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Gemeinschaftliches Testament

 Normen 

§§ 2265 - 2272 BGB

§ 10 Abs. 4 LPartG

 Information 

1. Allgemein

Gemeinsame letztwillige Verfügung zwischen Eheleuten / Lebenspartnern.

Das Gemeinschaftliche Testament ist eine besondere Form zweier Einzelverfügungen von Todes wegen zwischen Eheleuten / Lebenspartnern, für die bei der Errichtung Formerleichterungen bestehen. Ein zwischen Verlobten errichtetes Gemeinschaftliches Testament wird auch durch die spätere Eheschließung nicht wirksam.

Das Gemeinschaftliche Testament ist kein Erbvertrag. Eine besondere Form des Gemeinschaftlichen Testaments ist das Berliner Testament.

2. Formen

Das Gemeinschaftliche Testament kann sowohl als öffentliches Testament (d.h. durch einen Notar) als auch als privates Testament errichtet werden.

Das private Testament wird eigenhändig von beiden Ehegatten verfasst. Ausreichend ist es dabei, wenn ein Ehegatte eine für beide geltende Verfügung verfasst und der andere sie unterschreibt.

3. Voraussetzungen

Keine Voraussetzungen sind, dass die in dem Gemeinschaftlichen Testament enthaltenen letztwilligen Verfügungen zeitgleich von den Eheleuten/Lebenspartnern verfasst wurden oder dass die Verfügungen in einer Urkunde enthalten sind:

"Auch zwei getrennte, äußerlich nicht miteinander verbundene Einzeltestamente können eine einzige Urkunde im Rechtssinne darstellen und ein gemeinschaftliches Testament bilden, wenn ihr innerer Bezug auf andere Weise eindeutig ist. Ein Zerschneiden der ursprünglich unzerteilten Urkunde stellt nicht notwendig einen Widerruf dar" (OLG Schleswig 28.05.2018 - 3 Wx 70/17).

4. Verfügungen

4.1 Wechselbezügliche / einseitige Verfügungen

Bei den in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen muss zwischen einseitigen und wechselbezüglichen Verfügungen unterschieden werden:

Wechselbezüglich (wechselseitig) sind Verfügungen, die ein Ehegatte / Lebenspartner nur aufgrund der Verfügungen des anderen Ehegatten/Lebenspartners getroffen hat.

Als wechselbezügliche Verfügungen kommen gemäß § 2270 BGB nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen in Betracht.

Ob Wechselbezüglichkeit vorliegt, ist nicht generell zu bestimmen, sondern muss für jede einzelne Verfügung gesondert geprüft und bejaht werden.

Rechtsprechung:

"Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung der Wechselbezüglichkeit, muss nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede Verfügung gesondert ermittelt werden, ob sie wechselbezüglich ist oder nicht (...).

Führt die Ermittlung des Erblasserwillens weder zur gegenseitigen Abhängigkeit noch zur gegenseitigen Unabhängigkeit der beidseitigen Verfügung, ist (...) im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zu Gunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Diese Auslegungsregel ist allerdings erst dann heranzuziehen, wenn nach Überprüfung aller inner- und außerhalb des Testaments liegenden Umstände verbleibende Zweifel am Erblasserwillen nicht zu beseitigen sind" (OLG Düsseldorf 11.04.2022 - 3 Wx 82/21).

4.2 Formulierung "bei gleichzeitigem Versterben"

Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament sich einander gegenseitig zu Erben eingesetzt, ohne einen Schlusserben zu bestimmen, was regelmäßig dafür spricht, dass der Überlebende über das Gesamtvermögen auch von Todes wegen frei sollte verfügen können, so kann die Anordnung "Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben, so erbt..." auch den Fall erfassen, dass der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist (OLG Düsseldorf 01.07.2015 - I-3 Wx 193/14, OLG München 24.10.2013 - 31 Wx 139/13).

Rechtslage bei einem Versterben mit zeitlichem Abstand (BGH 19.06.2019 - IV ZB 30/18):

"Die obergerichtliche Rechtsprechung, der sich der Senat anschließe, lege die Formulierung "bei gleichzeitigem Ableben" oder "bei gleichzeitigem Versterben" dahingehend aus, dass hiervon auch die Fälle erfasst werden sollten, in welchen die Ehegatten innerhalb eines kurzen Zeitraums nacheinander verstürben und der Überlebende in dieser Zeitspanne daran gehindert sei, ein neues Testament zu errichten. Eine für den Fall des gleichzeitigen Versterbens getroffene Erbeinsetzung gelte aber grundsätzlich nicht für den hier vorliegenden Fall, dass die Ehegatten nacheinander in erheblichem zeitlichen Abstand verstürben. Eine Ausnahme von den oben ausgeführten Grundsätzen könne nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden könne, dass die Testierenden den Begriff des "gleichzeitigen Ablebens" entgegen dem Wortsinn dahingehend verstanden hätten, dass er auch das Versterben in erheblichem zeitlichen Abstand umfassen solle, und wenn sich darüber hinaus eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen finde."

5. Bindung

Die in einem Gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen sind bindend, wenn sie wechselbezüglich sind. Die Bindung beginnt mit dem Tod des Erstversterbenden.

Setzen sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testamten gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen anschließend - vor der nachfolgenden Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder -, der Längstlebende solle "über den beiderseitigen Nachlass frei verfügen können", spricht angesichts des nicht eindeutigen Wortlauts und fehlender Anhaltspunkte außerhalb des Testamentes jedenfalls die systematische Stellung dieses Satzes im Gefüge des Testamentes dafür, dass nur eine lebzeitige Verfügungsfreiheit gemeint ist und dem Längstlebenden nicht das Recht eingeräumt werden soll, die wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung zu ändern (OLG Schleswig 27.01.2014 - 3 Wx 75/13).

Vorher sind wechselbezügliche Verfügungen gemäß § 2271 BGB frei widerruflich, wenn der Widerruf in einer notariellen Erklärung gegenüber dem anderen Ehegatten/Lebenspartner erfolgt.

Einseitige Verfügungen sind auch nach dem Tod des Erstversterbenden frei widerruflich.

Die Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen des erstversterbenden Ehegatten durch einen Dritten wird nicht in entsprechender Anwendung von § 2285 BGB beschränkt (BGH 25.05.2016 - IV ZR 205/15).

Der Überlebende kann die Bindung des Gemeinschaftlichen Testaments beseitigen, wenn er die Erbschaft ausschlägt. Die Bindungswirkung entfällt gemäß § 2271 Abs. 2 BGB, wenn der Bedachte sich einer Verfehlung schuldig gemacht hat, die zur Pflichtteilsentziehung führen würde.

Hinweis:

Zu den Voraussetzungen der Rückforderung des Erben von Schenkungen des Erblassers an einen Dritten siehe den Beitrag "Erbrecht - beeinträchtigende Schenkungen".

6. Auswirkungen der Scheidung der Ehe / Aufhebung der Lebenspartnerschaft auf die Verfügung

6.1 Allgemein

Das gemeinschaftliche Testament wird gemäß § 2077 i.V.m. § 2268 BGB grundsätzlich in den folgenden Fällen unwirksam:

  • wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wurde

  • wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte

  • wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte.

6.2 Wirksamkeit mangels eindeutiger Formulierung

Die Verfügung ist gemäß § 2077 BGB, § 2268 Abs.2 BGB nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde. Abzustellen ist einzig und allein auf den Willen der Eheleute im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. § 2268 BGB eröffnet eine Auslegung des Testaments.

Daher sollte zur Vermeidung von Zweifelsfällen in das Gemeinschaftliche Testament unbedingt eine Formulierung aufgenommen werden, dass die Gültigkeit der Vereinbarung den Bestand und die Wirksamkeit der Ehe voraussetzt.

Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament hingegen festgelegt, dass die Regelungen auch im Falle einer Scheidung Geltung behalten sollen, so kann der überlebende Ehegatte durch die zweite Ehefrau des Erblassers nach Wiederverheiratung wirksam angefochten werden (OLG Hamm 28.10.2014 - 15 W 14/14).

6.3 Kein Wiederaufleben des Testaments bei Wiederheirat derselben Eheleute

Das gemeinschaftliche Testament geschiedener Ehegatten lebt mit ihrer Wiederverheiratung nicht wieder auf (OLG Hamm 26.08.2010 - I-15 Wx 317/09; OLG Düsseldorf 10.03.2017 - I-3 Wx 186/16).

 Siehe auch 

Behindertentestament

Berliner Testament

Erbfolge

Erbrecht des Ehegatten

Erbschaftsteuer

Erbvertrag

Ersatzerbe

Nacherbe

Pflichtteil

Testament

Testamentsvollstrecker

Vorerbe

BGH 20.11.2013 - IV ZR 54/13 (Herausgabe des Geschenks bei einer beeinträchtigenden Schenkung)

BGH 07.07.2004 - IV ZR 187/03 (Wechselbezügliche Verfügungen nach Scheidung)

BGH 07.10.1992 - IV ZR 160/91 (Auslegung eines Gemeinschaftlichen Testaments

BVerfG 26.04.1989 - 1 BvR 512/89 (Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung auf Ehegatten)

Wendt: Gemeinschaftliches Testament. Wechselbezüglichkeit und juristische Personen als Schlusserben. Zugleich Anmerkung zu OLG München, B. v. 07.12.2017 - 31 Wx 337/17; Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis - ErbR 2018, 194