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Jugend- und Auszubildendenvertretung

 Normen 

§§ 60 - 73b BetrVG

§ 78a BetrVG

BT-Drs. 19/28899 (zu den Änderungen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes 2021)

§ 56 BPersVG

Personalvertretungsgesetze der Länder, so z.B. § 7 LPVG NRW

 Information 

1. Jugend- und Auszubildendenvertretung

1.1 Voraussetzungen

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung ist die Interessenvertretung der jugendlichen Arbeitnehmer und Auszubildenden in Betrieben mit einem Betriebsrat.

Eine Jugend- und Auszubildendenvertretung kann in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern, die entweder das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder sich in der Berufsausbildung befinden, gewählt werden.

Hinweis:

Zum 18.06.2021 wurde das weitere Erfordernis, dass die Arbeitnehmer / Auszubildenden das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gestrichen. Hintergrund ist, dass vermehrt Auszubildende auch älter sind.

Weitere Voraussetzung ist, dass in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht.

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung ist abzugrenzen von der Interessenvertretung für Auszubildende gemäß § 51 BBiG.

1.2 Wahl

Wählbar sind gemäß § 61 BetrVG alle Arbeitnehmer, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind.

Wahlberechtigt sind Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder sich in der Ausbildung befinden.

Die Anzahl der Vertreter der Jugend- und Auszubildendenvertretung richtet sich nach der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Jugendlichen und Auszubildenden und ist im Einzelnen in § 62 BetrVG dargestellt.

Das Geschlecht, das sich bei den Jugendlichen und Auszubildenden in der Minderheit befindet, muss, wenn die Jugend- und Auszubildendenvertretung aus mindestens drei Mitgliedern besteht, anteilsmäßig vertreten sein.

1.3 Aufgaben

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung hat gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 1a und 4 BetrVG u.a. folgende Aufgaben:

  • Gewährleistung der Einhaltung der zugunsten Jugendlicher / Auszubildender bestehenden Vorschriften

  • Weiterleitung der Anregungen der Jugendlichen / Auszubildenden zur Verbesserung des Arbeitsverhältnisses an den Betriebsrat

  • Beantragung von Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Entwicklung der Jugendlichen / Auszubildenden beim Betriebsrat

  • Beantragung von Maßnahmen beim Betriebsrat zur Integration ausländischer Jugendlicher und Auszubildender

Der Betriebsrat ist verpflichtet, die Jugend- und Auszubildendenvertretung zu allen Besprechungen mit dem Arbeitgeber hinzuzuziehen, in denen besonders die Belange der Jugendlichen oder Auszubildenden besprochen werden. Die Jugend- und Auszubildendenvertretung kann zudem zu allen Betriebsratssitzungen einen Vertreter entsenden.

Die zur Erfüllung der Aufgaben notwendigen Informationen sind der Jugend- und Auszubildendenvertretung durch den Betriebsrat bereitzustellen.

1.4 Stimmengewicht

Jedes Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung hat so viele Stimmen, wie in dem Betrieb wahlberechtigte Jugendliche und Auszubildende in die Wählerliste eingetragen sind.

1.5 Weiterbeschäftigungsanspruch

Für Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung besteht gemäß § 78a BetrVG, § 56 BPersVG bzw. der entsprechenden Vorschriften in den Landespersonalvertretungsgesetzen ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach dem Ende der Ausbildungszeit:

Verlangt ein Auszubildender innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich von der Dienststelle / dem Unternehmen die Weiterbeschäftigung, so gilt zwischen dem Auszubildenden und der Dienststelle im Anschluss an das erfolgreiche Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet.

Hinweis:

Die Weiterbeschäftigungserklärung ist nur wirksam, wenn sie schriftlich im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB abgegeben wurde (kein Fax, keine Mail). Hintergrund ist, dass es sich um eine rechtsgestaltende Willenserklärung handelt (BAG 10.05.2016 - 9 AZR 149/15).

Beabsichtigt die Dienststelle/das Unternehmen, einen derartigen Auszubildenden nach erfolgreicher Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, so hat sie dies drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden schriftlich mitzuteilen.

Der Arbeitgeber dann kann spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim Verwaltungsgericht beantragen, festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis nach Absatz 2 und 3 nicht begründet wird, oder das bereits nach Absatz 2 oder 3 begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung ist der Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen.

Zumutbarkeit der Übernahme:

"Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist dann unzumutbar, wenn der Arbeitgeber dem Jugendvertreter zum Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung keinen ausbildungsadäquaten Dauerarbeitsplatz bereitstellen kann. Die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Jugendvertreter richtet sich nach den maßgeblichen Verhältnissen im Zeitraum der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses (...). Dabei ist der vor dem Ausbildungsende liegende Drei-Monats-Zeitraum mit in den Blick zu nehmen, weil § 9 PersVG LSA dem Arbeitgeber die ergänzende Pflicht auferlegt, bei Einstellungsvorhaben in diesem Zeitraum die Möglichkeit eines Übernahmeverlangens und damit das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes zu berücksichtigen" (OVG Magdeburg 22.12.2016 - 5 L 7/16).

"Eine Weiterbeschäftigung ist für den öffentlichen Arbeitgeber trotz Vorhandenseins eines ausbildungsadäquaten Arbeitsplatzes nicht zumutbar, wenn andere Bewerber um diesen Arbeitsplatz objektiv wesentlich fähiger und geeigneter sind als der Jugend- und Auszubildendenvertreter. (...) Dies ist der Fall, wenn der Jugend- und Auszubildendenvertreter in der maßgeblichen Abschlussprüfung deutlich mehr als eine volle Notenstufe schlechter abgeschnitten hat als der schwächste sonstige Bewerber, den der öffentliche Arbeitgeber sonst in ein Dauerarbeitsverhältnis übernehmen würde" (BVerwG 09.09.1999 - 6 P 5/98).

Die Weiterbeschäftigung ist nach dem Urteil OVG Magdeburg 22.12.2016 - 5 L 7/16 unzumutbar, "... weil dem Antragsteller für dessen dauerhafte ausbildungsadäquate Beschäftigung keine freie Stelle zur Verfügung stand und der Antragsteller wegen haushaltsgesetzlicher Vorgaben für die Stellenbewirtschaftung in seinem Geschäftsbereich gehindert war, dem Beteiligten im gesamten Geschäftsbereich (...) einen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz anzubieten.

Sofern der Jugend- und Auszubildendenvertreter sich auf eine Teilzeitstelle beworben hat, ist auch diese Stelle bei der Prüfung eines geeigneten und besetzbaren Arbeitsplatzes zu berücksichtigen (OVG Niedersachsen 28.09.2015 - 18 LP 2/15).

Die Beschränkung des besonderen Schutzes des § 56 BPersVG auf nicht verbeamtete Auszubildende ist nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt (BVerfG 21.03.2015 - 1 BvR 2031/12).

Anwendung auf Ersatzmitglieder:

Der Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich auf Mitglieder eines Mitbestimmungsorgans. Die Frage, ab wann gewählte Ersatzmitglieder in den Schutzbereich der Vorschrift kommen, ist zwischen dem Bundesarbeitsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht derzeit nicht eindeutig geklärt. Nach dem Bundesarbeitsgericht reicht eine einmalige Vertretung aus, nach dem Bundesverwaltungsgericht muss sich die Vertretung über einen gewissen zusammenhängenden Zeitraum hinziehen.

Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung:

Dabei unterliegt diese Weiterbeschäftigung nicht der Mitbestimmung des Personalrats, da keine Einstellung aufgrund einer Entscheidung / Auswahl der Dienststelle vorliegt (BVerwG 26.05.2015 - 5 P 9/14).

Hinweis:

Die obige Rechtsprechung ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des öffentlichen Dienstes (Haushaltsrecht!) auch auf die jeweils andere Form der Interessenvertretung übertragbar.

2. Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung

Ebenso wie bei den Betriebsräten ist gemäß § 72 BetrVG eine Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung zu errichten, wenn in einem Unternehmen mehrere Jugend- und Auszubildendenvertretungen bestehen. Jede Jugend- und Auszubildendenvertretung entsendet einen Vertreter in die Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Jedes Mitglied der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung hat nach § 72 Abs. 7 BetrVG so viele Stimmen, wie in dem Betrieb wahlberechtigte Jugendliche und Auszubildende in die Wählerliste eingetragen sind.

3. Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung

Bestehen in einem Konzern mehrere Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretungen, so können diese gemäß § 73a BetrVG die Errichtung einer Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung beschließen. Der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung steht dann im Konzernbetriebsrat ein Stimmrecht zu, wenn der zu fassende Beschluss überwiegend jugendliche und auszubildende Arbeitnehmer betrifft. Der Stimmenanteil der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung bestimmt sich in diesen Fällen nach § 73a Abs. 3 BetrVG.

Die Errichtung erfordert die Zustimmung der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretungen der Konzernunternehmen, in denen insgesamt mindestens 75 % der jugendlichen bzw. auszubildenen Arbeitnehmer gemäß der Anforderungen des § 60 BetrVG beschäftigt sind.

In die Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung entsendet jede Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung ein Mitglied. Der Stimmenanteil des Mitglieds der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung entspricht den Gesamt-Stimmen der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung.

 Siehe auch 

Berufsausbildungsverhältnis

Betriebsrat

Europäischer Betriebsrat

Gesamtbetriebsrat

Konzernbetriebsrat

Henkel: Der Kündigungsschutz der Ersatzmitglieder von Personalrat und Jugend- und Auszubildendenvertretung; Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht - öAT 2019, 51

Kobersky/Hold: Betriebliche Jugend- und Auszubildendenvertretung; Neue Wirtschafts-Briefe - NWB 2003, 3995

Oetker: Die Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung. Errichtung und Rechtsstellung; Der Betrieb - DB 2005, 1165

Vogelgesang: Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Personalvertretungsrecht (und parallel Betriebsverfassungsrecht) 2013/2014; Zeitschrift für das Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentllichen Dienstes - ZTR 2014, 454