zahlung eines (individuellen oder konkreten) Nachtarbeitszuschlags stellen. Die Entscheidung wird dann von dem Arbeitsgericht getroffen.

Zusammenfassung:

Zusammenfassend kann Nachtarbeit danach wie folgt vergütet werden:

  • als angemessener Zuschlag auf den Bruttoarbeitslohn

  • durch Freizeitausgleich

  • durch einen pauschalen Betrag

Auch der nächtliche Bereitschaftsdienst ist ausgleichspflichtige Nachtarbeit (BAG 12.12.2012 - 10 AZR 192/11).

4.2 Zeitungszusteller

Das BAG hat den Rahmen für die Höhe des angemessenen Zeitzuschlags für die Nachtarbeit bei Zeitungszusteller klar festgelegt:

"Erfolgt die Zeitungszustellung dauerhaft in Nachtarbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, haben Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % des ihnen je Arbeitsstunde zustehenden Mindestlohns, sofern nicht eine höhere Vergütung vereinbart ist" (BAG 25.04.2018 - 5 AZR 25/17).

4.3 Unterschiedliche Höhe der Nachtarbeitszuschläge

Das Bundesarbeitsgericht hat die Festsetzung von Nachtarbeitszuschlägen in unterschiedlicher Höhe für unwirksam erklärt, da ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt:

"Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss. Ein solcher kann darin liegen, dass mit dem höheren Zuschlag neben den spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit auch die Belastungen durch die geringere Planbarkeit eines Arbeitseinsatzes in unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden sollen" (BAG 22.02.2023 – 10 AZR 332/20 - Pressemitteilung).

Aber: Erst im Jahr 2018 hat derselbe Senat (mit sehr wahrscheinlich anderer Besetzung) genau gegenteilig geurteilt:

"Eine tarifvertragliche Regelung, die für Nachtarbeit einen Zuschlag von 50 % zum Stundenlohn vorsieht, während Nachtarbeit im Schichtbetrieb lediglich mit einem Zuschlag von 15 % vergütet wird, stellt Nachtschichtarbeitnehmer gegenüber Arbeitnehmern, die außerhalb von Schichtsystemen Nachtarbeit leisten, gleichheitswidrig schlechter" (BAG 21.03.2018 - 10 AZR 34/17).

Insofern müssen nach der Veröffentlichung zunächst die Urteilsbegründungen verglichen werden.

 Siehe auch 

Arbeitsvertrag

Arbeitszeit

Betrieb

Direktionsrecht

Gruppenarbeit

Mutterschutz

BAG 25.09.2013 - 10 AZR 846/12 (Auslegung des Begriffs der unregelmäßigen Nachtarbeit im Tarifvertragsrecht)

BAG 27.05.2003 - 9 AZR 180/02 (angemessener Zuschlag)

BAG 05.09.2002 - 9 AZR 202/01 (Wahlrecht des Arbeitgebers über die Art der Ausgleichsleistung)

Dollmann: Ausgleich von Nachtarbeit nach dem Arbeitszeitgesetz; Arbeitsrechtsberater - ArbRB 2004, 181

Foerster: Steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Voraussetzungen für die steuerfreie Gewährung von Zuschlägen nach § 3b EStG; GmbH-Steuerpraxis - GmbH-Stpr. 2012, 161

Lakies: Vergütung der Nachtarbeit und Grenzen der Vertragsfreiheit; Arbeitsrecht Aktuell - ArbR 2012, 520

Lochte: Berechnung und Grenzen der Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit; Der Personalleiter - DPL 2008, 272