Rechtswörterbuch

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Konzerninsolvenz

 Normen 

§§ 3a - 3e InsO

§ 13a InsO

§§ 269a - 269i InsO

§ 56b InsO

Gesetzesbegründung: BT-Drs. 18/407

 Information 

1. Einführung

Das geltende Insolvenzrecht ist auf die Bewältigung der Insolvenz einzelner Rechtsträger zugeschnitten. Für jeden insolventen Rechtsträger ist hiernach ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, in dessen Rahmen ein Insolvenzverwalter das Vermögen zugunsten der Gläubiger dieses Rechtsträgers verwertet. Geraten in einem Konzern mehrere Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, muss folglich für jeden Unternehmensträger ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt werden. Dies kann insbesondere in den Fällen zu Nachteilen führen, in denen die zu dem Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, weil betriebs- und finanzwirtschaftliche Funktionen der insgesamt verfolgten unternehmerischen Tätigkeit auf unterschiedliche Unternehmensträger verteilt sind. Durch die Dezentralisierung der - ehemals durch die Ausübung der Konzernleitungsmacht aufeinander abgestimmten - Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die konzernweit verfügbaren Ressourcen, d.h. durch deren Verteilung auf mehrere Insolvenzverwalter, wird es schwieriger, die wirtschaftliche Einheit des Konzerns als solche zu erhalten und ihren vollen Wert für die Gläubiger zu realisieren.

Nunmehr ist eine einheitliche Abwicklung von Konzerninsolvenzen gesetzlich geregelt. Die neuen Vorschriften zur Konzerninsolvenz sind am 21. April 2018 in Kraft getreten. Dabei verwendet das Gesetz den Begriff der "Unternehmensgruppe" (statt "Konzern"):

§ 3e InsO definiert den Begriff der Unternehmensgruppe: Eine Unternehmensgruppe im Sinne dieses Gesetzes besteht aus rechtlich selbstständigen Unternehmen, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland haben und die unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind durch 1. die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses oder 2. eine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung.

Hinweis:

Zu detaillierteren Informationen siehe die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/407).

2. Einheitliches Insolvenzgericht - Gruppen-Gerichtsstand

Die §§ 3a - 3e InsO enthalten neue Gerichtsstandsregelungen, die es ermöglichen, die Insolvenzverfahren über Vermögen von Unternehmensträgern, die derselben Unternehmensgruppe angehören, an ein und demselben Insolvenzgericht zu führen.

§ 3a Abs. 1 InsO führt für Schuldner, die einer Unternehmensgruppe angehören (gruppenangehörige Schuldner), einen zusätzlichen Gerichtsstand ein (Gruppen-Gerichtsstand). Damit wird die Möglichkeit geschaffen, sämtliche Verfahren über gruppenangehörige Schuldner an einem Gericht zu führen. Dieser Gruppen-Gerichtsstand kann bei dem Insolvenzgericht begründet werden, bei dem aus dem Kreis der gruppenangehörigen Schuldner der erste hierauf gerichtete Antrag gestellt wird. Der Antrag auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands setzt einen zulässigen Eröffnungsantrag des betreffenden Schuldners voraus, ist von diesem aber zu unterscheiden. Antragsberechtigt ist grundsätzlich der Schuldner. Dies gilt auch dann, wenn der Eröffnungsantrag von einem Gläubiger gestellt wurde.

Sofern gruppenangehörige Schuldner oder deren Gläubiger - etwa in Unkenntnis der Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands - Anträge auf Eröffnung von Gruppen-Folgeverfahren bei anderen Gerichten als bei dem zuständigen Insolvenzgericht stellen, eröffnet die § 3d InsO die Möglichkeit einer Verweisung an das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands.

Hinweis:

Zu detaillierteren Informationen siehe die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/407).

3. Einheitlicher Insolvenzverwalter

Wird über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, so haben gemäß dem neuen § 56b InsO die angegangenen Insolvenzgerichte sich darüber abzustimmen, ob es im Interesse der Gläubiger liegt, lediglich eine Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen.

Eine einheitliche Verwalterbestellung wird nach der Gesetzesbegründung immer dann in Betracht zu ziehen sein, wenn sie den Zielen der Insolvenzordnung dienen kann. Das wird namentlich dann der Fall sein, wenn die Bestellung derselben Person zum Verwalter in den verschiedenen Verfahren geeignet erscheint, die Verluste der Gläubiger durch die Insolvenz ihres Schuldners möglichst gering zu halten. Ausscheiden wird eine einheitliche Verwalterbestellung demgegenüber dann, wenn die Unabhängigkeit des Verwalters bei Bestellung in mehreren Verfahren besonders gefährdet ist. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn das Vermögen eines insolventen Unternehmens im Wesentlichen aus nicht feststehenden Ansprüchen gegen andere gruppenangehörige Schuldner besteht. Neben der für mehrere Rechtsträger zum Verwalter bestellten Person müssten dann Sonderverwalter für die Durchsetzung bzw. Abwehr dieser Ansprüche bestellt werden, deren Tätigkeit voraussichtlich so umfangreich wäre, dass die einheitliche Verwalterbestellung für das Erreichen der Ziele der Insolvenzverfahren letztlich keine Vorteile verspricht.

Die Bestellung einer Person zum Insolvenzverwalter für mehrere gruppenangehörige Schuldner wird auch dann ausscheiden, wenn konzerninterne Interessenkonflikte die Unabhängigkeit des Verwalters gefährden und diesen Interessenkonflikten durch die Bestellung von Sonderinsolvenzverwaltern nicht ausreichend begegnet werden kann. Unzweckmäßig erscheint eine Bestellung derselben Person zum Verwalter, wenn sie die Einbindung von Sonderinsolvenzverwaltern in einem Umfang erfordert, der außer Verhältnis zu den Vorteilen der einheitlichen Verwalterbestellung steht. Sind die einzelnen Konzernunternehmen in ganz unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig, mag eine Person auch nicht für alle Insolvenzverfahren die erforderliche Sachkunde mitbringen.

Hinweis:

Zu detaillierteren Informationen siehe die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/407).

4. Koordinationsverfahren

Die §§ 269a - 269i InsO regeln die Vorgaben für die Koordinierung der Verfahren der Insolvenzen der Schuldnern derselben Unternehmensgruppe.

Dies beinhaltet Vorgaben für die Zusammenarbeit der ggf. mehreren Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte sowie die Einrichtung eines Gruppen-Gläubigerausschusses und eines Verfahrenskoordinators.

In seinem Rahmen soll eine Person als Verfahrenskoordinator mit der Koordination der Einzelverfahren betraut werden. Seine Aufgabe besteht darin, Vorschläge für die abgestimmte Insolvenzverwaltung auszuarbeiten. Eine besondere Stellung nimmt dabei der vom Koordinationsverwalter vorzulegende und vom Koordinierungsgericht zu bestätigende Koordinationsplan ein, der als Referenzplan für die auf der Ebene der Einzelverfahren, insbesondere auf der Grundlage von Insolvenzplänen, zu ergreifenden Maßnahmen dient.

Hinweis:

Zu detaillierteren Informationen siehe die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/407).

 Siehe auch 

Insolvenz - International

Insolvenzgerichte

Insolvenzgläubiger

Insolvenzverwalter

Mock: Das neue Konzerninsolvenzrecht nach dem Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen; Der Betrieb - DB 2017, 951

Stahlschmidt/Bartelheimer: Änderungen bei der Konzerninsolvenz in Eigenverwaltung durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen. Frischzellenkur auch für DAX-Unternehmen?; Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht - ZInsO 2017, 1010

Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl: Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht; 8. Auflage 2018