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Irreführende geschäftliche Handlungen

 Normen 

§ 5 UWG

§§ 5a - 5c UWG

RL 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken

BT-Drs. 19/27873 (zu den am 28.05.2022 in Kraft getretenen Änderungen des "Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht"

 Information 

1. Allgemein

Die irreführenden geschäftlichen Handlungen sind als Unterform der unlauteren geschäftlichen Handlungen einer der Tatbestände des unlauteren Wettbewerbrechts.

In § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG wird der Begriff "geschäftliche Handlung" definiert. Um zum Ausdruck zu bringen, dass als geschäftliche Handlung gleichermaßen ein positives Tun wie auch ein Unterlassen in Betracht kommen, wurde nicht der an sich ausreichende herkömmliche Begriff "Handlung" verwendet, sondern die umfassender erscheinende Formulierung "Verhalten" eingeführt.

Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Rechtsgrundlage sind die §§ 5 - 5c UWG.

Daneben kommt eine Strafbarkeit von Werbung gemäß § 16 UWG bzw. gemäß § 263 StGB in Betracht.

2. Der Begriff der Irreführung

Begriffsbestimmung:

Der Begriff der irreführenden geschäftlichen Handlung ist in § 5 Abs. 2 UWG definiert: Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die in § 5 Abs. 2 Nrn. 1 - 7 UWG im Einzelnen aufgeführten Umstände enthält.

Nach der maßgebenden Bestimmung hängt somit der irreführende Charakter einer Geschäftspraxis allein davon ab, dass sie unwahr ist, weil sie falsche Angaben enthält, oder dass sie ganz allgemein den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf u.a. die Art oder die wesentlichen Merkmale eines Produkts oder einer Dienstleistung zu täuschen geeignet ist und ihn dadurch voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ohne diese Praxis nicht getroffen hätte.

Auszugehen ist von dem subjektiven Empfängerhorizont des Verbrauchers (EuGH 19.09.2013 - C 435/11). Danach kann eine Werbeaussage auch dann irreführend sein, wenn sie objektiv wahr ist, bei dem Verbraucher jedoch eine andere Vorstellung erweckt. Andererseits kann eine objektiv unwahre Werbeaussage nicht irreführend sein, wenn sie vom Verbraucher als objektiv unwahr erkannt wird.

In der Entscheidung EuGH 19.12.2013 C 281/12 hat der EuGH zum Begriff der "geschäftlichen Entscheidung" Stellung genommen und entschieden, dass der Begriff sämtliche Entscheidungen erfasst, die mit der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts unmittelbar zusammenhängen. Der Begriff ist nach den Entscheidungsgründen weit auszulegen und erfasst den möglichen Kauf eines Produkts vorbereitende Handlungen wie der Weg des Verbrauchers zum Geschäft oder das Betreten des Geschäfts.

Weitere irreführende geschäftliche Handlungen:

Weitere irreführende geschäftliche Handlungen sind in § 5 Abs. 3 und 5 UWG genannt. Neu zum 28.05.2022 eingefügt wurde in Absatz 3 die Regelungen zur so genannten Doppelqualität von Waren ("Dual Quality"). Danach ist es irreführend, wenn eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.

3. Irreführung durch Unterlassen

Die Irreführung kann sowohl durch aktives Tun als auch durch ein Unterlassen begründet werden. Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, ist gemäß § 5a Abs. 1 UWG die Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen.

Rechtsgrundlage ist § 5a UWG.

4. Verbraucherbegriff

Für die Beurteilung einer geschäftlichen Handlung, die sich an eine bestimmte Verbrauchergruppe wendet, ist auf das vom Europäischen Gerichtshof entwickelte und vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung verwendete Verbraucherleitbild des informierten, verständigen und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers zurückzugreifen, und bei einer geschäftlichen Handlung, die sich an eine bestimmte Verbrauchergruppe wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe.

5. Tatbestände

Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie

  • unwahre Angaben enthält

  • oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben

über folgende Umstände enthält:

  • Wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG):

    In Abgrenzung zu den in § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG geregelten Garantie- und Gewährleistungsrechten erfassen die Merkmale "Kundendienst" und "Beschwerdeverfahren" nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/10145) neben Angaben des Unternehmers über den klassischen Kundendienst - wie beispielsweise die Werbung mit einem Vorort-Service - auch alle anderen nachvertraglichen Serviceleistungen wie beispielsweise die Kundenbetreuung über eine "Hotline" beim Vertrieb technisch komplexer Erzeugnisse.

  • Angaben über den Preis sowie die Bedingungen, unter denen die Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG).

  • Unwahre oder zur Irreführung geeignete Angaben, welche die Person und die geschäftlichen Verhältnisse des Unternehmers betreffen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG).

  • Die Verwendung von Aussagen und Symbolen, die entweder mit direktem oder indirektem Sponsoring zu tun haben oder auf eine Zulassung des Unternehmers oder seiner Waren oder Dienstleistungen hinweisen (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 UWG): Mit der Vorschrift wird Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c RL 2005/29 umgesetzt.

  • Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 UWG):

    § 5 Abs. 1 Nr. 5 UWG übernimmt die Regelung aus Art. 6 Abs. 1 Buchstabe e RL 2005/29 der Richtlinie.

    Einzelne geschäftliche Handlungen, durch die der unrichtige Eindruck vermittelt wird, eine bestimmte Leistung oder Reparatur sei notwendig, sind zwar ggf. auch unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Verbrauchern nach § 4 Nr. 2 UWG als unlauter anzusehen. Aber bei § 4 Nr. 2 UWG steht der Schutz besonders schutzwürdiger Verbraucher - wie etwa der Minderjährigen - im Vordergrund, während diese Vorschrift für alle Adressaten von geschäftlichen Handlungen gilt.

  • Unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über die Einhaltung eines Verhaltenskodexes durch den Unternehmer (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 UWG).

  • Unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte bei Leistungsstörungen, insbesondere Rechte aus Garantieversprechen und Gewährleistungsrechte (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG):

    Die Vorschrift setzt Art. 6 Abs. 1 Buchstabe g RL 2005/29 um.

Eine objektiv unzutreffende Aussage, die blickfangmäßig herausgestellt ist, kann auch ohne Sternchenhinweis durch klarstellende Angaben im weiteren Text aufgeklärt werden, wenn der Verbraucher sich vor einer geschäftlichen Entscheidung mit dem gesamten Text befassen wird (BGH 18.12.2014 - I ZR 129/13).

6. Irreführung durch Unterlassen

§ 5a Abs. 1 UWG bestimmt, wann das Verschweigen einer Tatsache als Irreführung anzusehen ist.

Dabei wurde das vormalige Merkmal "Bedeutung für die Entscheidung zum Vertragsschluss" im Hinblick auf die Erstreckung der Regelung auf nachvertragliche geschäftliche Handlungen durch das Tatbestandsmerkmal "Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung" ersetzt.

§ 5a Abs. 2 bis 4 UWG enthält Spezialtatbestände, bei denen das Verschweigen einer Tatsache als unlautere Geschäftshandlung anzusehen ist.

7. Rechtsfolgen

Zivilrechtliche Rechtsfolgen irreführender Werbung sind bei Vorliegen der Voraussetzungen:

 Siehe auch 

Aggressive geschäftliche Handlungen

Preisangabe

Unlautere geschäftliche Handlungen

Unlauterer Wettbewerb

Unlauterer Wettbewerb - Abmahnung

Unlauterer Wettbewerb - Unzumutbare Belästigung

Werbung - Haftung

Werbung - Strafbarkeit

Werbung - vergleichende

Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs

BGH 11.03.2010 - I ZR 123/08 (Preisangaben in Preissuchmaschinen)

BGH 02.10.2003 - I ZR 252/01 (Erheblicher Teil der durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher als Maßstab)

Ahrens: Der Wettbewerbsprozess. Handbuch; 9. Auflage 2021

Alt: Unterlassungsansprüche bei irreführender Werbung; Zeitschrift für die Anwaltspraxis - ZAP 2002, 1069