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GWB - Fusionskontrolle

 Normen 

§§ 35 - 43a GWB

BT-Drs. 19/23492 (zu den im Januar 2021 in Kraft getretenen Änderungen des GWB)

VO 139/2004

 Information 

1. Einführung

Durch die kartellrechtliche Fusionskontrolle soll eine Marktstruktur erhalten werden, die Wettbewerb ermöglicht.

Die europäische Fusionskontrolle ist in der VO 139/2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen geregelt. Sie betrifft Zusammenschlüsse mit gemeinschaftsweiter Bedeutung. Die Beurteilung einer gemeinschaftsweiten Bedeutung orientiert sich an den Umsätzen der beteiligten Unternehmen. Die verschiedenen Umsatzgrenzen sind dabei in Art. 1 Abs. 2 und 3 VO 139/2004 aufgeführt. Über die Zulässigkeit von Zusammenschlüssen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung entscheidet die Europäische Kommission.

Die nur den nationalen Vorschriften unterliegende Fusionskontrolle (Zusammenschlusskontrolle) ist in den §§ 35 - 43 GWB geregelt. Zuständig ist das Bundeskartellamt.

2. Zusammenschlusskontrolle

2.1 Allgemein

Nicht alle Zusammenschlüsse von Unternehmen werden von der vorherigen Zusammenschlusskontrolle erfasst. Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle sind gemäß § 35 Abs. 1 GWB anwendbar, wenn in dem letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio Euro erzielt haben und mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 50 Mio Euro erzielt hat. Ausnahmen hiervon sind in § 35 Abs. 2 GWB festgelegt.

Das Bundeskartellamt untersagt gemäß § 36 GWB einen Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass der Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt. Der Begriff der Marktbeherrschung ist in § 18 Abs. 1 GWB definiert.

Hinweis:

§ 36 GWB ist an das materielle Untersagungskriterium der europäischen Fusionskontrolle (significant impediment to effective competition, sogenannter SIEC-Test) angeglichen. Seither ist die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung nach der FKVO das Regelbeispiel für die Generalklausel der "erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs". Der SIEC-Test ist mittlerweile in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union das häufigste materielle Prüfkriterium.

Erfasste Zusammenschlüsse:

Als Zusammenschlusstatbestände kommen Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung, Anteilserwerb, Gründung von Gemeinschaftsunternehmen, Abschluss von Unternehmensverträgen, personelle Verbindungen oder die Begründung eines beherrschenden Einflusses auf ein anderes Unternehmen in Betracht.

In der Praxis treten Entwicklungen auf, bei denen Unternehmen fusionskontrollfrei eine flächendeckende Marktkonzentration durch sukzessive Erwerbsvorgänge aufbauen:

Zwei oder mehr Teilerwerbe, die innerhalb von zwei Jahren zwischen denselben Personen oder Unternehmen getätigt werden, werden gemäß § 38 GWB als ein einziger Zusammenschluss behandelt, wenn dadurch erstmals die Umsatzschwellen des § 35 GWB erreicht werden. Problematisch waren jedoch darüber hinaus Fälle, in denen ein Unternehmen mehrere Erwerbsvorgänge auf den gleichen sachlich relevanten Märkten durchführt und bei denen auf Veräußererseite unterschiedliche Personen oder Unternehmen stehen. Handelt es sich um voneinander unabhängige Zusammenschlüsse, so kann etwa die zweite Inlandsumsatzschwelle mehrfach in Anspruch genommen werden.

Mit dem neuen § 39a Abs. 1 GWB wird ein Aufgreifinstrument eingeführt, das dem Bundeskartellamt ein Tätigwerden ermöglicht, bevor in bestimmten Märkten eine marktbeherrschende Stellung großer Unternehmen entsteht. Das Bundeskartellamt kann danach Unternehmen auffordern auch solche Zusammenschlüsse anzumelden, bei denen das zu erwerbende Unternehmen Umsätze unterhalb der geltenden Inlandsumsatzschwellen aufweist. Die erweiterte Anmeldepflicht bezieht sich auf konkrete, vom Bundeskartellamt zu benennende Wirtschaftszweige.

Bei der Konkretisierung der Wirtschaftszweige kann das Bundeskartellamt auf die Gliederung der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts zurückgreifen (WZ 2008).

2.2 Vermeidung der Untersagung

Die beteiligten Unternehmen können eine Untersagung vermeiden, wenn sie das Vorliegen eines in § 36 S. 2 GWB aufgeführten Sachverhalts nachweisen.

Nach der sog. Bagatellmarktklausel des § 36 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GWB können Zusammenschlüsse dann nicht untersagt werden, wenn die Untersagungsvoraussetzungen auf einem Markt vorliegen, auf dem im letzten Kalenderjahr weniger als 20 Mio. Euro umgesetzt wurden. Die Regelung soll verhindern, dass ein Zusammenschluss allein wegen einer Wettbewerbsbeeinträchtigung auf einem gesamtwirtschaftlich unbedeutenden Markt untersagt wird. Auf Bagatellmärkten sind typischerweise mittelständische Unternehmen aktiv. Ein Bagatellmarkt kann dann entstehen, wenn infolge von Globalisierung und Digitalisierung in bestimmten traditionellen Branchen der Umsatz deutlich zurückgeht. Der Umsatzrückgang führt mitunter zu einem erheblichen Konsolidierungsdruck auf die in diesen Märkten tätigen mittelständischen Unternehmen. Konsolidierungsschritte sind dabei häufig dem Ziel eines geordneten Marktaustritts geschuldet. Sie können jedoch zu einem erheblichen Anstieg der jeweiligen Marktanteile führen.

2.3 Sicherstellung der Anwendung der Zusammenschlusskontrolle

§ 35 Abs. 1a GWB schließt eine Lücke im System der Fusionskontrolle, damit diese ihre Funktion auch in einer immer dynamischeren Wirtschaftswelt umfassend erfüllen kann. Es muss sichergestellt werden, dass die Fusionskontrolle mit den immer schnelleren wirtschaftlichen Zyklen auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung von Wirtschaft und Gesellschaft Schritt halten kann. Es geht um die wichtige Aufgabe, Innovationen zu schützen und Märkte vor strukturellen Verschließungen zu bewahren. Dafür wird mit dem Kriterium der Gegenleistung für einen Zusammenschluss eine ergänzende, subsidiäre Aufgreifschwelle eingeführt. Sie erlaubt die wettbewerbliche Prüfung von bestimmten Typen von Zusammenschlüssen, bei denen Unternehmen zu einem hohen Preis gekauft werden, aber nur Umsätze unterhalb der geltenden so genannten 2. Inlandsumsatzschwelle von 5 Millionen Euro aufweisen.

3. Verfahren

Die von der Zusammenschlusskontrolle erfassten Unternehmen bzw. der Veräußerer sind gemäß § 39 GWB verpflichtet, den Zusammenschluss bei dem Bundeskartellamt anzumelden.

Für elektronische Anmeldungen von Zusammenschlussvorhaben sind seit Januar 2021 als zusätzliche Möglichkeiten der Empfang über das besondere elektronische Behördenpostfach sowie der Empfang über eine Internetplattform vorgesehen. Es handelt sich um eine abschließende Aufzählung der Kommunikationskanäle, über die elektronische Anmeldungen entgegengenommen werden.

Das Bundeskartellamt muss den Anmeldenden binnen eines Monats nach Eingang der vollständigen Anmeldung mitteilen, dass es in die Prüfung des Zusammenschlussvorhabens eingetreten ist (sog. "Monatsbrief") und kann dann innerhalb von vier Monaten nach Eingang der Anmeldung eine Untersagungsverfügung aussprechen. Vor Ablauf der o.g. Fristen darf der Zusammenschluss nicht vollzogen werden, es sei denn, dass das Bundeskartellamt mitteilt, dass eine Untersagungsverfügung nicht ergehen wird. Gegen die Untersagungsverfügung kann Beschwerde beim Kammergericht in Berlin eingelegt werden.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kann zudem gemäß § 42 GWB auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss erteilen, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (Ministererlaubnis).

4. Auflösung

Falls sich die rechtskräftige Untersagungsverfügung gegen einen vollzogenen Zusammenschluss richtet, ordnet das Bundeskartellamt die Auflösung des Zusammenschlusses an. Die Anzeige des Vollzugs eines Zusammenschlusses sowie wesentliche Anordnungen des Bundeskartellamts werden im Bundesanzeiger bekannt gemacht (Einzelheiten vgl. § 43 GWB).

 Siehe auch 

GWB - Aufnahmezwang

GWB - Boykottverbot

GWB - Fusionskontrolle

GWB - Missbrauchsverbot

GWB - Verbot horizontaler Wettbewerbsbeschränkungen

Kartellrecht

Kartellverbot

Podszun: Die Ministererlaubnis - Einbruch der Politik ins Recht der Wirtschaft; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2016, 617

Berg/Mäsch: Deutsches und Europäisches Kartellrecht, Kommentar; 4. Auflage 2021