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Girovertrag

 Normen 

§ 675c - 676c BGB

VO 260/2012

 Information 

1. Allgemein

Ein Girovertrag ist ein Vertrag zwischen einer Bank und einem Kunden, in dem sich die Bank verpflichtet, den bargeldlosen Zahlungsverkehr des Kunden auszuführen. Zur Durchführung des Girovertrages wird ein Konto eingerichtet, die entstehenden Forderungen werden in der Form des Kontokorrents verrechnet.

Dabei ist der Girovertrag eine Unterform der Vertragsart des Zahlungsdienstevertrags.

2. Kündigung

Das Girokonto kann von dem Kontoinhaber grundsätzlich § 675h Absatz 1 BGB jederzeit ohne die Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Kündigungsfrist ausdrücklich vereinbart wurde. Die Vereinbarung einer Kündigungsfrist von mehr als einem Monat ist unwirksam.

Die Kündigungsfrist für den Zahlungsdienstleister muss gemäß § 675h Absatz 2 BGB bei einem auf unbestimmte Zeit geschlossen Vertrag mindestens zwei Monate betragen.

3. Pfändungsschutz

Es kann ein Kontopfändungsschutz vereinbart werden.

4. Einzugsermächtigungslastschriftverfahren

4.1 Allgemein

Zur Durchführung des Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens erteilt der Kontoinhaber der Bank eine generelle Ermächtigung, von ihm bestimmte Forderungen in der Form des Lastschriftverfahrens einziehen zu können. Der Kontoinhaber kann einer daraufhin konkret ausgeführten Kontobelastung bis zu acht Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses widersprechen.

Als Ausführungsfrist für Zahlungsvorgänge im Rahmen einer Lastschrift bestimmt § 675s Absatz 2 BGB, dass der Zahlungsauftrag so rechtzeitig zu übermitteln ist, dass die Verrechnung an dem vom Zahlungsempfänger mitgeteilten Fälligkeitstag ermöglicht wird.

Nach den von der Deutschen Kreditwirtschaft erlassenen Lastschriftbedingungen der deutschen Kreditwirtschaft (integriert in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken) besteht die Möglichkeit, durch Änderung der Einzugsermächtigungslastschriftbedingungen mit dem Zahler eine Vorautorisierung der Zahlungen zu vereinbaren. Danach erhält eine vom Zahler erteilte Einzugsermächtigung die Bedeutung einer gleichzeitigen Weisung an die Zahlstelle, die vom Zahlungsempfänger auf das Konto des Zahlers gezogenen Lastschriften einzulösen.

Hinweis:

Die zuvor in Literatur und Rechtsprechung (u.a. BGH 23.11.2010 - XI ZR 370/08) vertretene Genehmigungstheorie wurde insofern durch die nunmehr geltende Einwilligungstheorie aufgegeben.

4.2 SEPA-Lastschriftverfahren

Verpflichtend sind alle Überweisungen und Lastschriften als SEPA-Überweisung bzw- SEPA-Lastschrift geführt. Rechtsgrundlage der Umstellung ist die VO 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro vom 14.03.2012.

Eine mittels dem SEPA-Lastschriftverfahren eingegangene Zahlung ist insolvenzfest (BGH 20.07.2010 - XI ZR 236/07).

4.3 Bankgebühren für die Nichteinlösung von Lastschriften

Die Kreditinstitute haben in der Vergangenheit auf verschiedenen Wegen versucht, ihre Bankkunden mit einer Gebühr für eine mangelnde Kontodeckung bei der Einlösung einer Lastschrift zu belasten. Mittlerweile sind alle Formen vom Bundesgerichtshof für unzulässig erklärt worden:

In dem Urteil BGH 21.10.1997 - XI ZR 296/96 entschied der BGH, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Zahlung eines Entgelts unzulässig sei. Im Folgenden versuchten die Banken, sich die Gebühr für die Mitteilung der Nichtausführung der Lastschrift bzw. als Schadensersatzanspruch für die mangelnde Kontodeckung zu holen. Auch diese Formen wurden vom BGH für unzulässig erklärt, letztere in dem Urteil BGH 08.03.2005 - XI ZR 154/04. Gemäß den Urteilsausführungen hat der Bankkunde gegenüber der kontoführenden Bank nicht die Pflicht, für eine ausreichende Deckung des Girokontos zu sorgen.

5. Weisungen der Bankzentrale

In dem Urteil BGH 08.03.2005 - XI ZR 154/04 wurde die Frage entschieden, ob bundesweit einheitliche Weisungen in internen Rundschreiben der Bankzentrale an nachgeordnete Geschäftsstellen einer Überprüfung durch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugänglich sind. Nach der Ansicht der Richter ist diese Frage zu bejahen. Zwar handele es sich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, aber das Verhalten der Bank stelle einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB dar.

6. Girokonto für Jedermann

Siehe insofern den Beitrag "Basiskonto".

7. Gebühren für das Nacherstellen von Kontoauszügen

Die Bestimmung in dem Preis- und Leistungsverzeichnis einer Bank "Nacherstellung von Kontoauszügen Pro Auszug 15,00 EUR" ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 675d Abs. 3 S. 2 BGB gegenüber Verbrauchern unwirksam, wenn das Entgelt nicht an den tatsächlichen Kosten der Bank ausgerichtet ist, weil bei der Nacherstellung von Kontoauszügen für eine ohne Weiteres unterscheidbare, große Gruppe von Zahlungsdienstnutzern deutlich geringere Kosten entstehen (BGH 17.12.2013 - XI ZR 66/13).

8. Gebühren für eine Kontoüberziehung

"Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kreditinstituts, nach denen für geduldete Überziehungen eines Girokontos Kosten in Höhe von 6,90 € pro Rechnungsabschluss zum Ende eines Kalenderquartals anfallen, (...) sind im Bankverkehr mit Verbrauchern (...) unwirksam." (BGH 25.10.2016 - XI ZR 9/15).

9. Erlöschen bei Insolvenzeröffnung

Der Girovertrag erlischt gemäß §§ 115, 116 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH 21.02.2019 - IX ZR 246/17):

"Eine Weiterführung des Kontos nach Insolvenzeröffnung ist nur im Rahmen eines neuen Girovertrags möglich; dieser kann auch konkludent geschlossen werden durch beiderseitige Fortführung der Geschäftsbeziehung (...). Erforderlich ist ein Verhalten der Parteien, aus dem sich der rechtsgeschäftliche Wille entnehmen lässt, den erloschenen Zahlungsdiensterahmenvertrag erneut abzuschließen."

 Siehe auch 

Auftrag

Bargeldloser Zahlungsverkehr - Haftung

Gemeinschaftliche Bankkonten

Kontokorrent

Überweisung

Assies/Beule/Heise/Strube: Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht; 5. Auflage 2019

Berger: Das Lastschriftverfahren im Spannungsverhältnis zwischen Bank- und Insolvenzrecht; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2009, 473

Geschwandtner/Bornemann: Girokonto für Jedermann; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2007 1253

Laitenberger: Das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren nach Umsetzung der Richtlinie im Binnemarkt; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2010, 192

Omlor: Die neue Einzugsermächtigungslastschrift - Von der Genehmigungs- zur Einwilligungstheorie; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, 2150

Schwintowsky: Bankrecht; 5. Auflage 2018

Tetzlaff: Schadensersatzklagen der Lastschriftgläubiger gegen die Schuldnerbank; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2011, 974

Laitenberger: Das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren nach Umsetzung der Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2010, 192