Genehmigungsfiktion
Art. 13 Abs. 4 RL 2006/123
1 Allgemein
Allgemeine Rechtsgrundlage der Genehmigungsfiktion ist § 42a VwVfG. Daneben sind in einigen Fachgesetzen Genehmigungsfiktionen geregelt (z.B. § 6a GewO, § 6 Absatz 4 Satz 1 BauGB).
§ 42a VwVfG legt allgemeine Grundsätze fest, regelt aber nicht, bei welchen Genehmigungsverfahren eine Genehmigungsfiktion gelten soll. Dies bleibt dem besonderen Verwaltungsrecht vorbehalten. Dort kann durch Verweis - gegebenenfalls verbunden mit abweichenden Maßgaben, etwa zur Entscheidungsfrist - auf die Vorschriften die Geltung der Genehmigungsfiktion angeordnet werden. Die Regelung im Verwaltungsverfahrensgesetz bietet aber zugleich ein vollständiges Regelungskonzept, sodass Maßgabevorschriften auf fachspezifische Besonderheiten beschränkt bleiben können.
§ 42a Abs. 1 VwVfG enthält die Begriffsbestimmung der Genehmigungsfiktion im Sinne der Fiktion eines beantragten begünstigenden Verwaltungsaktes durch Ablauf einer zuvor festgelegten Frist. Voraussetzung für den Eintritt der Fiktion ist ein hinreichend bestimmter Antrag. Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen. Die Regelung gilt nur, soweit dies durch Rechtsvorschrift ausdrücklich angeordnet ist.
Voraussetzung für den Eintritt der Fiktion ist das Fehlen einer Entscheidung innerhalb der dafür festgelegten Frist. Die Genehmigungsfiktion tritt dann mit Fristablauf ein. Der Fristablauf ersetzt auch die wirksame Bekanntgabe des fingierten Verwaltungsaktes. Im Übrigen entfaltet die Genehmigungsfiktion die gleiche Wirkung wie ein entsprechender ordnungsgemäß zustande gekommener und bekannt gegebener Verwaltungsakt.
Nicht fingiert wird aber dessen Rechtmäßigkeit. Somit gelten die Regelungen über Nichtigkeit, Rücknahme, Widerruf oder Erledigung eines Verwaltungsaktes entsprechend. Das Fehlen einer Entscheidung allein rechtfertigt regelmäßig Rücknahme und Widerruf der fingierten Genehmigung nicht, da die Regelung sonst weitgehend leerliefe. Bei der Ermessensausübung ist das schutzwürdige Interesse des Begünstigten am Fortbestand der Genehmigung besonders zu berücksichtigen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann gebieten, die fingierte Genehmigung nachträglich mit einschränkenden Nebenbestimmungen zu versehen, statt sie aufzuheben. Die fingierte Genehmigung kann auch nur nachträglich und nur so weit mit Nebenbestimmungen versehen werden, wie dies bei einem entsprechenden Verwaltungsakt nach materiellem Recht nachträglich zulässig wäre.
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/10493) sind auch die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes zum Rechtsbehelfsverfahren entsprechend auf die fingierte Genehmigung anzuwenden. Auch insoweit wird die fingierte Genehmigung wie ein ordnungsgemäß zustande gekommener und bekannt gegebenerVerwaltungsakt behandelt und kann mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden.
Der Gesetzgeber hat gemäß § 42a Abs. 2 VwVfG für das Genehmigungsverfahren eine Regelentscheidungsfrist von drei Monaten festgelegt. Ist diese Regelentscheidungsfrist zu lang oder zu kurz, können im Fachrecht abweichende Bearbeitungsfristen geregelt werden. Das Fachrecht kann die Entscheidungsfristen durch Rechtsvorschrift festlegen. Es kann sie aber auch durch aufgrund entsprechender Rechtsvorschriften erlassene behördliche Fristenpläne regeln, wenn deren Geltung verbindlich angeordnet ist und sie vorab öffentlich bekannt gemacht wurden.
Die tatsächlich zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit wird durch die Zugangsfiktion nach § 41 Abs. 2 VwVfG verkürzt, da eine ablehnende Entscheidung entsprechend früher abgesandt werden müsste.
Ist der Verwaltungsakt im Ausland bekannt zu geben, führt dies im Anwendungsbereich der Vorschriften über das Verfahren über eine einheitliche Stelle dazu, dass bei Versendung per Post durch die in § 71b Abs. 6 VwVfG geregelte Bekanntgabefiktion die Bearbeitungszeit effektiv um einen Monat verkürzt wird. Dies ist bei der Bemessung der dem jeweiligen Genehmigungsverfahren angemessenen Frist zu berücksichtigen.
Gemäß § 42a Abs. 3 VwVfG ist auf Verlangen demjenigen, dem der Verwaltungsakt hätte bekannt gegebenen werden müssen, der Eintritt der Genehmigungsfiktion schriftlich zu bescheinigen.
Die Genehmigungsfiktion entspricht zwar grundsätzlich in ihrer Wirkung einem ordnungsgemäß zustande gekommenen und bekannt gegebenenVerwaltungsakt. Der Begünstigte hat aber kein Dokument in den Händen, mit dem er die fingierte Genehmigung belegen kann. Auch ein Drittbetroffener oder anderer Beteiligter kann ein Interesse an einer schriftlichen Bestätigung der fingierten Genehmigung haben. Die Vorschrift gewährt deshalb nicht nur dem Begünstigten, sondern auch allen, denen der entsprechende Verwaltungsakt bekannt zu geben wäre, einen Anspruch gegen die Behörde auf schriftliche Bescheinigung, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten ist. Der Empfang der Bescheinigung markiert zugleich den spätesten Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Genehmigungsfiktion für die Frage der Zulässigkeit der Anfechtung.
2 Genehmigungsfiktion im Rahmen der Dienstleistungs-Richtlinie
Die Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistung im Rahmen einer Niederlassung kann bei Vorliegen der Voraussetzungen von einer Genehmigung abhängig gemacht werden.
Die Vorgaben für das sich daraus ergebende Genehmigungsverfahren sind in Art. 13 RL 2006/123 niedergelegt. Sie gehören zu den Vorschriften der Dienstleistungs-RichtlinieRL 2006/123, die nur die Niederlassungsfreiheit betreffen.
Das Genehmigungsverfahren muss gemäß Art. 13 Abs. 3 RL 2006/123 innerhalb einer von dem betreffenden Mitgliedstaat zuvor festgelegten Frist durchgeführt werden, wobei die Frist einmal verlängert werden kann.
Die Folge einer nicht fristgemäßen Erledigung ist gemäß Art. 13 Abs. 4 RL 2006/123 die Genehmigungsfiktion. Die europäischen Vorgaben des Art. 13 Abs. 4 RL 2006/123 sind mit § 42a VwVfG in das deutsche Recht umgesetzt worden.